Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Regelung: "Ende gut, alles gut!", wir sagen vielmehr, dass dies erst der Anfang sein muss. Aber es ist ein richtiger Anfang, ein Anfang auch darin, auch diese Lücke der bis unterbliebenen Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter endlich zu schließen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank. Herr Wieland!- Für die Fraktion der SPD hat nun Frau Abgeordnete Dunger-Löper das Wort.

Frau Dunger·Löper SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist auch heute wieder deutlich geworden - wie schon bei der Abstimmung über den zugrundeliegenden Antrag -,dass wir uns darüber einig sind, dass die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist und auch eine Aufgabe der gesamten Wirtschaft in diesem Land.

Vor diesem Hintergrund haben wir einen dreiteiligen Be

schluss gefasst. Als Erstes haben wir die Einigung über den Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter noch einmal begrüßt und damit manifestiert, dass wir hinter diesem Ergebnis stehen. Wir haben als Zweites den Senat beauftragt, aktiv zu werden in der Form, dass die in Berlin ansässigen Unternehmen aufgefordert werden sollten, ihrer moralischen Pflicht zur Beteiligung am Entschädigungsfonds nachzukommen.

Als Drittes haben wir den Senat aufgefordert, die Archive zu aktivieren, die Auskünfte über Zwangsarbeiter in Berlin geben könnten. Dieser Punkt - ich meine, das wird aus der Vorlage deutlich - ist auch tatsächlich vom Senat erledigt worden. Das Landesarchiv ist hier aktiv und leistet diese Arbeit auch mit zusätzlichen Kräften, um denjenigen Auskunft zu erteilen, die im hohen Alter jetzt noch einmal versuchen, wenigstens in Teilen für ihre damalige Tätigkeit entschädigt zu werden. Wir sind uns alle darüber einig, dass es nur eine symbolische Entschädigung sein kann und keine materielle.

Zum zweiten Punkt muss ich allerdings kritisch anmerken, dass er nicht in ausreichendem Maße durch den Senat erledigt worden ist. Wir haben hier eine Auflistung darüber, wie schwierig es ist. die Firmen, die damals Zwangsarbeiter in Berlin beschäftigt haben, heute noch dingfest zu machen. Wir sind uns dieses Problems bewusst. Aber auch der DIHT und die IHK haben bereits deutlich gemacht. dass es nicht nur um diese Firmen geht, sondern um alle Unternehmen, wenn die Stiftungsinitiative zu einem Erfolg geführt werden soll. Wir haben zur Kenntnis bekommen, dass in Berlin 7 500 Firmen anzusprechen sind, und müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass sich inzwischen gerade einmal 1 00 Firmen beteiligt haben. Ich halte das für ein blamables Ergebnis, das die Notwendigkeit verdeutlicht, dass der Senat verstärkt vorgehen muss und die Unternehmen noch einmal auffordert, hier aktiv zu werden, und sich nicht hinter dem versteckt, was von der IHK unternommen worden ist.

[Beifall bei der SPD, der POS und den Grünen]

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, warum das Ganze so wichtig ist. Es handelt sich nicht nur darum, das Geld zusammenzubringen, sondern es geht auch um den Umgang mit unserer Vergangenheit. Ich zitiere an dieser Stelle ein ehemaliges Mitglied des Berliner Senats und früheres Mitglied des Deutschen Bundestags. nämlich Heinrich Lummer. Er hat sich kürzlich auch noch einmal zu der Initiative für eine Entschädigung der Zwangsarbeiter geäußert und ausgeführt:

Da setzten

- er wollte damit den Zeitpunkt charakterisieren, zu dem Forderungen laut worden

diverse Kampagnen ein mit dem Ziel, Schuld und Sühne in Dollar auszudrücken.

Er fährt dann fort:

Der andere Grund für den späten Zeitpunkt der Forderungen ist der Versuch. auch auf diese Weise eine andauernde Schulddiskussion zu bewirken, um daraus Kapital zu schlagen.

Er meint dann noch:

Das Spiel muss ein Ende finden.

Ich hoffe, es ist Ihnen klar, dass dies eine massive Desavouie

rung der Initiative ist. Wir gehen wohl alle davon aus, dass wir so nicht damit umgehen können.

[Beifall bei der SPD. der POS und den Grünen]

Frau Dunger-Löper

(A) Wenn wir aber erleben, dass ein ehemaliger Senator und frühe

res Bundestagsmitglied auch heute sich nicht scheut, in dieser Form öffentlich Stellung zu nehmen, dann wird deutlich, dass wir an dieser Stelle sehr viel aktiver. als es der Senat bisher getan hat, eingreifen und deutlich Position beziehen müssen. Die Kir

chen sind dabei ein Vorbild. Der Aufruf von Günter Grass ist hier schon angesprochen worden. Auch diesem Hause und dem Senat steht es gut an, hier noch einmal zu bekräftigen, wofür wir stehen und wofür wir nicht stehen. - Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der POS und den Grünen]

Vielen Dank, Frau Dunger·Löper! - Weitere Wortmeldungen liegen uns nicht vor.

Diese Mitteilung- zur Kenntnisnahme- ist damit besprochen und zur Kenntnis genommen worden.

Die lfd. Nrn. 25 bis 28 sind bereits durch die Konsensliste erle

digt.

