Und nicht zuletzt Verwaltungsmodernisierung und E-Govern ment. Hier besteht unverändert großer Handlungsbedarf. Aber das haben Sie selbst erkannt; deswegen werde ich jetzt dazu nicht mehr sehr viel ausführen.
Kommen wir deswegen zum großen Ganzen - zur Zielsetzung für die verbleibenden zwei Jahre bis zu den nächsten Landtags wahlen. „Den Aufbruch vollenden“ war das Motto des Koaliti onsvertrages von 2014; das ist Geschichte. „Moderne Heimat Brandenburg für alle“ heißt jetzt also das neue Leitmotiv. Das erinnert ein wenig an „Das Land, in dem wir gut und gerne le ben“. „Modern“ und „Heimat“ klingt gut; hier soll wohl auch ein wenig „Laptop und Lederhose“ mit anklingen. Das Wört chen „modern“ soll wohl die Jugend begeistern, und mit dem Begriff Heimat sollen wohl der selbsterklärten Heimatpartei CDU die Wählerinnen und Wähler streitig gemacht werden.
Dass wir allerdings jetzt alle auf unseren roten Adler stolz sein sollen, kann ich nur unter Ulk verbuchen. Weit trägt Ihr neues Leitbild jedenfalls nicht. Erkennbar ist, dass sich die Landesre gierung auf das Naheliegende beschränkt und bis 2019 einige der drängendsten Probleme im Land weiter angepackt werden
sollen. Große Ausführungen zur Breitbandoffensive und Digi talisierungsstrategie erspare ich mir jetzt. Zur Verkehrspolitik wurden bereits von Herrn Senfleben breite Ausführungen ge macht. Aber das ist heutzutage eigentlich über alle Parteigren zen hinweg Standard.
Eine bessere Finanzausstattung des öffentlichen Personennah verkehrs wurde bereits angesprochen. Verbesserte Stellenaus stattung sowie erste Schritte zur Beitragsfreiheit der Betreuung in den Kitas, neue Ideen zur Lehrkräftegewinnung und kom munales Investitionsprogramm - das alles ist nicht wirklich neu und wurde in den letzten Monaten hier schon rauf- und runter diskutiert. Unsere Unterstützung haben Sie dabei.
Dennoch kommen Sie über ein Sammelsurium einzelner Punk te nicht hinaus. Da werden beispielsweise 10 Millionen Euro für ein neues kommunales Investitionsprogramm für Sportver eine und Feuerwehren
- 10 Millionen Euro zusätzlich! - plötzlich wichtiger als das Mega-Thema Integration, welches mit ein paar Dankesworten an das „Bündnis für Brandenburg“ sowie alle Unterstützer ab gehandelt wird. Wenn man genauer hinsieht, stellt man fest, dass dann nur noch das Versprechen bleibt, sich zukünftig als Bündelungsbehörde für Ostinteressen gegenüber einer Jamai ka-Koalition auf Bundesebene zu sehen - einer noch gar nicht gebildeten Koalition, der man aber vorsichtshalber schon ein mal alles Schlechte zutraut.
Eine Neuorientierung, um das Land zu einer Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz und ökologische Landwirtschaft zu entwickeln, wird, obwohl bitter notwendig, nicht vorgenommen, aber das haben wir Grüne bei dem vorhandenen Personaltableau der Regierung auch nicht erwartet.
Die Begriffe Klima oder Klimawandel sucht man aber in Ihrem hier vorgestellten Programm vergebens. Gleiches gilt für die Wörter Ökologie, Nachhaltigkeit, Umwelt oder Naturschutz. Das scheinen Tabus für die Brandenburger SPD zu sein. Wirk lich neu ist allerdings, dass erstmals in einer Regierungserklä rung das Wort Braunkohle nicht fällt. Irgendwie scheint Ihnen die direkte Verbindung zwischen SPD und Braunkohle nicht mehr ganz geheuer zu sein. Modern und Braunkohle - das passt ja auch nicht wirklich zusammen.
Aber keine Aussage zum Abschied von der Braunkohle zu tref fen reicht uns nicht. Ohne einen deutlich erklärten Politik wechsel fehlt uns auch weiterhin jeder Glaube an einen Ab schied von der Brandenburger Kohlepolitik. Deswegen unsere Empfehlung: Kommen Sie beim Klimaschutz und bei Ihrer Braunkohlepolitik endlich in der Realität an!
