Das sagte unser ehemaliger Kollege Rudolf Kujath in der „Neuen Züricher Zeitung“ vom 21. Januar dieses Jahres.
Er ist bekanntlich Geschäftsführer WoGeHe und betrachtet jeden Gesprächspartner als potentiellen Mieter.
„Sie wollen kein Kinderzimmer, dafür einen großen Wohnraum, vielleicht mit amerikanischer Küche? Kein Problem. Die sowjetische Bauweise“ – wie er es vornehm nennt – „erlaubt das Versetzen von fast allen Wänden.“
Mietermarkt bringt Mietermacht. Leerstand hat bekanntlich auch gute Seiten. Und, keine Angst beim Senat: freiwillig würde ich eine Platte niemals besetzen. Leerstand bringt Innovationszwang bei den Vermietern. Wohnungsgrundrisse werden kreativ mit großem Qualitätsgewinn verändert, Mietsteigerungsautomatismen werden außer Kraft gesetzt. Zusätzlicher Wohnraum, auch das passiert schon heute, wird kostengünstig und sogar kostenfrei überlassen. Es entstehen neue Nutzungsangebote in früheren Wohnungen: Gästewohnungen, Gemeinschaftsräume, Jugendtreffs.
„Sehen Sie hier irgendwo Abfall herumliegen?“ fragt er mich später beim Spaziergang durch sein Reich. – „Solche Spielplätze können Sie im Prenzlauer Berg lange suchen.“ – Ordnung und Sauberkeit, das habe für seine Mieter oberste Priorität.
„Wenn ein Kinderwagen schief im Treppenhaus steht, kriegen wir Beschwerden.“ – Auf den Ausdruck gemischter Gefühle in meinem Gesicht hat er nur gewartet: „Hier wohnen Spießer, richtige Spießer“, freut er sich, als wäre er gern selber einer und offenbart sich doch damit als überheblicher Wessi mit dem Hang zum Übervater.
Ich zitiere weiter – oder lasse das an dieser Stelle, denn das wird dann doch etwas lang. Nicht nur die Gardinen in den Vollkomfortwohnungen sind gerafft, auch die Spielplätze sind gemacht. Die meisten Häuser mit ihren Arbeiterschließfächern sind saniert, und die Bewohnerinnen fühlen sich dort wohl. Das Wohnumfeld wurde mit originellen Ideen aufgewertet. Aber die soziale Infrastruktur, einst ein Pfund der östlichen Neubaugebiete, bietet ein trauriges Bild: Unsanierte, leerstehende, dem Verfall ausgesetzte Kitas – das sagt auch der Senator bereits – prägen inzwischen viele Wohnkomplexe. Die Bestrebungen der Bezirke, das Problem mit einem innovativen Facility Management – der Innensenator möge es entschuldigen –, um das sich vor allen Dingen
PDS-Bürgermeister Klett bemüht, scheitern gegenwärtig noch an den strengen Regeln der Landeshaushaltsordnung und an kostenintensiven baulichen Regelungen für Umnutzungen. Hier muss der Senat schnell Abhilfe schaffen, damit der drohende Niedergang der Gebiete abgewendet werden kann. Strukturen der Gemeinwesenarbeit bröckeln, weil eine Regelfinanzierung aus bezirklichen Mitteln quasi unmöglich ist.
In den Großsiedlungen West dagegen hätte man das Problem mit den zu vielen Kitas gerne. Hier regiert eher der generelle Mangel an sozialer Infrastruktur. Sozial problematische Entwicklungen, wie sie jetzt im Osten befürchtet werden bzw. punktuell schon eingesetzt haben, sind für die Großsiedlungen im Westen schon durch die Planung programmiert gewesen und seit langem zu beobachten. Und an dieser Stelle brauche ich keine Einladung von Herrn Niedergesäß, sondern da muss man einfach einmal sehen: Im Osten war es eine begehrte Vollkomfortwohnung, im Westen wurden Sozialghettos gebaut.
Die Heerstraße Nord ist eine typische Berliner Großsiedlung: Achtgeschosser, Elfgeschosser, Häuser mit 18 Stockwerken. Westplatte aus den 60er Jahren, grauer Beton mit grellbunten Ecken. Die Hauseingänge sind nummeriert, damit sich niemand verirrt. Es gibt zwei Kirchen, ein Einkaufszentrum, betreutes Wohnen für Senioren 20 000 Menschen leben hier.
Auffällig ist die Zahl der Ärzte, die sich mit psychischen Erkrankungen und Verhaltenstherapie beschäftigen. Auffällig ist auch das Waffenarsenal, das im Lottoladen verkauft wird: ausfahrbare Schlagstöcke, Schreckschusspistolen, Elektroschocker. Die Kundschaft wohne im Viertel, sagt ein Angestellter. „Waffen zur Selbstverteidigung gehen gut.“
Auch hier zeigt sich ein gravierender Unterschied zwischen der Platte West und der Platte Ost, denn mit diesen Problemen hat man im Osten noch nicht in dieser Form zu kämpfen. Aber öffentliche Räume sind immer dann am sichersten, wenn sie belebt sind. Daran besteht auf beiden Seiten ein großer Mangel. Diese öffentlichen Räume sind weder in der Platte West noch in der Platte Ost entsprechend belebt.
