Das Zweite ist: Es geht nicht nur um die Stammbahn. Es geht um mehr als um Infrastruktur. Es geht um ETCS - wir sind nicht für alles zuständig -, es geht um den Ausbau der Heide krautbahn.
Es geht um viele einzelne, manchmal sehr teure, manchmal aber auch mit für den Bahnbereich relativ wenigen Mitteln fi nanzierbare Projekte, mit denen wir sehr schnell die Kapazitä ten in Brandenburg steigern und die Möglichkeit schaffen kön nen, einen besseren Schienenpersonennahverkehr anzubieten. Das wird in der Debatte immer nur ganz oben angesiedelt. Wir müssen sehen, dass wir mit den vielen Maßnahmen, die wir im Infrastrukturbereich ergreifen, möglichst schnell unsere Vor stellungen entwickeln. Wenn ich keine Vorstellungen habe -
das habe ich immer wieder angeführt -, an den Bund als Netz betreiber herantrete und sage: „Wenn du dieses Netz ertüch tigst, dann bin ich auch bereit, zehn oder zwölf Zugpaare pro Tag fahren zu lassen“, dann bekomme ich irgendwann ein Kosten-Nutzen-Verhältnis hin. Ich könnte auch sagen: Lieber Bund, baue mal, und anschließend gucke ich, ob ich da was bestelle oder nicht; da bin ich mir noch nicht so ganz sicher, wir müssen mal schauen, was der Geldbeutel so hergibt. - So funktioniert vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Netzbe treiber, dem Bund, nicht. Da muss einem schon mehr einfallen.
Ich sage Ihnen: Nach den Verhandlungen über die Regionali sierungsmittel ist immer vor den Verhandlungen über die Regi onalisierungsmittel. Wenn wir keinen Plan haben, was wir in Zukunft fahren wollen …
… wird das niemand anders für uns übernehmen. Es liegt in unserer Verantwortung, und Sie kommen dieser Verantwortung nur in sehr ungenügendem Maße nach. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Tack fort. Sie spricht für die Fraktion DIE LIN KE.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsi dentin! Liebe Gäste! Das Thema der Aktuellen Stunde ist, wie ich finde, hervorragend gewählt. Ich finde es gut, dass wir uns darüber austauschen. Herr Genilke hat noch einmal die Gele genheit erhalten, das von Kollege Leister und Co. vorgelegte Konzept hier zu verteidigen. Wir haben uns schon Anfang der 2000er-Jahre trefflich darüber ausgetauscht. Jetzt ist es nicht das Konzept, das uns weiterhilft.
Das Thema der Aktuellen Stunde - ich wiederhole es - ist hoch aktuell, weil der Bahnverkehr viele Menschen in der Region Berlin-Brandenburg auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit, in der Alltagsmobilität und auch im Ausflugsverkehr bewegt. Der Verkehrsverbund hat gemeinsam mit den Verkehrsunterneh men täglich 3,8 Millionen Fahrgäste zu befördern. Ich glaube, das unterstreicht die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems. Laut Prognosen sollen in den nächsten Jahren viel mehr Pend lerinnen und Pendler unterwegs sein. Das heißt - auch darüber haben wir uns schon ausgetauscht -, die Mobilitätsbedürfnisse verändern sich. Darauf müssen wir mit besseren Leistungsan geboten reagieren.
Die Gestaltung nachhaltiger Mobilität muss jetzt stattfinden; jetzt müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Da zu haben wir als Grundlage - Frau Lieske hat ausführlich dazu
gesprochen - den Entwurf des Landesentwicklungsplans für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, die Mobilitätsstrate gie, die weiter ausgestaltet werden muss, und wir sind dabei, den Prozess zur Fortschreibung des Landesnahverkehrsplans 2018 bis 2022 zu gestalten. Das wird die Grundlage der folgen den Netzausschreibungen bilden. Damit ist eine hohe Qualität verbunden, und deshalb ist es wichtig, dass wir uns hier darü ber austauschen und von mir aus auch gern streiten.
Die Weichen mit dem Landesnahverkehrsplan stellen heißt: Die Pendlerverkehre im Berliner Umland und zur zweiten Rei he - oder vielleicht auch zu den Ankern im Raum - an den Sied lungsachsen ausbauen und mit der Stadtentwicklung - Stich wort hier: Stadt der kurzen Wege - sowie mit dem Umweltver bund zur Stärkung des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs bes ser zu verzahnen. Bahnhöfe sind zu Kompetenzzentren weiter zuentwickeln; ich verweise hier auch auf die notwendigen In vestitionen zum Beispiel am Bahnhof Königs Wusterhausen oder auch in Potsdam Pirschheide.
