Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

„Für eine Schule bzw. zwei oder drei Grundschulen, selbst wenn diese fünf, sechs oder sieben Kilometer von einander entfernt liegen, sollte es die Möglichkeit geben, mit einer Ober- oder Gesamtschule zu fusionieren.“

Herr Baaske, der von Ihnen angepriesene Vorteil der unkompli zierten Lehrervertretung sieht dann in der Praxis wohl so aus: Grundschullehrerin A aus der Schule X zuckelt nach der ersten Stunde mit ihrem privaten Pkw, da öffentliche Verkehrsmittel wohl nicht existieren, zur Schule Y, um in der dortigen Ge samtschule eine Vertretungsstunde in der 10. Klasse für die er krankte Lehrerin B abzuleisten. - Eine Superidee! Damit wer den wir unsere hinteren Plätze in den Schulvergleichstests sicherlich gemeinsam mit Berlin halten können oder gar noch mit Berlin tauschen.

Wissen Sie was? Wenn Sie reformieren wollen, dann erlösen Sie uns von solchen Konzepten, die Kinder nur als lästige Kos tenfaktoren in der Bildungspolitik verstehen. Denn genau das ist, wie Sie, Frau Abgeordnete Große, so schön sagten, im letz ten Jahrhundert steckengeblieben. - Danke schön.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Ab geordnete von Halem.

Bei dem letzten Beitrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle gen, liebe Gäste, hatte ich den Eindruck, dass wir über unter schiedliche Themen sprechen. Ich habe nicht so richtig ver standen, wovon Sie eigentlich reden.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Lachen und Zurufe von der AfD: Das glauben wir Ihnen!)

Bei den anderen Beiträgen hatte ich den Eindruck, dass wir zu mindest das gleiche Thema zugrunde legen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Mein Eindruck war, dass das, was die Landesregierung hier vorlegt, nicht der große Wurf ist, sondern eher ein Beispiel da für, wie man mit vielen wohlformulierten Sätzen überdecken kann, dass man nicht viel Neues zu sagen hat. Daher hatte ich mir eigentlich einen Einstieg nach dem Motto „Der Kaiser ist nackt“, frei nach Hans Christian Andersen, überlegt. Da gibt es also nichts Neues. Aber der Scheinriese Tur Tur, den ich auch sehr liebe, werter Gordon Hoffmann, ist eigentlich nicht zu toppen. Das wollte ich an dieser Stelle einmal sagen.

„Konzept zur Stärkung von Schulzentren“ heißt das neue Kleid. Das ist nichts Neues, denn es gibt bereits 36 solcher Schulzentren. Dennoch steht in diesem Papier auch sehr viel Gutes, beispielsweise das kommunale Infrastrukturprogramm. Dieses kann man in jedem Fall sinnvoll einsetzen. Darin sind ungefähr 80 Millionen Euro enthalten: für mehr Barrierefrei heit, für die Umsetzung von Ganztagskonzepten, aber natürlich auch gern für Schulzentren.

Wir begrüßen ebenfalls, dass für die geplanten Zusammenle gungen einer Grund- mit einer Ober- oder Gesamtschule in Zukunft mehr Anrechnungsstunden zur Verfügung stehen. Ich freue mich auch, Herr Baaske - ich habe genau mitgeschrieben, was Sie gesagt haben -, dass Sie berichten konnten, wie viele Lehrerwochenstunden das eigentlich sind. In dem Konzept ist davon überhaupt nichts zu finden.

Auch die wissenschaftliche Begleitung, von der Sie gesprochen haben, ist positiv. Besonders schön ist, dass die wissenschaft liche Begleitung, so wie sie jetzt geplant ist, den Schulen tat sächlich nützen soll, im Gegensatz zu dem PinG-Projekt, in dem die wissenschaftliche Begleitung eher der Wissenschaft und vielleicht ein wenig der Politik genutzt hat, aber den Schu len nicht so sehr, worüber diese sehr enttäuscht waren.

Dass in den schulstufenübergreifenden Einrichtungen, die wir jetzt haben, ein Kollegium die Primar- und die Sekundarstufe betreut, ist ein pädagogisch guter Ansatz. Auf die Frage, was sich mit diesem Konzept im Vergleich zu vorher wirklich ändert, gibt es allerdings nur eine magere Antwort. Lediglich die wissenschaftliche Begleitung sowie ein paar Lehrer wochenstunden mehr sind wirklich neu.

