Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

(Zustimmung bei der Fraktion DIE LINKE)

Und gerade das war der Ausgangspunkt, dass Dinge aufge nommen wurden, die notwendigerweise zu Veränderungen im Gesetzentwurf geführt haben. Jetzt beginnen wir mit dem par lamentarischen Prozess. Und ich sage Ihnen: Im parlamentari schen Prozess wird es weitere Veränderungen geben. Da geht es eben auch um die Begleitung im Gesetzgebungsverfahren, damit die Arbeit der Kreistagsfraktionen weiter verbessert wer den kann. Da geht es um die Frage des Teilhabe- oder auch des Demokratiepakets, all das, was wir in den Gesetzentwurf ein pflegen werden und auch müssen.

Die politische Debatte zu diesem Vorhaben ist seit längerer Zeit - zumindest für Brandenburger Verhältnisse - ziemlich verhärtet und auch Wahlkampfgetöse. Bei allem Verständnis für Wahlkampf, auch für politische Auseinandersetzungen zur Kenntlichmachung von Standpunkten und unterschiedlichen Meinungen von Parteien, nochmals, meine Damen und Herren: Wir reden hier von der Neuorganisation der Verwaltung und von nichts anderem.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Diese Neuorganisation ordnet sich in die Entscheidungen ein, die wir als Parlament zu treffen haben und die Auswirkungen auf die nächsten 30 Jahre haben werden. Ohne diese inhaltliche

Unterfütterung würde es diese Verwaltungsstrukturreform nicht geben. Insofern bitte ich Sie, ein Stück weit zur Sachlichkeit zurückzukommen. Ich darf Ihnen eins versichern: Als Frakti onsvorsitzender habe ich noch an keiner Beratung im Hinter zimmer teilgenommen,

(Wichmann [CDU]: Doch, bei der Bahn!)

wo wir uns darüber verständigt haben, mit welchen psycholo gischen Tricks wir die Bevölkerung zur Zustimmung bringen können. Das wird es auch nicht geben, denn ich freue mich auf die breite Debatte. Ich weiß auch, dass diese Debatte nicht ein fach sein wird. Aber wissen Sie was? Ich bin mir sicher: Wir haben eine sehr gute Entwicklung als Land Brandenburg ge habt, und wir haben eine gute Perspektive. Diese gute Perspek tive werden wir politisch weiter umsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. Ist das richtig, es ist eine Frage angemeldet wor den? - Moment, Herr Christoffers. Es ist eine Frage angemel det worden. Lassen Sie die Frage zu?

Selbstverständlich.

Herr Dombrowski, bitte.

Ich bitte um Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen.

Ich auch nicht.

Sie müssen es auch nicht sehen, Herr Kollege, das muss von oben gesehen werden.

Es wäre gut, wenn der entsprechende Kollege aufstehen würde.

Herr Kollege, ich möchte etwas zum Thema Bürgernähe an sprechen. Ich war auch ein Bürger - das meinte ich jeden falls -, der im Kreiskulturhaus in Rathenow an der Veranstal tung des Innenministers teilgenommen hat, die von der Mode ratorin für 2 000 Euro pro Abend, wie ich heute gelernt habe, geleitet wurde. Dort ist zu Beginn der Veranstaltung gesagt worden: Es sollen sich einmal die erheben, die Mitarbeiter der Verwaltung sind. - Als Zweites sollten die aufstehen, die ein Mandat innehaben. Als Drittes sollten die Bürger aufstehen. Ich bin als Bürger aufgestanden, und die Moderatorin sagte: Nein, Herr Dombrowski, Sie müssen sich hinsetzen, Sie sind kein Bürger.

Meine Frage ist: Sind Sie auch der Meinung der Landesregie rung, des Innenministers, der mit seinem Handy angerollt kam, dass Abgeordnetenmandatsträger keine Bürger sind?

Herr Dombrowski, wir kennen uns lange genug. Die Modera torin hat ihre Aufgabe eindeutig verfehlt, um es im Klartext zu sagen. Wir sind alle Bürger, und die Bürger sind daran betei ligt. Ich finde es aber auch für solche Diskussionsrunden sehr wichtig zu wissen: Aus welchen Berufsgruppen, aus welchen sozialen Bereichen sind Menschen im Saal?

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: 17 Uhr! Da kommen die Leute erst von der Arbeit!)

Insofern ist die Grundlage völlig legitim. Aber davon auszuge hen, dass Abgeordnete oder Mandatsträger keine Bürger sind, ist natürlich Unsinn.

(Beifall DIE LINKE)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich einen Appell an Sie alle loswerden. Es ist geübte Praxis in die sem Haus, dass jemand, der eine Frage stellen möchte, sich er hebt und hinter das Mikrofon stellt. Manchmal flackert es hier, aber bei diesen Turbulenzen flackern hier so manche Leuchten.

(Allgemeine Heiterkeit - Beifall SPD)

Deshalb bitte ich Sie, sich einfach hinzustellen und sich nicht hinter der Bemerkung zu verstecken: Na, wozu sitzen Sie denn da vorne? - Also stellen Sie sich bitte hin, wenn Sie Fragen stellen wollen; nicht nur das Leuchten der Lampe zählt.

