Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Nein, es ist ein ganz normales Mitwirkungsinstrument, welches Sie nicht wollen. Ich meine, Ihre Minister nutzen ja nun die Antwortmöglichkeiten sehr extensiv. Es wird auch auf Fragen geantwortet, die gar nicht gestellt wurden. Es gibt den Spruch: Bürger fragen nicht, wir antworten trotzdem. - Das haben wir heute zur Genüge erlebt.

Dann hören wir von Herrn Domres, es seien kleinteilige Dinge aus den Wahlkreisen. Wissen Sie, Herr Domres, das Leben spielt sich in den Wahlkreisen ab, nicht nur hier in diesem Hohen Haus in Potsdam.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE und der Abgeordneten Bes- sin [AfD])

Und deswegen sind Fragen, die man aus diesem Bereich stellt, Standard und völlig normal.

(Domres [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht in Abre- de gestellt!)

- Das ist gut. Aber dann darf ich es auch sagen. - Danke.

Wir werden die Geschäftsordnung heute beschließen. Sie wird ein paar Punkte beinhalten, bei denen wir sagen: Da hätten wir mutiger sein können, da hätten wir uns mehr trauen können -

Sie sich übrigens auch. Ich hoffe - um auf den ursprünglichen Grund zurückzukommen -, dass das hohe Recht der freien Rede und der aktiven ebenbürtigen Mitwirkung aller Teile des Parlaments in einem Brandenburger Landtag nie wieder in der Form beschnitten wird, wie das hier leider zwei Jahre lang geschehen ist. Deswegen danken wir dem Gericht und auch Ihnen, dass wir heute zu dieser Beschlussfassung kommen. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Wir danken Ihnen. - Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Christoffers, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion für das Protokoll festhalten, dass unser Parlamentarischer Geschäftsführer Domres mit „Kleinteiligkeit“ in keiner Art und Weise meinte, dass Sachverhalte aus den Wahlkreisen irrelevant sind. Sie sind sehr relevant, nur halt zum Teil sehr spezifisch. Deswegen haben wir uns so entschieden, wie wir uns entschieden haben.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Sie können darauf reagieren, wenn Sie möchten. - Sie möchten nicht.

Wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit. Wir haben einige Abstimmungen vorzunehmen. Ich lasse zuerst über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/5405 - Änderung Anlage 1 Punkt 2 Buchstabe a) - abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag der CDU-Fraktion seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5409. Es geht um die Streichung der bisherigen Nr. 11 in der Anlage 1 und die Einfügung einer neuen Nummer 11. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktionen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung und den Bericht des Hauptausschusses auf Drucksache 6/5392, Neudruck, die Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei vielen Enthaltungen ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Kinderehen in Deutschland verbieten - Kindeswohl sichern

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 6/5238

Zudem liegt ein Änderungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 6/5417 vor.

Die Aussprache wird von der Abgeordneten Richstein eröffnet; sie spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Ankunft Hunderttausender Flüchtiger im letzten Jahr wurden deutschlandweit schätzungsweise 1 500 Kinderehen registriert. Eine Kinderehe liegt vor, wenn mindestens ein Partner minderjährig ist. Meist handelt es sich um minderjährige Mädchen, die in ihrer Heimat mit einem viel älteren Mann verheiratet wurden. Die Zahlen können wir nur schätzen, aber es sind ungefähr 360 Kinderehen, in denen das Mädchen unter 14 Jahre alt ist. Kommen diese Personen nach Deutschland, stellt sich die Frage, ob die Eheschließung wirksam ist.

Meine Damen und Herren! Diese Situation stellt sowohl die deutsche Rechtsordnung als auch unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Während in Deutschland nur heiraten darf, wer bereits 18 Jahre alt ist bzw. 16 Jahre alt ist und die Genehmigung des Familiengerichts hat, so ist dies insbesondere in muslimisch geprägten Ländern anders. Derzeit gilt noch immer das Heimatrecht der Eheleute.

Erst kürzlich hat das Oberlandesgericht Bamberg die Ehe einer zum Zeitpunkt der Eheschließung 14-Jährigen mit ihrem volljährigen Cousin für wirksam erklärt - auf Grundlage des Heimatrechts. Nach syrisch-sunnitischem Recht kann man bereits ab 13 Jahren verheiratet werden, wenn ein Richter die körperliche Reife und insbesondere die Geschlechtsreife feststellt und der Vater oder der Großvater zustimmt. Darüber hinaus gilt auch eine unwirksam geschlossene Ehe durch den Beischlaf nachträglich als wirksam. Gegen dieses Urteil wurde bereits Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt. Wir dürfen auf das Urteil sehr gespannt sein. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, etwas an der Gesetzeslage zu ändern.

(Beifall CDU und AfD)

Meine Damen und Herren, ein starker Staat dient vor allem dem Schutz der Schwächeren. Ehen unter Zwang und jedwede Unterdrückung der Frau akzeptieren wir nicht. Ein 11-, 13- oder 15-jähriges Mädchen gehört nicht in eine Ehe, sondern in eine Schule.

