Es ist doch absurd: Wir reden gerade darüber, dass wir in einem Prozess, in dessen Verlauf Arbeitsplätze wegfallen, Strukturwandelmittel verwenden, die zur Transformation eines Klinikums vor Ort zu einem Universitäts-Landesklinikum und für den Aufbau einer Universitätsmedizin reichen sollen - und ausgerechnet die Beschäftigungsverhältnisse sind der Knackpunkt, über den wir monatelang streiten, anstatt sie einfach von Anfang an besser im Gesetz zu verankern.
Und der zweite Punkt, der dazugehört, ist die Verhinderung von Outsourcing. Wir haben doch in den letzten Jahren zur Genüge beobachten müssen, dass in allen Krankenhäusern - egal, ob privat oder welche Gesellschaftsform auch immer - ein Outsourcing von wichtigen Bestandteilen der Kliniken stattgefunden hat, und wir wissen doch, dass jede Ausgliederung von Betriebsteilen bedeutet, dass die betroffenen Beschäftigten in puncto Bezahlung, in puncto Arbeitnehmerrechte und in puncto Arbeitsbedingungen schlechtergestellt werden. Wenn wir uns den guten Arbeitsbedingungen verpflichtet fühlen, dann müssen wir dieses Outsourcing rückabwickeln,
Das alles sind Gründe, warum unser Entschließungsantrag - und auch unser Änderungsantrag zum Gesetz - kein Klein-Klein ist, sondern notwendige Voraussetzung für unsere Zustimmung. Ansonsten können wir uns, sollten Sie diese beiden Anträge ablehnen, nur enthalten. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Jetzt spricht Frau Abgeordnete Damus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Es ist geschafft. Das Gesetz zur Errichtung einer Universitätsmedizin in Brandenburg wurde in Rekordzeit erarbeitet. Vielen Dank an alle, die dafür Nacht- und Wochenendschichten eingelegt haben.
Das gilt vor allem für das Team im MWFK um Frau Dr. Gutheil, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des CarlThiem-Klinikums, das gerade einen umfangreichen Transformationsprozess vom städtischen Krankenhaus zur Universitätsklinik durchläuft. Der Dank gilt auch Ministerin Manja Schüle, die das Projekt erfolgreich durch den Wissenschaftsrat gebracht und die Gesamtverantwortung getragen hat.
Einen herzlichen Dank aber auch an alle, die sich in der Anhörung so engagiert eingebracht haben: die Stadt Cottbus, die Gewerkschaften Verdi und GEW, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Medizinerinnen und Mediziner, die Landeskrankenhausgesellschaft und die BTU - und für ihre Expertise auch vielen Dank an die Gleichstellungs- und die Datenschutzbeauftragte.
Dieser Meilenstein heute ist aber nur der Auftakt eines Prozesses, denn der Universitätsaufbau beginnt nun erst richtig und er wird vielen Beteiligten eher einen stressigen als einen entspannten Sommer bescheren. Aber diese Anstrengung hat natürlich ihren guten Grund. Die positiven Auswirkungen des Projekts für den Strukturwandel in der Lausitz haben wir bereits bei der ersten Lesung diskutiert. Heute geht es um konkrete Änderungen, die wir noch am Gesetzestext vornehmen wollen.
Als Koalitionsfraktionen bringen wir eine ganze Reihe redaktioneller Änderungen ein, weil vor Kurzem ja auch das Hochschulgesetz und das Personalvertretungsgesetz geändert wurden. Es gilt also schlicht, viele Verweise und Begriffe zu aktualisieren. Das macht den Großteil unseres Änderungsantrags aus.
Ich bin aber auch stolz, dass wir noch bei vielen inhaltlichen Punkten nachlegen konnten: Erstens stellen wir klar, dass der Versorgungsauftrag des neuen Uniklinikums für die Region uneingeschränkt gilt. Wir haben eine Formulierung gefunden, die zugleich die Freiheit von Forschung und Lehre sichert. Zudem besitzt das Gesundheitsministerium im Aufsichtsrat ein Veto und muss allen Entscheidungen, die den Versorgungsauftrag betreffen, zustimmen.
Zweitens verbessern wir die Mitbestimmung: Beim Aufbau einer komplett neuen Universität und eines Studiums ist es natürlich elementar, Studierende, aber auch Lehrende einzubinden. Deswegen erweitern wir die Gründungskommission um je einen Studierenden und eine wissenschaftliche Mitarbeitende.
Drittens sorgen wir für bessere Arbeitsbedingungen: Das Auslaufen aller Dienstvereinbarungen nach 24 Monaten haben wir ersatzlos gestrichen, denn gute Regelungen muss man nicht neu erfinden. Außerdem verankern wir die Einigungsstelle nach dem Personalvertretungsrecht beim Vorstand, der zudem die Aufgabe bekommt, Dauerstellenkonzepte zu erstellen, um übermäßige Befristungen zu verhindern.
