wird wohl niemand im Ernst vorschlagen wollen. Dann haben wir 12 % der Wegziehenden, die ein anderes Beschäftigungsverhältnis angeben, also einen Wechsel zu einem besseren Job. Auch dabei habe ich viel Verständnis dafür, dass man näher an seiner Arbeitsstätte wohnen möchte.
12 % geben als Grund an, dass ihnen die Wohnung zu klein sei. An dieser Stelle kann die Wohnungsgesellschaft einwirken. Deshalb sollten Sie den Kollegen Kujath nicht nur mit einigen flapsigen Bemerkungen zitieren, sondern auch auf sein Programm hinweisen, das es den Leuten mit variablen Grundrissen ermöglicht, innerhalb der Wohnanlage zu bleiben. Es gibt auch noch andere Modelle, die zum Beispiel davon ausgehen, nicht jede Wohnung voll zu sanieren, sondern auch auf den Bedarf zu achten, wenn zwei Dreiraumwohnungen zusammengelegt werden. Dann habe ich 140 bis 150 qm zu einem Preis von 1200 DM warm. Da gibt es sehr viele junge Familien, auch Lehrer oder Beamte, die sagen: Ich möchte eine Bibliothek haben, ich möchte ein Musikzimmer haben, ich möchte sechs Zimmer haben oder mache aus den sechs nur vier, aber habe einen hervorragenden großen Wohnraum. Was spricht denn dagegen? Ich habe 6,5 % die sagen, die schlechte Ausstattung ist ein Grund, wegzuziehen. 5 % nennen dann noch bauliche Mängel und 5 % ein besseres Image. Das sind die Zahlen, wo man ansetzen kann, aber ich glaube, dass diese Zahlen noch verhältnismäßig gering sind.
Herr Strieder, Sie haben vorhin gesagt: Sicherheit ist für die Leute insbesondere in den Ost-Plattenbausiedlungen kein Thema. Das mag sicher objektiv richtig sein, trotzdem sieht es subjektiv ein bisschen anders aus. Auch dort einige Mieterbefragungen: Ungefähr 18 % der Leute geben an, dass sie nachts Angst haben oder sich nicht sicher fühlen würden. 32 % fühlen sich sehr unsicher. Da gibt es also 50 % die sagen, da sollte man etwas tun, da sollte man zu einer Verbesserung kommen. Das sind die Zahlen für Ostberliner Plattenbaugebiete. Es ist also nicht so, dass das im Westen sehr viel schlechter ist und deshalb dort aufgerüstet wird, wie Sie sagen. Es ist eben ein Phänomen, das allgemein ist.
Wenn man sich jetzt anschaut, wie zufrieden oder nicht zufrieden Mieter mit Plattenbauten sind, sagen 53 % der Leute, sie sind mit ihrer Wohnung zufrieden. 40 % sagen teils, teils, und 8 % sind unzufrieden, wobei sich diese Werte merkwürdigerweise nicht darin substantiell unterscheiden, ob der Wohnraum saniert oder unsaniert ist. Auch bei den 20 % darin vollsanierten Wohnungen haben die Leute auf eine Frage: Wollen Sie innerhalb von zwei Jahren eine neue Wohnung suchen? mit Ja geantwortet und bei 25 % der teilsanierten. D. h., dass die Auszugsbereitschaft nicht so sehr von dem Ausstattungsgrad abhängt, wenn Preis und Preis-Leistungsverhältnis stimmen.
Wir müssen uns anschauen, wer wegzieht oder wegziehen will. Dann stellt man fest, dass es vor allem junge Leute sind: 38 % sind die 18- bis 39-Jährigen, von den 40- bis 59-Jährigen sind es nur noch 23 %, die weg wollen. D. h., je jünger die Leute sind, desto größer ist die Fluktuationsrate, und auch hier sagen 47 %, sie möchten deshalb weg, weil ihnen die Wohnung zu klein ist. Deshalb noch einmal mein Appell an die Wohnungsbaugesellschaft nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, große preiswerte Wohnungen zu schaffen. Ich weiss, dort, wo es zu diesen Zusammenlegungen gekommen ist, ist heute bereits die Nachfrage um ein Drittel höher als das Angebot. Insofern sollte man sich auch überlegen, ob man überall eine Vollsanierung durchführen muss oder ob es in Teilbereichen die Möglichkeiten der Teilsanierung gibt, da dann die Wohnungen entsprechend billiger sind.
