Protokoll der Sitzung vom 23.01.2025

Bekomme ich auch Ihre Aufmerksamkeit, Herr Bretz?

Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte – die Aufgabe, hier für Ruhe zu sorgen, obliegt dann doch dem Präsidium. Ich unterstütze Sie dabei gerne und möchte die Kollegen Abgeordneten dazu aufrufen, zur fortgeschrittenen Stunde die Kräfte, die sie noch haben, für den weiteren Verlauf des Abends zu nutzen und ihre Aufmerksamkeit jetzt der Ministerin zu widmen. Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

(Beifall BSW)

Britta Müller (Ministerin für Gesundheit und Soziales):

Vielen Dank. – Vielleicht darf ich die Kollegen angesichts ihrer Zuckerattacken unterstützen: Unterzuckerte Menschen werden irgendwann noch wütend, und das wollen wir nicht. Wir wollen bis zum Abend noch gute Debatten führen, und daher glaube ich, dass der Zucker an der Stelle auch ganz gut ankommt.

Damit haben Sie mich überzeugt.

Britta Müller (Ministerin für Gesundheit und Soziales):

Vielen Dank.

(Heiterkeit AfD sowie des Abgeordneten Steven Bretz [CDU])

Sehr geehrte Kollegin bzw. Abgeordnetenkollegin – historisch verläuft man sich da ja manchmal … Also: Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Dr. Oeynhausen, Sie fragen die Landesregierung, was ihr die Steuerzahler wert sind. Ich frage Sie: Was sind Ihnen die alten Menschen, was ist Ihnen die ältere Bevölkerung in Brandenburg wert? Sie vergessen dabei, dass sie auch Steuerzahler sind. Ich sage Ihnen: Ihrer Rede habe ich entnommen, dass Ihnen die älteren Menschen in Brandenburg nichts wert sind. Die Momente der Freude in geselligen Runden – das bezeichnen Sie als „Kaffeefahrten“ –, die Bewegung, die Momente,

die sie in Gemeinschaft erleben dürfen – es gibt ja auch Menschen, die einsam sind –, all das wollen Sie den Menschen in Brandenburg nehmen, weil Sie den Pakt für die Pflege und seine Finanzierung infrage stellen.

(Beifall BSW und SPD)

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Oeynhausen zu?

Britta Müller (Ministerin für Gesundheit und Soziales):

Nein.

Okay. – Bitte schön.

Britta Müller (Ministerin für Gesundheit und Soziales):

Mit dem vorliegenden Antrag wird ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen: die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung pflegebedürftiger Menschen im Land Brandenburg. Die Menschen wünschen sich – wir selbst wünschen es uns auch – im Alter und bei Eintritt in die Pflegebedürftigkeit nichts sehnlicher, als zu Hause leben zu können, so lange es geht. Und weil wir die Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, haben wir als Gesamtgesellschaft den Auftrag, für dieses Lange-zu-Hausebleiben-Können die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

„Ambulant vor stationär“ – dies ist die Leitlinie der brandenburgischen Pflegepolitik, seit vielen Jahren und im überparteilichen Konsens, und dies wird auch in dieser Legislaturperiode die Leitlinie sein. „Ambulant vor stationär“ ist zum einen menschenfreundlich, denn ein Umzug in ein Pflegeheim ist immer auch mit Entwurzelung und dem Abbruch sozialer Beziehungen verbunden. Zum anderen ist der Vorrang der ambulanten Versorgung der einzige Weg, um die Pflege zu Hause überhaupt personell abzusichern.

Der demografische Wandel führt dazu, dass die Anzahl älterer Menschen steigt und zugleich die Anzahl erwerbsfähiger Menschen sinkt. Daher müssen wir zum einen so viele Menschen wie möglich für die Pflegeberufe gewinnen und mit guten Arbeitsbedingungen dort halten. Zum anderen müssen wir die kostbare Ressource Personal noch sorgfältiger als bisher einsetzen.

