Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Besucher auf der Tribüne! War man vor einer Wo che im Innenausschuss zugegen, so hätte man meinen können, dass Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbe stimmung ein nettes Gimmick seien - nice to have -, doch mit Vorsicht zu dosieren. Da habe ich eine andere Wahrnehmung als unsere geschätzte Ausschussvorsitzende, Frau Geywitz.
Zwei wesentliche Aspekte werden dabei völlig vergessen: Ers tens. Wir sprechen bei der informationellen Selbstbestimmung von einem in der Verfassung verankerten Grundrecht.
Zweitens. Selten war es so wichtig wie heute, unsere Daten zu schützen. Wir alle sind Bürgerinnen und Bürger des digitalen Zeitalters und müssen für uns als Gesellschaft grundsätzlich entscheiden, wo wir Speicherung und Verarbeitung persönli cher Daten für akzeptabel und sinnvoll halten und wo nicht.
Es gibt politische Ordnungen - beispielsweise in China -, in de nen nicht nur Namen, Geburtsdaten und Schulzensuren gespei chert werden, sondern nach einem Punktesystem auch sämtli ches Sozialverhalten gespeichert und bewertet wird. In solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben.
Der vorliegende Gesetzentwurf hätte nun die Chance für ein eindeutiges Grundsatzbekenntnis zum Grundrecht auf informa tionelle Selbstbestimmung geboten. Stattdessen sind wir Zeu gen eines weiteren Beispiels für einen in letzter Minute durch gepeitschten Gesetzentwurf zu einer hochkomplexen Materie.
Der Entwurf wird dadurch der Zielrichtung der dem Gesetz zu grunde liegenden Richtlinie nur unzureichend gerecht, und der Gesetzgebungsprozess war bezeichnend für eine Regierung, die viel zu vieles auf die lange Bank geschoben hat und am Ende der Legislaturperiode unter immensen Druck geraten ist.
Zunächst verzögerte sich die Umsetzung der sogenannten JIRichtlinie durch die Loslösung vom Polizeigesetz beträchtlich. Dann geriet der Gesetzentwurf im federführenden AIK zeitlich in einen Anhörungsmarathon mit sämtlichen weiteren noch aus der Schublade auferstandenen Gesetzentwürfen der Regierung, sodass man der Landesbeauftragten für den Datenschutz statt einer mündlichen nur noch eine schriftliche Anhörung zubillig te. Deren reichlich vorhandenen inhaltlichen Bedenken wurden bis kurz vor Schluss großzügig ignoriert, genauso wie ihre Empfehlung, den Gesetzentwurf nicht zwingend noch vor den Wahlen zu verabschieden, sondern in der neuen Wahlperiode in besonnenerer Art und Weise erneut in die Hand zu nehmen.
Vergessen wurde zunächst auch die Überweisung an den mit beratenden Fachausschuss für Gesundheit und Soziales. Ein Plenum später wurde das nachgeholt.
Immerhin führte der fachlich für den Maßregelvollzug zustän dige Ausschuss dann - wiederum in einer Sondersitzung - eine sehr instruktive Anhörung zu der hochkomplexen Materie durch.
Es musste neben den datenschutzrechtlichen Regelungen der EU-Richtlinie auch die aktuelle Rechtsprechung des Bundes verfassungsgerichts zur Fixierung von Menschen im Maßre gelvollzug landesrechtlich umgesetzt werden. Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen konnten wir hier einen Teil unserer Änderungswünsche durchsetzen. Leider nicht durchsetzen konnten wir uns mit unserer Forderung nach einer grundsätzli chen richterlichen Überprüfung angeordneter Maßnahmen.
Der derzeitige Entwurf räumt unserer Ansicht nach die verfas sungsrechtlichen Bedenken des Deutschen Richterbundes - Landesverbrand Brandenburg - und aus der Ärzteschaft selbst nicht aus, die in den sehr weit gefassten Befugnissen der unab hängigen Prüfstelle einen Widerspruch zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sehen. Erforderlich wäre hier ein echter Richtervorbehalt. Inhaltlich bleiben die Regelungen
Betrachtet man den Bereich der Justiz, so finden sich reichlich datenschutzrechtliche Vorbehalte, die die EU-Richtlinie so nicht fordert. Der Entwurf lässt leider weiterhin klare Durch griffsrechte für die Landesbeauftragte für den Datenschutz - so die langjährige Forderung unserer Faktion - vermissen.
Für besonders kritikwürdig halte ich es, dass die Landesbeauf tragte für den Datenschutz in Bezug auf Personen, denen Ver traulichkeit zugesichert worden ist, entgegen der Intention der Richtlinie und entgegen den Regelungen im Bund keine Kon trollkompetenz erhält. Da bleibt Brandenburg bei seiner Wa genburgmentalität und lässt sich bei V-Leuten von niemandem in die Karten gucken. Dieses Thema werden wir ja gleich noch behandeln.
Dieser Gesetzentwurf hätte dringend einer sorgfältigen Überar beitung bedurft. In der vorliegenden Form ist er für uns nicht zustimmungsfähig. - Danke schön.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Verehrte Zuschauer! Verehrte Frau Non nemacher, unter dem folgenden Tagesordnungspunkt werden wir noch über den Verfassungsschutz sprechen. Dieses Gesetz gilt für den Verfassungsschutz nicht. Das wissen Sie ja.