Wir haben dann das Thema Marzahn, diese Wohnungsbaugesellschaft haben Sie sich auch angeschaut. Da muss man es sicher sehr selektiv und differenziert betrachten. Wenn Sie sich den Leerstand in Marzahn anschauen, dann haben wir in den Gebieten mit fünf bis sieben Geschossen einen völlig normalen Leerstand. Wir haben auf der anderen Seite erhebliche Schwierigkeiten, in den Hochhäusern mit 18 bis 25 geschossen zu vermieten. Das ist in der Tat ein Problem, und das hängt nicht nur
vom Sanierungszustand ab. Hier müsste bei der Sanierung relativ viel Geld aufgewandt werden wegen Brüstungen und ähnlichem. Zudem habe ich wegen statischer Probleme nicht die Möglichkeit, an die Grundrisse heranzugehen. Das ist in der Tat sehr schwierig.
Wir haben hier mit dem Modell des Concierge-Hauses einige Dinge getan, wo ich der Meinung bin, dass die innovativ sind, das es gute Ideen sind. Hier muss man an den Senat appellieren, nach Möglichkeiten zu suchen, das im Wege von Modellvorhaben zu fördern.
Was allerdings in Marzahn auch ein Negativ-Punkt ist, wenn Sie sich mit Mietern und Mietervertretern unterhalten, ist das Thema der Einkaufsmöglichkeiten. Marzahn ist der einzige Ostberliner Plattenbezirk, der kein Zentrum hat, der keine große Einkaufsmöglichkeit hat. Insofern kann ich dazu nur sagen, dass das Bezirksamt, das dort bislang regiert hat, einige Dinge verschlafen hat und in der alten Kaufhallenromantik verhaftet gewesen ist. Wir sollten da vielleicht nachbessern und sehen, dass wir dort zu einem vernünftigen urbanem Zentrum und einem Einkaufszentrum kommen.
Jawohl! – Wir sollten daher sehen, wie wir die Attraktivität steigern können. Herr Strieder, ich habe nur einen Appell: Sehen Sie zu, dass wir die Fehlbelegungsabgabe ganz weg bekommen. Es kann nicht sein, dass die Wohnungsbaugesellschaften dafür bestraft werden, dass sie in die Erdgeschosse Gewerbe nehmen. Ich kann Ihnen den Fall einer Wohnungsbaugesellschaft sagen, die Servicecenter für ihre Hauswarte in leer stehende Wohnungen haben wollte, die sich einen Bußgeldbescheid eingehandelt haben. Was machen sie? Sie stellen einen Container davor. Das sieht weder schön aus, noch dient es den Wohnungen. Ich hatte auch das Problem Schuldnerberatung: Die Schuldnerberatung sollte mit in die Wohnung hinein. Das wurde unter Hinweis auf Zweckentfremdung verhindert. Ich finde, dass dies ein Anachronismus in einer Zeit ist, in der wir einen Leerstand von 100 000 Wohnungen haben, wo wir bemüht sind, in den Plattenbauten Attraktivität und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Ganze mit einer solchen Bürokratie zu verfolgen, gibt es nur in den Berliner Bezirksämtern. Mit diesem Appell möchte ich es hier bewenden lassen. Den Rest werden wir sicher im Ausschuss debattieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegen hier zur Zukunft der Großsiedlungen zwei gut gemeinte Anträge der PDS und eine Große Anfrage vor – aber gut gemeint ist nicht immer gleich gut. Die Große Anfrage gleicht eher einem Gemischtwarenladen.
Zu dem Antrag der wirtschaftlichen Stabilisierung der Großsiedlung hätten Sie besser vorher jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt. Über die Zukunft der Plattenbauten können wir aber gut und gerne diskutieren. Über die Notwendigkeit oder den Unsinn von Abrissmaßnahmen zu reden, ist sicher sinnvoll. Dazu bedarf es – und das sagte Herr Strieder auch schon – des Rückblicks auf die letzten zehn Jahre der Politik der großen Koalition. Die Planungspolitik der großen Koalition hieß: Wachstum ohne Ende. Wir wollen klotzen und nicht kleckern.
