Ich weise auch zurück, dass wir uns nicht auf problematische Stadtgebiete konzentrierten. Wir gehen von den von uns vernünftigerweise isolierten Stadtgebieten aus und nicht sehr grobflächig vom Sozialstrukturatlas.
Zur Frage 5: Nach dem Kitagesetz haben Eltern auf der Einrichtungsbeziehungsweise Trägerebene ein Mitentscheidungsrecht in allen organisatorischen und pädagogischen Grundentscheidungen der Tageseinrichtung. Damit verfügen die Eltern zu Recht über weitreichende Informations- und Beteiligungsrechte in der Tageseinrichtung, die ihr Kind besucht. Hingegen ist für den Landeselternausschuss der Berliner Kitas auf Landesebene nur ein Informationsrecht durch die Senatsjugendverwaltung vorgesehen. Insofern finden dort entsprechende Gespräche statt. Man kann das nicht als undemokratisch diffamieren.
Zur Frage 6: Meine Verwaltung hat sich in der Vorlage an den Hauptausschuss vom März 2000 mit den Finanzierungsbedingungen der städtischen Einrichtungen auseinandergesetzt. Für diese gibt es nach Einführung des Globalsummensystems keine Richtwerte mehr. Als Beispiel wurden die Differenzen beim Spiel- und Beschäftigungsmaterial und im Bereich der Wirtschaftstätigkeit angeführt. Nur auf diesen Bereich bezieht sich die Schwankung zwischen 1 500 und 3 000 DM – nicht auf die Platzkosten insgesamt. Diese liegen – je nach Alter der Kinder und Betreuungsumfang – zwischen 9 000 und 18 000 DM ohne Zuschläge. Da die Bezirke ihren Haushalt eigenständig bewirtschaften – ich meine, man sollte es auch dabei belassen –, haben wir generell keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Bezirke zur Ausstattung der Kitaplätze – mit Ausnahme der Personalausstattung.
Mir ist bewusst, dass eine solche Verordnung und Veränderungen im Bereich der Kitas – besonders wenn sie so polemisch dargestellt werden – auf Widerstand und Diskussionsbedarf stoßen. Dem Senat wäre es auch am liebsten, wenn wie ein Angebot von null bis zwölf oder 14 Jahre vorhalten könnten.
Wir können jedoch nicht so tun, als lebten wir im Schlaraffenland. Es gibt eben auch hier klare Verantwortungen.
Auf einen weiteren Punkt haben Sie nicht hingewiesen: Berlin leistet sich nach wie vor ein Doppelangebot – ich will das nicht ändern, sondern nur erwähnen –, nämlich einerseits die Kita als Vorschuleinrichtung und andererseits Vorschulklassen. Auch dies ist eine außerordentliche Berliner Leistung, die wir nicht schlecht reden sollten. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir solche vorzüglichen Bildungseinrichtungen haben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Böger! Wir haben nun zehn Monate ohne Wahlen vor uns. Die Zuschauer sind weitgehend weg; die Kameras sind ausgeschaltet; es hört kaum einer zu. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass Sie Ihre Einleitung etwas weniger polemisch formuliert hätten.
Sie haben mich persönlich angesprochen und versucht, einen Widerspruch zwischen bündnisgrüner Finanzpolitik und grüner Jugendpolitik darzustellen. Das ist falsch. Ich weiß, dass Sie Stress mit Ihrem Finanzsenator haben, aber diesen sollten Sie nicht an der Opposition abarbeiten. Ich sage Ihnen für den Bereich der Kitas noch einmal, was ich schon während der Haushaltsberatung gesagt habe, nämlich dass die von uns geförderten freien Träger insgesamt rund zehn Prozent effizienter und günstiger als staatliche Einrichtungen arbeiten. Wenn man unserer Politik folgt, dann wäre es auch hier möglich, zu Einsparungen zu kommen. An diesem Beispiel können Sie erkennen, dass Sparen und Gestalten zusammenhängt. Das ist das Problem, das Sie haben. Sie sind nicht in der Lage, zu gestalten. Deswegen können Sie auch nicht sparen.
