Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Münschke für die AfD-Fraktion fort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, ein Schmunzeln konnte ich mir nicht ganz verkneifen, als ich den Antrag las und feststellte, dass nun plötzlich der Haltepunkt Booßen, den wir als Alternative für Deutschland hier, an gleicher Stelle, bereits vor zwei Jahren zur Diskussion stellten, in den Fokus rückt.
Damals waren die heutigen Befürworter - die kleine Gruppe der sogenannten Freien Wähler - noch voller Vorbehalte und Skepsis, wenn ich es einmal freundlich formuliere. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie sich die Blätter doch wenden im Wind der politischen Opportunität.
Es ist bezeichnend, dass die plötzliche Kehrtwende wohl weniger von einer sachlichen Einsicht als vielmehr von den düsteren Schatten der anstehenden Wahl geleitet wird. Das Stimmungsbarometer zeigt für manche hier im Raum eher stürmische Zeiten an. Wir werden sehen, ob aus den Orangenen schon bald saure Zitronen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Nun zum Kern des Antrages, der sich an eine sogenannte Potenzialstudie klammert - ein Dokument, dessen Wert ich tatsächlich infrage stelle. Erinnern wir uns an die Antwort des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung auf eine Kleine Anfrage, die bereits vor Jahren die Prioritäten offenlegte: Die Anzahl potenzieller Fahrgäste war in dieser Studie lediglich eine Fußnote. Mit Erlaubnis des Vizepräsidenten zitiere ich aus der Antwort:
„Die tatsächliche Zahl an potenziellen Fahrgästen im Umkreis [von Haltepunkten] ist daher in diesem Verfahren“,
Eine Farce, meine Damen und Herren, die den Begriff Potenzialstudie ad absurdum führt. Und auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage mit dem Titel „Reaktivierung des Verkehrshalts Booßen (RB 60), Ortsteil von Frankfurt (Oder)“ benennt das Ministerium schon 2020 seine maßgeblichen Kriterien zur Reaktivierung von Haltepunkten, die sinngemäß lauten: a) „Lässt sich der Haltepunkt in den bestehenden Fahrplan einbinden?“ und b) „Verlängert sich dadurch potenziell die Fahrtzeit?“
Während wir uns in den Absurditäten dieser Studie verlieren, bleibt die essenzielle Frage unbeantwortet: Dient die jeweilige Maßnahme den Bürgern, den Menschen vor Ort? Es ist geradezu beklagenswert, dass der tatsächliche Bedarf und der Nutzen für unsere Bürger in den Hintergrund rücken, verdrängt von bürokratischen Fahrplankorsetten.
Betrachten wir einmal die Bilanz im Land Brandenburg: In drei Jahrzehnten wurde ein verschwindend geringer Teil der Bahninfrastruktur reaktiviert. In dem Zeitraum von 1994 bis 2023, also innerhalb von 30 Jahren, wurden in Brandenburg gerade einmal 37 km stillgelegter Bahnstrecke reaktiviert - davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, lächerliche 8 km in der Personenbeförderung. Die Quelle übrigens: „Allianz pro Schiene“.
Und seit mehr als zwei Jahren, es wurde vom Einbringer und vom Redner der SPD eben angesprochen, wird über die Aktivierung von sage und schreibe vier ehemaligen Haltepunkten nachgedacht. Das ist ein Armutszeugnis für ein Land und eine Landesregierung, das bzw. die sich auf die Fahne schreibt, Mobilität zu fördern.
Die großspurigen Ankündigungen der Regierung, von der Elektrifizierung bis hin zu Reaktivierungsprogrammen, entpuppten sich als nicht mehr als leere Versprechen - ein Schlag ins Wasser im Kampf für einen breiten Mix an Mobilität.
