Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 6/11341

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht der Abgeordnete Schmidt für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die landesrechtliche Umsetzung der Schuldenregel des Grundge setzes erfolgt mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung un serer Landesverfassung. Heute erfolgt die 2. und morgen die 3. Lesung. Der Gesetzentwurf zur Änderung der Landeshaus haltsordnung mit der Ausgestaltung der Schuldenregel wird am Freitag behandelt.

Die Anzuhörenden haben im Hauptausschuss die Umsetzung der Schuldenregel in der Verfassung im Wesentlichen begrüßt. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände wiesen darauf hin, dass die kommunalen Verfassungsrechte mit Berufung auf die Schuldenbremse nicht geschmälert werden dürfen. Dies be trifft die Artikel 97 und 99 der Landesverfassung. Darin wer den das Konnexitätsprinzip und der kommunale Finanzaus gleich geregelt. Diesen Hinweisen wird im Gesetzentwurf zur Landeshaushaltsordnung mit einer Ergänzung Genüge getan.

Ein weiterer Hinweis, von Herrn Prof. Dr. Schmidt, wurde nicht aufgenommen. Er regte an, statt der einfachen Mehrheit für die Feststellung einer Ausnahme die qualifizierte Mehrheit vorzusehen. Dies haben die Mitglieder des Hauptausschusses nicht übernommen. Der Kollege Vogel wies in der Diskussion darauf hin, dass in Artikel 65 der Landesverfassung vorgesehen ist, dass der Landtag grundsätzlich mit der Mehrheit der abge gebenen Stimmen entscheidet. Davon sollte auch aus unserer Sicht nicht abgewichen werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich wiederhole eine Passage aus meinem Beitrag zur 1. Lesung der Verfassungs änderung: Eine Regelung in der Verfassung betont die beson dere Wertigkeit der Schuldenbremse für das Land Branden burg. Nur durch eine Regelung in der Landesverfassung wird die verfassungsrechtliche Kontrolle ermöglicht. Es ist also

auch eine Stärkung der Rechte des Parlaments, es ist eine Stär kung unserer Rechte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung und mit der dazugehöri gen Änderung der Landeshaushaltsordnung betreten wir Neuland.

Erst bei zukünftigen besonderen Herausforderungen für das Land Brandenburg wird sich zeigen, ob es mit der Schulden bremse nicht auch zu negativen Effekten kommen kann. Ich denke zum Beispiel an notwendige Zukunftsinvestitionen, den Erhalt der Infrastruktur oder den notwendigen wirtschaftlichen Umbau einer ganzen Region. Gestaltungsspielräume können auch enger werden, und eine Kreditaufnahme käme dann nur noch nach den Regeln der Landeshaushaltsordnung zustande. Es gelten dann das Konjunkturbereinigungsverfahren und die Ausnahmetatbestände für eine Schuldenaufnahme. Wir werden in der Zukunft sehen, ob die Hebel und Stellschrauben so wir ken, wie wir uns das jetzt vorstellen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, weitere Änderungen betreffen die Rechte der Untersuchungsausschüsse und das Recht der Fraktionen, mit mindestens einem Mitglied im Untersuchungsausschuss vertreten zu sein. Eine weitere Ände rung betrifft Artikel 78 Abs. 1 der Landesverfassung. Hier werden die Fristen neu geregelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vorgelegten Än derungen werden gemeinsam von den Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SPD getragen. - Wir bitten um Ihre Zustimmung.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Bretz für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmidt hat bereits alles Wichtige gesagt. Es geht um die Debatte zur Änderung der Verfassung zur Einführung der sogenannten Schulden bremse, wobei klar ist, dass wir heute für das Land Branden burg die Ausnahmen regeln, falls es negative konjunkturelle Abweichungen von einer Normallage gibt oder wir es mit au ßergewöhnlichen Notsituationen bzw. Naturkatastrophen zu tun haben. Der neu geschaffene Abs. 2 des Artikels 103 regelt das für die Landesverfassung. Wir werden am Freitag die tech nische Umsetzung in der Landeshaushaltsordnung beraten. Deshalb bleibt mir schlussendlich nur der Hinweis, dass wir uns gefreut hätten, den Hinweis von Prof. Ingo Schmidt von der Universität Potsdam, was die Mehrheitsregelung betrifft, aufzunehmen, sehen aber, dass eine Verfassungsänderung bezüglich Mehrheiten vorher verabredet werden muss. Eine einfache Mehrheit reicht hier nicht, wir bräuchten hierzu die Verfassungsmehrheit.

