waren für die Menschen in Brandenburg eine schwierige Zeit. Viele von uns haben sie hautnah erlebt. Die meisten können sich gut daran erinnern. Das hatte nicht nur mit wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen zu tun. Sehr bald nach der friedlichen Revolution haben auch Rechtsextremisten angefangen, ihren Hass an Minderheiten, Ausländern, Obdachlosen und Punks auszulassen. Es waren feige Angriffe auf schwächere Men schen bzw. Angriffe auf die Menschlichkeit.
Diese Gewalt hat das Ansehen Brandenburgs beschädigt, denn hier waren 1990 die ersten Todesopfer zu beklagen. Viele Ge walttaten folgten, und auch ich räume ein: Diese üble Entwick lung wurde anfangs von vielen unterschätzt und auch kleinge redet - auch von der SPD. Dafür gibt es keine Entschuldigung, allenfalls Erklärungen. Ich sage: Das war falsch - Punkt.
Sehr geehrter Herr Senftleben, ich finde es ehrenwert, dass Sie hier auch frühere Fehleinschätzungen Ihrer Partei eingeräumt haben. Das finde ich gut. Aber ich würde mir auch wünschen, dass in der CDU auf Bundesebene alle so standfest wären, wenn es um Toleranz und Glaubwürdigkeit geht.
Ministerpräsident Manfred Stolpe hat vor gut 20 Jahren, meine Damen und Herren, als einer der Ersten erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat verstanden: Es sind keine Ein zeltäter. Das sind Rechtsradikale, die oft organisiert vorgehen und ein Ziel vor Augen haben. Sie wollen unsere gesellschaftli che Ordnung untergraben. - Deshalb war es richtig, dass Man fred Stolpe die Zivilgesellschaft zur Gegenwehr aufgerufen hat. Er selbst hat das einmal so beschrieben:
Das ist eine gute Beschreibung. Denn dieser Satz macht zwei erlei deutlich: Die Gewalttäter und Feinde der Demokratie ha ben keine Mehrheit in unserem Land. Sie sind eine kleine, ge fährliche Minderheit, die Angst schüren will.
Damit das nicht gelingt, muss die Mehrheit aufstehen und auch aktiv werden. Das ist die zweite Botschaft von Alt-Ministerprä sident Manfred Stolpe. Wenn wir wollen, dass es in unseren Dörfern und Städten friedlich bleibt, müssen wir selbst etwas dafür tun.
Wenn wir wollen, dass Meinungsverschiedenheiten oder kultu relle Unterschiede nicht zu größeren Konflikten auswachsen, müssen wir besonnen damit umgehen. Vor allem müssen wir Hass und Hetze entgegentreten, und zwar sofort und überall.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es am Samstag in Cottbus auf den Punkt gebracht und so ausgedrückt:
Manfred Stolpe hat vor gut 20 Jahren Gewerkschaften, Verbän de, Kirchen, Institutionen und Kultureinrichtungen zu einem
Aktionsbündnis versammelt. So etwas konnte Manfred Stolpe. Mit seinem Vorgehen hat er wichtige Zeichen gesetzt. Seine Nachfolger im Amt, Matthias Platzeck und Dietmar Woidke, haben das fortgesetzt. Dietmar Woidke hat klare Kante gegen rechtsextreme Organisationen gezeigt, er hat den gesellschaftli chen Zusammenhalt für Demokratie und Toleranz auf eine brei te Grundlage gestellt, zuletzt mit dem „Bündnis für Branden burg“.
Viele andere Menschen haben dabei geholfen. Einige möchte ich erwähnen, weil ihr Einsatz beispielhaft war: Erardo Rauten berg - bis vor kurzem Generalstaatsanwalt - hat früh davor ge warnt, den Rechtsextremismus zu verharmlosen. Auch Gunter Fritsch, unseren früheren Landtagspräsidenten, möchte ich nen nen. Er hat den Widerstand gegen die Nazi-Aufmärsche in Hal be erfolgreich angeführt. Wir haben die Nazis in Halbe zurück gedrängt. Das war auch ein Erfolg der Demokratie und der demokratischen Kräfte in diesem Parlament.
