Protokoll der Sitzung vom 22.06.2023

Drucksache 7/7876 (Neudruck)

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Roick.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger am Livestream! Einen wunderschönen guten Morgen! Als Lausitzer freue ich mich sehr, dass wir heute hier im Plenum über meine Heimat debattieren. Als Lausitzer sage ich aber auch, dass wir zwar gerade dort sehr viel investieren, aber die anderen Regionen in Brandenburg nicht vergessen werden. Wir sind ein Brandenburg.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Ich musste vor kurzem in der Zeitung lesen, dass die Lausitz das Armenhaus in Deutschland sei - geäußert von einem Unternehmer beim Besuch unseres Bundespräsidenten in Senftenberg. Es ist richtig, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten schwere Jahre hatten. Immerhin haben 1990 noch über 100 000 Menschen in der Kohle mit ihren verschiedenen Arbeitsstätten gearbeitet. Aber wir erleben jetzt, dass die Lausitz Arbeitskräfte braucht. Auch deswegen gibt es die Imagekampagne „Krasse

Lausitz“; sie soll eine Anziehungskraft für die Lausitz entwickeln. Mittelfristig fehlen uns im Arbeitsagenturbezirk 35 000 Menschen, die arbeiten wollen. Die Lausitz war vor 1990 das Kraft- und Energiezentrum, und sie wird es wieder werden - dann mit Sonnen- und Windenergie.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Bretz [CDU])

Darüber müssen wir nur noch mehr reden und natürlich auch dafür werben. Gestern bzw. vorgestern gab es dafür eine Veranstaltung der „Revierwende“, und es wurde festgestellt, dass sich die jungen Menschen noch nicht ausreichend informiert fühlen. Vielleicht kann hier die Präsenzstelle Jugendbeteiligung in Senftenberg mithelfen, diesen Fehler zu beheben. Denn wir wollen ja nicht nur Menschen von außen in die Lausitz holen, sondern die, die hier aufwachsen, sollen auch hierbleiben.

Sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir zum Strukturwandelprozess. Wir können mit großem Stolz sagen, dass dieser Prozess mit großem Engagement aller Beteiligten beispielhaft gut gestartet ist. Wir unterscheiden uns da sehr deutlich von den anderen drei Bundesländern, in die ebenfalls Gelder aus dem Strukturwandelgesetz fließen. Mit dem Lausitz-Programm 2038 ist die Lausitz zur Modellregion im Transformationsprozess geworden. Insbesondere halte ich es für eine sehr gute Idee, in einem Gebäude in Cottbus nicht nur den Lausitzbeauftragten, sondern auch die Wirtschaftsregion Lausitz, die Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes Brandenburg und auch Vertreter der ILB unterzubringen; gemeinsam leisten sie - genau wie die Werkstätten der Wirtschaftsregion Lausitz - eine umfassende Beratung der Antragsteller. Das betrifft auch solche Fälle, bei denen man Antragstellern andere Förderprogramme empfiehlt, wenn diese besser zu dem jeweiligen Antrag passen.

Wir sind natürlich nicht so vermessen, zu glauben, dass wir alles richtig machen. Deswegen wird unser Prozess von der Wissenschaft begleitet und ständig evaluiert. Allerdings haben uns die Wissenschaftler in einer Zwischenauswertung im Lausitz-Ausschuss bestätigt, dass der Prozess sehr gut läuft - ich sage das nicht ohne Stolz.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Brüning [CDU])

Es gibt trotzdem Dinge, die noch besser gemacht werden können - genau deswegen gibt es heute diesen Antrag. Wir sind in der Lausitz derzeit Opfer des Erfolges, wenn man das so sagen kann.