Die Anschlüsse von Bussen und Bahnen sind im Taktverkehr zu optimieren. Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun. Die Fernverkehrschancen, die wir vom Bund erhalten haben, müs sen in der Region noch viel besser genutzt werden. Wir haben die große Aufgabe zu leisten, schrittweise Barrierefreiheit her zustellen, und wir brauchen dringend Investitionen in den Schienenverkehr. Elektrifizierung und zweigleisiger Ausbau sind hier Schwerpunkte. Hier trägt die Deutsche Bahn AG eine große Verantwortung. Wichtig ist auch, neue Ausschreibungen langfristig und flexibel mit Nachsteuerungsoptionen zu gestal ten. - Das wird der Rahmen für die Mobilität im Bahnverkehr in den nächsten Jahren sein.
In Bezug auf die Mobilitätsstrategie haben wir folgende Ziele verabredet: ein Angebot pro Stunde als Grundtakt in der gesam ten Region Berlin-Brandenburg, ein Angebot pro Stunde überall, zwei bis drei Angebote pro Stunde als Grundtakt im Bahnver kehr zwischen Berlin und dem Berliner Umland sowie vier bis sechs Angebote pro Stunde zwischen Berlin und dem Berliner Umland auf stark frequentierten Pendlerverbindungen in den Hauptverkehrszeiten - der RE 1 wurde schon als Beispiel ge nannt. Die Korridoruntersuchungen sind zu Ende zu führen. Ich bin der Meinung, Frau Ministerin, sie können auch öffentlich ge macht werden, da sie vielen ohnehin schon bekannt sind.
Das alles bedeutet: mehr Verkehre bestellen, Taktverdichtun gen vornehmen, Zugkapazitäten erhöhen - mehr Sitzplätze, Fahrradmitnahme regeln -, WLAN-Ausstattung, elektronische Informationssysteme im Zug installieren usw. Die Infrastruktur muss erweitert werden, und das alles - Frau Lieske ist darauf eingegangen - kostet sehr viel Geld.
All diese Überlegungen sind in den vier Regionaldialogen vor gestellt und diskutiert worden. Es gab erwartungsgemäß sehr viel Zustimmung zu den geplanten Verbesserungen.
Die kritischen Stimmen bezogen sich vor allem auf die aktuel len Engpässe im Bahnverkehr. Es wurden zahlreiche Forderun gen nach schneller Abhilfe und Verbesserung - bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 - gestellt. Denn viele Fahrgäste können von täglich überfüllten Zügen, Zugausfall, Verspätungen und schlechter Vertaktung berichten und müssen mit diesen Schwierigkeiten ihren Alltag gestalten.
Auch im Infrastrukturausschuss beraten wir in jeder Sitzung über Mängel im Bahnverkehr - letzte Woche haben wir uns über den Prignitz-Express und das Dilemma - so kann man es schon nennen - mit der Bahn AG ausgetauscht. Auch der RE 2 spielt, wie Sie wissen, fast immer eine Rolle.
Ich will auf ein weiteres Thema eingehen: Mangel an Fahrzeu gen. Das ist ein großes Problem. Wir können hier noch so gute Konzepte entwickeln - wenn wir kein rollendes Material, keine Züge haben, ist das ein Problem. In der heutigen Debatte möchte ich gerne nochmals die Erwartungshaltung sowohl an den Wirtschaftsminister als auch an die Infrastrukturministerin formulieren, diesbezüglich Druck auf die Fahrzeughersteller auszuüben, damit die Fahrzeuge wirklich zur Verfügung ste hen, wenn die Ausschreibungen erfolgreich waren, damit wir nicht wieder in ein solches Dilemma geraten wie zum Beispiel beim Prignitz-Express.