Das Ergebnis ist uns allen bekannt: Obwohl das Land Berlin einen riesigen Schuldenberg vor sich herschiebt, hat der Senat bis heute an Teilen seiner konkurrierenden und damit auch unsinnigen Planungsstrategie festgehalten. Da sind die Entwicklungsgebiete, die Neubaugebiete, die Eigenheimförderungen, die Bauausstellung und das Planwerk Innenstadt.
All das sollte einerseits dem gut verdienenden Mittelstand den Aufenthalt in der Stadt versüßen, es sollte den neuen Urbaniten dienen, und es sollte aber gleichzeitig auch Aufträge für die landeseigenen Gesellschaften, für Landesbanktöchter und auch immer wieder für die gleichen Personen – man kann auch sagen Parteifreunde – schaffen. Die finden sich dann wieder in den Entwicklungsträgern, den Landesbanktöchtern, der BLEG. Immer wieder die gleichen Gesichter aus den Verwaltungen.
Es sind fähige Leute mit guten Beziehungen in die Politik und auch zu den Behörden – Amigos eben. Aber, meine Damen und Herren, darüber will ich mich heute nicht weiter auslassen. Ich denke, es wird einmal Gegenstand einer anderen Großen Anfrage, denn auch da muss öffentlich gearbeitet werden, um diesen Filz in Zukunft zu beseitigen.
Zurück zur Planung: Der Vorwurf ist ja nicht, dass der Senat die Bevölkerungsentwicklung falsch eingeschätzt hat,
Frau Hämmerling, wir haben Milliardensummen – der Senator hat es vorhin aufgezählt – ausgegeben für die Sanierung nicht nur der Altbauten, sondern vor allen Dingen für die Plattenbaugebiete und für die Verschönerung des Wohnumfeldes. Und Sie reden hier von Beziehungen, von Amigos und von sonstigen Spukgeschichten. Können Sie das nicht einmal ein bisschen näher erklären, was Sie damit meinen? Ich finde es eine Unverschämtheit!
Ich wiederhole es noch einmal ganz langsam für Herr Niedergesäß: Ich sprach von konkurrierenden Planungsmaßnahmen, die bis heute fortgesetzt werden, von Entwicklungsgebieten, von Neubaugebieten, Herr Niedergesäß, soll ich sie alle noch einmal aufzählen, oder wollen Sie das vielleicht lieber nachher im Protokoll nachlesen?
Also, Herr Strieder, Ihnen wird nicht der Vorwurf gemacht, dass Sie die Planungen 1994 falsch eingeschätzt haben, sondern der Vorwurf muss erhoben werden, dass Sie – obwohl der Trend einer anderen Bevölkerungsentwicklung längst sichtbar war – sich von diesen Planungen nicht verabschiedet haben. Das Ergebnis ist ja niederschmetternd, wenn Sie sich beispielsweise in die Wasserstadt Spandau begeben und feststellen, dass in den gerade fertiggestellten Quartieren Quartiersmanagement notwendig ist, weil die ersten sozialen Verwerfungen auftreten, dann ist das sicherlich keine nachhaltige und zukunftgerichtete Strategie in der Baupolitik. Machen Sie also Schluss mit solchem Unsinn.
Um die hochgestochenen Pläne zu finanzieren, wurden landeseigene Wohnungen und damit Belegungsrechte für Sozialschwache verkauft. Im Moment sind die Verhältnisse in den
Großsiedlungen einigermaßen stabil. Wenn es Wohnraum für sozial Schwache aber zukünftig nur noch – darüber wurde heute mehrfach referiert – in den Plattenbauten im Ostteil gibt, ist Schluss mit dieser Stabilität. Die Folgen von sozialer Entmischung sind mittlerweile im Land sattsam bekannt. Wenn wir in den Plattenbauten nicht flächendeckendes Quartiersmanagement einsetzen, müssen wir jetzt die Notbremse ziehen. Hier muss sofort umgesteuert werden.
Herr Strieder, es hilft auch nichts, darüber zu sinnieren, dass man angesichts der ungefähr 100 000 leerstehenden Wohnungen weniger belegungsgebundene Wohnungen braucht. Wir wissen alle, dass die Menschen, die für belegungsgebundene Wohnungen in Frage kommen, sich diese 100 000 Wohnungen nicht leisten können. Wir müssen die Wohnungen für die Sozialhilfeempfänger und die Sozialschwachen in der Stadt streuen und nicht irgendwo in der Platte akkumulieren.