Ich will nicht versäumen, auch Jörg Schönbohm zu erwähnen und ausdrücklich zu danken. Er hatte als Innenminister von der CDU einen erheblichen Anteil daran, dass Brandenburg genau diese Toleranz ausgedrückt und das Vordringen von Rechten im Alltag aufgehalten hat. Er hat als Innenminister, als Mensch und als Politiker der CDU die richtigen Weichen gestellt - ge meinsam mit Manfred Stolpe. Dafür sage ich auch Dankeschön.
Der große Erfolg des „Toleranten Brandenburg“ wäre aber ohne die vielen Helfer und Unterstützer vor Ort nicht denkbar gewesen, liebe Abgeordnete; sie sind von Ralf Christoffers und Ingo Senftleben genannt worden. Sie sind die Säule der Demo kratie.
Überall, wo Nazis, Halbnazis oder Rechtspopulisten auftau chen, sorgen Bürgerinnen und Bürger für Gegenkundgebun gen - ob in Halbe, Neuruppin, Potsdam oder Cottbus. Das ist das Zeichen, das die Antidemokraten verdient haben. Wir müs sen gegenhalten. Ich danke im Namen meiner Fraktion allen Menschen, die sich Tag für Tag für Toleranz und Gemeinsam keit in Brandenburg einsetzen. Ganz herzlichen Dank!
Auch der Staat geht heute anders und viel energischer gegen rechte Umtriebe vor als noch vor 20 Jahren. Polizei, Verfas sungsschutz und Justiz kennen die Strukturen der rechten Sze ne, sie bekämpfen sie entschlossen und auch erfolgreich.
Brandenburg hat - übrigens als erstes Bundesland - unabhängig prüfen lassen, welche Gewalttaten seit 1990 politische Hinter gründe hatten. Unser Land war mit dem „Toleranten Branden burg“ Vorreiter. Die Mobilen Beratungsteams, die Opferbera tung, die Ausstiegsprogramme für Rechtsextremisten - das alles hat inzwischen bundesweit Nachahmer gefunden. Darauf kön nen wir uns verlassen, darauf können wir aber auch ein wenig
Brandenburg, meine Damen und Herren, ist immer dann stark, wenn es zusammenhält, wenn es offen und menschlich Gesicht zeigt. Die Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte leh ren uns aber eines ganz klar: Wir dürfen die Demokratie nie mals als selbstverständlich ansehen. „Nichts ist erledigt“, hat der Bundespräsident in Cottbus mehrfach in seiner Rede gesagt und betont.
Der Kampf gegen Intoleranz, der Kampf gegen Hass ist nie ganz gewonnen. Es ist und bleibt eine Daueraufgabe der Demo kratie, diesen Kampf zu führen. Die friedliche und freiheitliche Gesellschaft lebt also vom Engagement vieler Menschen. Das war so, das ist so und das wird immer so bleiben. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Kalbitz für die AfD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kol legen! Der Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ zeigt exempla risch, chronologisch und leicht nachvollziehbar auf, wie man sich mit der Idee, etwas Gutes getan zu haben und auch Gutes zu wollen, auch verrennen kann. Die Grundintention, verfas sungsfeindlichen Extremismus von rechts und links zu be kämpfen, Gewalt - egal, welcher Form - zu ächten, muss Kon sens aller Demokraten sein. Das ist auch gut so. Und null Toleranz dem, der versucht, diese roten Grenzen aufzuweichen.
Während man damit angefangen hat, schwere Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit eindämmen zu wollen, ist man nach einer wichtigen Entwicklung in den 90er-Jahren, die anzu stoßen in der damaligen Situation nötig war, nun dort gelandet, wo man in dystopischen Erzählungen in Buch und Film öfter anfängt, ungläubig den Kopf zu schütteln. Sie offenbaren mit diesem Bericht auch, wie verzerrt Ihre Wahrnehmung von De mokratie, von Einigkeit, Recht und Freiheit mittlerweile ist. Linksextremismus kommt in Ihrer Welt gar nicht vor. Das ist überhaupt kein Thema.