Herr Präsident! Herr Müller-Schoenau! Ich antworte gern und greife Ihren Satz auf: Wir sind 10 Monate ohne Wahlen. Ich kann verstehen, dass Sie das wünschen, denn die Wahlen sind ja nicht so glücklich ausgegangen.
Da haben Sie Recht. Ich greife das gern auf. Wenn man diese Zeit gemeinsam nutzen will, erwarte ich auch von einer Opposition, gerade von Ihnen, dass sie sich als Opposition insgesamt als regierungsfähige Alternative darstellt und nicht als eine Ansammlung von Bereichspolitikern. Ich sage Ihnen noch mal: Mein Eindruck ist, dass Sie, wenn ich im Hauptausschuss da sein muss – –
Sie brüllen auch im Hauptausschuss, Herr Kollege Eßer, Sie sollten mal das Brüllen lassen, das hilft in der Regel nicht weiter. – Mein Eindruck ist, dass Sie im Hauptausschuss beständig die fehlende Konsolidierung beklagen und mit dem Rest Ihrer Gruppe ständig weitere finanzielle Forderungen stellen.
In einem Punkt, Herr Müller-Schoenau, will ich Ihnen gern zustimmen, da haben Sie Recht: Die Umwandlung von staatlichen Einrichtungen in die freier Träger ist ein Konzept, das man durchziehen muss, auch wenn es unmittelbar – Sie kennen die Frage des Personals – keinen Ertrag bringt, weil es mittelfristig nach meiner Überzeugung sowohl gesellschaftspolitisch – Subsidiaritätsprinzip – wie auch systematisch ein richtiger Schritt ist. In diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Sie wissen, das löst nicht das Problem, das Ihre Fraktion jetzt sehr polemisch angesprochen hat, [Zurufe von den Grünen]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Böger, Ihre Antwort war eher von Polemik als von dem Wissen um die Situation der Kinder und Familien in dieser Stadt geprägt. interjection: [Beifall bei den Grünen]
Ihre Antwort zeigt auch, dass die SPD und die CDU Kitas immer noch in erster Linie als Betreuungseinrichtungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie begreifen.
Unbestreitbar ist das eine wichtige Aufgabe und eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Frauen und Männer endlich gleichberechtigt an Erwerbstätigkeit und Erziehung teilhaben können. Im Ostteil der Stadt waren die Voraussetzungen übrigens einmal besser, als sie heute sind. Wenn Sie von 10 000 neuen Kitaplätzen sprechen, die im Westteil der Stadt neu aufgebaut wurden, dann sagen Sie bitte dazu, dass im gleichen Zeitraum 30 000 bis 40 000 Plätze im Ostteil abgebaut wurden, nicht mit böser Absicht, sondern weil der Kinderrückgang dort so stark war.
Sie haben auch Recht, Herr Böger, dass wir immer weniger Kinder haben und Familien mit Kindern diese Stadt verlassen, und das ist eine Katastrophe für die Stadt. Aber das hat doch etwas mit Ihrer Politik zu tun.
[Frau Kind (SPD): Daran ist doch nicht Herr Böger schuld! – Bm Böger: Haben Sie mal gesehen, wie das flächendeckend ist? Bei Rot-Grün gibt es mehr Kinder oder was?]
Tageseinrichtungen sind nicht nur als Betreuungseinrichtungen wichtig, sondern werden als familienergänzende Bildungs- und Erziehungseinrichtungen immer wichtiger. Viele Kitas in dieser Stadt haben diese Herausforderung angenommen und nehmen diese Aufgabe bereits in der Praxis wahr, insbesondere für die Kinder, die zu Hause, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder nicht ausreichend gefördert werden können. Für diese Kinder ist die Kita wichtig. Für viele Kinder haben die Kitas die Funktion eines zweiten Zuhauses, und die Erzieherinnen sind oft die einzigen verlässlichen Bezugspersonen und Ansprechpartnerinnen für sie. Sie sind für die Eltern auch Ansprechpartner in Konfliktsituationen.
Die Kitas haben die Konzepte und Qualitätsstandards, die jetzt mit der Beteiligung am Bundesmodellprojekt noch einmal in Berlin entwickelt werden sollen, zum Teil schon längst entwickelt. Sie haben interkulturelle Konzepte und Konzepte zum Spracherwerb erarbeitet, wie Sie das in Ihrer Koalitionsvereinbarung fordern. Um das aber weiterhin machen zu können, brauchen sie die Unterstützung der Politik. Die bekommen sie von CDU und SPD nicht in ausreichendem Maße.