Herr Strieder, Sie haben jetzt eigentlich die optimalen Voraussetzungen. Sie leiten ein Super-Ressort und verfügen über die Vorraussetzungen einzugreifen. Wir fordern Sie auf, endlich eine problemorientierte Stadtentwicklungspolitik durchzuführen, statt sich weiter an Planspielen zu erfreuen. Machen Sie die Großsiedlungen zum Schwerpunkt Ihrer Politik. Das ist nicht so sehr hip bei den Architekten, aber notwendig. Wenn Sie sich die Mühe machen, die Leerstandszahlen zu differenzieren, stellen Sie fest – das haben Sie auch gesagt –, dass die größeren Leerstände lediglich in unsanierten Plattenbauten zu finden sind. Wir gehen deshalb ein Stück weiter, als es der PDS-Antrag formuliert, der zwar richtig die Weiterführung der Sanierungsstrategie fordert, aber in der Formulierung der Kriterien eben nicht weit genug reicht. Formulieren Sie städtebauliche Ziele und beziehen Sie die Betroffenen in die Teilrückbaustrategien mit ein, die durchaus einmal nötig sein können.
Überlegen Sie sich, ob es nicht sinnvoll sein kann, wenn in Einzelfällen den Mietern die Wohnhäuser übertragen, wenn sie ihnen übereignet werden. Denken Sie über Grundrissänderungen nach, schaffen Sie günstige Konditionen für die Ansiedlung von Geschäften innerhalb der Blöcke, damit Urbanität wachsen kann und damit öffentliche Plätze – Herr Over hat den Saal verlassen, er beklagte das vorhin – belebt werden. Das sind Dinge, die notwendig sind, um die Urbanität dieser Gebiete zu steigern, damit wir dort nicht in eine soziale Schieflage geraten.
Die Bilanz in Berlin sieht so aus, dass wir etwa 100 000 zu erheblichen Teilen geförderte Wohnungen leerstehen haben, dass wir 2 Millionen Quadratmeter Büroflächenleerstand und Einkaufszentren überall in der Gewerbebrache haben, aber selten dort, wohin sie gehören, in den Herzen der Großsiedlung. Schließlich fehlt das Geld für die zwingend erforderlichen Sanierungs- und Stadtumbaumaßnahmen, weil es in diese Großprojekte geflossen ist. Das, Herr Niedergesäß, ist der Punkt, den Sie offensichtlich nicht verstanden haben. Man kann jede Mark nur einmal ausgeben, entweder für die Sanierung oder für den Neubau.
Das, was im Märkischen Viertel gelungen ist, was dort an Urbanität entstanden ist, steht für die Ostsiedlungen in den Sternen. Wenn wir nicht dort auch künftig flächendeckendes Quartiersmanagement machen wollen, brauchen wir Strategien, um diese Gebiete so attraktiv machen, wie es jetzt das Märkische Viertel ist. Die Erkenntnis, dass diese neuen Strategien für den Umgang mit östlichen Plattenbauten in Berlin flächendeckend angewendet werden müssen, kommt fünf Jahre zu spät. Wir haben beispielgebende Planungen, die sogar in unseren Partnerstädten vorgestellt werden. Berlin ist dort Spitze in der Wahr
nehmung, schafft es aber nicht, in seinem eigenen Stall zu kehren. Genau an der Stelle müssen wir viel mehr tun und Schwerpunkte setzen. [Beifall bei den Grünen – Niedergesäß (CDU): Nirgendwo ist mehr an der Platte gebaut worden als in Berlin!]
Herr Strieder, statt dieser Schwerpunktsetzung liebäugeln Sie nach wie vor mit konkurrierenden neuen Planungsfiktionen. Obwohl da kein Bedarf besteht, möchten Sie ein bisschen Kollhoff-Szenario am Alex. Ich kann es verstehen, dass Sie den Alex aufhübschen wollen. Ich könnte mir auch so manches vorstellen. Der Versuch ist doch aber untauglich, zumal es nicht einen Investor gibt, der den Verkehrswert für die Grundstücke für die Wolkenkratzer wirklich bezahlen will. Also lassen Sie die Finger von dieser neuen Überproduktion in die Konkurrenz zu dem vorhandenen Leerstand. Das würde bestenfalls als Strieders Unvollendete in die Geschichte eingehen, wenn ein oder zwei hohle Zähne dort stünden. Herr Strieder, machen Sie sich die Großsiedlungen zu Ihrem Arbeitsschwerpunkt!