Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

(Frau Lieske [SPD]: Das ist jetzt ganz schön falsch!)

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich trotz der erhebli chen Summe in diesem Haushalt letzten Endes ein Stück weit enttäuscht über das, was Sie hier vorgelegt haben. Da bleiben Sie einige Antworten schuldig, und der Minister hat noch eini ge Hausaufgaben zu bewältigen. - Vielen Dank für die Auf merksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Aber wenn das Mangel ist, haben Sie ganz schönen Reichtum! - Zuruf von der SPD: Ja, finde ich auch!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich habe natürlich auch Kritik, aber ich möchte gern vor wegschicken, dass das wahrscheinlich die versöhnlichste Haushaltsrede wird, die ich je gehalten habe, denn natürlich haben Herr Baaske und die beiden roten Regierungsfraktionen in den letzten Jahren zumindest im Bildungsbereich sehr vieles richtig gemacht,

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Bischoff [SPD]: Wow!)

sodass man sich schon manchmal fragt, warum das in den letz ten Jahren so leicht ging und in den Jahren davor so furchtbar schwierig war.

Ein Thema war völlig neu: die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bzw. Flüchtlingskinder in Kita und Schule. Da lief natürlich vieles richtig schief. Es gab nicht ausreichend Lehr kräfte für Deutsch als Zweitsprache, wie wir gerade schon ge hört haben. Ja, ich glaube, das ist ein richtiger Mangel, aber das lag natürlich daran - das konnte gut begründet werden -, dass es nicht genügend Fortbildnerinnen und Fortbildner gab, sonst hätte man diesbezüglich vielleicht mit anderem Ausmaß nach steuern können.

Ich frage mich auch, ob nicht ein Großteil der Flüchtlingskin der deutlich unter ihrem Niveau beschult wird.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Genau!)

Wir wissen, die Schulleitungen stufen die Kinder ein. Aber in Vorbereitung auf den morgigen Antrag zu den Oberschulen bin

ich über Vergleichszahlen gestolpert: An Oberschulen gibt es 17,5-mal mehr Flüchtlingskinder als an Gymnasien. Ich denke, das macht schon deutlich, was da alles im Argen liegt.

Dass es darüber hinaus ein volles Jahr gedauert hat, bis das Mi nisterium imstande war, den Schulen in freier Trägerschaft ei nen Ausgleich für die Beschulung von sogenannten Einzuglie dernden zu berechnen, ist aus meiner Sicht eher ein Beleg für Starrsinn denn für die Beweglichkeit, die es bei diesem Thema gebraucht hätte.

Alles in allem gebührt dem Ministerium und der gesamten Landesregierung aber ein großes Lob dafür, mit der Umset zung des Nachtragshaushalts ein gutes Fundament für die Will kommenskultur geschaffen zu haben, und zwar auch im Bil dungsbereich.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE], Koß [SPD], Große und Dannenberg [DIE LINKE])

Zweites Thema: Inklusion. Dass nach den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates vom Frühjahr 2014 jetzt fast drei Jahre ungenutzt vergehen - drei Jahre! -, ist schwer erträglich. Das neue Konzept, das auch schon einige Male erwähnt worden ist, gibt es seit Ende Juli. Eigentlich sollte vorletzte Woche im Kabinett der Beschluss darüber gefasst werden.

(Minister Baaske: Nächste Woche!)

Eigentlich sollten wir jetzt darüber diskutieren. Ich würde schon gern wissen - nächste Woche, sagt Herr Baaske -: Wann ist es denn eigentlich da? Das Konzept ist gut, aber all diese Verzögerungen lassen an der Ernsthaftigkeit von Rot-Rot bei diesem Thema zweifeln. Das muss doch nicht sein, denn die Konzepte liegen vor.

Die klare Folge ist, dass wir beim Thema Inklusion im bundes weiten Vergleich einmal gut waren, aber mittlerweile deutlich zurückgefallen sind. Inklusion ist auch noch mehr als das, was das Ministerium jetzt plant. Es geht doch grundsätzlich um viel mehr als nur um die Förderbedarfe Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache.

(Beifall der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Das ist nur das, was das Ministerium jetzt plant. Aber das ist beim Thema Inklusion lediglich der allererste Schritt.

Außerdem hat der Wissenschaftliche Beirat vor zweieinhalb Jahren eine Menge Vorschläge unterbreitet, die längst hätten umgesetzt werden können, zum Beispiel, eine Ombudsstelle Inklusion zu schaffen. Hier muss endlich ein bisschen mehr, wie es so schön heißt, „Butter bei die Fische“.