Damit ist für ein längeres gemeinsames Lernen noch nicht wirklich viel gewonnen, denn hier geht es vor allem um eine räumliche und organisatorische Zusammenlegung. Die Schüle rinnen und Schüler lernen in denselben Klassen wie vorher, nur die Kontinuität beim Übergang von den Grundschulen auf die weiterführenden Schulen wird etwas größer. Aber das vielge priesene gemeinsame Lernen, worüber wir hier immer wieder diskutieren, ist mehr als nur die Tatsache, dass wir in Klassen verbänden lernen und in diesem Land keinen Einzelunterricht haben. Das ist nicht das, wo wir eigentlich hinwollten. Es sind die gleichen Klassenverbände wie vorher, nur gibt es etwas mehr Kontinuität beim Übergang in die Sekundarstufe I.

Insofern ist mir noch nicht ganz klar, wo da so viel gemeinsa mes Lernen vorhanden sein soll. Lediglich die Lehrkräfte ha ben in Zukunft ein gemeinsames Kollegium, und diese lernen vielleicht ein wenig mehr gemeinsam, als es zuvor üblich war.

Für einen wirklichen pädagogischen Gewinn brauchen wir mehr. Wir haben zum Beispiel im Frühjahr dieses Jahres über die Qualität von Ganztagsschulen diskutiert. Anlass war, dass mehreren Primarschulen verweigert wurde, Ganztagsangebote vorzuhalten. Damals hat Herr Baaske ein Konzept angekün digt: Qualitätskriterien für den Ganztag. - Ich würde gern hö ren, was aus diesen Qualitätskriterien geworden ist.

Abgesehen davon gibt es noch zwei große Knackpunkte. Ers tens soll mehr Durchlässigkeit erreicht werden. Aber bei der Durchlässigkeit geht es vor allem um die unterschiedlichen Schulformen im Sekundarbereich. Da wäre es doch sinnvoll gewesen, das Gymnasium als Möglichkeit in diese Konzepte einzubeziehen.

Das leitet zum zweiten großen Knackpunkt über: An der ei gentlichen Herausforderung, nämlich der demografischen Ver änderung, haben Sie völlig vorbeigedacht. Was ist denn mit der Empfehlung der Demografie-Kommission, organisatorische Zusammenschlüsse mehrerer Grundschulen zu erproben? Ka thrin Dannenberg, du hast es gesagt, aber in dem Konzept steht davon nichts. Im Antrag vom Dezember 2015, der diesem Konzept zugrunde liegt, steht:

„Kleine Grundschulstandorte sollen mit flexiblen Model len erhalten und mit Filialstandorten gesichert werden.“

Dazu steht in dem vorgelegten Konzept kein einziges Wort. Das wäre doch jetzt genau der richtige Zeitpunkt gewesen, das aufzugreifen und damit anzufangen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Was Sie hier machen, ist kein schlechtes Konzept, das kann man alles machen. Trotzdem geht es an den Herausforderun gen vorbei. Man hat ein bisschen das Gefühl: Das Haus muss umgebaut werden, und Sie streichen schon einmal die Fenster läden. - Viel gewinnt man damit nicht. Es beruhigt die CDU, die die Einheitsschule nicht mehr fürchten muss. Aber für die Linke, die sich deutliche Schritte zu mehr Gemeinschaftsschu le ins Programm geschrieben hatte, ist es keine Heldentat.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, schade. - Man kann das alles so machen, wie Sie das pla nen. Man gewinnt nicht viel, aber man kann das so zur Kennt nis nehmen und gleich morgen weitermachen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht noch einmal Minister Baaske. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Königer hat wieder seine übliche Politik der Angstmacherei betrieben.

(Lachen und Zurufe von der AfD)

Was soll der Quatsch, den kleinen Grundschulen Angst zu ma chen, sie würden in Zukunft geschlossen werden, weil wir ein Konzept für Schulzentren vorlegen?

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Wir haben doch eindeutig gesagt: Diese Zusammenschlüsse gibt es nur auf freiwilliger Basis.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Welche Schulkonferenz würde beschließen, dass sich die Schu le mit einer anderen zusammentut, um sich danach in Nichts aufzulösen? Das ist doch totaler Quatsch!

Ich bin sehr froh, dass Sie nicht Teil einer Schulleitung sind. Wenn Sie Schulstunden vertreten lassen würden, entstünde das totale Chaos hier in Brandenburg.

(Königer [AfD]: Noch schlimmer kann es ja nicht wer den!)

