Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

(Beifall AfD und BVB/FW)

Da beide Kandidatinnen nicht die Stimmen von zwei Dritteln des Landtags auf sich vereinigen konnten, ist keine von ihnen im ersten Wahlgang gewählt worden.

Gemäß § 51 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Wahlordnung zur Geschäftsordnung findet ein zweiter Wahlgang statt. Im zweiten Wahlgang wird nur Frau Hildegard Vera Kaethner zur Wahl gestellt, da sie im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Wahlverfahren noch präsent ist, und verzichte daher auf entsprechende Hinweise.

Gleichwohl frage ich, ob es Ihrerseits Fragen zu den Wahlen gibt. - Das ist nicht der Fall. Es gibt aber eine Wortmeldung. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, könnten Sie bitte die Anzahl der ungültigen Stimmzettel mitteilen? Das ist durchaus interessant für das Gesamtergebnis und sagt auch etwas über die Befassung mit der Wahl zum Landesverfassungsgericht aus.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Es gab 34 ungültige Stimmzettel.

Da es keine weiteren Fragen zu geben scheint, eröffne ich jetzt den zweiten Wahlgang und bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Bitte sehr.

(Wahlhandlung)

Meine Damen und Herren! Es wäre schön, wenn die Damen erst die Stimmzettel abgeben und sie danach erst gezählt würden.

(Zuruf: Nur meckern!)

Meine Damen und Herren! Gibt es jetzt noch eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten hier im Saal, die oder der ihre bzw. seine Stimme noch nicht abgeben konnte? - Also, der Schweigefuchs ist es nicht, aber möchten Sie jetzt noch eine Stimme abgeben, Herr Vida?

Ich frage jetzt noch einmal: Gibt es eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten hier im Saal, die oder der ihre bzw. seine Stimme noch nicht abgeben konnte? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann schließe ich den Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer um Auszählung. - Herzlichen Dank.

Ich unterbreche so lange den Tagesordnungspunkt.

(Unterbrechung der Sitzung: 16.55 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 17.01 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir haben ein Ergebnis. An der Wahl von Frau Hildegard Vera Kaethner haben sich 55 Abgeordnete beteiligt. Die erforderliche Mehrheit liegt bei 59 Jastimmen. Es gab vier ungültige Stimmzettel, 20 Jastimmen und 31 Neinstimmen. Damit hat Frau Hildegard Vera Kaethner die Stimmmehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags nicht erreicht und ist nicht zur Richterin des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg gewählt.

Herr Präsident! Ich bedanke mich dennoch bei Ihnen, dass Sie heute hier zu uns gekommen sind. Wir wünschen bei Ihrer morgigen Sitzung gute Beratungen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 5. Tagesordnungspunkt 6 entfällt, da keine der beiden vorgeschlagenen Kandidatinnen zur Richterin des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg gewählt worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf.

TOP 7: Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 7/5572

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

Drucksache 7/6794

Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BVB / FREIE WÄHLER, Drucksache 7/6896, vor.

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Fischer das Wort.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über das Richtergesetz sprechen, sprechen wir natürlich auch darüber, wie das Antlitz der Justiz gestaltet werden soll, wie unsere Justitia in Brandenburg aussehen soll und wie es mit künftigen Richtern weitergeht.

Sicherlich wollen wir - wenn wir über das Gesicht sprechen - eine Miene haben, die Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlt, die uns Orientierung bietet und Vertrauen schenkt. Gleichzeitig wollen wir aber auch jemanden haben, der offen ist, der modern ist, der

in der Lage ist, die Gesellschaft und auch den Menschen - den Einzelfall hinter dem jeweiligen Fall - zu sehen, jemanden, der achtsam, interessiert und auch respektvoll ist.

Genau diese Diskussion - wie soll die Richterschaft in Zukunft aussehen? - wird gerade in der Zukunftskonferenz geführt. Wir sollten diese Diskussion auch ernst nehmen und ihr Zeit lassen, zumal wir ja hier aus dem Raum der Abgeordneten - aus dem parlamentarischen Raum - die Justizministerin gebeten haben, genau diese Konferenz einzuberufen, damit diese Diskussion geführt wird.

