Protokoll der Sitzung vom 23.01.2025

Es wurde auch hier vereinbart, keine Debatte zu führen. Damit kommen wir direkt zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung auf Drucksache 8/363 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Bericht zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf.

TOP 8: Neutralität der Staatsanwaltschaften herstellen - politische Einflussnahme unverzüglich beenden!

Antrag der AfD-Fraktion

Drucksache 8/163

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der AfD-Fraktion, von Herrn Abgeordneten Hanko. Bitte schön.

(Beifall AfD)

Sehr geehrter Vizepräsident! Werte Abgeordnete! Heute haben wir unseren Antrag unter dem Titel „Neutralität der Staatsanwaltschaften herstellen – politische Einflussnahme unverzüglich beenden!“ zur Beratung vorliegen. Das ministerielle Weisungsrecht in Bezug auf die Staatsanwaltschaften ist schon seit Jahrzehnten Gegenstand der Diskussion, nicht erst seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Mai 2019.

Auf der einen Seite ist das staatsanwaltschaftliche Handeln durch das Legalitätsprinzip gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung – die Verfolgungspflicht der Staatsanwaltschaft – bestimmt, abgesehen von einer gewissen juristischen Handlungsfreiheit in den §§ 153 ff. der Strafprozessordnung. In diesem Zusammenhang existieren auch gesonderte Strafvorschriften, zum Beispiel Rechtsbeugung, Strafvereitelung im Amt, Verfolgung Unschuldiger und Vollstreckung gegen Unschuldige, die ebenso zu beachten sind.

Auf der anderen Seite weist § 147 Gerichtsverfassungsgesetz das Recht der Aufsicht und Leitung dem Bundesjustizminister hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte, der Landesjustizverwaltung hinsichtlich der staatsanwaltlichen Beamten des betreffenden Landes sowie dem Generalstaatsanwalt eines Bundeslandes hinsichtlich aller Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks zu.

Noch in einem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2019 hatte die FDPFraktion auf der Bundesebene eine gänzliche Aufhebung des externen Weisungsrechts im Einzelfall gefordert und dies damit begründet, dass die Sonderstellung und die spezifische Zuordnung zur Justiz es rechtfertigten, die Einflussmöglichkeiten der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive zu beschränken.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat zudem im Jahr 2001 zehn Leitlinien veröffentlicht, die sich dort seit mehr als 20 Jahren bewährt haben. In ständiger Selbstbindung kann eine Weisung in Einzelfragen durch das Ministerium nur erteilt werden, wenn die Generalstaatsanwaltschaft nach Prüfung gegen eine rechtsfehlerhafte Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht einschreitet. Mit Blick auf den dreistufigen Aufbau der staatsanwaltschaftlichen Dienstaufsicht muss eine Weisung zudem im Einzelfall immer an die unmittelbar nachgeordnete Behörde gerichtet und dokumentiert sein.

Leider hat der Vorschlag des Ministers der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Benjamin Limbach, auf der Konferenz der Justizminister im Juni 2024, das ministerielle Einzelweisungsrecht gegenüber Staatsanwaltschaften streng auf Fälle fehlerhafter Rechtsanwendung zu beschränken, keine Mehrheit gefunden. Ein Zitat des Justizministers:

„Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Länder heute für mehr Zurückhaltung beim ministeriellen Weisungsrecht aussprechen. Deutschland braucht starke und unabhängige Staatsanwaltschaften, die schon vor dem Anschein politischer Einflussnahme sicher sind. Wir werden im kommenden Gesetzgebungsverfahren weiter mit Überzeugung für eine strengere Beschränkung des Einzelweisungsrechts werben.“

Verstärkt wurde die zwischen zwingender Gesetzesbindung und politischer Weisungsbefugnis wechselnde Debatte durch das bereits zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dieses hat nämlich klargestellt, dass deutsche Staatsanwaltschaften aufgrund des externen Weisungsrechts nicht unabhängig genug sind, um als zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls befugte Justizbehörde gelten zu dürfen.