Während nach den Protestanten mittlerweile selbst die katholi schen Bischöfe den Abschied von der Braunkohle fordern, die Brandenburger Jusos den Ausstieg bis 2035 anpeilen und selbst die Stadt Cottbus - der Herr Oberbürgermeister ist im Zuschau errang anwesend, herzlich willkommen! - sich von ihrem Braun kohle-Heizkraftwerk verabschieden und bis 2025 auf Gaskraft werke umstellen will, sofern ich das richtig gesehen habe,
während also an allen Ecken und Enden aus der Kohle ausge stiegen werden soll, die SPD-nahe Gewerkschaft Verdi erklärt, dass ein sozialverträglicher Kohleausstieg machbar ist und 52 Unternehmen - von Siemens bis EnBW - den Kohleausstieg fordern, sind Sie bislang kein Jota von Ihrem Pro-Kohle-Kurs abgewichen. Der CO2-Ausstoß steigt weltweit an; das 2-GradZiel ist möglicherweise nicht mehr zu halten - aber das alles ficht Sie nicht an. Unser Ministerpräsident fordert Klagen der Bundesregierung gegen die EU, um möglichst hohe Grenzwer te für das gesundheitsschädliche Quecksilber beizubehalten, und beim Stichwort „Jamaika“ fürchtet er zuallererst um die Geschäfte der LEAG.
„In Brandenburg regiert die Kohle“ könnte man in Abwand lung des Spruchs „In Deutschland regiert die Autoindustrie“ formulieren. Das Problem ist in beiden Fällen, dass mit der Selbstauslieferung an die Konzernbosse und der Verweigerung technologischen Fortschritts sowohl die Zukunft des Autopro duktionsstandortes Deutschland wie des Energie- und Wirt schaftsstandorts Brandenburg gefährdet ist.
„Was die Lausitz braucht, ist“ - ich zitiere - „eine mittelfristige Modernisierungsstrategie, statt in Duldungsstarre am Alten festzuhalten“. So formulierte es der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber bereits 2016. Sperren Sie sich nicht länger gegen das Unvermeidliche: Der Kohleausstieg kommt, egal wie viele Briefe Sie noch an die Bundesregierung schreiben, ob Sie für die Beibehaltung irgendwelcher Grenz werte stimmen oder sich für eine maximale Wirkungslosigkeit des Emissionshandels einsetzen. Selbst wenn Sie den CO2Ausstoß der fossilen Dinosaurier-Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe für eine zu vernachlässigende Größe halten sollten, machen Sie doch wenigstens den Strukturwandel in der Lausitz zu einem Markenkern Ihrer Politik!
Ein wenig klang das heute schon an: Mittel für einen Lausitz fonds vom Bund einzufordern, das findet auch unsere Unterstüt zung. Aber Sie müssen jetzt Ideen für Arbeitsplätze gemeinsam mit den Initiativen vor Ort entwickeln. Diese Aufgaben jetzt an die Bundesregierung delegieren zu wollen ist Politikverweige rung. Da stimme ich mit Herrn Senftleben absolut überein.
Auch Sie, Herr Ministerpräsident, schildern die Probleme des Auseinanderdriftens zwischen Stadt und Land, bleiben aber am Ende doch wieder bei den Regionalen Wachstumskernen hän gen. Machen Sie den ländlichen Raum zu einem Schwerpunkt Ihrer Politik!
Die Enquetekommission zur Zukunft der ländlichen Räume ar beitet nun seit zwei Jahren. Ihr wichtigstes Ergebnis ist, dass unabhängig von einzelnen Politikfeldern gilt: Die ländlichen Räume sind nicht verloren. Sie haben eigenständige und neue Qualitäten, Ressourcen und Potenziale, Natur, Kultur, Soziales und Wirtschaft. Sie müssen aber gestaltet werden. Nicht han deln heißt hier, alle Chancen zu verspielen.
Da reicht es nicht, in der Regierungserklärung das Thema Lan desentwicklungsplan kurz aufzurufen, aber inhaltlich nicht auszufüllen. Die Wiedereinführung der Grundzentren als erstes Signal an die Kommunen im ländlichen Raum wäre das Min deste, was wir von Ihnen heute erwartet hätten.
In der Wochenendausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ konnte man einen dreiseitigen Artikel über die Zerstörungen in der Uckermark durch die industrielle Landwirtschaft lesen. Über 100 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger haben das Volksbegehren gegen Massentierhaltung unterschrieben und somit ein deutliches Zeichen gegen diese Art der Tierhaltung gesetzt. Doch auch das lässt Sie bislang ziemlich unberührt. Die Umsetzung des ausgehandelten Kompromisses erfolgt nur zögerlich, und der Ausbau der industriellen Tierhaltung in Brandenburg schreitet ungehindert voran. Allein seit 2013 ha ben Sie rund 900 000 neue Tierplätze für Masthühner geneh migt und den Tierhaltern den roten Teppich somit weiter aus gerollt.