Meine Damen und Herren! Die aufgezeigten Verbesserungen begrüßen wir natürlich. Ich will nur einige nennen - sie haben hier teilweise schon eine Rolle gespielt: Stabilisierung und Ausbau des S-Bahn-Netzes - zum Beispiel nach Rangsdorf oder Velten -, Verbesserung der Verbindung zum BER über die Dresdner Bahn - gar keine Frage -, aber auch Vorschläge, die nicht nur den Achsenstern betreffen, sondern die tangentialen Verbindungen zwischen den Städten stabilisieren und ausbauen und die Zugverbindung ins Nachbarland Polen verbessern. Wir brauchen gute Lösungen für den RE 2; daran haben viele ein Interesse. Vor allen Dingen ist die Frage zu beantworten: Wer den die drei zurzeit nicht bedienten Haltepunkte wiedereröff net? Die Linke will den Wiederaufbau der Stammbahn - von Potsdam über Kleinmachnow nach Zehlendorf; diese Strecke hat großes Potenzial. Und wir sprechen uns nicht erst seit heute dafür aus, sondern seit mindestens 20 Jahren, in denen wir über die Stammbahn und ihre Wiedereröffnung reden. Ich erwähne in dem Zusammenhang auch die Heidekrautbahn, die ebenso gute Potenziale hat. Auch kleinteilige Lösungen - auch dazu habe ich schon gesprochen -, wie den Personenverkehr auf der Strecke Templin-Joachimsthal zu reaktivieren, bringen für die Region große Vorteile und sollten in den Prozess der Gestal tung des Landesnahverkehrsplanes einbezogen werden.
Deshalb, meine Damen und Herren, finden wir es wichtig, die sen Prozess der Erstellung des Landesnahverkehrsplans offen zulegen, ihn als einen offenen, transparenten Prozess darzustel len und deutlich zu sagen, was mit dem Fahrplan ab nächstem Jahr verbessert wird, was in den folgenden Jahren besser ge staltet wird und was erst bis zum Jahr 2030 gestaltet werden kann. Denn wir müssen alles im Zusammenhang sehen, und der finanzielle Rahmen ist zu sichern.
Das heißt: Die Gespräche und die Festlegung mit dem Land Berlin, mit der Deutschen Bahn AG und auch - so denke ich - mit der Bundesregierung sind fortzuführen, denn der Bundes verkehrswegeplan bevorteilt uns leider nicht beim Bahnver kehr, sondern nur bei den Autobahnen. Alles in allem brauchen wir Akzeptanz für den Landesnahverkehrsplan, um nachhaltige Mobilität für die Zukunft in Brandenburg gestalten zu kön nen. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort, zu uns spricht der Abgeordnete Kalbitz für die AfD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäs te! Die Landesregierung hat mit der Wahl des Themas für die Aktuelle Stunde überrascht. Uns warf man bei der Formulie rung der damaligen Aktuellen Stunde zum BER noch Humor vor - Anfang März -; wir hatten damals das formuliert, was vie le denken: das Potenzial des Flughafens zur Nichteröffnung. Aber das ist ein anderes Thema. Insofern freue ich mich, dass man der SPD im Gegenzug einmal etwas Mut attestieren kann - vielleicht den Mut der Verzweiflung.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass Sie ein Thema gewählt haben, mit dem Sie das Land - übrigens seit 1990 von Ihnen dauerregiert - und die vielen Pendler seit vielen Jahren allein gelassen haben.
Die Menschen, die tagtäglich von und nach Berlin pendeln, kennen die Problematik der überfüllten Züge seit Jahren. Die SPD thematisiert es jetzt, im Jahr 2017, und will mehr Geld zur Verfügung stellen - nach so vielen Jahren der unterfinanzierten Infrastruktur.
In Ermangelung politischer Ziele einer im Vorfeld schon ge scheiterten Kreisgebietsreform hat die SPD endlich einmal ein drängendes Thema gefunden: den Regionalverkehr. Sie schrei ben:
„[D]ie Hauptstadtregion [hat] aufgrund [ihres] leistungs fähigen öffentlichen Verkehrs ausgezeichnete Vorausset zungen für eine nachhaltige Entwicklung.“
„Es zeichnet sich jedoch ab, dass die wichtigen Verkehrs korridore von und nach Berlin an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.“
Aha. - Meine Damen und Herren, nachhaltige Entwicklung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass langfristig Wachstum möglich ist. Wenn Sie selber die übervollen Züge entdeckt ha ben, weil eben nicht mehr viel Spielraum ist, was hat Sie dann bewogen, bereits jetzt von „ausgezeichneten Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung“ zu sprechen? Das könnte nämlich das Ziel der Aktuellen Stunde sein: gemeinsam und konkret die auskömmliche Finanzierung der Eckpfeiler zur An passung des Infrastrukturnetzes für den öffentlichen Verkehr zu diskutieren.