Wir sind damit bei der

lfd. Nr. 29, Drucksache 14/522:

Antrag der Fraktion der PDS über sozial verträgliche Einbürgerungsgebühren für Kinder, die nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) einge· bürgert werden können

Nach unserer Geschäftsordnung ist hierfür eine Beratung mit einer Redezeit von bis zu 5 Minuten vorgesehen. - Es beginnt die Fraktion der POS. Der Angeordnete Sayan hat das Wort.

Sayan POS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit

dem 1. Januar 2000 ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten. Ziel der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts war es. Erleichterungen der Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten zu erreichen. Sie sollte ein Schritt hin zu demokrati· sehen Gleichstellungen der vielen Menschen sein. die in dem letzten Jahrzehnt zu uns kamen und hier bleiben wollten und wollen.

Mit dieser Reform waren die Hoffnungen einer Vielzahl von Menschen auf eine erleichterte Einbürgerung verbunden, die erst durch die unterschiedlichen Kampagnen der Union gegen diese Reform getrübt wurden. Inzwischen sind die Diskussion und die Politik weitergegangen. Ich denke da vor allem an die Diskussion über Greencard und ein Einwanderungsgesetz. Ziel

aller dieser Diskussionen muss es sein, dieses Land weltoffener. toleranter und humaner zu gestalten.

[Beifall bei der POS und den Grünen]

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht gibt andererseits nach wie vor Anlass zu Diskussionen. Leider sind die mit der Reform verknüpften Hoffnungen nicht erfüllt worden. Die Zahl der Ein

bürgerungsanträge liegt weit hinter den Erwartungen zurück, was zunehmend Kritik und Forderungen nach der Korrektur bei migrantenpolitischen Organisationen hervorruft. Unser Antrag soll einen dahin gehenden Beitrag leisten, und zwar betrifft er Verbesserungen für Kinder unter zehn Jahren. die ihre Einbürge

rungen bis zum 31. Dezember 2000 beantragen können. Für diese Übergangsregelung kommen in Berlin etwa 33 000 Kinder in Frage. Allerdings haben bis Juni lediglich 408 Kinder davon Gebrauch gemacht. Das sind gerade 1,2 %. Wenn dieser Trend bis Ende des Jahres anhält. werden nur 5% der antragsberechtigten Kinder eingebürgert sein. Woran liegt das?- Sicher nicht daran, dass die restlichen 95 % kein Interesse an einer Einbürgerung haben. Nach Meinung der Ausländerbeauftragten, Frau John, liegt die Ursache für die niedrige Zahl der Antragstellungen insbesondere in der seit dem 1. Januar zu zahlenden Einbürgerungsgebühr von 500 DM. Diese Meinung teilen wir. Eine wei

tere Ursache ist die Optionspflicht für diese Kinder. Darauf will

ich aber heute nicht eingehen.

Nicht nachvollziehbar ist für uns. dass nach dem neuen Gesetz einbürgerungsberechtigte Kinder mit zweierlei Maß gemessen werden. Warum wird für ein Kind, das miteingebür

gert wird, eine Gebühr von 1 00 DM erhoben, während für Kin(C) der. die ohne Eitern eingebürgert werden, 500 DM verlangt werden? Was soll diese Ungleichberechtigung? - Das eingeführte Argument eines geringeren Arbeitsaufwands stimmt nicht, denn die Einbürgerungsbehörde braucht bei der Einbürgerung von Kindern, die ohne Eitern eingebürgert werden, nur die jeweilige Ausländerakte heranzuziehen. Umfangreiche Anfragen entfallen. Nach einem Gutachten des Türkischen Bundes Berlin·Brandenburg beträgt der Aufwand hierbei ganze drei Minuten. Für drei Minuten Arbeitsaufwand 500 DM Gebühr ich frage Sie:

Welche andere Behörde verlangt so hohe Gebühren für so wenig Arbeit?- Diese Gebühr soll auf 100 DM gesenkt werden. Andere Städte wie Köln und Stuttgart haben die Gebühr auf 1 00 DM reduziert, und mit Erfolg!

[Beifall bei der POS und des Abg. Berger Grüne) 1 - Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zu folgen. [Beifall bei der POS und des Abg. Berger {Grüne) 1 Vizepräsident Dr. Luther: Vielen Dank, Herr Sayan! -Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Zimmer das Wort. Zimmer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sayan! Der vorliegende Antrag der POS ist - wenn Sie mich das einmal so formulieren lassen -der untaugliche Versuch einer politischen Initiative aus zweiter Hand. Ich will Ihnen das auch gerne erklären. Der Versuch deshalb, weil Ende Februar der Abgeordnete Berger von Bündnis 90/Die Grünen - ich nehme an, er wird auch zu dem Antrag sprechen - eine Kleine Anfrage mit der Nr. 281 gestellt hat-., Einbürgerungsgebühren sozialverträglich regeln'' -, die der Senat am 24. März auch beantwortet hat. [Berger {Grüne): Aber schlecht!]

Nun wird die POS die Anfrage gelesen und sich gesagt haben: Gute Idee, daraus machen wir einen Antrag, Recycling schont Ressourcen!

[Zurufe der Abgn. Doering (PDS) und Over (PDS)]

Das Problem ist nur, Sie haben offensichtlich leider nicht die Antwort gelesen, sind also auf halber Strecke stecken geblieben. Das nennt man Versuchsstadium, aber leider- wie gesagt- darin stecken geblieben.

[Doering POS): Da machen Sie lieber gar nichts!]