Und diese Grundsatzdebatte ist notwendig. Von den Kollegen, die im Richterwahlausschuss sind, oder den Kollegen, die vertretungsweise dort sitzen, wird sie manchmal im Ansatz geführt, wenn es bei einzelnen Ernennungen darum geht: Wo kommt jemand her? Wo lebt jemand? Wo hat er seinen Lebensmittelpunkt? Arbeitet er auch im Verein? Ist er in der Gesellschaft aktiv? - In diese Diskussion fiel nun das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach wesentliche Vorgaben den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen betreffend vom Gesetzgeber zu regeln sind. Kurzum: Wir brauchen ein Landesgesetz. - Und ja - auch das haben wir hier im Ausschuss diskutiert und besprochen -, es gibt keine feste Umsetzungsfrist und keinen Stichtag; man hätte also auch noch ein Jahr warten können, ohne dass ein Blitz vom Himmel kommt, ohne dass man sagt, alle anderen Beurteilungen, die jetzt hier stattfinden, seien irgendwie rechtsfrei, man könne sie nicht verwenden.

Wir hätten auch warten können, wie die Diskussionen in der Zukunftskonferenz verlaufen, und alles in einem Guss, in einem Wurf machen können. Ich will offen sagen: Ich hegte dafür auch Sympathien. - Aber: Deswegen muss der andere Weg ja nicht schlecht oder falsch sein. Der andere Weg sieht nämlich so aus, dass uns das Ministerium hier und heute einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der im Wesentlichen genau das umsetzt, was in Brandenburg ohnehin schon Praxis ist, also gerade ohne Gesetz gilt.

Die Ministerin hat von Anfang an gesagt: Das ist eine kleine Lösung, das ist ein Reparaturgesetz. - Insofern gab es da nie eine andere Behauptung - ganz im Gegenteil: Frau Hoffmann hat uns im Ausschuss ihre Zusage und ihr Wort gegeben, dass sie uns im Rechtsausschuss, sobald die entsprechende Arbeitsgruppe in dieser Konferenz ihre Diskussion abgeschlossen hat, das Ergebnis präsentieren und dann gemeinsam mit uns ein zweites, „inhaltlicheres“ Gesetz auf den Weg bringen will. Deswegen bitte ich Sie - das war auch der große Tenor in der Anhörung, es gab auch große Zustimmung zu dem Gesetzentwurf -, dass wir die Kritik und die Anregungen, die von der Opposition gekommen sind, nicht vergessen, sondern mit ins nächste Jahr nehmen, hier und heute aber den Gesetzentwurf beschließen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Hanko.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kollegen! Die vorliegende Änderung des Richtergesetzes ist erforderlich, um die vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 festgestellte Verfassungswidrigkeit der bisherigen gesetzlichen Regelung zu korrigieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Obiter Dictum Folgendes als Leitsatz aufgestellt:

„Der Gesetzgeber ist nach dem sog. Wesentlichkeitsgrundsatz verpflichtet, die wesentlichen Vorgaben betreffend den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen selbst zu regeln. Hieran gemessen erscheinen die derzeitigen Regelungen des § 19 BrbgBG und des § 9 Abs. 1 bis 3 BrbgRiG, die dies Verwaltungsvorschriften überlassen, defizitär.“

Also ist § 9 Abs. 3 BrbgRiG defizitär, und die dortige Blankettermächtigung verstößt gegen das verfassungsrechtliche Wesentlichkeitsgebot.