Im Rahmen der EU-Datenschutzreform hat der europäische Gesetzgeber neben der Datenschutz-Grundverordnung auch die sogenannte JI-Richtlinie erlassen. Die JI-Richtlinie betrifft den Aufgabenbereich der Polizei sowie den des Justiz- und Maßregelvollzugs, also nicht den des Verfassungsschutzes.
Sie muss durch Bund und Länder umgesetzt werden. Während der Bund und andere Bundesländer dies in einem Teil des all gemeinen Datenschutzgesetzes vornehmen, soll in Branden burg ein eigenes fachspezifisches Datenschutzgesetz geschaf fen werden. Dadurch wird dem hohen Stellenwert des Daten schutzes in der Polizei und im Justiz- und Maßregelvollzug besonders Rechnung getragen.
Das Brandenburgische Polizei-, Justizvollzugs- und Maßregel vollzugsdatenschutzgesetz setzt dabei die Vorgaben der JIRichtlinie um und nutzt gleichzeitig die durch den europäi schen Gesetzgeber eingeräumten Spielräume.
Besonders erwähnen möchte ich die folgenden Punkte: Die Rechte der betroffenen Bürger sind übersichtlich in einem ei genen Abschnitt zusammengefasst. Das Gesetz passt die Vor gaben der EU-Richtlinie sprachlich behutsam an die deutsche Rechtssprache an. Es ist damit anwenderfreundlich, weil die Begriffe auch bei den noch ausstehenden bereichsspezifischen Änderungen in den brandenburgischen Fachgesetzen verwen det werden.
Die Bedeutung der oder des behördlichen Datenschutzbeauf tragten wird gestärkt, weil sie oder er über besonderes Fach wissen verfügen muss und von datenschutzfremden Tätigkei ten freizustellen ist. Zudem erhält die Landesbeauftragte für den Datenschutz durch dieses Gesetz umfangreiche und wirk same Befugnisse. Diese berücksichtigen auch die Besonderheit der Datenverarbeitung in sicherheitsrelevanten Bereichen.
Abschließend möchte ich den Prozess, in dem der Gesetzent wurf erstellt worden ist, noch einmal hervorheben. Der Gesetz entwurf ist in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe des MdJEV und des MASGF sowie des MIK erarbeitet worden. Die Zusammenarbeit verlief während des gesamten Verfahrens unproblematisch und war von gegenseitigem Vertrauen ge prägt. Insofern zeigt auch die Entwicklung dieses Gesetzes, wie gewinnbringend ressortübergreifende Zusammenarbeit ist, wenn man an einem gemeinsamen Ziel arbeitet. Ich bedanke mich da bei meinen Ressortkollegen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir sind am Ende der Ausspra che. Bevor ich zur Abstimmung komme, möchte ich gerne ei nen Gast begrüßen, und zwar den Vorsitzenden der GdP Bran denburg. Herr Schuster, herzlich willkommen bei uns im Ple narsaal!
Wir sind bei der Abstimmung. Wir stimmen über die Be schlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Kommu nales, Drucksache 6/11544, Entwurf eines Gesetzes zur Umset zung der Richtlinie (EU) 2016/680 für die Verarbeitung perso nenbezogener Daten durch die Polizei sowie den Justiz- und Maßregelvollzug des Landes Brandenburg und zur Änderung weiterer Gesetze ab. Wer dieser Beschlussempfehlung folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimm enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und Stimmenthal tungen ist die Beschlussvorlage mehrheitlich angenommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kollegin nen! Liebe Gäste auf der Tribüne und am Livestream! Der Ver fassungsschutz ist ein wichtiger Baustein der Sicherheitsarchi tektur unseres Landes. Gemeinsam mit der Polizei und dem Staatsschutz ist er eine wichtige und stabilisierende Säule un serer Gesellschaft. Denn der Verfassungsschutz tritt bereits auf den Plan, wenn die Feinde der Demokratie ihre Taten noch nicht ausgeführt haben.
Feinde der Demokratie sind Personen oder Gruppen, die gegen Ausländer in Jugendclubs hetzen, die Verschwörungstheorien im Internet verbreiten, die über Musik Jugendliche mit ihrer menschenverachtenden Ideologie infizieren, die auf Veranstal tungen oder im Internet Minderheiten niedermachen, die Angst und Schrecken durch Terror verbreiten wollen.
Diese Bestrebungen soll der Verfassungsschutz nicht nur er kennen und bekämpfen, sondern er soll es ermöglichen, Men schen vor dem Abrutschen in den Extremismus zu bewahren. Er soll ein Seismograf der politischen Entwicklungen in unse rem Lande sein. Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsys tem, wenn unsere freiheitliche Grundordnung angegriffen wird. Insofern finde ich es befremdlich, wenn Politiker aus Parteien mit bürgerbewegtem Hintergrund diese wichtige Be hörde schmähen, indem sie von „der SPD und ihrem Verfas sungsschutz“ reden.