Auf dem Land fällt es vielen pflegebedürftigen Menschen oft schwer, zum Arzt oder zum Friseurtermin zu kommen; aber auch Freunde oder Bekannte zu treffen wird zu einer echten Herausforderung. Mit dem ehrenamtlichen Tür-zu-Tür-Fahrangebot „Für – Euch – mobil“ reagierte die Stadt Prenzlau auf diesen Bedarf. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer übernehmen Fahrdienste und entlasten damit pflegende Angehörige.
Vorn ein Ehrenamtler am Piano, ihm gegenüber 10 bis 15 Sangesfreudige – in Lübbenau ist das inzwischen ein gewohntes Bild. Keine Frage: Musik verbindet Menschen, und sie kann den Verlauf von Demenz oder Kreislauferkrankungen positiv beeinflussen. Das ist das Ziel des generationsübergreifenden Musikprojektes „Alte Hasen – Junge Hüpfer“. Das Musizieren und der Erfahrungsaustausch sollen es älteren und pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, aus der Einsamkeit herauszukommen – ein Projekt in Lübbenau.
Dies sind nur drei von über 640 Projekten, die dank des Landesprogramms „Pflege vor Ort“ – ein Teil des Paktes für Pflege – seit 2021 im ganzen Land Brandenburg entstanden sind.
Brandenburg hat hier einen so erfolgreichen Weg beschritten, dass es eine Vorreiterrolle eingenommen und über die Landesgrenzen hinaus viel Interesse geweckt hat. Das Engagement und die hohe Bereitschaft der Landkreise und kreisfreien Städte, sich an dem Projekt zu beteiligen, sind beeindruckend; bis dato sind es 85 % der Kommunen.
Ich gebe zu, am Anfang sah ich die Idee von „Pflege vor Ort“ durchaus skeptisch, denn wir hatten schon viele Projekte, die irgendwann im Sande verlaufen sind. Jedoch überzeugen die
unzähligen Projekte der sozialen und kulturellen Teilhabe, der mobilen und unterstützenden Alltagsangebote oder Schulungen und des Austausches für pflegende Angehörige, die in den letzten Jahren entstanden sind – immer flankierend begleitet von der Fachstelle FAPIQ, die jederzeit mit Beratung, Begleitung bei Projektideen und Umsetzung an der Seite der Kommunen stand, so wie auch das Kompetenzzentrum Demenz. „Pflege vor Ort“ ist jedoch nur dank der Projektkoordinatorinnen und -koordinatoren möglich, die diese Aufgabe steuern und ausbauen. Und es sind die vielen Hunderten Ehrenamtlichen, die diese Projekte mit Leben erfüllen. Sie haben hier ein sinnvolles Betätigungsfeld gefunden, das sie ausfüllt und dem sie gern ihre Freizeit widmen.
Ich möchte diesen Ehrenamtlichen an der Stelle von ganzem Herzen danken, dass sie ihre Freizeit für unsere Pflegebedürftigen und die Seniorinnen und Senioren im Land einsetzen.
Diese Projekte sind deshalb so bedeutsam, da sie durch niedrigschwellige Angebote die Prävention und das Hinauszögern von Pflegebedürftigkeit mit in den Blick genommen haben. Viele Seniorinnen und Senioren nutzen die Angebote, um fit zu bleiben und ein möglichst langes Leben in der eigenen Häuslichkeit zu führen. Es zeigt sich, dass hier der Problematik der Vereinsamung entgegengesteuert wird und die Nutzer an Lebensqualität gewinnen. Für pflegende Angehörige bedeutet es Hilfe bei alltäglichen Problemen im Pflegealltag, die Möglichkeit des Austausches mit Gleichgesinnten und der eigenen Weiterentwicklung durch Schulungen zu den unterschiedlichsten Krankheitsbildern und Pflegethemen. Nur so kann es ihnen möglich sein, die so aufopferungsvolle, psychisch und physisch anstrengende Tätigkeit als Pflegende im Interesse der Gesellschaft lange Zeit auszuüben.