(Beifall B90/GRÜNE)

Angesichts dessen, wie es im Moment aussieht, muss man sich schon überlegen, ob die Landesregierung da nicht aus falsch verstandenen Sparerwägungen heraus eine Verzögerungstaktik fährt, die letztlich auf dem Rücken der betroffenen Kinder aus getragen wird, denn die Kinder, die Inklusion nötig haben, gibt es bereits. Sie kommen nicht erst in einigen Jahren, wenn wir endlich mal so weit sind, sondern all diese Kinder sind die gan ze Zeit schon in unserem Schulsystem. Sie sind die Leidtragen den der Schlafmützigkeit dieser Landesregierung.

Drittes Thema: Kita.

(Günther [SPD]: Es sollte doch versöhnlich werden!)

Im Jahr 2009 sind wir als Bündnisgrüne in den Landtag einge zogen und haben immer wieder einen Stufenplan für mehr Qualität in der Kita gefordert - einen Stufenplan, der aufzeigen soll, wie wir beim Betreuungsschlüssel so ungefähr an den Bundesdurchschnitt herankommen. Deshalb begrüßen wir na türlich auch die Verbesserungen, die es jetzt gegeben hat. Wir begrüßen auch das Kitapaket, das mit der verbesserten Lei tungsfreistellung einen Punkt enthält, den wir hier bereits mehrfach per Antrag gefordert haben.

Bei der Kiez-Kita geht es uns eigentlich eher so, dass wir auch keine Ahnung haben, was das eigentlich soll und was damit ge meint ist, aber wir finden es trotzdem gut.

(Heiterkeit und Einzelbeifall - Hoffmann [CDU]: Das passt! Das ist typisch grün! - Dr. Gauland [AfD]: Das passt!)

Ich denke, Gordon, wir werden im Ausschuss gemeinsam dar auf achten, dass es vernünftige Konzepte gibt, für die dieses Geld ausgegeben wird. Es ist sehr gut, dass es jetzt schon ein mal im Haushaltsplan steht.

Wir haben übrigens im Ausschuss für alle Änderungsanträge der Koalition gestimmt, was sie uns leider nicht honoriert hat. Beim Thema Kita glauben wir wirklich: Da geht noch mehr. Deshalb legen wir den Antrag auf Einführung einer dritten Be treuungszeitstufe erneut vor, um deutlich zu machen, wie wich tig uns die frühkindliche Bildung ist. Das würde uns jährlich noch einmal 30 Millionen Euro kosten, aber das Betreuungs verhältnis weiter verbessern. Wir zeigen auf, wie das funktio niert, und denken, dass das angesichts der wenigen Jahre, die ein Kind in der Kita ist, wichtig ist. Das ist der eine Antrag, den wir aufrechterhalten.

Des Weiteren legen wir einen Entschließungsantrag vor, der in der Liste zum Einzelplan 05 zwar nicht auftaucht, inhaltlich aber dort hingehört. Mit ihm verpflichten wir uns, ab 2020 von den aus dem neuen Länderfinanzausgleich zu erwartenden ins gesamt etwa 300 Millionen Euro 200 Millionen Euro für eine verbesserte Qualität in der Kindertagesbetreuung und gleich zeitig für eine finanzielle Entlastung der Eltern auszugeben. Lassen wir uns nicht bald einen substanziellen Verbesserungs vorschlag im Kitabereich einfallen, wie wir es wirklich grund legend ändern sollten, sondern bewegen wir uns weiter mit Tippelschrittchen, wie das in den letzten Jahren der Fall gewe sen ist, werden noch Generationen von Kindern die Kitas unter mehr oder weniger ähnlichen Bedingungen wie heute durch laufen, obwohl wir doch alle wissen, dass wir sie so viel besser fördern könnten. Wir haben da eine Gelegenheit - Sie können dem Vorschlag mit der mittelfristigen Finanzplanung zustim men.

Die Beitragserleichterungen für die Eltern wollen wir mit dem Entschließungsantrag ebenfalls befördern, denn wir wissen ge nau, dass die jetzt von der Koalition dafür vorgesehenen 15 Millionen Euro lediglich ein Zehntel dessen abdecken, was eine Beitragsfreistellung insgesamt kosten würde. Das ist also ein ganz kleiner Schritt. Natürlich brauchen wir die Beitrags freiheit, denn wir wissen, dass es absurd ist, dass die Eltern für

die Kita, die in den ersten Jahren so wichtig ist, zahlen müssen, für die Schule aber nicht. Wir wissen auch, dass das nur aus der Historie heraus zu erklären ist. Ansonsten gibt es dafür keiner lei Begründung.