Wie Sie wissen, ist die Versorgung im Heim mit Abstand die personalintensivste und auch teuerste Versorgungsform. Sie ist ein notwendiger Bestandteil der pflegerischen Versorgungskette, muss aber den Situationen vorbehalten bleiben, in denen alle Hilfen in der häuslichen Pflege ausgeschöpft sind.

Ich möchte, dass jeder pflegebedürftige Mensch in Brandenburg auf alle Formen der Beratung, Entlastung und Teilhabe, die es inner- und außerhalb der Pflegeversicherung gibt, zugreifen kann. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen ins Heim ziehen müssen, weil sie sonst vereinsamen, keine Hilfe beim Einkaufen

haben oder ihnen nicht bekannt ist, welche technischen Hilfen es gibt und wie man sie beantragen kann.

(Beifall BSW und SPD)

Pflege findet vor Ort statt. Der Pakt für Pflege zeigt, wie diese Aufgabe gesamtgesellschaftlich angegangen werden kann – und er zeigt insbesondere, welchen großen Beitrag die Kommunen hierbei leisten, denn vor Ort zeigt sich deutlich, ob die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen auf ein Netzwerk an täglicher Unterstützung zugreifen können. Das wurde mit dem Pakt für Pflege geschafft: Die Kommunen in Brandenburg haben die Pflege vor Ort auf ihre eigene kommunalpolitische Agenda gesetzt und mithilfe des Landes, aber auch mit eigenen Mitteln mehr als 660 Projekte vor Ort in Gang gesetzt.

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Niels-Olaf Lüders [BSW])

So wurden in etwa hundert Kommunen sogenannte Kümmerer bzw. Lotsen installiert – und das sind keine Pflegekräfte, die dem Pflegesystem entzogen worden wären –,

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Niels-Olaf Lüders [BSW])

also Ansprechpersonen vor Ort für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen, dazu in vielen Orten Helferkreise, Informationsangebote, Schulungsangebote für Angehörige von Menschen mit Demenz, gemeinsame Mittagstische – ja, sie sind auch wichtig –, Begegnungsangebote, Hilfsgruppen, Pflegestammtische und Maßnahmen zur Unterstützung von Mobilität. Diese Unterstützungsstrukturen sollen nicht wegbrechen, und das großartige kommunale Engagement soll nicht enttäuscht werden.

Meine Damen und Herren, der Pakt für Pflege ist eine beachtliche gemeinsame Anstrengung aller pflegepolitischer Akteure hier im Land. Wir wissen, dass andere Bundesländer auf Brandenburg schauen und vergleichbare Aktivitäten planen. Daher halten wir an dem Ziel, Pflegebedürftige in ihrer gewohnten Umgebung bestmöglich zu versorgen, ihre Angehörigen gut zu informieren und zu entlasten, fest. Ich bin dabei guten Mutes; unsere Koalitionsvereinbarung enthält eine entsprechende Verabredung. In der Landesregierung haben wir verabredet, dass wir für den Doppelhaushalt 2025/2026 einen gemeinsamen Entwurf erarbeiten und diesen dem Parlament vorlegen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Britta Müller (Ministerin für Gesundheit und Soziales):

Daher bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich bei aller Sympathie für den Antrag seine Ablehnung empfehle. – Vielen Dank.

(Beifall BSW und SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Abgeordnete Fährmann hätte jetzt noch genügend Zeit. – Entschuldigung, Frau Dr. Oeynhausen hat eine Kurzintervention angezeigt. Frau Dr. Oeynhausen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Gesundheitsministerin hat keinen Mut, meine Fragen zu beantworten. Da befindet sie sich in guter Gesellschaft und reiht sich mit ihrer Vorgängerin ein: Die grüne Gesundheitsministerin wollte auch nicht antworten; deshalb muss ich zum Mittel der Kurzintervention greifen.

Frau Ministerin, die Verbreitung von Fake News überlasse ich Ihnen. Gestern haben Sie über den Krankenhausplan und die Basisnotfallversorgung am Beispiel der Umstrukturierung des Kreiskrankenhauses Prenzlau berichtet, und diese Fake News, die Sie gestern in diesem Zusammenhang verbreitet haben, sind Ihres Amtes unwürdig. Und jetzt verbreiten Sie auch noch Fake News zu meiner Rede.

Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie erfahren: Wir wollen den Pakt für Pflege verbessern,

(Beifall AfD)

damit er tatsächlich den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zugutekommt – und nicht den Wohlfahrtsverbänden wie der SPD-AWO. Ja, die SPD-AWO ist regelmäßig in den Schlagzeilen! Wir wollen verhindern, dass sie nachher noch in den Schlagzeilen ist, weil viele Frühstücksfahrten für über 60-Jährige angeboten werden. Nein, wir wollen, dass mit dem Steuergeld sorgfältig umgegangen wird – das entspricht übrigens Recht und Gesetz. Das sollten Sie auch als Ministerin wissen, dass man mit Steuergeld sorgsam umzugehen hat.

Wir wollen die Pflege verbessern. Wir wollen eine tatsächliche Auswertung und schauen: Wo sind die Schwachstellen? Wo müssen wir nachjustieren? – Das ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht passiert. Wir wollen die Pflege stärken. Deswegen unser Änderungsantrag, für den ich noch einmal werbe.

(Beifall AfD)

Frau Ministerin, möchten Sie erwidern? – Nein; okay. Dann hat jetzt Frau Abgeordnete Fährmann das Wort. Sie haben zu unser aller Freude noch 3 Minuten 32 Sekunden Redezeit.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal betonen, dass sich die CDU-Fraktion, allen voran Roswitha Schier, in diesem Parlament außerordentlich für den Pakt für Pflege eingesetzt hat. Das müssen wir ganz einfach einmal würdigen.

(Beifall CDU und SPD)

Ihnen, Herr Kutsche, muss ich sagen: Sie waren noch nicht im Parlament, und ich war noch nicht im Parlament – wobei ich den Vorteil habe, seit über 20 Jahren im Landespflegeausschuss zu sitzen. Ich habe diesen Prozess begleitet. Wir haben immer wieder daran mitgewirkt, den Pakt für Pflege weiterzuentwickeln.

Ja, es darf keine Doppelstrukturen geben; diese wären, mit Blick auf die dafür aufzuwendenden Mittel, einfach zu teuer. Aber ich möchte auch sagen: Beratung ist, gerade was die Strukturen zwischen Kranken- und Pflegekassen betrifft, wichtig. Die Menschen wissen nicht, was sie alles in Anspruch nehmen können. Deswegen braucht es eine vernünftige Beratungsstruktur.

Des Weiteren möchte ich Ihnen sagen, Frau Dr. Oeynhausen: Der Pakt für Pflege ist nicht nur für die Pflegebedürftigen und die pflegenden Angehörigen da, sondern es muss uns wirklich auch darum gehen, präventiv zu wirken, also Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuzögern. Dazu sind all die Projekte da, die hier angesprochen worden sind – auch die Projekte, die Sie nicht als sinnvoll ansehen.

Ich arbeite seit 43 Jahren in der Pflege und weiß, was Vereinsamung von Menschen bedeutet. Ich weiß auch, dass Menschen diese Unterstützung brauchen. Unterstützung brauchen auch die Menschen, deren Angehörige noch nicht pflegebedürftig sind; auch sie brauchen Beratung, auch sie brauchen Unterstützung, um dann lange pflegen zu können. Ich habe es vorhin gesagt: Wenn wir keine pflegenden Angehörigen haben, wird dieses System kollabieren. – Der Pakt für Pflege ist gut!

Wenn die Koalition jetzt sagt, dass er weitergeführt wird, dann hört sich das sehr gut an. Aber der Termin 30.06.2025 steht nun einmal fest. Wir wissen noch nicht: Wann haben wir einen Haushalt? Wie sollen die Projektträger planen? Nicht, dass wir es da auch erleben, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwenden und Projekte verlassen. Das wollen wir natürlich vermeiden. Deshalb werbe ich noch einmal für unseren Antrag. – Danke schön.

(Beifall CDU)