Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

„Natürlich nicht unter Ausblendung der Wirtschaftlichkeit.“

Hier fehlt ein klares Bekenntnis: Was hat Priorität - Wirtschaftlichkeit oder Nachtflugverbot? Ist es vielleicht so, dass die SPD hinter verschlossenen Türen doch den einen oder anderen Gedanken an das internationale Luftdrehkreuz mit vier Start- und Landebahnen und den 60 Millionen plus X Passagieren pro Jahr wagt, oder geht es Ihnen um den Flughafen aus dem Jahr 1996, als der Konsensbeschluss den Standort Schönefeld bestätigte? Wenn Letzteres der Fall ist, dann muss das auch beim Schutz der Anwohner für alle deutlich sichtbar gemacht werden, und zwar unmissverständlich und durch Taten.

Haben Sie das Gefühl, dass das verspielte Vertrauen bezüglich des BER wiederhergestellt wurde? - Das Gefühl habe ich nicht. Haben Sie das Gefühl, dass in den letzten Monaten praktisch wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden? - Das Gefühl habe ich nicht. Es wird weiter herumgeeiert getreu dem Motto Avanti Dilettanti!

Der Ministerpräsident sprach im Ausschuss von der Abwägung verschiedenster Interessen. Das ist natürlich richtig. Das verstehen auch die Bürger. Natürlich muss ein ganzer Reigen von sich widersprechenden Zielkonflikten abgewogen werden. Es können auch nicht alle Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden. Deswegen ist eine klare Aussage nötig, und die ist nicht erfolgt. Wir haben darauf in der Sitzung vergebens gewartet. Deshalb stellt sich für die SPD und auch für den Ministerpräsidenten die Frage: Was ist ihr politischer Schwerpunkt?

Die bauliche Fertigstellung - wie wir es ja schon lange erleben - kann es nicht gewesen sein. Die FBB darf das technisch ausbaden; der Steuerzahler natürlich maßgeblich. Bei der Interessenvertretung als Anteilseigner kann das auch nicht der Fall gewesen sein. Oder haben Sie Ihren Einfluss geltend gemacht, als die Flughafengesellschaft die Grundlage für den Schallschutz verändert hat, dieses Thema des theoretisch zugrunde liegenden Lärms für die verschiedenen Flugzeuge durch die Schallschutzberechnungen? Aber das nur am Rande.

Zusammengefasst sage ich: Die Bürger haben ein vitales Interesse an dem Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens. In dem Zusammenhang finde ich es peinlich, wenn der Versuch unternommen wird, Krücken zu bauen, indem man anfängt, „Nacht“ neu zu definieren.

Sie haben es in der Hand, mit diesem Antrag den Einfluss geltend zu machen und die getätigten Willenserklärungen aus der 5. Legislaturperiode in die Realität umzusetzen, und zwar endlich.

Der Schwerpunkt der AfD ist die Interessenwahrnehmung für die Menschen ohne Wenn und Aber. Deshalb stimmen wir für diesen Antrag und beantragen gleichzeitig die Überweisung an den Ausschuss, weil man sich im Ausschuss gar nicht oft ge

nug mit diesem Thema beschäftigen kann. Und das ist das, was wir als Opposition können, auch wenn die SPD oder die dunkelroten Genossen das nervt.

(Domres [DIE LINKE]: Das ist lächerlich!)

- Ja, das ist das, was Opposition kann: so lange in der Sache zu nerven, bis das erfolgt, was das Recht der Bürger ist und auch durch die entsprechenden Initiativen deutlich gemacht wurde. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Nur noch einmal zur Erinnerung: Für den BER ist ein Nachtflugverbot von 24 Uhr bis 5 Uhr vorgesehen, obwohl „Nacht“ als der Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr gesetzlich definiert ist. Das sind aber zwei Stunden weniger Nachtruhe als in Tegel. Geringfügige Einschränkungen soll es trotzdem für den planmäßigen Flugverkehr zwischen 22 Uhr und 23.30 Uhr und zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr geben.