Ich fordere Sie daher auf, die Interessen der Bürger in den Mittelpunkt zu rücken und die Mobilität nicht den Launen politischer Wendehälse zu opfern. Es ist höchste Zeit, dass Taten folgen und nicht nur Worte in den Raum geworfen werden - und wer es nicht herausgehört hat: Wir stimmen diesem Antrag, obwohl er zwei Jahre zu spät kommt, zu. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste! Der vorliegende Antrag der Gruppe BVB / FREIE WÄHLER befasst sich mit der Reaktivierung von Bahnhaltepunkten in Brandenburg. Grundlage für die Bewertung Ihres Antrags ist die Potenzialuntersuchung des VBB aus dem Jahre 2022 zur Reaktivierung stillgelegter Strecken - und natürlich der neue Landesnahverkehrsplan.
Grundsätzlich - und das möchte ich an dieser Stelle vorwegnehmen - stimmen wir Ihnen zu, dass wir beim Thema Reaktivierung künftig zügiger voranschreiten müssen. Das betrifft die Schiene genauso wie Haltepunkte, die Orte und Menschen in ganz Brandenburg wieder an den Nahverkehr anbinden können.
Die Potenzialuntersuchung des VBB hat uns jedoch erst einmal eine fundierte Grundlage gegeben, um zu sehen, was möglich ist. Die Studie zeigt uns auch, an welcher Stelle es deutlich mehr Hürden gibt, um eine Wiederinbetriebnahme unter den gegebenen Voraussetzungen seriös voranzutreiben.
Richtig ist - und das sollte allen klar sein -, dass eine solche Untersuchung nur eine Momentaufnahme ist. Gerade mit Blick auf die Kriterien und Annahmen, die hierfür herangezogen werden, kann das Ergebnis mitunter auch kritisch betrachtet werden, denn vieles basiert auf den Standards und Vorgaben des Bundes. Daran müssen sich die Vorhaben messen lassen, damit wir überhaupt eine Förderkulisse herstellen können. Kurz gesagt: Das Gutachten ist eine erste Grundlage, um die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Strecken und Haltepunkte voranzubringen.
Die Ergebnisse und Potenziale haben es dabei in den neuen Landesnahverkehrsplan geschafft. Das betrifft die Haltepunkte Heidefeld, Kiekebusch, Bornim-Grube sowie Haida. Das sind die Ergebnisse aus der Kategorie A, die vertieft geprüft und damit vorangebracht werden sollen. BVB / FREIE WÄHLER fordern jetzt in ihrem Antrag, zusätzlich die Haltepunkte der Kategorie B tiefergehend zu untersuchen. Booßen in Frankfurt (Oder) wird hier immer wieder angeführt, weil sich dafür so viele Menschen und Pendler engagieren und auch demonstrieren. Mit Blick auf die Potenzialuntersuchung und den Landesnahverkehrsplan wird es vom Land jedoch vorerst keinen weiteren Schritt geben können.
- Danke. - Auch wenn wir uns natürlich alle mehr Tempo, mehr Personal und damit mehr Planungskapazitäten wünschen - Ihrem Antrag, lieber Herr Stefke, fehlt jegliche Grundlage.
- Ja, vom Bund, genau. - Ich hingegen bin sehr dafür, dass wir diese erste Untersuchung zur Reaktivierung von Strecken und Haltepunkten erneuern sollten. Dann müssten nämlich auch die Gesichtspunkte des neuen Mobilitätsgesetzes eingearbeitet werden. Gleiches gilt für mögliche neue Standards seitens des Bundes und die Erfahrungen aus den Untersuchungen der Kategorie A. Damit hätten wir womöglich auch eine neue Grundlage für den künftigen Landesnahverkehrsplan ab 2027.
Herr Stefke, eine Frage noch, die sich auch für den nächsten Tagesordnungspunkt anschließt: Seit wann schreiben BVB / FREIE WÄHLER ab?
Ich hatte nicht mehr den Eindruck, dass die Anträge voller Innovation und Überraschungen waren. Das muss ich kurz sagen; als ich sie gelesen habe, war ich ein bisschen enttäuscht. - Vielen Dank.
Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange mit dem Netten an, Kollege Stefke: Wir stimmen eurem Antrag zu.