(Oh! bei der AfD)

Durch die Ansiedlung von Behörden, Firmen und Wissenschaftseinrichtungen gibt es eine Bewegung der Arbeitnehmer in Richtung eines besser bezahlten Arbeitsplatzes, wohlgemerkt innerhalb der Lausitz - eine Situation, von der man in den 90er-Jahren nur träumen konnte. Das führt jedoch dazu, dass gerade kleine Kommunen nicht mehr so leistungsfähige Verwaltungen haben. Sie sollen jedoch auch vom Strukturwandelprozess profitieren - genauso wie die großen Kommunen. Wenn zum Beispiel eine Kämmerei oder eine Bauverwaltung nicht mehr so gut besetzt ist, müssen wir ihnen unter die Arme greifen. Gerade solche Kommunen sollen auf Projektebene, also bei der Initiierung und Qualifizierung von Projekten, Unterstützung bekommen. Aber: Die Idee für ein Projekt - ich hoffe, da sind wir uns hier alle einig - muss aus der Kommune kommen. Außerdem gibt es ja schon

viele Beispielprojekte, die sich die Kommunen in einer Runde gegenseitig vorgestellt haben, sodass die Kommunen untereinander Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können. Dies wollen wir verstetigen, und die Wirtschaftsregion Lausitz soll weitere Treffen dieser Art initiieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zu den Anträgen der Oppositionsparteien. Ich habe schon gesagt, dass wir weiterhin positiv über die Lausitz reden müssen, damit die hier lebenden Menschen auch hierbleiben. Darüber hinaus soll unsere Kampagne „Krasse Lausitz“ dafür werben, dass sich andere Menschen für die Lausitz begeistern und entscheiden. Im Rahmen des Strukturwandels wird also alles dafür getan, dass Fachkräfte hierbleiben oder hierherkommen - Fachkräfte von fern und nah.

Die anderen Punkte, die im Antrag der Fraktion DIE LINKE aufgeführt werden, gelten für das ganze Land Brandenburg und sind nicht nur mit dem Strukturwandelgesetz umsetzbar; auch ein Unternehmen in der Uckermark, welches über den Bedarf hinaus ausbildet, ist zu unterstützen. Allerdings ist es derzeit eher so, dass die Unternehmen gerade so ausreichend Bewerber zur Deckung des eigenen Bedarfs finden.

Letztlich ist der gesamte Strukturwandelprozess in Angriff genommen worden, um Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen, eben um Menschen in der Region neue Perspektiven zu geben und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Und: Betriebliche Mitbestimmung ist in Deutschland Gesetz; das muss hier nicht separat für die Firmen in der Lausitz gefordert werden.

Auch weiche Standortfaktoren - wie es weiterhin in dem Antrag heißt - sind schon gefördert worden; ich denke da an den Umbau der Theaterwerkstatt in Senftenberg oder die Errichtung eines Besucher- und Informationszentrums in Großräschen.

Da bin ich auch schon bei dem anderen Antrag, in dem auch die Förderung weicher Standortfaktoren gefordert wird. Da wird die Landesregierung aufgefordert, verstärkt auf Projekte wie den Bau von Schulen und Kindergärten und Ähnlichem hinzuwirken. Zum einen hat das Sachsen gemacht - und ziemlichen Ärger mit dem Rechnungshof bekommen. Zum anderen werden die Projekte nicht von der Landesregierung initiiert, sondern sie müssen aus der Region kommen.

Richtig ist, dass bei großen Ansiedlungen - wenn zum Beispiel auf einmal mehrere hundert Arbeitsplätze entstehen - auch für die entsprechenden Einrichtungen gesorgt werden muss. Es ist zu erwarten, dass dann auch Arbeitnehmer mit Kindern zu uns kommen. Dann werden wir das auch so machen. Es ist bisher jedoch so nicht geschehen.

Wie schon vorgetragen, werben wir gerade mit der Kampagne „Krasse Lausitz“ für die Lausitz. Aber wenn wir Menschen in der Lausitz haben wollen, gehört dazu auch, dass sie herzlich empfangen werden. Es werden nicht nur Deutsche kommen.

Herr Abgeordneter Roick, lassen Sie zwei Zwischenfragen zu?

Nein.

Keine davon. Gut.

(Hünich [AfD]: Das ist aber sehr schade!)