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Königer fort. Er spricht für die AfD-Fraktion. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Abgeord netenkollegen! Liebe Besucher! Ich begrüße auch Herrn Lassi we auf der Pressetribüne.

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

- Vielleicht geht uns allen im Verlauf der weiteren Debatte ein Licht auf. - Herr Innenminister Schröter, Sie haben vorhin be tont, die Radiowerbung sei für Sie reine Information gewesen. Sie haben nicht nur Radiowerbung betrieben, sondern ich habe in meinem Briefkasten auch eine Broschüre der Landesregie rung gefunden, in der man über diese Verwaltungsstrukturre form aufklären wollte.

Wenn das für Sie nur Information ist, möchte ich sagen: Wenn ein Versicherungsvertreter bei mir auftaucht, so will er mir nichts verkaufen, sondern er will mir bloß mein Leben sichern. Insofern ist es sehr wohl Werbung, wenn Sie Broschüren über Projekte an Bürgerinnen und Bürger des Landes verteilen, die ein paar 10 000 Euro kosten. Der Grund dafür, dass Sie das machen, ist, dass Sie die negative Zustimmung, die sich immer noch mit diesem Projekt befasst - auch in Ihren eigenen Rei

hen, von denen 55 % das ablehnen -, umdrehen wollen. Also ist und bleibt es Werbung.

Schon der Titel - „Weil wir später nicht sagen wollen, dass frü her alles besser war.“ - spricht Bände, meine sehr geehrten Kollegen von den Koalitionsfraktionen. Wir wollen später auch nicht sagen: 129 464 Bürger wussten das schon 2017, aber sie wurden ignoriert. Denn dass Ihr Reförmchen Branden burg langfristig schwächt, haben Sie in den letzten Wochen von allen Seiten zu hören bekommen, die in den Ausschüssen zu Gast waren. Sie haben es von mehr Seiten zu hören bekom men, als Ihnen lieb sein könnte.

An dieser Stelle ein Kompliment an Sie und an den Kollegen Kosanke, der trotz so viel Klassenkeile nicht weinend aus dem Zimmer läuft. Sie sind entweder stur oder taub oder aber Sie stehen auf Hiebe.

Herr Bischoff - jetzt ist er gerade nicht im Saal -, wenn Sie eine halbe Milliarde Euro in die Hand nehmen - 500 Millionen kos tet es ja -, allein weil Sie glauben, dass diese Reform notwen dig ist, kommt bei mir der Gedanke auf, dass man wissen soll te, ob diese Reform positive Effekte nach sich zieht.

Sie wollen noch immer Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) einkreisen. Sie sind so frei. Sie wollen weiterhin Großkreise durch Zwangsfusionen erzeugen. Sie sind so frei. Und Sie wollen uns all dies als einzige Option für eine starke und bürgerfreundliche Zukunft unseres Landes ver kaufen, zu der es keine Alternative gebe. Sie sind so frei.

Doch dieses Projekt ist bereits jetzt gescheitert, noch ehe es be gonnen hat, und zwar nicht nur aus 129 464 Gründen. Immer noch fehlt es an einer umfassend differenzierten Funktionalre form, die Sie selbst als Grundlage definiert haben.

Nun kommen wir zu dem großen Wurf: So viele Seiten Gesetz für eine Mini-Reform, die zudem die kommunale Ebene eher schwächt als stärkt. Wenn mehr als 1 500 Mitarbeiter aus den kreisfreien Städten auf die Landkreise übergehen, aber nur knapp 400 Mitarbeiter vom Land auf die Kreise und kreisfreien Städte, dann ist dies schlichtweg nicht nachvollziehbar. Welche Stellen werden auf die kommunale Ebene übertragen? Es han delt sich um 325 Stellen der Landesforstverwaltung, 30 Schul psychologen und sechs Mitarbeiter des Grenzveterinärdienstes. Doch gerade bei den 325 Stellen der Landesforstverwaltung macht sich nun auch noch Kritik innerhalb der SPD breit.

Bei einer solchen abgespeckten Aufgabenübertragung er scheint einem die Benutzung des Wortes Reform doch sehr am bitioniert. Dieses Vorhaben wird in dieser Form vor allen Din gen negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) entfalten. Sie werden damit negativ in das Alltagsleben der knapp 230 000 Einwohner dieser Städte eingreifen. Das sind immer hin knapp 10 % der Gesamtbevölkerung.