Sie halten die Repression - also die Unterdrückung von Mei nungen - ganz offen und ausdrücklich für geboten. Sie wollen sogar automatisierte Computersysteme der Meinungsmache einführen, arbeiten ja in Brandenburg mit Forschern vom Has so-Plattner-Institut bereits zusammen. Das kann man auf Sei te 52 des Berichts nachlesen.
Dafür gibt es auch einen Namen: geistiger Totalitarismus. Es erinnert viel an die Systeme der Stasi, nur dass sie heute flä chendeckender, ausgereifter und eben viel gefährlicher sind. Und es ist eine absolute Farce, wenn Sie dann auch noch be
haupten, Ihre Maßnahmen würden die Zivilgesellschaft stär ken. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Sie lösen das, was frei heitliche Gesellschaft ist, schleichend auf. Sie wollen Gesellschaft repressiv steuern, nicht freiheitlich.
Sie gestalten nicht, Sie denunzieren. Sie inspirieren nicht, Sie unterdrücken. Sie schaffen keine Freiräume, Sie zersetzen. Sie haben vollständig Maß und Mitte verloren - „Big Brother is watching you“ -, und Sie finden das richtig klasse. Das ist der Eindruck, den man beim Lesen dieses Berichts auch bekommt.
Ein kleines, eher harmlos anmutendes Beispiel zeigt die grund legende Unstimmigkeit Ihres gesamten Ansatzes. So heißt es in dem Bericht auf Seite 39, das Ziel des „Bündnisses für Bran denburg“ sei es gewesen, das solidarische Miteinander zu för dern. Ein paar Zeilen weiter heißt es dann, eine größere gesell schaftliche Öffnung mit Blick auf die Integration von Geflüchteten sei zentrales Anliegen gewesen.
Sie wollen also eine Solidargemeinschaft unter der Vorausset zung einer bestimmten Ideologie. Dass das mit Solidarität nicht mehr viel zu tun hat, fällt Ihnen gar nicht mehr auf. Denn Sie fordern Solidarität mit so vielen, die völlig fremd sind und die nach Gesetz und Recht hier nicht hingehören, und verweigern sie denjenigen, die nach Ihrem Sprachgebrauch lediglich schon län ger hier leben. Sie verwässern das Staatsbürgerrecht, indem Sie die genuinen Rechte, die einem nativen Staatsbürger in Deutsch land zustehen, an jeden Dahergelaufenen verschenken wollen,
und greifen so massiv in die Eigentumsrechte jedes einzelnen deutschen Volkszugehörigen und Staatsbürgers ein.
Sie verkaufen unser Land, zersetzen unser Volk, zerstören unse re Nation und finden das auch noch richtig gut!
(Beifall AfD - Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Ekel haft! - Weitere Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)
Wenn es um konkrete und praktische Maßnahmen geht, wie sie unser Antrag zur Aufstockung des Verfassungsschutz enthielt, werden sie abgelehnt. Das wäre ein wirklich produktiver Beitrag zur Extremismusbekämpfung gewesen, die anhaltend nötig ist.
Der Bericht offenbart zudem, dass Sie aus der Vergangenheit und Ihren eigenen angeblichen Erkenntnissen nichts gelernt ha ben. So heißt es, dass es früher an effektiven Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt fehlte. Eine effektive Strafverfolgung und damit auch eine zügige Aburteilung der damaligen Straftä ter fanden nicht statt. Diese Erkenntnis hat aber offenbar über haupt keine Wirkung gezeitigt; denn schaut man sich an, wie die deutsche und damit auch die brandenburgische Justiz heute mit zugereisten Vergewaltigern, Mördern und anderen Straftä tern umgeht,