Wenn hier professionelle Pflege, sei es in ambulanter, teilstationärer oder stationärer Form, einspringen müsste, wäre das der Kollaps für das Pflegesystem in Brandenburg. Schon jetzt gibt es nicht ausreichend Pflegefachkräfte und Pflegeassistenten, um die Anfragen zur Übernahme professioneller Pflege zu berücksichtigen. Es gibt in Brandenburg kaum noch eine Familie, die sich nicht mit dem Thema Pflege beschäftigt, sei es bei der Unterstützung im Alltag oder dann später bei der Pflegebedürftigkeit nach dem Erhalt eines Pflegegrades. Es hat sich nichts daran geändert: Die pflegenden Angehörigen sind der größte Pflegedienst Deutschlands und vor allem in Brandenburg, wo 87 % der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden – und die Zahl steigt weiter.
Diese mehr als 640 wertvollen Projekte von „Pflege vor Ort“ stehen aktuell vor dem Aus. Meine anfängliche Skepsis war also doch nicht ganz unbegründet. Die alte Landesregierung sorgte noch dafür, dass der Förderzeitraum mittels Überbrückungen auf 30.06.2025 verlängert wurde. Doch wie geht es jetzt weiter? Viele Akteure vor Ort sind verunsichert und bangen um jedes einzelne mühsam geschaffene Angebot in den Städten und Dörfern. Dies zeigen die vielen Gespräche, die ich führe, sowie die Mails und Anrufe, die mich erreichen.
Es darf nicht wieder passieren, dass solch ein wertvolles, mit Engagement und viel Leidenschaft auf den Weg gebrachtes Projekt eingestampft oder gar die Weiterfinanzierung den schon klammen Kassen der Landkreise und kreisfreien Städte überlassen wird. Sie, die Abgeordneten des 8. Brandenburger Landtages, haben dieses Thema während des Wahlkampfes in Ihren
Wahlbezirken aufgerufen und den Bürgerinnen und Bürgern versprochen, sich dafür einzusetzen, dass der Pakt für Pflege weitergeführt wird. Halten Sie Ihre Versprechen ein! Unterstützen Sie den Antrag der CDU-Fraktion zur Weiterführung und Verstetigung des Paktes für Pflege sowie seiner Verankerung im Landespflegegesetz. Stimmen Sie unserem Antrag zu und sorgen Sie so für die Fortsetzung dieses erfolgreichen Projektes und bringen Sie so den Ehrenamtlichen die Wertschätzung entgegen, die sie verdient haben! – Vielen Dank.
Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.
Schön, dass ich zum Thema Pflege sprechen darf, denn dieses Thema geht uns alle an. „‚Pflege vor Ort‘ verstetigen“ – sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, wir haben uns mit Ihrem Antrag befasst. Nach unserem Geschmack bleibt etwas offen. Ich könnte es mir jetzt leicht machen und sagen: Schauen Sie in den neuen – aktuellen – Koalitionsvertrag; da steht alles drin!
Aber so leicht will ich es mir doch nicht machen. Der Pakt für Pflege war ein besonderer Meilenstein für eine verbesserte Pflegeversorgung und ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag 2019 bis 2024. Er gilt heute als bundesdeutsches Pilotprojekt. Mit großem Stolz können wir, die SPD-Fraktion, heute sagen: Der Pakt für Pflege war ein Herzensprojekt der SPD, und wir freuen uns, dass er so gut wirkt – und das bis heute.
Wie gut er gewirkt hat, wo aber auch noch nachzusteuern ist, darüber gibt die wissenschaftliche Evaluation vom Juni 2024 detailliert Auskunft – ein Report, den zu lesen ich jedem und jeder empfehlen kann und muss. Die vier Säulen – Förderprogramm „Pflege vor Ort“ für Kommunen, Förderung des Ausbaus der Pflegestützpunkte, Investitionsprogramm für Kurzzeit- und Tagespflege sowie die Maßnahmen zur Ausbildung und zur betrieblichen Fachkräftesicherung – sind in Gang gesetzt worden und
heute nicht mehr wegzudenken. Mein vorläufiges Fazit: Das sind sehr gut investierte 20 Millionen Euro im Jahr!
Wer profitiert davon? Erstens: die Menschen, die gepflegt werden; zweitens: die Menschen, die als Angehörige pflegen; drittens aber auch die Menschen, die beruflich Tag für Tag in der Pflege unterwegs sind – und das verdient unser aller Respekt.
Sehr geehrte Abgeordnete, mir liegt es am Herzen, auf einen wichtigen Punkt hinzuweisen, der gerade bei uns im ländlichen Märkisch-Oderland wichtig ist: 87 % der brandenburgweit insgesamt 185 000 Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt – das ist der bundesweit höchste Wert. Hier, kann ich Ihnen sagen, hat der Pakt für Pflege deutliche Verbesserungen gebracht; das ist nicht zu leugnen.