Beim Aufsichtsrat weisen wir in der Begründung unseres Änderungsantrags explizit darauf hin, dass er den Gesamtpersonalrat als Gast aufnehmen kann. Ich appelliere hiermit an die zukünftigen Mitglieder, das auch wirklich zu tun.
Wir tragen zudem dafür Sorge, dass in der Übergangsphase alle Beschäftigten vertreten werden, auch wenn die besonderen Personalräte für das wissenschaftliche Personal und die studentischen Beschäftigten erst später gewählt werden.
Viertens stärken wir die Gleichstellung: Eine paritätische Besetzung soll nun in allen Gremien angestrebt werden, denn insbesondere in Aufsichtsräten und Vorständen gibt es da ja immer noch große Defizite. Wir machen auch das Gleichstellungskon-
zept an der medizinischen Universität verbindlich und nehmen die Gleichstellungsbeauftragte als ständigen Gast im Aufsichtsrat auf.
Zudem fügen wir eine Übergangsregelung bis zur Wahl der ersten Gleichstellungsbeauftragten ein. Ein weibliches Mitglied des Betriebsrats soll diese Aufgabe mit zusätzlicher Freistellung übernehmen, und das ist angesichts der vielen Besetzungs- und Auswahlverfahren wirklich dringlich, da die gesetzliche Teilnahme der Gleichstellungsbeauftragen da vorgeschrieben ist. Wir brauchen das also, um rechtssichere Verfahren zu haben.
Und schließlich, liebe Isabelle Vandre, freue ich mich besonders, dass wir mit der Beschlussempfehlung als Koalition auch unseren Zusatzantrag zur Abstimmung stellen, der im Ausschuss bereits einstimmig befürwortet wurde und nach dem es keine tariflichen Verschlechterungen geben darf.
Wenn das Land ein Unternehmen in seine Zuständigkeit übernimmt, muss die Sicherung der Tarifbindung auch in den Tochtergesellschaften sowie der erreichten Standards am besten durch direkte Geltung des TVöD ganz klar sein. Die Standards der Klinikbeschäftigten wollen wir erhalten und stetig verbessern - und dazu fordern wir mit unserem Antrag die Mitglieder des Aufsichtsrats, insbesondere die Mitglieder der Landesregierung, auf.
Ich freue mich, dass wir das Gesetz mit diesen Änderungen und Zusätzen noch verbessern konnten, und bitte um Ihre Zustimmung!
Vielen Dank. - Für die BVB / FREIE WÄHLER Gruppe spricht jetzt Herr Abgeordneter Stefke. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es war keine Sturzgeburt, aber lange in den Wehen hat dieses Gesetz angesichts der drei Monate zwischen dem Kabinettsbeschluss und dem heutigen Beschluss des Landtags auch nicht gelegen, um einmal im medizinischen Fachjargon zu bleiben.
Die Vorarbeit dafür, dass wir heute - nach einer guten halben Stunde Debatte - darüber abstimmen und die Errichtung der „Medizinischen Universität Lausitz - Carl Thiem“ beschließen, war allerdings schon zeit- und arbeitsintensiv, denn sie begann bereits im September 2020.
Die Koalition wird auch hier nicht unberechtigterweise vom sogenannten Brandenburg-Tempo sprechen. Der amtierende Ausschussvorsitzende des AWFK, Kollege Stohn, sprach zumindest schon einmal am Mittwoch vergangener Woche bei der abschließenden Ausschussberatung des Gesetzes sowie der Änderungs- und Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen davon - vielleicht auch, weil diese den übrigen Ausschussmitgliedern erst um 12.56 Uhr, also vier Minuten vor Sitzungsbeginn, vorgelegt wurden.
Herr Kollege Stohn, da muss man aufpassen, dass man - was beinahe passiert wäre - beim Brandenburg-Tempo nicht aus der Kurve fällt. Sie wissen, was ich meine.
Damit habe ich genug Wasser in den Wein geschüttet: Unterm Strich befürworten wir das Ergebnis und sind sicher, dass die MUL - wie sie abgekürzt heißen wird - nicht nur wichtig für den bevorstehenden Strukturwandel der Lausitz ist, sondern zukünftig, mit der geplanten Aufnahme des Studienbetriebs zum Wintersemester 2026/27, auch dazu beiträgt, den Ärztemangel im Land zu reduzieren.
Umstritten war und zu regeln ist noch die Tarifbindung der Beschäftigten, insbesondere derjenigen, die aus dem CTK in die MUL überführt werden. BVB / FREIE WÄHLER nehmen die Sorgen der Beschäftigten, die durch die Übergabe eines sogenannten Stationsbriefs vor der Ausschusssitzung noch einmal artikuliert wurden, ernst. Hier standen allerdings unterschiedliche Aussagen zur Zulässigkeit der Verankerung des TVöD im Gesetz im Raum.
Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen mit der Aufforderung an den künftigen Aufsichtsrat, für tarifgebundene Arbeitsbedingungen zu sorgen, findet deshalb ebenso unsere Zustimmung wie der Gesetzentwurf bzw. jetzt die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss selbst. Wir haben nichts gewonnen, wenn nach Betriebsaufnahme Beschäftigte von Bord der MUL gehen, weil sie anderswo bessere Arbeitsbedingungen und auch bessere Bezahlung finden können.
Leider fehlt es mir an Redezeit, um auch noch auf Themen wie den Versorgungsauftrag, die Mitwirkungsmöglichkeiten oder die geplanten Servicegesellschaften einzugehen.
Dank sei noch einmal der Expertenkommission unter der Leitung von Prof. Dr. Einhäupl für die Konzepterarbeitung und den beiden Projektbeauftragten Frau Dr. Gutheil und Prof. Dr. Eckhard Nagel für ihren Anteil an der Vorarbeit zu diesem Gesetz sowie Frau Ministerin Dr. Schüle für die transparente Unterrichtung des AWFK gesagt. Wir werden der Beschlussempfehlung zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Abschließend spricht jetzt Frau Ministerin Dr. Schüle für die Landesregierung zu uns. Bitte schön.
Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im Mai habe ich eine Spätschicht lang ein Praktikum in der Notaufnahme des Carl-Thiem-Klinikums absolviert. Ich wollte mir ein Bild von den Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und
Ärzte, aber auch der Pflegerinnen und Pfleger machen. Vor allen Dingen wollte ich sie aber fragen: Wie schätzt ihr es eigentlich ein, dass das CTK eine Universitätsklinik wird? Wie schaut ihr in die Zukunft? - Ich hätte dazu eine Menge Akten lesen können; das habe ich auch getan. Aber ich glaube, Sie geben mir recht: Das ist nicht das Gleiche wie vor Ort zu sein und mit den Menschen ins Gespräch kommen zu können.
Veränderung löst immer auch Verunsicherung aus - und ein Strukturwandel bedeutet nun einmal, dass sich das komplette Umfeld schnell und vor allen Dingen stark verändert. Gelungen ist ein Strukturwandel aber erst dann, wenn es den Menschen danach besser geht als davor. Und damit der Landesregierung die Umsetzung ihres größten Strukturwandelprojekts - nämlich der Aufbau der Medizinischen Universität Lausitz - gelingt, brauchen wir alle Menschen an unserer Seite, die sich in der Gesundheitsregion Lausitz engagieren, die dort arbeiten - mit Leidenschaft, aus Überzeugung und als Berufung, nicht nur als Beruf. Das sind die Ärzte und Pfleger, es sind aber auch die Verwaltungsmitarbeiter des CTK.
In den achteinhalb Stunden dieser Spätschicht konnte ich mich davon überzeugen, mit wie viel Geduld und Wärme - ja, auch mit Humor -, Teamspirit, Professionalität und Zuspruch - trotz des Zeitdrucks auch mal mit einem Streicheln über die Wange oder mit einem kleinen Scherz - sich den Kranken gewidmet wird. Das hat mich ehrlich gesagt nicht nur beeindruckt, sondern demütig gemacht. Und glücklich hat mich gemacht, dass sich die Mitglieder meines Teams, mit denen ich zusammengearbeitet habe und sprechen konnte, darüber gefreut haben, dass das CTK eine Universitätsklinik wird, dass sie optimistisch in die Zukunft blicken und realisiert haben, dass wir vom Reden ins Handeln gekommen sind.
Doch auch außerhalb des CTK engagieren sich Menschen für eine bessere Gesundheitsversorgung in der Lausitz: Das sind natürlich die Mitarbeitenden in den Arztpraxen, den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die Hebammen, die Physiotherapeuten, die Psychotherapeuten und noch so viele mehr. Sie sind es, die in der Lausitz trotz wirklich enormer Herausforderungen und schwieriger Bedingungen die Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich aufrechterhalten.
Für all diese Menschen bauen wir die Universitätsmedizin, damit neue, digitale Methoden und neue Versorgungsformen ihren Arbeitsalltag erleichtern, damit sie in professionellen Teams voneinander lernen und ganzheitlich behandeln können, damit sie mithilfe neuester Forschungsergebnisse bessere Therapien entwickeln und auch anwenden können, damit sie Menschen heilen oder aber auch dafür sorgen können, dass Menschen gar nicht erst krank werden.
Die Unimedizin ist nicht nur eine Antwort auf den Ärztemangel in Brandenburg; sie ist nicht nur die erste staatliche Universitätsmedizin in unserem Land. Sie ist nicht die vierzigste Unimedizin in der Bundesrepublik Deutschland, sondern sie ist die erste ihrer Art. Ihre Alleinstellungsmerkmale sind die Gesundheitssystemforschung und der Anspruch, das Gesundheitswesen zu digitalisieren und das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Das ist ihr Antrieb; das ist sozusagen der Nukleus.