Im April 2024 hat das Bundesjustizministerium den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft vorgelegt. In einer Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zu dem aktuellen Referentenentwurf aus dem Mai 2024 heißt es:

„Diese Begründung aber lässt den Kern der Kritik des EuGH an der deutschen Rechts- bzw. Weisungslage gänzlich unerwähnt. Denn das Gericht hat nicht lediglich das ‚Wie‘ der Weisungsausübung bemängelt, sondern bereits und gerade das ‚Ob‘ der Weisungsbefugnis zum Anlass genommen, deutsche Staatsanwaltschaften als nicht hinreichend unabhängig zu erachten. Dieses ‚Ob‘ soll zwar zukünftig geregelt werden, bleibt aber auch nach der in Aussicht genommenen Konkretisierung in § 146 GVG-E inhaltlich nahezu unbeschränkt. Denn insbesondere die über eine reine Rechtskontrolle […] hinausgehende Weisungsbefugnis im Bereich von Entscheidungs- oder Beurteilungsspielräumen sowie der Ermessensausübung (§ 146 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 GVG-E) unterwirft praktisch das gesamte staatsanwaltschaftliche Handeln einer exekutiven Kontrolle.“

Im Ergebnis leistet dieser Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums keinen Beitrag dazu, dass deutsche Staatsanwaltschaften künftig europarechtliche Vorgaben erfüllen.

Selbst wenn man den Weg eines vollständigen Verzichts ohne eine Änderung des Grundgesetzes nicht beschreiten möchte, kommt auch die Beschränkung des Einzelweisungsrechts auf eine reine Rechtsfehlerkontrolle in Betracht, wie sie NordrheinWestfalen mit seinem Reformmodell vorschlägt. Ein solches Modell, das die Einzelweisungsbefugnis auf Fälle beschränkt, in denen die zuständige Generalstaatsanwaltschaft gegen eine rechtsfehlerhafte staatsanwaltschaftliche Sachbehandlung zu Unrecht nicht einschreitet, räumt verfassungsrechtliche Bedenken aus, bedeutet aber zugleich einen echten Fortschritt in der Sache. Denn das externe Einzelweisungsrecht wird beibehalten und zugleich verfassungskonform auf eine Rechtsfehlerkontrolle gegenüber der Behördenleitung beschränkt, was etwaigen Durchgriffsversuchen auf die zuständigen Ermittler und allen Spekulationen darüber von vornherein den Boden entzieht.

Nur so ließe sich auch die Kritik des Europäischen Gerichtshofes, des Europarates und der EU-Kommission an der Weisungsabhängigkeit deutscher Strafverfolger überzeugend ausräumen. In einer Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung vom 24.05.2024 zu dem Referentenentwurf wird wie folgt argumentiert:

„Die dem Entwurf zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Bedenken können zwar dem Grunde nach nachvollzogen werden: Eine Staatsanwaltschaft völlig ohne demokratische Kontrolle erscheint im Lichte des Art. 20 GG ausgeschlossen. Allerdings stellt die ministeriale Kontrolle nicht den einzigen Weg zur Kontrolle der Staatsanwaltschaft dar. Zwar handelt es sich um ein Organ der Exekutive, sodass eine ministeriale Kontrolle naheliegt, doch werden auch andere Exekutivorgane außerhalb des ministerialen Systems überwacht. Beispielsweise werden Geheimdienstbehörden durch die Parlamente beaufsichtigt. Denkbar wäre, die Staatsanwaltschaften in engen Grenzen der Aufsicht und Weisung eines parlamentarischen Ausschusses (auf Bundes- und Länderebene) zu unterstellen. Des Weiteren bleibt bisher offen, ob das Substitutionsrecht gem. § 145 Abs. 1 Var. 2 GVG zur Vermittlung demokratischer Kontrolle nicht genüge. Das wäre nur dann zu verneinen, wenn alle zur Aufgabenübernahme geeigneten Staatsanwält*innen entgegen des Legalitätsprinzips handelten und also eine gesetzeskonforme Aufgabenwahrnehmung nicht sichergestellt werden könnte. So ein Fall ist schlicht undenkbar.

Verblieben dem Gesetzgeber auch unter diesen Umständen verfassungsrechtliche Bedenken, so ist eine Erweiterung des Art. 97 Abs. 1 GG zu erwägen. Aus der Stellung der Staatsanwaltschaft als Justizbehörde folgt konsequent eine gerichtsgleiche unabhängige Stellung jedenfalls der Institution im Ganzen. Sofern dies aktuell mit Art. 20 Abs. 2 GG für unvereinbar erachtet wird, könnte eine Änderung der justiziellen Gewährleistungen der Verfassung verbleibende Zweifel ausräumen.“

Die Europäische Kommission hat mehrfach beanstandet, dass Deutschland bezüglich der angekündigten Neuregelung des ministeriellen Einzelweisungsrechts keine Fortschritte erzielt hat. Gerade vor dem Hintergrund der nicht zuletzt durch den Europäischen Gerichtshof festgestellten rechtsstaatlichen Mängel in Deutschland hinsichtlich des Weisungsrechts sollte die Kontrolle von staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen in einzelnen Ermittlungsverfahren endlich auf reine Rechtsfehler beschränkt werden.