Dass Menschen, auch wenn sie pflegebedürftig sind, zu Hause, mit ihren Angehörigen zusammen leben können, ist ein ganz entscheidender Aspekt für das Familienzusammenleben, denn die Pflege zu Hause entspricht dem dringenden Wunsch der Menschen. Außerdem – darauf muss ich hinweisen – begrenzt es den Personalbedarf. Müssten nämlich all die Menschen, die derzeit zu Hause versorgt werden, in Einrichtungen versorgt werden, bräuchten wir 5 000 zusätzliche Pflegekräfte. Haben wir die? Die haben wir nicht.
Die Erfolge des Paktes für Pflege werden von der CDU auch ausdrücklich gelobt. – Der Text Ihres Antrages zeigt, dass Sie die einschlägigen Bewertungen des Paktes für Pflege sehr gut gelesen haben. Nicht ganz so gut gelesen haben Sie unseren neuen Koalitionsvertrag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Pakt für Pflege verstetigen, weiterentwickeln und insbesondere die Pflegeversorgung vor Ort sichern und die häusliche Pflege stärken. Darüber sind wir alle uns doch einig.
Die SPD wird sich auf Bundesebene für eine Reform der Pflegeversicherung einsetzen. Der Eigenanteil der Betroffenen muss gedeckelt werden. Die Kosten für einen Pflegeplatz dürfen für die Menschen nicht zum Armutsrisiko werden. Das ist unser Fokus.
Was haben wir vor? Wir starten eine Ausbildungsoffensive in der Pflege und in weiteren Gesundheitsberufen. Wir erhöhen die Investitionspauschalen für Pflegeschulen und Schulen für Gesundheitsfachberufe.
Wir unterstützen mehrstufige Pflegeausbildungen und die Ausbildungsqualifikation. Zudem unterstützen wir die Weiterbildung und Qualifizierung von Pflegehilfskräften.
Ich danke dem Landespflegeausschuss des Landes Brandenburg an dieser Stelle für seine wertvollen Hinweise – gerade im Hinblick auf die Integration der im Lande lebenden internationalen Pflegekräfte. Diese Arbeit ist gerade dieser Tage von unschätzbarem Wert.
Sie sehen: Wir sind auf einem sehr guten Weg. – Bitte gestatten Sie mir, das zu sagen. Das, was wir vorhaben, geht weit über Ihren Antrag hinaus. Wir werden diesen Antrag daher heute ablehnen. – Vielen Dank.
Danke sehr. – Als nächste Rednerin in dieser Aussprache hat Frau Abgeordnete Dr. Oeynhausen von der AfD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Brandenburger! Jeder zehnte Brandenburger ist pflegebedürftig. Eine Viertelmillion Menschen in unserem Land sind also auf Hilfe im Alltag angewiesen. Die Tendenz ist steigend.
Eine INSA-Umfrage zur Landtagswahl hat ergeben: Der Pflegenotstand ist tatsächlich Topthema in Brandenburg. – Darum sind Angebote, die Betroffenen zu Hause helfen und Angehörige unterstützen, natürlich sinnvoll – auch der Pakt für Pflege. Doch er muss unbedingt nachgebessert werden, denn so, wie der Pakt in der letzten Legislaturperiode ausgestaltet war, hat er nicht immer das bewirkt, was er eigentlich bewirken sollte. Zudem ist er mit über 20 Millionen Euro pro Jahr sehr teuer – dieses Geld muss angesichts der klammen Kassen, die wir aktuell haben, verantwortungsbewusst eingesetzt werden.
In Brandenburg mangelt es vor allem an Pflegekräften. An diesem Mangel trägt die Landesregierung eine erhebliche Mitschuld, denn ihre Politik verschärft das Problem sogar noch, anstatt es zu lösen. Knapp 100 zusätzliche Stellen wurden in den Kommunen mit den Mitteln aus dem Pakt für Pflege geschaffen. Ja, Sie hören richtig: 100 zusätzliche Stellen aus den Mitteln des Pakts für Pflege. Doch der Großteil dieser neuen Mitarbeiter ist beratend tätig – er verwaltet also das eigentliche Problem –; und weil die meisten Mitarbeiter aus Pflegeberufen stammen, fehlen sie bei den Patienten vor Ort.