Protokoll der Sitzung vom 22.06.2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher,

(Eine Besuchergruppe verlässt die Besuchertribüne.)

die jetzt alle gehen!

(Heiterkeit)

- Ich nehme es nicht persönlich.

Das ist nichts Persönliches, Herr Kubitzki.

Alles klar. - Dass unsere Mahnung, die Opposition nicht zu missachten, nicht gehört wird, wissen wir zur Genüge. Sie ignorieren nun aber auch Ihre eigenen Gutachten und Fachleute. Das ist in diesem Saal neu. Aber Ihre Energiepolitik bietet Ihnen keinen anderen Ausweg mehr.

Am 15. März hat auf Antrag der Regierungskoalition selbst ein Fachgespräch zum Thema „Industrielle Abwärmepotenziale“ im Wirtschaftsausschuss dieses Landtags stattgefunden. Der als Anzuhörender von der Regierungskoalition selbst berufene Chef der Stadtwerke der drittgrößten Stadt Brandenburgs führte dort unter anderem aus:

Unabdingbar für die Nutzung industrieller Abwärme für die Einspeisung ins Fernwärmenetz seien Ölspeicher als Backup, diese seien noch für 20 Jahre unverzichtbar - kein Wort davon in Ihrem Antrag. Es gebe in allen Bereichen Mangel beim Ausbau des Fernwärmenetzes auf dem weiten Land. Die Planfeststellung für Baumaßnahmen im Bereich Fernwärme dauere günstigstenfalls fünf Jahre. Ein schneller Ausbau der Fernwärme in Brandenburg ist so nicht darstellbar.

Das beinahe Wichtigste: Wasserstoff ist kein Allheilmittel. Das muss man ins Stammbuch schreiben.

Nach der Diskussion gestern haben wir festgestellt, dass wir hier - so wie die Grünen es gesagt haben - komplett trocken sind. Da wird sich sowieso noch eine neue Diskussion ergeben, ob wir hier überhaupt Wasserstoff herstellen können.

(Beifall AfD)

80 % der Wärmeenergie in Brandenburg werden vom 1. Oktober bis 30. März verbraucht. Die sogenannten Erneuerbaren liefern aber gerade dann aus altbekannten Gründen unzuverlässig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD])

Ferner führten zwei andere Mitarbeiter aus Stadtwerken und Betreiberfirmen bei diesem Fachgespräch zur Kostentreiberei im Bereich der Erneuerbaren Energien aus: Sie blenden alles aus und fantasieren von Zeiten, bis ausreichend grüner Wasserstoff in Brandenburg produziert wird. - Jetzt haben Sie vorhin gesagt, es soll auch türkiser und blauer Wasserstoff genutzt werden. Da ist man schon ein bisschen runtergegangen. Die Bundesregierung ist deshalb weltweit unterwegs, zum Beispiel in Kanada und Namibia, um Importe des grünen Wasserstoffs zu organisieren. Bis jetzt sind das jedoch nur Absichtsbekundungen. Es gibt, soweit ich weiß, keine Lieferverträge mit konkreten Angaben zu Mengen und Preisen.

Wie gesagt, wir sind prinzipiell nicht gegen die Abwärme. Aber wenn ich sehe, wie viele Firmen hier zumachen, und wenn das mit den Energiepreisen so weitergeht zum Beispiel für die Glasindustrie, die viel Abwärme produziert, sehe ich da keinen Markt. - Das war es erst einmal. Herr Minister ist jetzt nicht da, schade. Ich wollte nur noch einmal sagen: Wenn er sich für die Feuerwehr einsetzt, dann soll er das tun.

(Vereinzelt Beifall AfD - Dr. Berndt [AfD]: Er ist doch da!)

Wir kommen zum Redebeitrag der SPD-Fraktion. Für sie spricht Frau Abgeordnete Kornmesser.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung beauftragt werden, den Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes zu unterstützen und industrielle Abwärmepotenziale zu identifizieren. Die Abwärme soll dann möglichst in das bestehende Fernwärmenetz eingespeist werden.

Ich denke, wir sind uns einig - das ist auch der Kern und der Hintergrund unseres Antrages -: Deutschland und das Land Brandenburg müssen von Energieimporten unabhängiger werden.

(Beifall SPD und CDU)

Derzeit stammen 90 % der Wärme für die Fernwärmenetze in Brandenburg noch aus fossilen Brennstoffen - 90 %! Deutschland importierte bis zum Jahre 2022 mehr als 50 % seines Gasbedarfes aus Russland.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, im Moment nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])

- Ich habe ja noch gar nicht viel gesagt, Herr Zeschmann.

Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden, und wir müssen unabhängig von Russland werden. Dazu braucht es auf dem Energie

sektor der Wärmegewinnung bzw. Wärmeversorgung Alternativen. Eine Alternative ist die Nutzung von industrieller Abwärme zur Wärmeversorgung von Gebäuden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, energieintensive Unternehmen produzieren derzeit deutschlandweit so viel Abwärme - Frau Ludwig hat es ausgeführt, ich möchte die Zahl aber gerne noch einmal nennen, weil sie unheimlich hoch ist -, dass 2 Millionen Haushalte damit versorgt werden könnten. Genau diese Abwärme können, sollten und müssen wir nutzen.