Beim Urteil zur Schweinemastanlage in Haßleben wurde kürz lich nur allzu deutlich, wie industriefreundlich das Landesamt für Umwelt bei der Genehmigung von neuen Tierfabriken agiert. Das bleibt im Lande nicht unbemerkt - und damit muss endlich Schluss sein!
Wenn Sie nicht wollen, dass landwirtschaftliche Produkte aus Brandenburg durch Massentierhaltung und Pestizide in Miss kredit gebracht werden, wenn Sie Arbeitsplätze und Wert schöpfung im ländlichen Raum sichern wollen, wenn Sie mit den Schmetterlingen nicht zugleich die Menschen verlieren wollen, dann müssen Sie sich von dieser Politik verabschieden und ein neues Leitbild für Landwirtschaft und ländliche Räume entwickeln und nicht nur beklagen, dass die Bauern ein schwe res Jahr hatten.
Letzter inhaltlicher Punkt - Sie hatten es angesprochen -: Bran denburg verzeichnet Jahr für Jahr neue Überschüsse im Haus halt - Zeit, vom Aufbau immer höherer Rücklagen Abschied zu nehmen, stärker Schulden zu tilgen, zu investieren und gleich zeitig den Personalabbau im öffentlichen Dienst zu stoppen. Insbesondere die zusammenbrechende Justiz kann nicht immer wieder aufs Neue vertröstet und mit Flickschusterei notdürftig am Laufen gehalten werden.
Einkommensverbesserungen müssen bei den unteren Besol dungsgruppen, bei Polizei, Justizwachtmeistern und Finanzbe amten und nicht nur bei den Lehrkräften ankommen. Kommen
Sie endlich mit dem versprochenen Personalstrukturkonzept für den öffentlichen Dienst auf den Markt! Mit dem Auslaufen der Solidarpaktmittel steht zudem die gesamte Kommunalfinanzie rung auf dem Prüfstand; darüber wurde schon gesprochen.
Bitte vergessen Sie auch nicht die Schuldenbremse. Diesen Be griff habe ich bis jetzt kein einziges Mal gehört. Das Zeitfens ter für die Umsetzung der Schuldenbremse im Landesrecht schließt sich. Unterlässt die Landespolitik diese Umsetzung, verzichtet sie darauf, verfassungsrechtlich zulässige Spielräu me zu deren rechtssicherer und inhaltlicher Ausgestaltung aus zunutzen. Dann gilt ab 2020 ausnahmslos ein striktes Neuver schuldungsverbot, und das können wir, glaube ich, alle nicht wollen.
Ich komme zum Schluss. Die Landesregierung hat mit dem Scheitern der Kreisgebietsreform ein selbstverschuldetes De bakel erlitten. Häme und Spott sind allerdings fehl am Platze, weil die allseits bekannten Probleme des demografischen Wan dels in einer alternden Gesellschaft genauso wie das Auseinan derdriften der einzelnen Regionen Brandenburgs uns alle wei ter beschäftigen müssen.
Ein Wechsel des Koalitionspartners, die Ablösung des Minis terpräsidenten, ein Minister als Bauernopfer, egal ob mit fein sinnigem oder Brachialhumor, oder gar Neuwahlen bringen das Land nicht nach vorn.
Das Scheitern des einzigen nennenswerten Reformvorhabens von Rot-Rot in dieser Legislaturperiode muss aber eine inhalt liche Neuausrichtung der Landesregierung und den Wechsel zu einem anderen Politikstil mit sich bringen. Dieser Landtag und damit diese Landesregierung sind bis 2019 gewählt. Es ist Ihre und auch unsere verdammte Pflicht, diesen Wählerauftrag zu erfüllen und gute Politik für das Land Brandenburg zu machen.
Erste Hinweise darauf, wo es in den nächsten beiden Jahren besser werden kann, haben Sie heute gegeben, wenngleich uns das neue Motto „Brandenburg als moderne Heimat für alle“ nicht gerade vom Hocker reißt. Klimaschutz, Ökologie, Nach haltigkeit sind nach wie vor Fremdwörter für Sie. Das Thema Integration oder Entwicklung der ländlichen Räume wird nur angerissen, aber nicht mit Inhalten gefüllt.
Deswegen gibt es auch nach wie vor gravierende Meinungsun terschiede zwischen uns Grünen und der Koalition darüber, was genau diese gute Politik ausmacht. Aber darüber werden wir mit Ihnen und auch mit der CDU in den nächsten zwei Jah ren weiterhin leidenschaftlich und respektvoll streiten.
Die Wählerinnen und Wähler werden unser Handeln und unser aller Politik dann auch zu bewerten wissen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.