Ich möchte Ihnen von ein letztes Zitat vortragen aus dem „Tagesspiegel“ vom 22. November des letzten Jahres:
Beim Märkischen Viertel mitzumachen, fand Chen-Kuen Lee – chinesischer Architekt und langjähriger Mitarbeiter von Hans Scharoun – „eine besondere Ehre“. Schließlich sollten hier Le Corbusiers Ideen vom Neuen Bauen umgesetzt werden. Eine Utopie wollten sie verwirklichen: moderne, billige Wohnungen für sozial Schwache. Bloß waren die Ideen überholt, als das Märkische Viertel noch gar nicht fertig war. Die Siedlung für 40 000 Einwohner galt auf einmal als der Albtraum urbanen Lebens. Vor den Rohbauten skandierten Demonstranten: „Stoppt die Silos für die Massen.“ - „Nicht wahr!“, sagt Lee ungläubig. Aber Manfred Grabowsky hat die Beweisfotos in einem Album. Grabowsky ist seit dreißig Jahren Hausmeister der Sozialblöcke. Er ist Lokalpatriot, was manchmal nicht besonders leicht ist. „Wohin? Ins Steintal?“, pöbeln die Taxifahrer, wenn er die Adresse nennt. „Kannste überhaupt die Rechnung zahlen?“ Und als er einmal im Harz war, sah er prompt das Foto seines Hauses in einem Immobilien-Büro – zur Abschreckung. „Wollen Sie hier wohnen?“, lautete die Aufschrift. Der Makler pries Einfamilienhäuser an. „Dabei sind wir die erste Adresse im Viertel“, sagt er. Grabowsky lobt die Schneisen, die Lee zwischen den Blöcken freigelassen hat. „Trotz Kraftwerk haben wir hier ’ne Luft wie auf Sylt.“ So schön ist das alles, dass sein erwachsener Sohn im elften Stock wohnt und die Tochter mit ihrer Familie im zehnten.
Die allmähliche Zuspitzung sozialer Problemlagen bei gleichzeitig abnehmendem öffentlichem Interesse und Sprachlosigkeit gegenüber Problemen im Westen, Trostpflaster wie QM in einigen Gebieten, das sind die Schwierigkeiten, mit denen vor allem die Westplatte zu kämpfen hat.
Die bisher einzigen Steuerungsinstrumente des Senats, die Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe, Reduzierung von Belegungsbindungen und Quartiersmanagement helfen nur in geringem Maße.
Dauerhaft existierende strukturelle Probleme sind nicht dadurch weniger problematisch, dass es sie schon lange gibt, zum Beispiel die mangelnde öffentliche Verkehrsanbindung. Auch wenn die Gropiusstadt über einen U-Bahnanschluss verfügt, sind die Fehler bei der Entwicklung einer leistungsfähigen ÖPNV-Struktur bis heute nicht behoben. Die verkehrlichen Lösungen des DDR-Städtebaus waren durchdachter. Von Anfang an wurde so geplant, dass Durchgangsverkehre gar nicht erst entstehen und eine schnelle ÖPNV-Anbindung wurde vor den ersten Häusern fertiggestellt.
Mein letzter Satz: In der gegenwärtigen Situation von Abriss, Zuzugssperre und Quotenregelung für Ausländerinnen und Ausländer etc. werden die Zusammenhänge von der Koalition bewusst verkehrt.
In zynischer Weise werden Bewohnerinnen, Bewohner und Gebäude für gesellschaftliche Missstände haftbar gemacht. Fremdenfeindlichkeit wird bewusst geschürt.
Die Stigmatisierung der Ausgrenzungspolitik von CDU-Fraktionschef Landowsky trifft sich in erschreckender Weise mit den Stadtumbauphantasien von Herrn Stimmann. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bewundere gerade den Kollegen, wie er es doch schafft, 2 Seiten hier als 2 Schlusssätze zu verkaufen und diese dann so schnell vorzulesen, dass ihn niemand mehr versteht. Aber ich habe ihn sowieso inhaltlich kaum verstanden. Eigentlich habe ich nämlich eine Antwort auf die vielen Fakten erwartet, die der Kollege Strieder hier genannt hat. Aber es war lediglich eine Mischung einer Beschimpfung Rudi Kujaths, einer Presseschau der „Neue Züricher Zeitung“ und einer Kritik am Märkischen Viertel zu hören.
Ich kann als Reinickendorfer Abgeordneter sagen, dass ich das Märkische Viertel sehr gut kenne. Der größte Mangel, den wir bis heute haben, Herr Senator Strieder, ist, dass der U-Bahnanschluss am Wilhelmsruher Damm endet.
