Protokoll der Sitzung vom 23.01.2025

Aber Sie finden sicherlich gut, was wir hineingeschrieben haben.

Es ist tatsächlich so, dass derzeit für externe Einzelanweisungen weder das Schriftformerfordernis noch ein Begründungszwang vorgesehen ist. Herr Hanko hat aus meiner Sicht rein sachlich – Sie kennen sich viel besser, die SPD-Fraktion und die AfDFraktion; deswegen staune ich immer, wie man sich die Bälle zuspielt – und richtig aus den Stellungnahmen der Neuen Richtervereinigung und des Deutschen Richterbundes zitiert. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich als ehemaliger Arbeitsrichter die Standpunkte teile, die darin wiedergegeben werden, und dass man die Befürchtung einer möglichen Weisungserteilung durch den Justizminister gegenüber dem Generalstaatsanwalt hat. Es geht nur um diese Ebene: Minister gegenüber dem Generalstaatsanwalt oder den Staatsanwälten. Es geht nicht um die Ebene Generalstaatsanwalt gegenüber den Staatsanwälten; selbstverständlich sind die Staatsanwälte insofern weisungsgebunden und müssen ihre Arbeit nach Weisung erfüllen. – Es gibt die Angst, dass auf der zuerst beschriebenen Ebene tatsächlich etwas passiert.

Ein Weisungsrecht muss transparent ausgestaltet sein. Transparenz ist aus meiner Sicht der Schlüssel zu Vertrauen. Insofern ist der jetzige Zustand im Gesetz tatsächlich unzureichend. Aber das haben nicht wir zu vertreten, sondern das Gerichtsverfassungsgesetz ist ein Bundesgesetz.

Wir werden aber möglicherweise unseren Einfluss geltend machen – mir ist noch nicht ganz klar, wie wir es auf dieser Ebene tun können –, damit dieses Bundesgesetz eine bestimmte Gestaltung bekommt. Allein, ich bin nicht sehr optimistisch im Hinblick auf die Zusammensetzung der künftigen Bundesregierung,

(Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Einen Versuch ist es wert! – Steeven Bretz [CDU]: Sie schreiben fleißig mit!)

weil der jetzt vorliegende Gesetzentwurf unzureichend ist. Er ist auf Eis gelegt, weil die Ampel zerbrochen ist. Insofern müssen wir schauen, wer Bundesjustizminister wird.

Aber mit Blick auf die Landesebene muss ich sagen: Erstens bin ich froh, dass ich mit einem jungen, souveränen Justizminister, Dr. Benjamin Grimm, zusammenarbeiten darf. Er ist aus meiner Sicht völlig unverbraucht

(Lachen bei der CDU – Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Nicht mehr lange!)

und hat juristische Fachkenntnis. – Das war ein Kompliment, bitte schön. – Ich freue mich, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Unser Koalitionsvertrag besagt: Jawohl, wir wollen, dass Weisungen des Justizministers an die Staatsanwaltschaft tatsächlich nur noch schriftlich erfolgen.

(Beifall des Abgeordneten Niels-Olaf Lüders [BSW])

Nun reicht die Schriftform nicht wirklich aus. Denn wir wissen ja: Man greift zum Telefon, zum privaten Handy – das sehen wir in jedem Krimi –, und dann ruft der Minister oder die Ministerin den Generalstaatsanwalt an und sagt ihm oder ihr, dass er oder sie gern eine bestimmte Fügung in einem bestimmten Prozess hätte. – Das kann es immer wieder geben. So etwas muss ausgeschlossen werden. Deswegen müssen wir entsprechende Regeln festlegen. Ich habe vom Justizminister das Zeichen erhalten, dass wir eine solche Regelung treffen, und zwar innerministeriell. Dafür brauchen wir kein Gesetz, und dafür brauchen wir auch keine weiteren Überweisungen an Ausschüsse, sondern

das alles können wir auch in der Diskussion im Rechtsausschuss schaffen und machen, sodass das sichergestellt ist.