Mir bleibt deshalb nur, im Namen der CDU-Fraktion danke zu sagen für die überfraktionelle, kollegiale Zusammenarbeit, im Zuge derer wir gemeinsam zu einer solchen Regelung zum

Besten des Landes gekommen sind. Für uns stand die Hand lungsfähigkeit des Landes in schwierigen Zeiten im Vorder grund, weil wir wollen, dass unser Staat und unser Gemein wesen auch dann handlungsfähig sind. Ich hoffe, dass wir über die praktische Anwendung dieser Regel, also die technische Umsetzung in der Landeshaushaltsordnung am Freitag noch diskutieren werden. Der Praxistest steht zwar noch aus, aber ich glaube, wir haben für unser Land einen guten Beitrag ge leistet. Ich bitte um Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Christoffers für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben zwar erst die 2. Lesung zur Änderung der Verfassung, aber ich glau be, es ist trotzdem ein bedeutender Moment im politischen Agieren dieses Parlaments: So oft verändern wir die Verfas sung nicht. Wir reden heute über den Bericht des Hauptaus schusses. Zur Änderung des Artikels 103 ist schon viel gesagt worden. Ähnlich wie Sie, Kollege Schmidt, gehe ich davon aus, dass wir bei der Umsetzung der Schuldenbremse bundes weit eine Debatte haben werden, ob und inwieweit sie das rich tige Instrument ist oder aber ob es noch Veränderungen in der Auslegung geben muss. Die Diskussion läuft bereits, insofern bleibt abzuwarten, wie es sich entwickelt. Ich teile Ihre Auffas sung: Mit der Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung haben wir eine Wertigkeit betont. Deswegen gehe ich davon aus, dass die technische Umsetzung in der Landeshaushalts ordnung auch so erfolgen wird.

Aber, meine Damen und Herren, wir verändern nicht nur den Artikel 103, sondern wir verändern auch die Artikel 72, 78 und 55. Lassen Sie mich besonders auf Artikel 55 eingehen. Wir stellen damit in der Verfassung den Stellenwert des Parlaments noch deutlicher heraus. Zentral ist hier, dass das Parlament an der Willensbildung zu bundes-, europa- und landespolitischen Aufgaben beiträgt.

Wir verändern in der Verfassung also auch die Stellung und die Rolle des Parlaments. Ich finde das angemessen, ich finde es richtig, und es macht deutlich, mit welcher Verantwortung jeder Einzelne von uns agiert.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Schmidt [SPD])

Meine Damen und Herren, wir ziehen die Konsequenzen aus der bisherigen Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen und aus dem Einleiten und dem Ergebnis von Volksinitiativen und Volksbegehren. Auch das war immer ein politisches Anliegen hier im Parlament. Wir verlängern die Fristen für die Einlei tung von Volksbegehren, um so Zeit und Raum zu schaffen, Sachverhalte miteinander zu kombinieren, und wir stellen die Rolle und Funktion von Untersuchungsausschüssen noch ein mal klar und deutlich dar. Zugleich ist mit dem zweiten und dritten Gesetz zu parlamentsrechtlichen Vorschriften ebenso

die technische Umsetzung dieser beiden Punkte aus der Verfas sung in der Diskussion. Insofern werden wir in der heutigen und morgigen Lesung der Verfassung fraktionsübergreifend zu einer qualifizierten Mehrheit kommen. Ich kann mich Herrn Bretz nur anschließen und mich bei allen Kollegen für die gute Zusammenarbeit bedanken.

Wir werden mit diesen Änderungen die Demokratie im Land Brandenburg weiterentwickeln und mit diesem Gesetz auch die Rolle und die Funktion des Parlaments weiter stärken. Ich fin de, das ist vor dem Hintergrund von Debatten um den weiteren Ausbau von Demokratie und demokratischer Mitsprache ein wichtiges Signal. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Danke. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Jung für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Sie haben nun einen Entwurf zur Ände rung der Verfassung eingebracht. Es geht um die Schulden bremse sowie darum, dass das Grundgesetz in der entsprechen den Norm als unmittelbar geltendes Landesrecht implementiert wird. Die Ausnahmen sind ebenfalls benannt worden: Dass nämlich bei konjunktureller Fehlentwicklung, bei Abweichun gen vom Normzustand von der Regel abgewichen werden kann. Wir als AfD-Fraktion gehen vom Grundsatz her mit dem Ganzen d‘accord. Wir finden es gut und sind auch Befürworter der Schuldenbremse; das gehört zu unserer DNA.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wie ist es zu diesem Konsens gekommen? Es war ein sehr langer Weg, nicht nur hier, sondern in der ganzen Bundesrepu blik. Wir erinnern uns, 1966/67 gab es eine der ersten Rezes sionen in Deutschland, die nachhaltige Folgen hatte. Es gab die erste Große Koalition von CDU und SPD und im Konsens wurden unter dem damaligen Finanzminister Strauß und dem Wirtschaftsminister Schiller einige Gesetze geändert bzw. ver abschiedet, unter anderem das Stabilitätsgesetz: In Zeiten einer Rezession konnten Schulden aufgenommen werden, und in Zeiten einer Hochkonjunktur sollten diese Schulden zurückge zahlt werden. In der darauffolgenden SPD-Regierung ab 1969 ist es dazu nicht gekommen,

