Protokoll der Sitzung vom 23.01.2025

An der Wahl von Frau Abgeordneter Lena Kotré zum Parlamentarischen Mitglied des Richterwahlausschusses haben sich 58 Abgeordnete beteiligt. Ungültig sind drei Stimmzettel. Jastimmen: 38, Neinstimmen: 18, Stimmenthaltungen: 2. Damit hat Frau Abgeordnete Kotré im dritten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Landtages Brandenburg erhalten und ist zum Parlamentarischen Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt worden.

Frau Abgeordnete Kotré, nehmen Sie die Wahl an?

(Lena Kotré [AfD]: Ja!)

Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall AfD sowie vereinzelt BSW)

An der Wahl von Herrn Abgeordneten Freiherr von Lützow zum stellvertretenden Parlamentarischen Mitglied des Richterwahlausschusses haben sich 58 Abgeordnete beteiligt. Ungültige Stimmzettel: 3. Jastimmen: 39, Neinstimmen: 18, Stimmenthaltungen: 1. Damit hat Herr Abgeordneter Freiherr von Lützow im dritten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Landtages Brandenburg erhalten und ist zum stellvertretenden Parlamentarischen Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt worden.

Herr von Lützow, nehmen Sie die Wahl an? – Wo ist er?

(Lena Kotré [AfD]: Wird nachgereicht!)

Wird nachgereicht. Gut. Wir erfragen es schriftlich.

Dann darf ich jetzt – mit einiger Verspätung – Tagesordnungspunkt 3 beenden. Herr Vizepräsident Genilke wird die Sitzung fortsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es geht weiter. Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf.

TOP 4: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Lehren aus der Coronapandemie zur Analyse und Aufarbeitung staatlicher Maßnahmen sowie zur Stärkung der Krisenresilienz des Landes Brandenburg“

Antrag der SPD-Fraktion und der BSW-Fraktion

Drucksache 8/336

in Verbindung damit:

Wahl einer/eines Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Lehren aus der Coronapandemie zur Analyse und Aufarbeitung staatlicher Maßnahmen sowie zur Stärkung der Krisenresilienz des Landes Brandenburg“

Antrag mit Wahlvorschlag der SPD-Fraktion

Drucksache 8/373

und

Wahl einer/eines stellvertretenden Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Lehren aus der Coronapandemie zur Analyse und Aufarbeitung staatlicher Maßnahmen sowie zur Stärkung der Krisenresilienz des Landes Brandenburg“

Antrag mit Wahlvorschlag der AfD-Fraktion

Drucksache 8/388

Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt Herr Abgeordneter Lüttmann aus der SPD-Fraktion.

(Beifall SPD sowie vereinzelt BSW)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist es fast auf den Tag genau fünf Jahre her, dass der erste Coronafall in Deutschland bestätigt wurde. Damals war wohl kaum jemandem klar, welche Auswirkungen die Krankheit, die zunächst in China aufgetreten war, auf Brandenburg, ganz Deutschland und sogar weltweit haben würde. Doch wir alle haben sie miterlebt: die gesundheitlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen der Pandemie, die Einschränkungen der Freiheitsrechte zugunsten des Gesundheitsschutzes und die gesellschaftlichen Konflikte, die bis in die Familie und den Freundeskreis hineinreichten.

Wir alle waren betroffen, wenn auch in unterschiedlicher Weise – manche durch die Krankheit, andere durch die Maßnahmen. Und für nicht wenige Menschen, so empfinde ich es, gibt es so etwas wie eine Zeit vor und eine Zeit nach Corona. Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger erwarten deshalb zu Recht eine Aufarbeitung der Zeit der Coronapandemie.

Dabei hatte ich bis vor Kurzem die Hoffnung, dass diese notwendige Aufarbeitung auf Bundesebene stattfinden würde. Ideen dafür gab es, von Bürgerräten über Untersuchungsausschüsse bis hin zu Enquetekommissionen; viele verschiedene Vorschläge dafür lagen auf dem Tisch. Leider gab es aber bis zum Ende der Ampelregierung keine Einigung darüber, wie diese Aufarbeitung stattfinden solle. Diesen Umstand bedauere ich sehr.

(Beifall SPD sowie vereinzelt BSW und CDU)

Denn mit einer vollständigen Aufarbeitung aller Aspekte im Zusammenhang mit der Coronapandemie sind die Bundesländer, sind auch wir als Land Brandenburg überfordert. Das ist nicht und kann nicht unsere Aufgabe sein.

Meine Damen und Herren, in weniger als fünf Wochen wählen wir einen neuen Bundestag. Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, alle künftigen Bundestagsabgeordneten aufzurufen: Gehen Sie endlich eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Coronapandemie an!

(Beifall SPD sowie vereinzelt BSW)

Nur im Bundestag kann ein umfassendes Bild entstehen, und nur dort können Empfehlungen für ganz Deutschland ausgearbeitet werden.

Der Blick in die Bundesländer zeigt heute einen parlamentarischen Flickenteppich: Von Untersuchungsausschüssen über Enquetekommissionen bis hin zu Coronasymposien wählten die Länder unterschiedliche Formate, um die Pandemie aufzuarbeiten. Einige Länder sind noch gar nicht aktiv geworden; dazu gehören Bayern, Berlin, Hamburg und Bremen.

Im Land Brandenburg hingegen fangen wir hinsichtlich der parlamentarischen Aufarbeitung nicht bei null an. Auch wenn wir sie nicht wollten: Wir hatten zwei Untersuchungsausschüsse. Diese haben wir abgeschlossen. Die Ergebnisse liegen vor und können für die Arbeit der Enquetekommission genutzt werden.

Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen den gelaufenen Untersuchungsausschüssen und der geplanten Enquetekommission: In dieser geht es eben nicht darum, nachzutreten und der Landesregierung Staatsversagen in der Coronapolitik nachweisen zu wollen; das war nämlich oft der Tenor der Untersuchungsausschüsse.

(Zuruf des Abgeordneten Lars Hünich [AfD])

Nein, mit der beantragten Enquetekommission richten SPD und BSW den Blick nach vorn. Wir wollen ganz explizit auch Bürgerinnen und Bürger einbeziehen und sie zu Wort kommen lassen. Wir wollen Menschen, die sich auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichen Rollen von der Coronapandemie betroffen sahen, ein Gesicht und eine Stimme geben. Wir werden Expertinnen und Experten einladen und uns mit Blick auf die Zukunft beraten lassen. Mit der heute einzusetzenden Enquetekommission machen wir dem Bund also ein weiteres Angebot, die notwendige bundespolitische Aufarbeitung zu flankieren.

Was wollen wir konkret machen? Ganz wichtig ist die Aufstellung des brandenburgischen Gesundheitssystems im Falle einer erneuten Pandemie. Wir wollen die Kapazitäten und Strukturen des Gesundheitswesens in den Blick nehmen. Wir werden uns den Landespandemieplan ansehen und auch ganz konkret prüfen, ob eine Reserve an Schutzmaterialien und Medikamenten angelegt werden sollte und in welcher Form solche Materialien am besten vorgehalten werden können.

Und: Wir sollten uns anschauen, wie die Menschen, die bis heute an Long Covid oder Post-Vac leiden, Behandlung finden können. Denn diese Menschen sind es doch, die die gravierendsten Folgen der Pandemie davongetragen haben.

Ein weiterer Aufgabenbereich betrifft die Verhältnismäßigkeit und die Effektivität von Maßnahmen. Insbesondere Kinder und Jugendliche hatten unter den verhängten Kontakteinschränkungen in der Pandemie zu leiden – mit zum Teil dramatischen Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Wie erfolgte die Abwägung zwischen Schul- und Kitaschließungen auf der einen und dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten auf der anderen Seite? Welche Schlüsse können wir daraus für die Zukunft ziehen?

Wir werden uns ansehen, ob wir die Datenerfassung und die Datennutzung verbessern können. Und wir wollen bewerten, ob der Infektionsschutz und die wissenschaftliche Beratung auf eine breitere fachliche Grundlage gestellt werden können.

Ein weiterer Aufgabenbereich, den ich für zentral halte, ist die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. In einer Krise sind wir als Gesellschaft darauf angewiesen, dass Menschen freiwillig bei der Bewältigung mithelfen, dass sie Eigenverantwortung übernehmen und solidarisch sind. Werden Schutzmaßnahmen nicht als nützlich, sondern lediglich als Zwang wahrgenommen, trägt dies zu einer Spaltung der Gesellschaft bei.

Diese Spaltung sehen wir heute in Teilen der Gesellschaft. Unser Ziel ist es deshalb auch, in der Coronapandemie entstandene Risse so gut wie möglich zu kitten und die Brandenburgerinnen und Brandenburger wieder näher zusammenzubringen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt BSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von SPD und BSW geforderte Enquetekommission ist der Versuch, aus dem Pandemiegeschehen in Brandenburg die richtigen Schlüsse für die

Zukunft zu ziehen. Nicht die politische Abrechnung, sondern die parlamentarische Aufklärung ist dabei unser Ziel. Gleichzeitig begeben wir uns auf den Weg, eine Langzeitstrategie zu entwickeln, auf die im Falle einer neuen Pandemie zurückgegriffen werden kann.

Ob wir die Erwartungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger, der Verbände und der Mitglieder des Landtags an die Enquetekommission erfüllen können, wird sich im Prozess noch zeigen. Denn machen wir uns nichts vor: Die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Coronapandemie haben sich auch in der Politik, auch hier im Landtag, ordentlich festgesetzt. Die Parteien, die in der Coronapandemie schnell und unter hohen Erwartungen der Bevölkerung handeln mussten, werden immer Sorge vor dem Nachweis von Fehlern haben. Und diejenigen, die zu Zeiten der Pandemie in der Opposition oder gar nicht in politischer Verantwortung waren, sind immer in der Versuchung, beim Nachweis von Fehlern zu überziehen.

(Dr. Hans-Christoph Berndt [AfD]: Natürlich!)

Deshalb – ich wiederhole es – hoffe ich sehr, dass es uns gelingt, in der Enquetekommission konstruktiv und produktiv zusammenzuarbeiten, ohne ein Kleinreden von Dingen, die im Nachhinein auch kritisch betrachtet werden können, aber auch ohne geifernde Anklagen, wie es sie teilweise in den Untersuchungsausschüssen gab.

Was die Enquetekommission leisten kann, ist, die Legitimation politischer Entscheidungen durch Transparenz zu verbessern, Vertrauen in Institutionen neu herzustellen und einen Beitrag dazu zu leisten, Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Coronapandemie zu entkräften. Im besten Fall kommen wir mit Betroffenen ins Gespräch und überwinden gesellschaftliche Spaltungstendenzen. Wir als SPD-Fraktion sprechen uns deshalb für die Einsetzung dieser Enquetekommission aus. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in dieser. – Herzlichen Dank.