Daher fordern wir die Landesregierung auf, bis zur Abschaffung des Weisungsrechts auf Bundesebene für das Land Brandenburg geeignete Verfahren, ähnlich zum Beispiel dem Verfahren im Bundesland Nordrhein-Westfalen, zu entwickeln, die die parlamentarische Kontrolle der Weisungen des Justizministers und die Dokumentation aller Weisungen gegenüber den Staatsanwaltschaften sicherstellen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Wir kommen nun zur Rednerin der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Fischer.

(Beifall SPD)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuhörer! Der erste Antrag der AfD zum wichtigen Bereich Justiz liegt vor, und ich muss sagen: Beim Lesen kam er mir irgendwie bekannt vor.

(Zurufe von der SPD: Mir auch!)

Kein Wunder, denn der Antrag ist mehr oder weniger wortgleich in der vergangenen Legislaturperiode gestellt worden.

(Dennis Hohloch [AfD]: Diskontinuität!)

Die Überschrift? Sie haben die Kraft gefunden, da ein Wort zu ergänzen. Die Begründung? Sie haben die vier Absätze noch einmal durcheinandergewürfelt.

(Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Was richtig ist, bleibt richtig, Frau Fischer!)

Wir versuchen, das Beste daraus zu machen; denn der Antrag eignet sich ganz gut für die neuen Kolleginnen und Kollegen unter uns, die daran sehen, wie die Antragstellerin hier vorgeht, nämlich nach ihrem Standardrezept.

(Dennis Hohloch [AfD]: Genau diese Rede haben Sie schon einmal gehalten, in der letzten Legislatur!)

Die erste Zutat ist immer: Man nehme eine reißerische Überschrift. „Neutralität der Staatsanwaltschaften herstellen – politische Einflussnahme unverzüglich beenden!“: Fast aus jedem Wort trieft Empörung; es schreit nach einem Skandal.

(Dennis Hohloch [AfD]: Es trieft und schreit!)

Die zweite Zutat der Antragsteller: Sie spielen sich als – vermeintliche – Helfer auf. Im konkreten Fall fordert die AfD – genau wie in der vergangenen Legislaturperiode; Sie nehmen ein paar mehr Worte – einen Rechtsrahmen, der Staatsanwaltschaften zu politisch unabhängigen Organen der Rechtspflege werden lässt.

(Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Das ist ja unerhört!)

Heraus kommt am Ende eine relativ giftige Mixtur, denn Sie unterstellen zwei Dinge.

(Dennis Hohloch [AfD]: Das ist genau dieselbe Rede wie in der letzten Legislatur!)

Ich habe in der letzten Legislatur gar nicht dazu geredet, Herr Hohloch. Regen Sie sich doch bitte nicht so auf! Wovon träumen Sie denn?

(Beifall SPD – Zurufe von der AfD)

Sie unterstellen nämlich zweierlei: dass unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte überhaupt nicht neutral arbeiten und dass der Ausgang von Strafverfahren vom Parteibuch des jeweiligen Justizministers abhängt. Ich sage einmal: Es sind dermaßen heftige, haltlose Vorwürfe, die Sie hier gegenüber der Justiz erheben, dass ich sie für meine Fraktion nur strikt zurückweisen kann.

(Beifall SPD – Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Cum-Ex war ein wunderbares Beispiel für Neutralität!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht weiter. Sie fordern nämlich immer noch, als Hüter der Demokratie verkleidet, die parlamentarische Kontrolle und die Dokumentation aller Weisungen gegenüber den Staatsanwaltschaften sicherzustellen. Ich denke, nach so viel parlamentarischer Erfahrung könnten Sie es besser wissen.

Kollegen von Ihnen sitzen im Richterwahlausschuss. Da geht es auch um Staatsanwälte. Wir entscheiden nach Bestenauslese, nicht nach Parteibuch. Das haben Sie vielleicht eines Tages einmal vor, wir nicht.

Auch die parlamentarische Kontrolle durch den Rechtsausschuss ist gegeben. Ich erinnere mich an die letzte Legislatur, in der die damalige Justizministerin regelmäßig gefragt wurde, ob

sie denn politisch Einfluss genommen habe. Ich erinnere mich auch gut an eine Sitzung im gerade aktuellen Rechtsausschuss, in der Sie den aktuellen Justizminister gefragt haben. Und alle haben es, trotz all Ihrer Nachfragen, natürlich verneint.

(Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Ach nein! Das ist der Be- weis?)