Staatsanwälte sind nicht unabhängig wie Richter. Tatsächlich wissen wir, dass auch andere Druckmittel auf Staatsanwälte wie auch auf Richter angewendet werden können. Man könnte ihnen vorher sagen, dass man eine bestimmte Entscheidung erwartet, weil vielleicht eine Ermittlung in diesem Fall einer derzeit regierenden Exekutive unangenehm wäre. Ja, das ist rein theoretisch möglich, und das muss ausgeschlossen werden. Wir müssen die Staatsanwälte auch so ausstatten, dass sie sozusagen ein Zurückweisungsrecht gegen Weisungen haben, die außerhalb der Überprüfung ihrer Handlungen liegen, die ansonsten rechtlich gedeckt sind.

Aber all das ist möglich. Das wird der Justizminister machen können. Insofern bin ich guter Dinge. Im Zweifelsfalle haben wir im Rechtsausschuss gute Diskussionsmöglichkeiten.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, auch mit Herrn Eichelbaum, auch mit Ihnen, Herr Hanko.

(Dennis Hohloch [AfD]: Wenigstens einer freut sich!)

Frau Kotré, Sie sind schon lange Jahre im Rechtsausschuss tätig. Frau Tina Fischer ist schon Vorsitzende des Rechtsausschusses gewesen. Ich freue mich darauf und wünsche Ihnen wie auch mir Erfolg. Unsere Fraktion macht Ihnen den Vorschlag, diesen Antrag zurückzuweisen, weil er nicht erforderlich ist. – Danke schön.

(Beifall BSW und SPD)

Für die Landesregierung – darüber freuen sich die Abgeordneten ganz besonders – spricht jetzt der unverbrauchte Justizminister Dr. Grimm zu uns. Bitte schön.

Dr. Benjamin Grimm (Minister der Justiz und für Digitalisie- rung):

Lieber Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Mit dem Antrag machen wir einen Evergreen der Rechtspolitik zum wiederholten Male zum Gegenstand der Debatte. Fast wortgleich – Tina Fischer hat es schon gesagt – hatten wir das hier bereits. Von daher will ich nicht nach dem Motto verfahren: „Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von mir“, sondern ich versuche, mich auf vier Punkte zu beschränken, die ich bei dieser Frage für besonders bedeutsam halte.

Der erste Punkt ist der Anlass Ihres Antrags. Gleich zu Anfang der Begründung gehen Sie darauf ein, dass wir jetzt ein Problem hätten, den Europäischen Haftbefehl zu erlassen. Das ist übrigens etwas anderes, Herr Dr. Berndt, als ein Strafbefehl. Mit dem Europäischen Haftbefehl haben wir überhaupt keine Probleme. Er wird in Brandenburg jetzt von Gerichten erteilt. Das ist bei einem Haftbefehl auch ansonsten üblich. Wir haben hier also kein Problem. Von daher verstehe ich nicht, woher der Anlass für diesen Antrag kommt. Die Urteile, auf die Sie sich beziehen, sind übrigens aus den Jahren 2019 und 2020.

Zum Zweiten: Den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft warte geradezu darauf, rechtswidrige Weisungen von ihrem Justizminister zu bekommen, weise ich wirklich in aller Entschiedenheit zurück.

Das ist, ehrlich gesagt, auch völlig fernab jeder Realität. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind an Recht und Gesetz gebunden. Wenn sie gegen dieses verstoßen, ist das strafbewehrt. Das tut niemand. Ich finde es eher richtig – ich bin froh, dass der Vorsitzende des Rechtsausschusses es schon getan hat –, dass man hier auch einmal den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, den Richterinnen und Richtern sowie dem sonstigen Personal bei uns in der Justiz einen Dank ausspricht. Sie machen wirklich einen tollen Job und sind für unseren Rechtsstaat von eminenter Bedeutung.