Frau von Halem, Sie haben gefragt, was jetzt anders sei. Natür lich ist eine ganze Menge schon jetzt festgelegt, zum Beispiel, dass die Primarstufe bezüglich Gleichberechtigung mehr ge stärkt werden muss, als es bisher der Fall war. Wenn wir uns heute Schulzentren ansehen, merken wir, dass das ein echtes Problem ist - ich habe das vorhin schon gesagt -, weil der Schulleiter in der Regel aus der Sekundarstufe kommt und die Belange der Primarstufe nicht sieht. Darum haben wir gesagt: Wir brauchen hier eine Begleitung, wir brauchen mehr Abmin derungsstunden, sodass sich der Leiter auch um die Primarstu fe kümmern kann und sie nicht das fünfte Rad am Wagen ist.

Auch eine eindeutige Verpflichtung zu einem einheitlichen Schulprogramm ist enthalten. Derzeit ist es leider noch nicht so, dass die Programme von einem Kollegium unter einer Schulleitung, unter einer Schule verstanden werden. Darum haben wir gesagt: Es muss aber so sein, dass hier ein toller Übergang stattfindet, die Kids eigentlich gar nicht merken, wenn sie von der 6. in die 7. Klasse übergehen, es sei denn, sie verlassen die Schule.

Auch das haben mir die Kollegen vor Ort immer wieder ge sagt: Wir haben eine kleine Oberschule, eine kleine Grund schule. Der Name Fachkonferenz hört sich immer großartig an, aber manchmal sind es nur ein oder zwei Kollegen, die eine Fachkonferenz bilden. - Auch hier haben wir Möglichkeiten, dass eine Fachkonferenz aus drei, vier, fünf oder sechs Kolle gen besteht und endlich ihren Namen verdient. Das wurde her vorgehoben; ich denke, das wird auch geändert werden.

Sie haben vollkommen Recht: Ich ringe darum, dass wir in die sem Land mehr Filialschulen bekommen. Ich weiß, dass das für die Vertretung von Unterricht und auch für die Organisation von Fachkonferenzen eine immense Bedeutung hat. Das hat aber hiermit nichts zu tun, denn momentan reden wir über Zu sammenschlüsse von Oberschulen und Gesamtschulen mit Grundschulen. Bei den Filialschulen - in dem Konzept, von dem Sie sprachen - reden wir über Grundschulen, die Filial schulen bilden sollen. Genau das wollen wir auch. Nur gibt es auch da im Prinzip die gleichen Probleme: Unterschiedliche Schulträger, unterschiedliche Schulleiter - es menschelt auch, nicht nur zwischen den Schulleitern, sondern mitunter auch zwischen den Bürgermeistern, die unterschiedliche Schulträger sind.

Aber selbst da, wo wir unterschiedliche Grundschulen in einer Schulträgerschaft haben, ist es immer noch ziemlich schwer, die Leute zusammenzubringen, weil in der Regel eine Schul leitung auf ihre Kompetenzen verzichten muss. Ansonsten könnten Filialschulen gebildet werden. Wir hätten damit kein Problem. Vielleicht müsste man das noch einmal aufschreiben und die Schulträger begleiten, um ein bisschen mehr Drive hin einzubringen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache. Damit ist das Kon zept der Landesregierung auf Drucksache 6/4692 zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungs punkt 4 auf:

Fragestunde

Drucksache 6/5141 Drucksache 6/5142

Zwei Hinweise: Die ersten beiden Fragen werden gemeinsam beantwortet. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit - die Bil dungsdebatte hat uns doch erheblich in Anspruch genommen - werde ich die ersten sieben Anfragen aufrufen. Nach der Be antwortung der Frage 618 werde ich die Fragestunde beenden.

Ich rufe die Frage 612 (Aktueller Umsetzungsstand „Tier schutzplan für Brandenburg“) gestellt von der Abgeordneten Tina Fischer, auf.

Mitte April hat der Landtag den von der Landesregierung mit dem Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg ausge handelten Kompromiss zum erfolgreichen Volksbegehren ge gen Massentierhaltung beschlossen. Neben verschiedenen Ver

einbarungen war darin unter anderem die Aufstellung eines Tierschutzplans für das Land Brandenburg enthalten. Der auf zustellende Tierschutzplan war nicht nur einfach eine der For derungen des Aktionsbündnisses, sondern wurde immer auch von den Koalitionsfraktionen - ich glaube, sogar von der Mehr heit dieses Hauses - getragen und gewünscht.

Ich frage daher die Landesregierung: In welchen zeitlichen und inhaltlichen Etappen wird die Aufstellung dieses Tierschutz plans für das Land Brandenburg von den Beteiligten vorange trieben?