(Beifall CDU, AfD und B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Viele dieser zumeist geflüchteten Frauen wurden bereits Opfer der patriarchalischen Strukturen in ihren Heimatländern. Es ist elementarer Bestandteil unserer Rechts- und Werteordnung, dass jeder Mensch ein Recht auf ein individuelles und selbstbestimmtes Leben hat. Deshalb müssen wir auch den Menschen, die nach Deutschland kommen, deutlich machen: Bei uns gelten die Maßstäbe des Grundgesetzes und unsere Werte - nicht die Scharia. Bei uns haben Frauen dieselben Rechte wie Männer. Bei uns ist kein Platz für Diskriminierung und Unterdrückung. Und bei uns entscheidet nicht der Familienclan über eine Ehe, sondern jeder Einzelne für sich.

Der Vorrang des Kindeswohls sowie die Gleichbehandlung von Frau und Mann sind Grundsäulen unserer Gesellschaft und

unseres Werteverständnisses. Die Verheiratung von Kindern ist damit absolut unvereinbar. Es ist daher ein besonderes Anliegen, dafür Sorge zu tragen, dass sie ein Recht darauf haben, selbst zu entscheiden, ob und wann sie eine Ehe eingehen wollen, und dass sie in Deutschland in einem Land leben, das diese Wahl tatsächlich zulässt und gewährleistet.

Meine Damen und Herren! Der Staat und die Rechtsordnung müssen eine Antwort auf die Frage geben, wie mit ausländischen Kinderehen in Deutschland dauerhaft umzugehen ist. An der Stelle muss ich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass sich die Koalition auf Bundesebene letztendlich geeinigt hat, in Deutschland keine Kinderehen zuzulassen - auch wenn Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD uns in den letzten Tagen und Wochen mit dem Gesetzentwurf, den er ursprünglich vorlegen wollte, doch ziemlich auf Trab gehalten hat. Jetzt besteht aber dahin gehend Einigkeit, dass Kinderehen ausnahmslos verboten werden, grundsätzlich auch in Deutschland in einem Alter von unter 18 Jahren nicht mehr geheiratet werden soll und rein religiöse Ehen auch keinen Bestand haben. Insbesondere soll das deutsche Recht gelten und nicht das Heimatrecht.

Auch wenn diese Einigung auf Koalitionsebene besteht, hat unser Antrag einen Sinn, da diese Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden sollen und wir der Meinung sind, dass auch Brandenburg seinen Beitrag dazu leisten muss.

Wir haben bereits gestern - dafür bin ich sehr dankbar - die psychosoziale und psychologische Betreuung von besonders gefährdeten Flüchtlingen - wozu auch Kinder und insbesondere die verheirateten Kinder zählen - in einen Antrag aufgenommen. Aber auch in dem vorliegenden Kontext sollte das berücksichtigt werden.

Einige Sätze noch zum Änderungsantrag der AfD: Ich finde Ihr Vorgehen insgesamt sehr dilettantisch.

(Lachen bei der AfD)

Am 11. Oktober wurde der Antrag der CDU-Fraktion ausgegeben. Gestern fällt Ihnen plötzlich ein, einen Änderungsantrag einzubringen. Dann ziehen Sie ihn zurück - das kann ich auch verstehen, denn er war fachlich falsch. Heute kommen Sie mit einem neuen Änderungsantrag. Das ist wirklich unprofessionell. Innerhalb eines Monats sollte man sich mit dem Thema doch ansatzweise auseinandersetzen können.

(Beifall CDU, DIE LINKE und B90/GRÜNE - Gelächter bei der AfD - Zuruf von der AfD: Das ist ja lächerlich! - Bretz [CDU]: Ihr musstet erst eine Reichsbürgerkonfe- renz abhalten!)

Auch inhaltlich können wir Ihrem Antrag nicht folgen, denn - Sie wissen es vielleicht bereits, sonst sage ich es Ihnen heute - Zwangsheiraten sind bereits jetzt gemäß § 237 StGB verboten.

Was wollen Sie mit der polygenen Ehe? Wollen Sie sie per se verbieten?

(Galau [AfD]: Polygen? Was ist das denn?)

- Ja, dann googeln Sie mal.

Auch sie ist in Deutschland schon verboten - in § 172 StGB.

Oder wollen Sie verbieten, dass Privilegien, die nur einem Ehegatten zustehen sollen, auf weitere Ehegatten ausgeweitet werden? Auch das geschieht bereits, wie wir sehen, wenn wir uns beispielsweise § 30 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes anschauen, wonach einem weiteren Ehepartner eines Ausländers, der bereits mit einem Ehepartner in Deutschland lebt, keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird.

Ich wüsste auch gerne, woher Sie nehmen, dass es eine BundLänder-Arbeitsgruppe zu Zwangs- und Vielehen gibt. Ich verstehe auch nicht, warum Sie in Punkt 4 die Zwangsverheirateten unter eine besondere Obhut der Jugendämter stellen wollen. Diese müssen nämlich nicht unbedingt minderjährig sein; man kann auch im volljährigen Alter zwangsverheiratet werden.

Alles in allem ist Ihr Änderungsantrag also Murks. Deswegen lehnen wir ihn ab. Ich darf aber um Zustimmung zu unserem Antrag bitten - wenn schon die Bundes-SPD zustimmt, kann sich die Landes-SPD dem sicher nicht verweigern. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wir danken Ihnen. - Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Kalbitz, bitte.

Ich muss sagen: Es ist schon eine gute bzw. keine gute Mischung aus Lächerlichkeit und Dreistigkeit, wie sich die CDU seit Tagen und Wochen inhaltlich auf Diebestour bei der AfD begibt

(Beifall AfD - Gelächter bei der CDU - Genilke [CDU]: Diebestour!)