- Das mag sein. - Sie werden es jetzt natürlich abstreiten, aber es gibt viele Aussagen von Unternehmern und von Arbeitnehmern: Die Menschen sehen sich mittlerweile die Wahlergebnisse an und entscheiden dann, ob sie kommen oder nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD])

Wir lehnen also beide Anträge ab.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe am Anfang von „einem Brandenburg“ gesprochen. Ziel unserer Fraktion ist und bleibt es, überall in Brandenburg für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Unser Fazit lautet also: In der Lausitz ist der Strukturwandel auf einem sehr guten Weg. Wir sollten das in alle Welt tragen und auf diesem Weg voranschreiten, damit die Lausitz Kraftzentrum von Brandenburg bleibt. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Es wurde eine Kurzintervention von Herrn Dr. Zeschmann angezeigt. - Bis er beim Mikrofon angekommen ist, nutze ich die Gelegenheit, um Herrn Abgeordneten Ronny Kretschmer ganz herzlich zum Geburtstag zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch für das neue Lebensjahr und danke, dass Sie Ihren Geburtstag mit uns verbringen!

(Allgemeiner Beifall)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kretschmer, auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

(Beifall BVB/FW)

Ich hoffe, der Tag wird für Sie gut verträglich.

(Heiterkeit BVB/FW)

Ich möchte jetzt kurz auf den Kollegen Roick eingehen: Sie haben eben ausgeführt - was mich dazu veranlasst hat, mich zu melden; die Frage wollten Sie ja nicht gestellt bekommen -, dass die Anträge betreffend Einrichtungen für Kinder und Jugendliche - hier geht es ja um Schulen und Kitas - aus der Region kommen müssten und dass es sie bisher nicht gegeben habe. Ja, die hat es bisher deswegen nicht gegeben - und das wissen Sie als Vorsitzender des Sonderausschusses Lausitz sehr genau -, weil sie nicht im Rahmen der Mittel für den Strukturwandel genehmigt werden konnten. Das hat uns Frau Ministerin Schneider mindestens zweimal im Sonderausschuss erzählt; das passt aber nicht zu Ihrem Eindruck.

Sie haben die Kampagne „Krasse Lausitz“ erwähnt. Ich kann sagen: Ich finde es auch krass, was Sie hier abziehen.

(Beifall BVB/FW)

Wir sind uns einig - und das ist von Anfang an diskutiert worden -, dass die Lausitz auch bei den sogenannten weichen Standortfaktoren, also nicht nur bei Infrastruktur und Arbeitsplätzen, sondern auch bei sozialer Infrastruktur, kulturellen und sportlichen Angeboten usw. gut sein muss,

(Beifall BVB/FW)

um genau das zu erreichen, was Sie haben wollen und was wir alle wollen, nämlich dass die Lausitz a) einen guten Ruf, ein gutes Image bekommt und dass b) die Menschen wirklich in die Lausitz ziehen und sagen: „Das ist eine krasse Lausitz!“ Sie sollen es aber im positiven Sinn meinen,

(Beifall BVB/FW)

nämlich in dem Sinn, dass man sich dort entwickeln, dass man dort ein Unternehmen gründen kann und besonders gute Rahmenbedingungen vorfindet, auch für junge Familien. Für junge Familien brauchen wir besonders gute Rahmenbedingungen - Stichwort: weiche Standortfaktoren, Stichwort: soziale Infrastruktur, Stichwort: Kitas und Schulen.

Deswegen: Wenn Sie sich selbst ernst nehmen - das richte ich jetzt an alle Regierungsfraktionen - und sagen würden: „Wir wollen, dass die Menschen in die Lausitz kommen“, müssten Sie selbstverständlich endlich mit dafür sorgen, dass Schulen und Kitas überall saniert, ausgebaut und da, wo notwendig, auch neu gebaut werden, statt dass das irgendwie von fünf, sieben, zehn oder 20 neuen Arbeitsplätzen abhängig gemacht wird.

Deswegen ist die Aussage „Die Anträge müssen aus der Region kommen“ nicht nur unerträglich, sondern eine Provokation,

(Beifall BVB/FW)

denn sie können gar nicht aus der Region kommen. Sie kommen allerdings aus der Region, nämlich von der Kleinen Lausitzrunde, die uns das vielfältig und für die verschiedensten Kommunen immer wieder vorgetragen hat. - Danke schön.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD)

Herr Abgeordneter Roick möchte nicht auf die Kurzintervention erwidern, sodass wir jetzt zum Redebeitrag der AfD-Fraktion kommen. Frau Abgeordnete Spring-Räumschüssel.