(Domres [DIE LINKE]: Zum Thema!)

sondern - wir erinnern uns - es gab einen Bundesfinanzminister der SPD, Alex Möller, der, weil die Rückzahlung der Schulden während einer Hochkonjunktur nicht erfolgt war, zurückgetre ten ist. Der Superminister, Herr Schiller, ist ebenfalls zurück getreten.

Das Ganze führte 1981/82 zu einer Agonie der Schmidt-Regie rung

(Bischoff [SPD]: Och!)

und letztendlich dazu, dass die CDU unter Kohl die Regierung übernahm und mit Finanzminister Stoltenberg das erste Mal in Deutschland richtig gespart hat

(Domres [DIE LINKE]: Scholz spart auch!)

- das muss man wirklich anerkennen - und sehr gute Politik gemacht hat.

(Zuruf der Abgeordneten Gossmann-Reetz [SPD])

Durch die Wiedervereinigung war dies aufgrund dessen, was der Sozialismus uns als Altlasten hinterlassen hat, im Grunde genommen ganz passé. Das hat viel Geld gekostet, und der Leidensprozess, der dann durch den Euro einsetzte, war bitter und führte zu der Erkenntnis, dass man eine Schuldenbremse braucht - und das ist auch gut so. Wir haben diesbezüglich Prof. Schachtschneider in den Ausschuss gebeten,

(Domres [DIE LINKE]: Der war spitze!)

und er hat ja auch darauf hingewiesen.

Wir hätten es natürlich gut gefunden, wenn Sie uns daran im Vorfeld beteiligt hätten. Es gehört sich für alle demokratischen Parteien hier im Hause, dass man einander unterstützt und das, worüber Konsens besteht, einbezieht. Das ist leider nicht ge schehen, da kann ich nur für die Zukunft an Sie appellieren. Das ist auch der einzige Grund, aus dem wir uns jetzt enthalten werden. Ansonsten gehen wir mit der Sache d’accord. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gemerkt, es ist Allgemeingut geworden: Die Verankerung der Schuldenbremse auf Verfassungsebene war überfällig und ist ein Gewinn für uns alle. Sie wertet die Bedeutung des Parla ments auf - das wurde angesprochen - und sie verschafft Regie rung und Landtag überhaupt erst den nötigen Freiraum, um in besonderen Notlagen und bei Konjunktureinbrüchen notwen dig werdende Kredite aufzunehmen.

Im Gegensatz zur allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung ist die Schuldenbremse kein Neuverschuldungsverbot, das Kredit aufnahmen ausschließt - im Gegenteil: Sie räumt dem Land Brandenburg in Verbindung mit der am Freitag zur Beschluss fassung anstehenden Ausgestaltung in der Landeshaushaltsord nung Spielräume ein, Schulden aufzunehmen, die ohne diese Änderungen wegen des ansonsten verbindlichen, strikten grundgesetzlichen Verschuldungsverbotes ab 2020 nicht mehr bestünden.

Herr Bretz, es gab, weil wir diesen ganz großen Konsens über die Folgeänderung der Landeshaushaltsordnung haben, die

Verabredung, dass wir am Freitag auf eine Aussprache verzich ten. Das fällt uns allen deswegen leicht, weil den Bedenken der kommunalen Familie und der Spitzenverbände ja Rechnung getragen werden konnte und klar ist, dass die Schuldenbremse nicht zulasten der Kommunen und Landkreise gehen wird.

Ich möchte jetzt aber anknüpfend an Herrn Christoffers auch noch auf die anderen Verfassungsänderungen hinweisen, und zwar insbesondere auf Artikel 55. Nun ist es nicht selbst verständlich, dass, wenn wir einen Antrag zur Schuldenbremse einbringen, plötzlich auch ganz andere Artikel geändert werden; aber wir Grünen haben uns den Änderungsbegehren angeschlossen - nicht nur bei den Punkten, die schon länger vorbereitet waren, wie der Änderung bei Untersuchungsaus schüssen oder in der Volksgesetzgebung, wo es um eine Verlängerung von Fristen geht, um die Zusammenlegung von Volksabstimmungen und Wahlen zu ermöglichen, sondern auch bei der Bestimmung der Aufgaben des Landtages. Bisher hieß es hier kurz und bündig: „Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes.“