Wenn wir diese Strecke noch um eine Station verlängern könnten, dann wäre für dieses Viertel viel getan.
Man muss auch feststellen, dass wir über viele Jahre einiges getan haben, um den Mittelstand aus diesem Bereich zu treiben, um diese Leute zum Auszug zu bewegen. Schließlich wurden im Umland 100 000 Wohnungen geschaffen, vor allem Einfamilienhäuser, wo junge Familien nach draußen gezogen sind. Wer im Märkischen Viertel Fehlbelegungsabgabe und Ausgleichsabgabe zusätzlich zur Miete zahlte, der hat sich natürlich überlegt, ob es nicht sinnvoller ist, das zu machen, was in vielen westdeutschen Gemeinden über Jahrzehnte passiert ist, nämlich ins „Grüne“, ins Stadtumland zu ziehen. Das sind die vielen Menschen, die der Stadt verloren gegangen sind. Das führte dann dazu, dass das Familieneinkommen mit Sicherheit niedriger geworden ist, weil die Nachziehenden einkommensschwächer waren. Das ist eben der Nachteil der Belegungsbindung, Herr Over, dass die Struktur nicht mehr ausgewogen ist, dass der Mittelstand fehlt, aber eine Vielzahl von Sozialhilfeempfängern nachzieht. Das ist für ein solches Viertel sicherlich nicht förderlich.
Nein, Herr Over, das ist nicht das Problem einer hohen Grundmiete, denn wir haben jetzt dort, wo die Fehlbelegungsabgabe und auch die Ausgleichszahlung abgeschafft worden sind, eine Entwicklung, dass wieder der Mittelstand in die zum Teil sehr schönen Wohnungen zieht, die sehr gut geschnitten sind. Im letzten Jahr ist es im Märkischen Viertel erreicht worden, dass das Familieneinkommen ungefähr um 1 000 DM pro Familie wieder gestiegen ist. Das ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ich habe mich neulich mit Kennern des Märkischen Viertels unterhalten, die dort auch für die Wohnungsbaugesellschaften die entsprechende Verantwortung tragen. Sie sagen, momentan keine Probleme mit Leerstand zu haben, sie hätten eine Fluktuation von 10 %. Davon sei ein Drittel Todesfälle oder Altersheim – was natürlich von einer Wohnungsbaugesellschaft nicht zu beeinflussen ist –, ein Drittel ziehe innerhalb des Bestandes um, weil die Wohnung zu groß oder zu klein sei – das ist eine positive Zahl, die sich mit dem Wohnbereich identifiziert –, und lediglich ein Drittel ziehe völlig aus dem Viertel weg und müsse durch andere Wohnungsnehmer substituiert werden.
Der positive Aspekt dieser Entwicklung ist hier völlig unter den Tisch gefallen, nämlich dass wir in Berlin keine Wohnungsnot mehr haben. Es ist also nicht mehr wie früher bei der Platte – meine Cousins haben mir das berichtet –, dass man 8 Jahre warten musste und dann froh war eine „Komfortwohnung“ zu bekommen. Eigentlich wollte man gar nicht in die Platte, aber auch nicht in den Altbau, der nicht saniert war, so dass nichts anderes übrig blieb, als in diese Plattenbausiedlungen zu ziehen. Das waren auch die einzigen Wohnungen, wo man ein richtiges Bad und eine vernünftige Zentralheizung hatte und wo man auch nicht durch den Fußboden durchgebrochen ist.
Die Angleichung der Familieneinkommen in Ost und West hat natürlich viel dazu beigetragen, dass es zu einer adäquaten Verteilung und der Möglichkeit von Eigentumsbildung gekommen ist. Heute besteht in Marzahn und Reinickendorf durchschnittlich das gleiche Familieneinkommen von 3 100 DM, Hellersdorf und Steglitz haben beide 3 200 DM. Das weist auf eine tatsächliche Angleichung der sozialen Verhältnisse hin. Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass nach der Anschaffung eines Autos, nach Reisen und nach dem Kauf neuer Kleidung sich langsam die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass nicht die Anschaffung des 4. Videorecorders angesagt ist, sondern dass das Geld, das in Miete und Wohnen angelegt wird, entsprechend der Lebensqualität investiert werden sollte. Wohin ziehen die Menschen, die Plattensiedlungen verlassen, in erster Linie? Ich habe mir darüber Zahlen aus dem Berliner Norden besorgt: 20 % ziehen in ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung. Das ist genau der positive Aspekt, den ich gerade beschrieben haben. Die Leute haben das Geld und den Willen, sich etwas Eigenes zu schaffen und zu leisten. 12 % geben familiäre Gründe an, warum sie dann ausziehen. Da kann man als Senator wenig dagegen tun, es sei denn, man intensiviert die Ehe- und Familienberatungen, weil es zumeist um Scheidungen geht. Aber das