In dem Zusammenhang kommt auch die Frage auf: Was ist ei gentlich aus der Mobilitätsstrategie 2030 geworden? Es hieß zu Beginn und bis vor einem Jahr: Diese Strategie wird die Grundlage für den Landesnahverkehrsplan, für den Landesent wicklungsplan Hauptstadtregion, für die Aufstellung der bran
denburgischen Infrastruktur und die gesamte Daseinsvorsorge im Bereich Mobilität sein. - Wir hatten bereits ein Neudenken der Daseinsvorsorge für den öffentlichen Nahverkehr gefor dert, Sie haben seinerzeit geantwortet: Warten Sie ab, wir sind da dran. - Es wurde im Plenum bereits konkret beantragt, gene rell mehr Querverbindungen im öffentlichen Verkehr zu schaf fen sowie landesbedeutsame Buslinien einzurichten. Sie haben geantwortet: Warten Sie ab, wir sind da dran. - Im Ausschuss für Infrastruktur wollte sich Kollege Genilke vortragen lassen, was denn die Landesregierung vor Kurzem an tollen Ideen für den öffentlichen Verkehr hatte und was sie auch der SPD-Frak tion vorgetragen hat - übrigens nur der SPD-Fraktion. Es ging unter anderem um eine deutliche Erhöhung der Regionalisie rungsmittel. Kollege Genilke hat am Anfang versucht, nett nachzufragen, dann hat er zu Recht etwas deutlicher themati siert - ich zitiere sinngemäß -, dass er es für fragwürdig hält, wenn ein so wichtiges Thema nur der SPD-Fraktion vorgestellt wird, weil das in den Ausschuss gehört.
Über folgende Punkte muss aus Sicht der AfD-Fraktion drin gend gesprochen werden - und zwar konkret, liebe Kollegin Lieske, und nicht durch unverbindliche Deklarationen, wie sie auch Ihr Antrag darstellt. Es geht um die konkrete Realisierung der Stammbahn, die Ergebnisse der Korridoruntersuchungen, die Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die Unterstützung des übrigen öffentlichen Personenverkehrs, die Schaffung von Querverbindungen - da hat sich auch nichts getan -, die Über arbeitung des Anbindungskonzeptes zum BER und die grund sätzliche Erreichbarkeit des ländlichen Raums auch außerhalb des Schülerverkehrs. Es geht um die durchgängige Elektrifizie rung aller wichtigen Strecken in Verbindung mit dem zweiglei sigen Ausbau und ganz konkret darum, nicht nur den Blick auf die Städte der zweiten Reihe, sondern auch über die Landes grenzen hinweg und, liebe Frau Kollegin, in die dritte Reihe zu richten - und nicht, wie Sie es vorher gesagt haben, irgend wann, sondern konkret und für die Menschen absehbar.
Ja, aus Sicht unserer Fraktion ein guter Start in die Diskussion. Wenn man sich heute über eine auskömmliche Finanzierung der Infrastruktur einigen könnte - gegen den Substanzverlust und für nachhaltige Mobilität -, die CDU ihre Forderung des Stopps der Ausschreibung überdenken würde, könnte man mit dem Antrag mitgehen. Dem Antrag der Grünen werden wir zu stimmen; darin steht eigentlich alles, was Ihr Antrag vermissen lässt. - Vielen Dank.
Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordne te! Verehrte Gäste! Mir ging es beim Lesen des Antrags so ähn lich wie dem Kollegen Genilke. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer von Ihnen diesen Antrag geschrieben hat, und frage mich, ob der- oder diejenige in letzter Zeit einmal mit der Bahn un terwegs war
(Beifall B90/GRÜNE, CDU, AfD sowie der Abgeordne ten Schülzke [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe] und Hein [fraktionslos])
Würde man einen Pendler in Brandenburg fragen, welches Wort ihm zur Beschreibung des öffentlichen Verkehrs einfiele, wäre es sicherlich nicht das in Ihrem Antrag verwendete Wort „leistungsfähig“. Diese Pendler würden sicher auch nicht dar auf kommen, dass die Verkehrskorridore derzeit lediglich „an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen“. Wenn Fahrgäste - was mehr und mehr vorkommt - auf dem Bahnhof zurückbleiben müs sen, ist die Kapazitätsgrenze definitiv längst überschritten.