Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Fischer, das war eine sehr stringente Argumentation, die wir hier zur Kenntnis genommen haben - leider am Thema vorbei. Es geht nicht darum, den Menschen härtere Strafen aufzubürden, sondern darum, im Rahmen des beschleunigten Verfahrens auch Prozesse zu ermöglichen, bei denen man zum Beispiel mit einer anderthalbjährigen Freiheitsstrafe - die ja auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann - rechnen kann.
Sollte es zum Beispiel zu einer Aburteilung kommen, bei der eine Bewährung nicht in Betracht kommt … Sie wissen, wenn Sie entsprechende Vor- oder Bewährungsstrafen und vorangegangene
Geldstrafen in Betracht ziehen, kann sich das schon ohne einen komplizierteren Sachverhalt sehr wohl in dieser Größenordnung bewegen. Es geht also nicht darum, höhere Strafen zu verhängen, sondern darum, diese Form des Prozesses beispielsweise bei Personen mit einer entsprechend einschlägigen Karriere, die beispielsweise mit 18 Monaten Freiheitsstrafe rechnen müssen, anzuwenden -
Ich wundere mich sehr, dass Sie Brandenburg in diesem Punkt schlechter darstellen, als es ist: Wenn wir uns die Quote der beschleunigten Verfahren in Brandenburg anschauen, sehen wir: 8,7 % aller Strafverfahren werden in Brandenburg im beschleunigten Verfahren abgeurteilt - im Gegensatz zum bundesweiten Durchschnitt von 2,9 %. Das heißt, wir haben in Brandenburg im Vergleich zum Bundesgebiet prozentual die dreifache Anwendungsmenge - und diese Tatsache verdient es doch, die positiven Brandenburger Erfahrungen im Rahmen einer Bundesratsinitiative bundesweit zu exportieren.
Deswegen ist dieser Antrag auch keine Kritik an unserer Ministerin - ich weiß, das überrascht Sie -,
zum Wohle der gesamtdeutschen Entwicklung in diesem Bereich. Und ich finde, um die Regierung dabei zu unterstützen, das entsprechend zu transportieren, ja geradezu zu exportieren und auf diese Erfolge hinzuweisen, lohnt es sich, es in einen Antrag zu kleiden, um damit sogar Ihre Zustimmung zu erfahren.
Ach, Herr Vida! Erstens habe ich nicht gesagt, dass Sie dadurch höhere Strafen verhängen wollen, sondern Sie sagen doch, Sie wollen dort Delikte bis zu einem Strafrahmen von zwei Jahren aufnehmen. Das ist doch Ihr Antrag. Wieso reden Sie gegen Ihren eigenen Antrag?
Zweitens haben Sie mit Ihrer Kurzintervention noch immer nicht widerlegt, dass 5 und 15 eben 20 ergibt. Insofern haben wir komplizierte und keine einfachen Verfahren, keine einfache Beweislage.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Im Antrag der Gruppe BVB / FREIE WÄHLER wird die Landesregierung aufgefordert, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Regelungen des beschleunigten Verfahrens im Sinne der §§ 417 ff. Strafprozessordnung geändert werden. Die Gruppe BVB / FREIE WÄHLER fordert die Anhebung der Strafzumessung von einem Jahr auf zwei Jahre.
Gemäß § 417 StPO kommt die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens in Betracht, wenn die Sache aufgrund eines einfachen Sachverhaltes oder einer klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist, also zum Beispiel wenn der Beschuldigte geständig ist oder andere zum eindeutigen Tatnachweis geeignete Beweismittel zur Verfügung stehen. Eingerichtet hat der Gesetzgeber das beschleunigte Verfahren jedoch vor allem zur Entlastung der Justiz. Erreicht werden sollte dies durch den Wegfall obligatorischer Prozessabschnitte. Die Dauer des beschleunigten Verfahrens sollte maximal sechs Wochen betragen.
In der Praxis zeigt sich ein anderes, ein gegenteiliges Bild: Ein Blick auf die Zahlen der vergangenen Jahre zeigt, dass das beschleunigte Verfahren an den deutschen Amtsgerichten wenig Anwendung findet. Laut Statistischem Bundesamt - so habe ich die Zahlen ermittelt - wurden im Jahr 2021 im Land Brandenburg von insgesamt 18 000 Verfahren 500 im beschleunigten Verfahren durchgeführt - 2,6 %. Eine Erklärung dafür ist, dass es in den meisten deutschen Amtsgerichten schlicht an geeigneten Strukturen fehlt, um die verstärkte Anwendung von beschleunigten Verfahren gewährleisten zu können.
Aus meiner Zeit als Bundespolizist weiß ich, dass Frankfurt (Oder) in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine starke Kriminalitätsbelastung verzeichnete. Die polnische Stadt Słubice war damals der große Umschlagplatz für Schleuserbanden, Gelegenheitsdiebe, Menschenhandel, Zigarettenschmuggel, Kfz-Verschiebung. Die Polen hatten auch damals kaum andere Einkommensquellen und rutschten in die Kriminalität ab. Infolgedessen kamen die Staatsanwälte in Frankfurt (Oder) auf die Idee, das beschleunigte Verfahren als Waffe gegen den Verlust der inneren Sicherheit einzusetzen. Ziel war es damals, bei einfachen Sachverhalten die relativ kleinen Fische - die sogenannten Beihelfer - mit beschleunigten Verfahren aus dem Verkehr zu ziehen - die Staatsanwälte nannten das „die Täter markieren“. Die Strafzumessung war zweitrangig. Es ging im Wesentlichen darum, die Täter mit Bewährungsstrafen zu belasten.