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE)

Ein, wie ich finde, tolles Beispiel ist die kurz vor der Fertigstellung stehende Fernwärmetrasse von Premnitz nach Brandenburg. Im Industriepark Premnitz betreibt die EEW Energy from Waste zwei Rostfeuerungsanlagen, in der jährlich bis zu 321 000 Tonnen Abfall verwertet werden.

Die dabei nicht verwertbaren Abfälle werden in einem technischen Verfahren - schadstofffrei! - in Energie umgewandelt, und es werden rund 113 000 MWh Strom sowie 86 000 MWh Prozessdampf generiert.

(Vereinzelt Beifall SPD und CDU)

- Katja Poschmann freut sich; sie kennt das aus ihrer Region. - Damit kann der gesamte Industriepark vor Ort versorgt werden. Zusätzlich werden dort 133 000 MWh Fernwärme für die Versorgung der Städte Premnitz und Brandenburg an der Havel generiert. Damit kann man ungefähr 6 000 Einfamilienhäuser oder 10 000 Wohnungen beheizen.

(Vereinzelt Beifall SPD und CDU)

Wenn die Fernwärme aus Premnitz in das Wärmenetz der Stadt Brandenburg eingespeist wird, kann die bisher für die Wärmeerzeugung benötigte Gasmenge drastisch reduziert werden, und wir sparen auch noch mehr als 70 000 Tonnen CO2 im Jahr ein. Dieses Beispiel zeigt, dass es geht und dass wir im Land Brandenburg gute Möglichkeiten haben.

Im Rahmen der Anhörung - wir hatten ja im Ausschuss ein Fachgespräch zu dem Thema „Nutzung industrieller Abwärmepotenziale zur Einspeisung ins Fernwärmenetz“ - ist klargeworden, dass die Potenziale zwar endlich, aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Ich denke, genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Daher bitte ich um Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE)

Wir kommen jetzt zum Redebeitrag der Fraktion DIE LINKE. Für sie spricht Herr Abgeordneter Walter.

Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, weiß, dass man Abwärme nutzen muss und wir das Fernwärmenetz in Brandenburg ausbauen müssen. Das ist schon deshalb notwendig, um die Wärmewende

wirklich ordentlich auf die Reihe zu bekommen und um von den ewigen, leidigen Debatten darüber, was eine Wärmepumpe ist, wie teuer sie ist, und über sonstige Geschichten wegzukommen. Wir brauchen wirklich einen Mix.

Klar ist: Wir brauchen eine Wärmewende. Wir müssen von einer Wärmeversorgung aus fossilen Energieträgern wegkommen und zu einer möglichst klimaneutralen aus erneuerbaren Energieträgern hinkommen; das muss das Ziel sein. Wir haben vorhin über Waldbrände geredet. Wer über Waldbrände redet, darf aber über den Klimawandel nicht schweigen. Deshalb ist dieser Antrag richtig.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Was mich ein bisschen verwundert - eigentlich verwundert es mich nicht mehr, aber es überrascht mich dann doch immer wieder -, ist, dass die Koalitionsfraktionen im Bereich der Energie- und der Wirtschaftspolitik immer wieder Anträge stellen - mittlerweile hat das fast schon Tradition -, mit denen sie das Wirtschaftsministerium zu etwas auffordern, was Sie, Herr Minister, längst tun. So hat uns das Wirtschaftsministerium im Wirtschaftsausschuss mitgeteilt, dass es gerade an einem Wärmekataster arbeite, um die Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung zu unterstützen. Das Ministerium unterstützt die Kommunen mit einem Prognosemodell; es will den Pilotbetrieb fördern und auch damit die Kommunen unterstützen.

Ich weiß nicht, warum Sie von der Koalition immer wieder solche Anträge stellen; denn das, was zum Beispiel im vorliegenden Antrag steht, ist schon alles auf dem Weg oder erledigt. Ich weiß also nicht, warum Sie das tun.

(Beifall DIE LINKE)

Es wäre gut, wenn Sie von der Koalition die Arbeit des Wirtschaftsministeriums wirklich unterstützen würden. Das gelingt nicht mit warmen Worten, sondern mit der Beantwortung zentraler Fragen, die in Ausschussanhörungen immer wieder gestellt worden sind und uns auch alltäglich gestellt werden. Wenn wir über die Wärmewende reden, dann müssen wir auch erklären, wie wir es hinbekommen wollen, dass am Ende die Gebühren nicht steigen, die Brandenburgerinnen und Brandenburger also nicht massiv höhere Kosten zu erwarten haben. Wir müssen auch darüber sprechen, wie die Fernwärme gefördert werden kann. Über all diese Dinge wollen Sie hier nicht diskutieren.

Aber da ich dann doch freundlich sein möchte, will ich sagen: Der Antrag der Koalitionsfraktionen schadet nicht; aber wir werden weiterhin über die Herausforderungen der Finanzierbarkeit reden müssen. Das werden wir auch hier tun. Gott sei Dank hat das Bundeswirtschaftsministerium erkannt, dass man vielleicht erst einmal über eine Wärmeplanung reden sollte, bevor man über eine Wärmewende redet.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Dr. Zesch- mann [BVB/FW])

Deshalb kündige ich jetzt schon an, dass meine Fraktion im zweiten Halbjahr einen Gesetzentwurf zur kommunalen Wärmewende einbringen wird oder die Landesregierung auffordern wird, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Andere Bundesländer sind da deutlich weiter. Die verpflichtende Wärmewende ist natürlich durch eine Wärmeplanung zu unterstützen; für diese wiederum brauchen auch die Kommunen Un