(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Hacken schmidt [SPD] und Große [DIE LINKE])

Ich denke, darüber hinaus sollten wir beim Thema Kita auch noch einmal über den Qualitätsaspekt bzw. über landesweite Qualitätsstandards für Kindertagesstätten nachdenken - unsere alte Forderung -, zumindest im Sinne von Mindeststandards, denn wir wissen, dass es bei der Kita nicht nur um Betreuung, sondern um Anregung und Förderung der Entwicklung geht. Wir erinnern uns: Die NUBBEK-Studie war die erste bundes weite Untersuchung über Qualitätsstandards von Kindertages stätten. Ergebnis dieser Studie war, dass nur knapp 10 % der Kitas bundesweit eine gute bis sehr gute Qualität aufweisen. Ich denke, auch da müssten wir noch einmal genauer hinschauen.

Viertens haben wir im Ausschuss weitere Änderungen zum Landesjugendplan, der jetzt auch von der Landesregierung auf gestockt wird, für mehr Schulsozialarbeit, für Qualitätsverbes serungen beim Ganztagsmodell und für die Fortbildung von Lehrkräften beantragt. Bei der Fortbildung von Lehrkräften stellt sich die Frage, warum dies abgelehnt wurde. Das Argu ment war, die zur Verfügung stehenden Gelder würden nicht abgerufen. Von Lehrkräften wird aber immer wieder bemän gelt, sie fühlten sich nicht ausreichend unterstützt, sie bräuch ten mehr Unterstützung. Ich denke, irgendwo dort steckt der Wurm im System. Entweder sind die Angebote nicht ausrei chend bekannt oder die Lehrpersonen haben nicht genügend Freiraum zur Wahrnehmung - wahrscheinlich ist beides richtig. Das ist eine Aufgabe, bei der wir gemeinsam noch einmal ge nauer hinschauen müssen.

Auch in die Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Sei teneinsteigern muss künftig mehr investiert werden. Wir wis sen, dass ein Fünftel aller neu eingestellten Lehrkräfte Seiten einsteiger sind. Ich denke, die Frage, wie wir sie qualifizieren, damit sie die Lehrbefähigung erlangen können, ist eine große Herausforderung, in die wir auch Geld stecken müssen.

Nachdem all unsere Anträge im Ausschuss leider abgelehnt worden sind,

(Beifall des Abgeordneten Dr. van Raemdonck [AfD])

geben wir den Koalitionsfraktionen jetzt noch einmal die Mög lichkeit, uns bei einem Änderungs- und einem Entschließungs antrag - beide zur Verbesserung von Kita - zuzustimmen. Da bei der Debatte über die globale Minderausgabe im MBJS der Minister freimütig bekannt hat, im Bildungsministerium gebe es sowieso regelmäßig Überschüsse von etwa 20 Millionen Eu ro, ist die Hürde der Zustimmung diesmal nicht so hoch.

(Heiterkeit und Beifall B90/GRÜNE)

Wir wollen uns mit unseren Anträgen als ernstzunehmende Opposition an der Frage messen lassen, wie unser Gestaltungs anspruch ist, wie wir es besser machen würden - im Gegensatz zur AfD. Im Wissenschaftsausschuss haben Sie - obwohl Herr

Gauland dort sitzt, der bekanntlich noch viele Aufgaben hat - den Antrag gestellt, die Inklusionsstudiengänge zu streichen,

(Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])

weil sie auf fragwürdigen Konzepten basierten, aber einen Tag später haben Sie im Bildungsausschuss dazu keinen Ton gesagt.

(Beifall der Abgeordneten Koß [SPD])

Sie haben keinen einzigen Antrag im Bildungsausschuss gestellt und sich auch mit keinem einzigen Satz an der Debatte beteiligt. Was wir jetzt gehört haben, Herr Königer, war auch nur Herum gekrittel. War da eine einzige Idee dabei, die gezeigt hätte, was Sie besser oder anders gemacht hätten? - Nein. Nichts.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE sowie der Abge ordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] - Zuruf des Abge ordneten Kurth [SPD])

Ein fünfter und letzter Punkt: Dieser ist zwar aktuell nicht haushaltsrelevant, aber unverzichtbar im Sinne einer vernünfti gen Zukunftsplanung. In der letzten Legislaturperiode gab es eine Demografiekommission, die sich Gedanken darüber ge macht hat, wie das Grundschulsystem aufrechterhalten werden kann, und gute Vorschläge unterbreitet hat. Aus meiner Sicht zeugt es von Ressourcenverschwendung und mangelndem Weitblick, diesen Bericht der Demografiekommission mit all den Vorschlägen in den Schubladen des Ministeriums ver schimmeln zu lassen und sich auch in Bezug auf die weiterfüh renden Schulen keine Gedanken über die Zukunft zu machen. Das kostet erst einmal kein Geld, aber es musste trotzdem noch einmal gesagt werden.