(Beifall SPD, BSW und CDU)

Zum dritten Punkt: Ja, wir haben das Weisungsrecht, und es ist wichtig, dass wir es haben. Ansonsten könnten unter anderem Abgeordnete Ihrer Fraktion mich im Rechtsausschuss nicht nach Ermittlungsverfahren – am besten nach abgeschlossenen; zu den anderen kann man nicht viel sagen – fragen. Das war in der ersten Sitzung des Rechtsausschusses schon der Fall; auch in der Vergangenheit ist es der Fall gewesen. Der Justizminister ist gerade gegenüber dem Parlament derjenige, der demokratisch legitimiert ist, für die Staatsanwaltschaft zu sprechen. Ich bin Ihr Ansprechpartner und muss mich für die Entscheidungen, die dort getroffen werden, rechtfertigen.

Natürlich kann man das auch anders machen. In den USA werden Staatsanwälte vom Volk gewählt. Das kann man sich in diversen Fernsehserien anschauen. Auch dieses System ist demokratisch. Das kann man natürlich so machen. Aber dann ist meine Frage: Warum jetzt wechseln? Wir haben doch ein gutes System, das funktioniert. Ich sehe hier überhaupt kein Problem – Sie anscheinend auch nicht, wenn Sie sich auf fünf Jahre alte Entscheidungen des EuGHs beziehen.

Vierter und letzter Punkt: Wir schaffen trotz allem noch einmal ein Mehr an Transparenz. Wir werden nämlich sicherstellen – ich werde es sicherstellen –, dass zukünftig Weisungen eines Justizministers bzw. einer Justizministerin immer schriftlich erfolgen – wenn sie denn erfolgen – und zudem auch zur Akte genommen werden. Spätestens dann wird sich jeder Justizminister sehr gut überlegen, ob er eine solche Weisung erteilt.

Zusammenfassend stelle ich fest: Das Anliegen Ihres Antrags ist erledigt und damit obsolet. Er ist daher abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BSW und CDU)

Die Rede des Justizministers hat eine Kurzintervention herausgefordert. Herr Dr. Berndt, Sie haben das Wort.

(Beifall AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Justizminister, vielen Dank für Ihre Ausführungen! Ich greife gern den vierten Punkt auf: Wenn Sie jetzt Regelungen treffen, die für mehr Transparenz bei der Ausübung des Weisungsrechts sorgen, sagen Sie damit, dass solche Regelungen sinnvoll sind

und dass es Bedarf gibt, das Weisungsrecht transparenter zu gestalten. Damit sagen Sie dann auch, dass unser Antrag sinnvoll war. Ich danke Ihnen sehr für diese Ausführungen.

(Beifall AfD)

Der Justizminister möchte erwidern. Bitte schön.

Dr. Benjamin Grimm (Minister der Justiz und für Digitalisie- rung):

Herr Dr. Berndt, ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass damit für Sie Ihr Anliegen erledigt ist.

(Gelächter bei der AfD)

Das nehme ich erfreut zur Kenntnis; dann müssen wir den Antrag hier nicht noch ein drittes Mal behandeln.

Noch eine Feststellung, die ganz allgemein gilt: Auch wenn etwas gut ist, kann man es immer noch besser machen, und das tun wir hier. – Vielen Dank.

(Beifall SPD, BSW und CDU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD])

Wir fahren entsprechend der Rednerliste fort. Herr Hanko, Sie haben noch 1 Minute und 6 Sekunden zur Verfügung.

(Beifall AfD)

Das wird mir reichen. – Ich möchte nur ein kurzes Schlusswort an die Abgeordneten richten: Die Abgeordneten, die heute gegen unseren Antrag stimmen, werden morgen die Ersten sein, die diesen Antrag wieder herausholen werden, wenn die AfD den ersten Justizminister stellt. – Danke.

(Beifall AfD)

Ich schlage vor, dass wir, bis es so weit ist, zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 8/163 kommen,

(Heiterkeit SPD und AfD)

„Neutralität der Staatsanwaltschaften herstellen – politische Einflussnahme unverzüglich beenden!“ Wer für diesen Antrag ist, hebe bitte die Hand. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf.

TOP 9: Ärztliche Versorgung auf dem Lande sichern und Landärzte fördern