Die Flughafengesellschaft plant, am Standort BER mittelfristig 50 Millionen Passagiere im Jahr abzufertigen. Das ist das Zweieinhalbfache von Tegel heute. Bereits beim Start wird es das Eineinhalbfache sein. Aber der BER liegt eben nicht ganz weit draußen, sondern er liegt im dicht besiedelten Gebiet am Berliner Stadtrand; das ist schon mehrfach angesprochen worden, und das ist wohl auch einer der wesentlichen Gründe, warum so viele Brandenburger - 106 000 - sich dem Volksbegehren angeschlossen haben, das der Landtag dann auch angenommen hat.

Wir wissen alle, dass die Bemühungen in der letzten Legislaturperiode am Widerstand Berlins und des Bundes gescheitert sind. Wir wissen aber auch, dass die Zeichen in Berlin nach den Wahlen jetzt günstiger stehen als zuvor. Deswegen hatten wir den Ministerpräsidenten auch gebeten, in der Sitzung des Sonderausschusses BER am 10. Oktober Stellung zu nehmen; das ist angesprochen worden. Der Ministerpräsident kündigte in dieser Sonderausschusssitzung an, seinen alten Vorschlag zu erneuern - der war mir übrigens neu - und das Nachtflugverbot auf die Zeit zwischen 5 Uhr und 6 Uhr auszudehnen.

Das aber steht nun wirklich in keinerlei Beziehung zu dem, was der Landtag beschlossen hat. Denn der Landtag hatte am 27. Februar 2013 die Forderung nach einer Änderung des § 19 Absatz 11 des Landesentwicklungsprogramms zur Durchsetzung eines landesplanerischen Nachtflugverbots am BER angenommen. Und die „Nacht“ ist eben definiert als die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr. Genau darüber muss die Landesregierung jetzt mit dem neu gewählten Berliner Senat verhandeln.

Stattdessen war vom Ministerpräsidenten am 10. Oktober zur Frage einer Ausdehnung des Nachtflugverbots auf die Zeit von 22 Uhr bis 24 Uhr gar nichts mehr zu hören.

Dass nach der vagen Ankündigung des Ministerpräsidenten, das Thema jetzt noch einmal ansprechen zu wollen, plötzlich allerorten das Gerede von einer möglicherweise gefährdeten Wirtschaftlichkeit des BER aufkommt, ist mehr als bedenklich. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Air Berlin-Chef Stefan Pichler macht sich Sorgen über ein auf solche Weise verlängertes Nachtflugverbot:

„Die weitere Beschneidung der Betriebszeiten des BER wäre für die Expansionspläne“

- man höre!

(Heiterkeit der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜ- NE])

„von Air Berlin ein herber Rückschlag.“

Nun ist es ja so: Der Nachtflugbetrieb ist für eine Fluggesellschaft möglicherweise ein Kostenvorteil, weil sie ihre Maschinen mehr Stunden am Tag fliegen lassen, also besser einsetzen kann, weniger Flugzeuge braucht, um eine große Anzahl von Passagieren zu befördern. Aber der Nachtflugbetrieb ist für die Flughafengesellschaft - und das sind wir - nachweislich ein Verlustgeschäft. Herr Schulze hat darauf auch hingewiesen. Die Einnahmen durch Starts und Landungen decken in dieser Zeit nicht die Kosten des Flughafens.

Auch Flughafenchef Mühlenfeld fühlte sich angesichts der neuen Debatte sofort berufen, vor zusätzlichen Beschränkungen zu warnen. Möglichst lange Öffnungszeiten seien für den Flughafen wichtig - etwa für Landungen aus Nordamerika am frühen Morgen. Eine Ausweitung des Nachtflugverbots würde zu Einnahmeausfällen führen.