Die Wesentlichkeitstheorie wurde vom Bundesverfassungsgericht entwickelt und besagt, dass der Gesetzgeber staatliches Handeln in grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimieren und alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss. Im Ergebnis ist das ein Verbot der Delegation wesentlicher Entscheidungen an die Exekutive und eine Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers, solche Entscheidungen selbst zu treffen. Der aktuelle § 9 Abs. 3 Richtergesetz ermächtigt die Dienstbehörde und damit die Exekutive, Verwaltungsvorschriften für die dienstliche Beurteilung der Richter zu erlassen. Dies ist unzulässig, da die entsprechenden Anforderungen für dienstliche Beurteilungen gesetzlich zu regeln sind. Im Gesetzentwurf heißt es:

„Das Beurteilungssystem ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Gesetzgeber vorzugeben. An dem bewährten System der Regel- und Anlassbeurteilungen wird festgehalten.“

Anscheinend haben die Verfasser wieder einmal nicht richtig zugehört. Der Regelbeurteilungszeitraum beträgt laut Beurteilungsverwaltungsvorschrift derzeit fünf Jahre; das ist laut Entwurf der Beurteilungsverordnung auch weiterhin so vorgesehen. Das ist aber ein sehr langer Zeitraum, da zum Beispiel bestimmte Auswahlentscheidungen auf der Grundlage von Beurteilungen zu treffen sind, die nicht älter als drei Jahre sein dürfen. Dies bedingt wiederum die Notwendigkeit von Anlassbeurteilungen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht jedoch grundsätzlich ein Problem in Anlassbeurteilungen. Die vielen weiteren Defizite in dem vorliegenden Gesetzentwurf werden unter Verweis auf die Eilbedürftigkeit der Umsetzung der vermeintlich neuen Rechtsprechung ignoriert. Unumgänglich ist jedoch, dass über sämtliche Änderungsnotwendigkeiten eine grundlegende Debatte geführt wird; da genügt auch nicht die Ankündigung des Ministeriums, das demnächst tun zu wollen.

Der Gesetzgeber muss die notwendigen Regelungen zum Richteramt vornehmen - keinesfalls die Exekutive. Dies betrifft auch die Erprobungspraxis bei Beförderungsämtern, die, anstatt sie im Verordnungswege zu regeln, auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen sind. Insbesondere Artikel 92 Grundgesetz verbietet eine

Ermächtigung der Exekutive, Bewertungskriterien für die Beurteilung richterlicher Arbeit aufzustellen. Es ist also Aufgabe des Parlaments, die Anforderungen an ein Richteramt gesetzlich zu bestimmen.

Paragraf 9 Abs. 2 Satz 2 öffnet Tür und Tor für willkürliche Beurteilungen, Abs. 2 Satz 3 ist in der Anhörung ebenfalls als defizitär bezeichnet worden. Dies ergibt sich daraus, dass die Anforderungen und Maßstäbe einer vorausschauenden Eignungsbewertung ebenfalls vom Gesetzgeber geregelt werden müssen. Ich zitiere einen Anzuhörenden aus dem Rechtsausschuss, nämlich Herrn Peter Pfennig von der Neuen Richtervereinigung:

„Ich habe bereits an mehreren Anhörungen in diesem Ausschuss teilgenommen […]. Gegen Ende der letzten Legislaturperiode wurde aber ein Vorschlag, der damals auch debattiert wurde, umgesetzt: die uneingeschränkte Mitbestimmung. Deren Einführung liegt jetzt drei Jahre zurück und wurde auch von den aktuellen Regierungsfraktionen getragen. Seitdem ist hinsichtlich des damals versprochenen Ausbaus der richterlichen Selbstverwaltung - als wichtige Aufgabe in der laufenden Legislaturperiode - nichts geschehen. […] Heute befinden wir uns anstatt in einer Zukunftswerkstatt in einer Reparaturwerkstatt.“

(Beifall AfD)

„[…] [D]enn nicht nur das Bundesverwaltungsgericht hat Defizite aufgezeigt, sondern auch das Justizministerium hat öffentlich bekannt gegeben, zwei Verfassungswidrigkeiten im Richtergesetz entdeckt zu haben, zum Beispiel bei den Zuständigkeiten des Richterwahlausschusses. […]