Aber auch für die Menschen in der Prignitz, in OstprignitzRuppin, der Uckermark, Barnim, Elbe-Elster, OberspreewaldLausitz und Spree-Neiße wird der Lebensalltag nicht verbes sert. Es bestehen weiterhin für die Bewohner in den betroffe nen Gebieten weite Anfahrtswege zu den Behörden. Ich er wähnte dies bereits vor zwei Jahren: Man braucht für die Durchquerung der Landkreise mit dem Auto länger als für ei

nen Flug nach Mallorca. Es wird den Menschen vor Ort er schwert, weiterhin das Ehrenamt wahrzunehmen. Es wird zu einem Identitätsverlust der Bürger mit ihrem Landkreis kom men.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es sogar einen Gutachter, der die Kreisgebietsreform dort mitgetragen hat und der davon ausgeht, dass bei den Kommunalwahlen 2019 im Landkreis Vorpommern-Greifswald die AfD 70 der 120 Gemeindevorste her selbst stellen bzw. sie zumindest tolerieren wird. Wir könn ten uns nun in Anbetracht dieser Aussichten zurücklehnen und darauf warten, dass die AfD einfach durch das fehlgeleitete Handeln der Landesregierung erstarkt. Aber mir ist meine Hei mat Brandenburg einfach zu wichtig, als dass ich nicht immer wieder versuchen werde, Ihnen diesen Irrsinn hier an dieser Stelle auszureden.

Wenn Sie die Verwaltung tatsächlich bürgernah und modern gestalten wollen, muss die elektronische Verwaltung gestärkt werden. Brandenburg ist hier auf dem letzten Platz aller 16 Bundesländer und hinkt Jahrzehnte in der Entwicklung hin terher. Länder wie Dänemark, die in den Unterlagen beispiel haft dargestellt werden, zeigen uns, wie man mit modernen Mitteln die Verwaltung und die Lebensqualität der Bürger ver bessern könnte. Herr Prof. Gronau von der Universität Pots dam hat dies einmal verglichen. Wenn Brandenburg dieselbe Entwicklung wie Dänemark hätte, dann könnte sich Branden burg auch 38 Landkreise leisten.

Statt einer Funktionalreform oder eines Kreisneugliederungsge setzes brauchen wir eher ein Modernisierungsgesetz, wenn man die Verwaltung neu gestalten möchte. Dies ist ebenfalls nicht nur meine Meinung, sondern auch die zahlreicher Experten.

Zum Änderungsantrag der Fraktion der Grünen möchte ich Folgendes sagen: Wir werden diesen Änderungsantrag ableh nen, nicht weil wir etwas gegen die Entschuldung der betroffe nen Städte hätten - ganz im Gegenteil -, wir lehnen diesen Än derungsantrag ab, da Sie diese erfolgreiche Entschuldung zur Rechtfertigung der Eingliederung der betroffenen kreisfreien Städte nutzen wollen.

Dass für uns jedoch die Kreisfreiheit nicht verhandelbar ist, ha ben wir seit Beginn oft genug geäußert. Wer garantiert denn, dass nach erfolgter Zwangsfusion die Verschuldung nicht er neut in ungeahnte Höhen schnellt? Dazu schweigt die Landes regierung, und dazu schweigt auch das Ministerium.

Ich komme nun zum Änderungsantrag der Freien Wähler. Das ist für mich einer der Kernbeweggründe dieses ganzen Vorgan ges. Wir teilen Ihren Frust über die Pläne und die Vorgehens weise der rot-roten Landesregierung. Auch ich würde mir wün schen, dass die konkreten Forderungen der Volksinitiative in dieser Form als Antrag vom Landtag heute so beschlossen wür den. Aber leider wird Ihr Antrag dieses Ziel nicht erreichen.

Diesbezüglich möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Selbst wenn der Antrag heute vom Landtag angenommen werden würde, so hätte auch dieser wieder nur politische, aber keine rechtliche Verpflichtung zur Selbstbindung zur Folge. Wir hätten also wieder das Problem, dass sich die Landesregierung über ge troffene Entscheidungen hinwegsetzen würde.

Das, was wir benötigen, ist ein Gesetz, welches die Landesre gierung verpflichtet, sich an die Ergebnisse von Volksentschei

den zu halten. Es ist höchste Zeit für ein solches Gesetz. Wir könnten auch in der Opposition vielleicht gemeinsam den Ver such wagen, Artikel 78 unserer nun 25-jährigen Verfassung auf den neuesten direkt-demokratischen Stand zu bringen. Herr Prof. Kleger hat dies in der Feierstunde angedeutet.

Die SPD-Fraktion hat durch mehrere ihrer Vertreter in den letz ten Wochen bereits kundgetan, man werde notfalls den erfolg reichen Volksentscheid ignorieren, da dieser keine bindende Wirkung für die Regierung habe. Zwar hatte Herr Bischoff das nur auf den Parlamentarischen Beratungsdienst bezogen, aber, meine Damen und Herren, diese Denke finde ich besorgniser regend.

Das Zeichen, das an die Bürger unseres Landes gesendet wird, lässt sich so zusammenfassen: Ihr könnt euch zusammenschlie ßen, Bürgerinitiativen bilden und Volksentscheide herbeifüh ren, aber uns ist das wurscht. - Wenn Sie sich für die Forderun gen des Volkes nicht mehr interessieren, Herr Ministerpräsi dent Dr. Woidke, muss ich Sie dazu auffordern: Treten Sie ein mal aus Ihrem Arbeitszimmer heraus, gehen Sie aus der Staats kanzlei heraus, treten Sie bis an den Zaun, drehen Sie sich um, gucken Sie an den Giebel und dann sehen Sie Worte, die lau ten: Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.