Nun ist es allerdings so - wie ein Blick in die Flugpläne zeigt -, dass wir es dafür nicht benötigen: New York City: ab 18 Uhr, Berlin an 7.30 Uhr. Das ist gegenwärtig der Flugplan. Berlin: ab 13 Uhr, New York City Ortszeit 16 Uhr an. Das ist das andere Beispiel. Bangkok: 9.20 ab Uhr, Köln/Bonn an 14.55 Uhr. Köln/Bonn: ab 16.25 Uhr, Bangkok an 7.55 Uhr. Das sind die Beispiele, die auch belegen, dass wir einen Nachtflug, Nachtstarts und -landungen, überhaupt nicht benötigen - auch nicht, um entfernte Ziele in Nordamerika oder im Fernen Osten zu erreichen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Allerdings zeigen diese heftigen Reaktionen, dass das Thema unbedingt noch einmal angesprochen werden muss. Sie zeigen aber auch, wie wichtig der politische Druck ist. Es kann nicht sein, dass am Ende die Betroffenen, also die Anwohnerinnen und Anwohner, die Lasten tragen, dass die Gewinne bei den Fluggesellschaften privatisiert werden und wir als Gesellschaft dann die Folgekosten, zum Beispiel die Behandlung lärmbedingter Gesundheitsschäden, zu tragen haben.

Es muss gehandelt werden. Wir werden dem Beschlusstext der FREIEN WÄHLER auf der zweiten Seite ihres Antrages zustimmen. Der mängelbehaftete Einführungsteil steht nicht zur Abstimmung; ihm stimmen wir nicht zu. Nach unserer Auffassung ist es nicht Aufgabe des Brandenburger Landtages, festzustellen, was Parteien in Berlin und Brandenburg zu tun und zu unterlassen haben. Wir müssen uns darum kümmern,

dass die Landesregierung die richtigen Aufträge erhält und sie umsetzt. Dazu dient der Beschlusstext. Die Überweisung halten wir nicht für sinnvoll. Bevor wir im Ausschuss auch nur A gesagt haben, hat vermutlich die Berliner Koalition ihren Koalitionsvertrag schon unter Dach und Fach. Von daher halten wir eine sofortige Abstimmung für richtig. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schneider.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wurde schon viel aus der Vergangenheit dazu zitiert, worum es bei dem Volksbegehren geht. Ich habe den Wortlaut des Volksbegehrens dabei, damit wir uns darüber im Klaren sind, was der Auftrag war:

„Der Landtag möge beschließen, die Landesregierung aufzufordern, in Verhandlungen mit dem Land Berlin einzutreten, um den Staatsvertrag vom 7. August 1997 über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg und über die Änderung des Landesplanungsvertrages, geändert durch Staatsvertrag vom 5. Mai 2013, wie folgt zu ändern:

‚Der im Gesamtraum Berlin-Brandenburg bestehende Bedarf an Luftverkehrskapazitäten soll derart gedeckt werden, dass am Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) Tagflug, aber kein planmäßiger Nachtflug stattfindet, um Lärmbetroffenheiten zu reduzieren.‘

‚Dabei soll der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg nicht allein auf den Ballungsraum Berlin konzentriert werden.‘“

Das sind die beiden Punkte. Erstens: nicht auf den Ballungsraum Berlin konzentrieren, sondern an mehreren Standorten internationalen Flugverkehr haben. Zweitens: kein planmäßiger Nachtflug, sondern nur Tagflug.

Es ist ein Verhandlungsauftrag. Die Volksinitiative ist ursprünglich mit einem anderen Text angetreten. Das wäre unzulässig gewesen. Deswegen hat sie sich zum Schluss auf den Verhandlungsauftrag fokussiert. Den haben wir angenommen und umgesetzt, vom Ministerpräsidenten bis in jede Verwaltung. Das Land Brandenburg ist diesem Verhandlungsauftrag in vielfacher Hinsicht gefolgt, mit Gesprächen und Beratungen auf verschiedenen Ebenen. Es gab Anträge im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung. Sie waren nicht erfolgreich. Es gab viele Gespräche auf vielen Ebenen. Auch sie waren nicht erfolgreich, weil die beiden anderen Gesellschafter gesagt haben: Wir verhandeln darüber nicht in der Art und Weise, wie ihr es uns vorgeschlagen habt.

Wie es bei Verhandlungen so ist: Man geht mit einem Auftrag, wie er ist, hinein und versucht sich dann anzunähern. Daraus ergibt sich der Vorschlag zu der Stunde von 5 Uhr bis 6 Uhr, der in der letzten Sitzung des Sonderausschusses eine Rolle gespielt hat. Das ist bei Verhandlungen nicht ungewöhnlich.