Natürlich hat Qualität, Herr Böger, nicht nur etwas mit der Aufenthaltszeit von Kindern in Kitas zu tun. Sie hat sehr viel mit Fortund Weiterbildung zu tun. Das hatte ich genau wie Sie angesprochen. Sie hat aber auch etwas damit zu tun, ob die Kitas in der Lage sind, Bildungsprozesse und soziales Miteinander und Angebote des miteinander Umgehens gestalten zu können. Das hat durchaus mit der Zeit zu tun die Kinder in den Kitas verbringen. Das ist in vier bis fünf Stunden, die möglicherweise noch versetzt in der Kita verbracht werden, nicht zu machen.
Das Antragsverfahren ist nicht grundsätzlich neu; da haben Sie Recht. Es gibt schon das Anmeldeverfahren. Es ist aber neu, dass aus dem alten Anmeldeverfahren eine Regelung weggefallen ist, die lautete: Wenn Eltern und Jugendamt sich nicht auf die vier bis fünf Stunden einigen können, die Berlin als Halbtagsplatz mal so eben definiert hat, dann soll automatisch sieben Stunden Betreuungszeit gelten, also der Teilzeitplatz. Das haben Sie jetzt hinausgekippt. Herr Böger, Sie haben auch Recht: Das Bundesgesetz schreibt nicht vor, dass alle einen Ganztagsplatz haben sollen. Bis heute streiten sich die Kommentatoren des Kinder- und Jugendhilfegesetzes darüber; es gibt nur die Hinwirkungspflicht auf Ganztagsplätze. Aber muss denn ein Halbtagsplatz aus vier bis fünf Stunden bestehen? In manchen Ländern umfasst der Halbtagsplatz sechs Stunden. Berlin hat es so definiert – wir waren damals dagegen –, aber Sie können jetzt nicht so tun, als wären diese vier bis fünf Stunden bundesgesetzlich vorgeschrieben. Da haben Sie Unrecht.
Die Planung des Angebots ist nichts Neues, die schreibt das Kitagesetz vor. Die Rechtsvorschrift macht nur dabei genauere Ausführungen zum Verfahren. Sie müssen dabei nicht, wie das jetzt gemacht wird, die bisherige Bewilligungspraxis so festschreiben oder gar verschärfen, sondern es reicht das Anmeldeverfahren so zu gestalten, wie wir es sagen: Die Eltern melden ihren Bedarf an, das Jugendamt prüft. Wir haben den Antrag so gestaltet: Wenn es mehr als sieben Stunden sind, gibt es einen besonderen Bedarf. Die Eltern brauchen dann nicht, was sie jetzt tun müssen oder in Zukunft verstärkt tun müssen, bei sich selbst oder in ihrer Familiensituation Defizite offenlegen, um einen besonderen Förderanspruch geltend zu machen. Wir finden, dass der Förderanspruch für diese sieben Stunden von Anfang an gegeben sein sollte.
Herr Böger, Sie haben sehr undifferenziert auf meine Begründung der Großen Anfrage geantwortet. Wir sehen keineswegs automatisch den Zusammenhang zwischen Einkommensarmut, Sozialhilfebezug und schlechter Förderung mit der Folge, dass dann alle Kinder in die Kitas müssten. Das haben wir nie so gesagt. Wenn Sie die Zeitung aufmerksam lesen, wissen Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit gibt und dass lang anhaltende Arbeitslosigkeit dazu führt, dass das Selbstwertgefühl vieler Menschen leidet und sie eher zu psychischen Störungen als jemand neigen, der einen erfolgreichen Beruf hat und Selbstbestätigung erfährt.
Wir haben auch nie gesagt, alle Kinder sollten den ganzen Tag in die Kita gehen. Nein, wir sind sehr wohl der Meinung, dass es Eltern gibt, die die Bedingungen für das Aufwachsen ihrer Kinder so gestalten können, dass ein wesentlich kürzerer Aufenthalt in einer Kita ausreichen würde. Aber waren Sie doch, die große Koalition nämlich, die im Zuge der Angst, dass bei einem Rechtsanspruch nun alle Kinder in die Kita gegeben würden, die Miniclubs und von Eltern selbst organisierte Spielkreise faktisch abgeschafft haben, weil die halbe Erzieherin, die man damals dafür noch zur Verfügung stellte, nun in Ihrem Finanzierungssystem keine Rolle mehr spielt.