Der BGS - heute: Bundespolizei - spielte dabei eine zentrale Rolle, denn die festgestellten Täter sollten innerhalb von
48 Stunden nach der festgestellten Tat dem sogenannten beschleunigten Verfahren zugeführt werden. Das bedeutete, innerhalb von 48 Stunden musste eine Strafakte vom Rubrum bis zur Abgabeverfügung im Wesentlichen fertig sein. Darin enthalten waren der Name des Beschuldigten, die zeugenschaftlichen Vernehmungen, die Beschuldigtenvernehmung, Strafanzeigen, die Ergebnisse der erkennungsdienstlichen Behandlung, Tatort- und Durchsuchungs-, Ermittlungs- und Vorführungsberichte sowie Beschlagnahmeprotokolle. Voraussetzung aber war: Der Täter war geständig und trat als Erst- oder Gelegenheitstäter mit geringem Einkommen in Erscheinung.
Wir hatten das Verfahren sogar so optimiert, dass wir beschlagnahmte Telefone schon im ersten Angriff beweiskräftig auslesen konnten, um damit Schleuserbanden zu erkennen, wodurch die Dateien der Bundespolizei noch wichtige Hinweise für das Verfahren gaben. Dazu brauchte es aber eine Menge an Personal. Die Bundespolizei stellte damals noch ausreichend Personal zur Verfügung; auch die Vorführung vor Gericht musste von der Bundespolizei übernommen werden. Aber dazu mussten auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften der Sache wegen gewillt sein, rund um die Uhr - im Rhythmus 24/7 - Bereitschaftsdienste zu übernehmen. Das war damals noch der Fall.
Innerhalb weniger Jahre wurde so ein großer Teil der Gelegenheitskriminalität in Frankfurt (Oder) ausgetrocknet. Der Erfolg beruhte auf dem „System Frankfurt“, denn der Täter wurde schnell nach der Tat verurteilt, und die Haftstrafe wurde in der Regel für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Trat der verurteilte Täter innerhalb von Frankfurt (Oder) oder anderswo in Deutschland mit kleinsten Straftaten wieder in Erscheinung, wurde die Bewährungsstrafe ganz schnell aufgehoben, und der Täter musste die Haft antreten - das hat sich herumgesprochen.
Aber Ihr Antrag, liebe Freie Wähler, kann auf keine starke Justiz und keine starke Polizei zurückgreifen. Sie haben auch keine motivierten Staatsanwälte, geschweige denn Richter. Schauen Sie sich doch die Landesregierung an!
Das CDU-geführte Pleiten-Pech-und-Pannen-Ministerium verfolgt die Opposition lieber mit mehr Verfassungsschützern,
Das beschleunigte Verfahren wäre gut, wenn es politisch gewollt wäre und alle Akteure, von der Polizei bis zur Justiz, zusammenarbeiten wollten. Davon kann bei diesem CDU-geführten Ministerium keine Rede sein. Deshalb läuft Ihr Antrag derzeit ins Leere.
- Ja, Sie haben recht. - Derzeit braucht es mehr Personal in der Strafgerichtsbarkeit und in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit.
(Bretz [CDU]: Was nuscheln Sie denn da? - Frau Ko- tré [AfD]: Hören Sie doch einfach zu, Herr Bretz!)
Daher legen wir heute unseren Änderungsantrag vor. Den sollten Sie beachten und zukünftig mal bereden. Meine Damen und Herren, so geht das nicht! Wir lehnen den Antrag ab. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute im Plenum wieder über das Thema Justiz sprechen können, und ich bin der Gruppe BVB / FREIE WÄHLER sehr dankbar, dass wir hier heute über das Thema beschleunigte Verfahren sprechen können. Ich kann Ihnen versichern, dass die Entlastung der Gerichte und die Beschleunigung der Strafverfahren auch den Koalitionsfraktionen sehr am Herzen liegen.
Kollegin Fischer ist ja schon darauf eingegangen: Wir haben in dieser Legislaturperiode viel getan, um gerade die Dauer der Gerichtsverfahren in Brandenburg zu verkürzen. Nach Jahren der personellen Unterausstattung der Brandenburger Justiz mit der Folge hoher Altbestände und langer Verfahrenslaufzeiten haben wir die Brandenburger Justiz personell konsolidiert. In den letzten Jahren wurden über 200 neue Stellen in der Justiz geschaffen, und dafür bin ich der Justizministerin Susanne Hoffmann sehr dankbar.
In Ihrem Antrag, Herr Vida, sprechen Sie das strafverfahrensrechtliche Instrument des beschleunigten Verfahrens an. Viele Gründe - insbesondere die stärkere spezial- und generalpräventive Wirkung - sprechen dafür, dieses Instrument dort, wo es möglich ist, auch anzuwenden.
Im beschleunigten Verfahren muss sich der Täter bereits kurz nach der Tat einer Hauptverhandlung stellen. Er erlebt deshalb die Konsequenzen seiner Tat ganz unmittelbar und zeitnah; denn beschleunigte Verfahren sollen innerhalb von sechs Wochen abgeschlossen werden. Untersuchungen bestätigen, dass Menschen, die relativ schnell verurteilt wurden, nachdem sie eine Straftat begangen haben, in viel stärkerem Maße bereit sind, das Urteil zu akzeptieren. Das entlastet auch die Rechtsmittelinstanzen, die dann nicht mehr angerufen werden.
Deshalb wollen auch wir, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Daher ist die Stärkung dieser Verfahrensart seit Jahren ein Anliegen der Rechtspolitik des Bundes und der Länder. Aber ich möchte hier auch noch einmal klarstellen, dass die Justiz unabhängig ist und selbst entscheidet, welche Verfahrensart sie nach den gesetzlichen Voraussetzungen anwendet.