Wir sehen es als Dauerauftrag. Wenn sich die Bedingungen ändern, wenn sich der Block dort ändert, wenn sich die Ablehnung jeglicher Verhandlungen zu diesem Thema auflöst, gehen wir in neue Verhandlungen. Ob das aber so ist, müssen wir abwarten. Das muss sich im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in Berlin abzeichnen. Der Bund hat, glaube ich, seine Position in keiner Art und Weise geändert. Auch er gehört in das Gesamtpaket der Verhandlungen.

Laut Landtagsbeschluss vom 27.02. soll es einen Bericht der Landesregierung geben. Es gibt ihn. Man kann ihm entnehmen, wie es um die Bemühungen steht, die Landesplanung einzusetzen, um einen Beitrag zur Umsetzung zu leisten. Eine ganze Reihe von Sachverständigen hat sich damit beschäftigt. Das Ergebnis ist klar:

„Die begehrte Verankerung eines erweiterten Nachtflugverbots in § 19 Abs. 11 LEPro ist unter Berücksichtigung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses mangels Raumbezug unzulässig. Die Raumordnung und Landesplanung besitzt hierfür keinen rechtlich zulässigen gangbaren Weg, der einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde.“

Diese rechtliche Sachlage hat sich nicht geändert. Insofern hat die Landesplanung auch heute keine Kompetenz, hier zu regeln. Sie darf keine flugbetrieblichen Regelungen treffen. Dazu ist weder die Gemeinsame Landesplanung befugt noch eine wie auch immer geartete alleinige Landesplanung des Landes Brandenburg. Das war Thema der Debatte im April, als es darum ging, zum Beispiel den Landesplanungsvertrag aufzukündigen.

Es bleibt dabei, die Schritte, die hier schon oft debattiert und diskutiert wurden, umzusetzen. Das Erste - auch das steht in den Beschlüssen des Landtages zur Annahme des Volksbegehrens - ist es, den Flughafen fertig zu bauen und an den Start zu bringen. Das Zweite ist, das Schallschutzprogramm trotz aller Schwierigkeiten, die es gibt, weiter umzusetzen. Da gibt es noch eine ganze Menge Arbeit, keine Frage. Das Dritte ist, zu schauen, ob es eine Basis gibt, um die Verhandlungen mit den beiden Gesellschaftern - Bund und Berlin - neu aufzusetzen. Das Vierte ist, wenn der Flughafen in Betrieb ist, die Lärmmessung auszuwerten, zu schauen, ob es noch Optimierungsbedarf an den Flugrouten gibt, und in der bereits eingesetzten Arbeitsgruppe Betriebsregelung darüber zu sprechen, was noch möglich ist, um für die Menschen Verbesserungen beim Lärmschutz zu erreichen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Schulze, möchten Sie von Ihrem Rederecht noch Gebrauch machen? Es sind 48 Sekunden; das ist wirklich wenig.

Sie können ja die Uhr ein bisschen langsamer laufen lassen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben etwas versprochen, und was man versprochen hat, muss man halten. Im Landtagsbeschluss steht, dass der Landtag beschließt, dass das erfolgreiche Volksbegehren Maxime des Handelns des

Landtages und der Landesregierung sein wird. Davon kann hier nicht mehr die Rede sein.

Meine Damen und Herren, der Landesentwicklungsplan wird geändert, und wir fordern, dass dort eingebaut wird, was Sie versprochen haben. Frau Schneider, Sie sagen, das gehe nicht. Sie picken sich aus dem Gutachten das heraus, was Ihnen passt. Wir haben andere rechtliche Meinungen gehört. Wir glauben, dass es geht. Die spannende Frage ist, was man tut. Wir fordern, dass Sie Ihr Versprechen halten. Diese ganze Sache - von wegen, ein Nachtflugverbot ist schlecht für den Flughafen - wird mit den gleichen Floskeln und Popanzen wie immer vorgebracht: Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards, soziale Rechte - alles schlecht für Profite und wir verteidigen sie. Es gilt aber, die Gesundheit der Menschen zu verteidigen, die nachweislich darunter leiden müssen.

Im Übrigen, Frau Ministerin und die anderen Redner der Koalitionsfraktionen: Es gibt neue Tatsachen. Die NORAH-Studie ist da.