Zum sozialstrukturellen Zuschlag und der Förderung besonders benachteiligter Kinder bzw., wie es im Gesetz heißt, von Kindern, die aus wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen und Wohnverhältnissen mit sozial benachteiligenden Bedingungen kommen: Herr Böger, Sie wissen genau, dass das Quartiersmanagement aus der Diskussion über die sogenannten sozialen Brennpunkte entstanden ist und für ein bestimmtes Programm der Bau- und Stadtentwicklungsverwaltung 15 Gebiete mit einem besonders hohen Entwicklungsbedarf ausgewählt wurden, und zwar begrenzt durch eine begrenzte Menge Geld für dieses Programm. Das kann unseres Erachtens nicht die Grundlage dafür sein, was das Kitagesetz vorsieht und wofür Kinderund Jugendhilfe verantwortlich ist, nämlich möglichen Entwicklungsbeeinträchtigungen durch das Lebensfeld der Kinder frühzeitig zu begegnen. Da müssen Sie schon noch andere Kriterien mit dazu nehmen. Mehr fordern wir nicht, aber das eben fordern wir. [Beifall bei den Grünen]
Zu unserem Antrag zur Finanzierung: Seit Jahren berichten Sie über die vorgenommenen Übertragungen im Ostteil der Stadt. Und seit Jahren steht in den Berichten, sie stocken. Und warum stocken sie? – Weil nicht geklärt ist, wie viel Geld die Bezirke ans Landesjugendamt übergeben sollen, damit das Landesjugendamt die freien Träger finanziert. Es gibt den Streit darum, was denn eigentlich aus den Globalhaushalten, so unübersichtlich wie sie sind – das haben Sie dargestellt –, herausgenommen und ans Landesjugendamt gegeben werden kann. Wenn man die Zahlen in Ihrem Bericht, den Sie erwähnt haben, ansieht – wenn in einem Bezirk 1 500 DM für einen Kitaplatz ausgegeben werden und im anderen 3 000 DM – wir wissen alle, dass die Berechnungen noch fehlerhaft sind und einige Kosten nicht richtig zugeordnet wurden, aber ungefähr stimmen die Zahlen – dann ist da doch etwas nicht in Ordnung. Ein durchschnittlicher Platz bei den kommunalen Trägern – das hat Burkhard Müller-Schoenau schon erwähnt – kostet nach dieser
Rechnung 1 965 DM. Das Maximum, was an Kosten für die freien Träger – der Ganztagsplatz für die Krippenkinder mit dem höchsten Personalschlüssel – festgesetzt wird, sind 1 532 DM. Da hat Burkhard Müller-Schoenau wirklich Recht, dass hier eine Möglichkeit ist, Geld zu sparen ohne die pädagogische Versorgung in der Stadt zu verschlechtern. Deswegen müssen Sie über den Antrag, den wir dazu eingebracht haben, einfach noch einmal nachdenken. Er bietet einen Ausweg aus dem Dilemma. Sie können mehr Kitas übertragen, es würden in der Verwaltung mehr Kosten abgebaut, und die pädagogische Qualität in den Kitas würde sich nicht verschlechtern.
Herr Böger, Sie sind Schul- und Jugendsenator in diesem Land, und es ist unseres Erachtens die jugendpolitische Herausforderung in der Großstadt Berlin, die Kitas als ersten Baustein für Bildung, als ein Entwicklungsangebot für soziales und kognitives Lernen für Kinder zu begreifen und das Angebot, das wir haben, zu erhalten, möglicherweise zu erweitern.
Nutzen Sie das Interesse der Eltern und unsere Vorschläge, um bessere Rahmenbedingungen für Bildung, Erziehung und Förderung der Kinder bereits in der Kita zu schaffen. Reden Sie nicht nur davon, eine kinder- und jugendfreundliche Stadt Berlin schaffen zu wollen, tun Sie es auch!