Jetzt hören die Nettigkeiten aber auch auf. Wir haben uns das nicht einfach gemacht. Wir stimmen dem Antrag aus Interesse an der Sache zu; Ihre Ausführungen sind ja nicht gänzlich falsch.
Allerdings wundere ich mich schon ein bisschen. Ich weiß, jedes Mal zum Ende einer Wahlperiode geht das gleiche Schauspiel los: Die Anträge werden mehr, man sucht sich irgendwelche tollen Themen heraus, die man noch schnell unter das Wahlvolk bringen kann. Und manche Reden werden mit zunehmendem Wahlkampf wohlfeiler; das haben wir beim Kollegen Münschke gehört.
Aber lassen Sie uns auf den Antrag eingehen und schauen, was dort fehlt, Kollege Stefke. Ich backe gerne Kuchen, und ich backe ihn eigentlich immer in Gänze.
Sie haben ihn aber nur halb gebacken: Sie haben die Haltepunkte erwähnt, dabei aber die Strecken völlig vergessen. Mir ist nicht ganz klar, wie das passieren konnte, weil wir in der Vergangenheit - in den letzten Jahren, deswegen übrigens guten Morgen, dass Sie jetzt auch schon da sind - immer über die Reaktivierung von Strecken und Haltepunkten geredet haben. Insofern frage ich mich, wo bei Ihnen die Strecken geblieben sind. Wollen Sie sie nicht? Kommen sie nachher noch?
- Nächstes Plenum, okay. Das finde ich in Ordnung, denn dann können wir den Wahlkampf ein bisschen weiterführen. Die Strecken hätten hier aber dazugehört.
Mir sind zwei Sachen aufgefallen: Zum einen finde ich, Sie sind mit diesem Antrag echt spät. Wir als Linksfraktion haben schon vor - ich weiß nicht, wie vielen - Monaten, Monden sozusagen, Anträge hierzu eingebracht, und mittlerweile ist der Landesnahverkehrsplan auch beschlossen. Das heißt nicht, dass er wie die zehn Gebote in Stein gemeißelt und unveränderlich ist, schon klar, aber Sie sind schlicht und ergreifend zu spät.
Wir haben im Übrigen immer kritisiert, dass das, was das MIL da macht, viel zu langsam geht, dass die Reaktivierung von Strecken und Haltepunkten viel zu langsam vorangeht. Aber, Kollege Stefke, jetzt diesen Antrag noch vorzulegen und dann auch noch nur in halber Form - da haben Sie schlicht und ergreifend die Zeit verpasst.
Außerdem wundert mich, dass Sie die Durchführung einer vereinfachten Nutzen-Kosten-Untersuchung fordern. Eine vereinfachte Nutzen-Kosten-Untersuchung bedeutet, dass die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten eines Haltepunktes oder einer Strecke angeschaut werden. Ich weiß, dass Booßen hoch
umkämpft ist, würde aber infrage stellen, dass man die Reaktivierung dieses Haltepunktes betriebswirtschaftlich positiv darstellen kann. Das brauchen wir auch eigentlich gar nicht mehr, denn wir haben das Mobilitätsgesetz - jenes Mobilitätsgesetz, dem die Freien Wähler übrigens nicht zugestimmt, bei dem Sie sich enthalten haben. Da fehlten Ihnen übrigens Straßen; Straßenbau müsse ja sein. Sie haben sich bei der Abstimmung enthalten. In dem Mobilitätsgesetz jedenfalls ist eine Umkehr von einer nachfrageorientierten zu einer angebotsorientierten Verkehrsgestaltung verankert. Das ist einer der wichtigen Punkte, die im Mobilitätsgesetz aufgenommen wurden. Insofern finde ich Ihren Antrag inhaltlich auch nicht ausgereift.
Natürlich muss weiterhin eine Nutzen-Kosten-Untersuchung erfolgen, wenn wir die Finanzierung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hinbekommen wollen - schon klar. Aber das hat mit der Frage der grundsätzlichen Ausrichtung, die Sie wollen, zunächst nichts zu tun. Über die Finanzierung müssen wir gesondert sprechen.