Antrag der Fraktion der PDS über Zukunft der Großsiedlungen: wirtschaftliche Stabilisierung der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn
Antrag der Fraktion der PDS über Zukunft der Großsiedlungen: Vermeidung von Abrissen in Plattenbaugebieten
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der zuständige Senator sollte anwesend sein. Er muss später ja auch die Große Anfrage beantworten.
Ich hatte befürchtet, dass sich die Reihen lichten würden, wenn die erste Große Anfrage abgearbeitet ist. Diese Befürchtung ist eingetroffen. Ich hoffe trotzdem, dass das wichtige Thema „Großsiedlungen“ nicht untergeht. – Es gibt noch Anknüpfungspunkte – Herr Senator Kurth hatte es erwähnt – zum Leerstand und der Platte. Das war es dann aber auch schon. Dem Dilettantismus des CDU-Immobiliennachwuchses bei der Aubis ist die Berliner Wohnungswirtschaft und -politik zum Glück nicht gefolgt.
Hier in Berlin gab es eine andere Strategie. Bereits 1992 hatte der Senat bei einer Bestandsaufnahme Kosten für Instandsetzung und Modernisierung von durchschnittlich 1 200 DM pro Quadratmeter ermittelt. Herr Wolf hatte es vorhin schon erwähnt: Bei der Aubis-Sanierung sind durchschnittlich 350 DM angesetzt worden. Wenn der Senat damals im Abgeordnetenhaus gesagt hätte, für die Platte im Ostteil Berlins kommen wir mit diesen Summen aus, dann hätten die Fachpolitiker den Senat zu Recht wieder weggeschickt. Stattdessen wurde damals festgestellt, dass alle Neubaugebiete im Ostteil insgesamt 23 Milliarden DM kosten würden. Als Vergleich: Bei der Aubis wären es 6 Milliarden DM gewesen. Das ist damals richtig erkannt worden. Die Preise, die heute für die Sanierung anfallen, entsprechen nach wie vor einer Summe zwischen 800 DM – beim Typ WBS 70 – bis 1 500 DM und 1 600 DM bei den Hochhäusern.
Es gibt noch einen Unterschied: Die überwiegende Finanzierung dieser damals immensen Summen sind durch KfW-Mittel erfolgt, also zinsverbilligte Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau – ein Bundesprogramm. Diese Mittel sind von der Aubis nicht angenommen worden. Das wurde vorhin nicht erwähnt. Die Aubis hatte kein Interesse an dieser Förderung. Sie hätte nämlich gegenüber der KfW die tatsächlichen Kosten nachweisen müssen. Die hätten sie weggeschickt. In Berlin ist das vernünftig gelaufen. Die Gesellschaften haben KfW-Kredite in Anspruch genommen und haben jetzt – nach fünf bis sechs Jahren – natürlich ein Problem, weil die Tilgung der Kredite einsetzt. Darüber hinaus haben sie die Leerstandsproblematik. Die Zahlen sind in Ost- und Westberlin nicht so dramatisch wie in den ostdeutschen Bundesländern, aber es gibt Leerstände, die wehtun und die wirtschaftliche Situation dieser Gesellschaften verkomplizieren.
Bei der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn – als Beispiel – sind von den 32 000 Wohnungen, die sie heute noch hat, 20 000 saniert. Das sind zwei Drittel. Das ist eine erfolgreiche Bilanz. Trotzdem findet zur Zeit eine Diskreditierung der Platte und der Großsiedlungen statt. Das trifft besonders Marzahn. Das geschieht nicht nur in den Medien. Auch Senatsvertreter haben sich – beispielsweise im Bauausschuss in den letzten Monaten – dahin gehend geäußert, dass die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn selbst Schuld an ihrer wirtschaftlichen Misere trage, weil sie zu viel saniert habe, so dass die Mieten gestiegen seien und Leerstände verursacht worden seien. So geht es nicht, Herr Strieder.
Die Platte ist nicht schlecht. Sie kann aber schlecht geredet werden. Sicher ist die dramatische Leerstandssituation ein Auslöser der Abrissdebatte. Ich finde es allerdings erfreulich, Herr Strieder, dass Sie vor kurzem in einer Veranstaltung Ihrer Verwaltung den Abrissforderungen eine deutliche Absage erteilt haben. Bei der Veranstaltung wurde jedoch mehrheitlich gesagt, Berlin habe das Problem noch nicht, es könne aber schwieriger werden, wenn nicht reagiert werde. Wir haben noch eine Schonfrist und müssen deshalb schnellstmöglich handeln.
Gerade deshalb haben wir diese Große Anfrage und die Anträge gestellt. Wir wollen damit das Problembewusstsein schärfen und deutlich machen, dass langfristige Sanierungsstrategien für die städtischen und genossenschaftlichen Bestände notwendig sind.
Wir haben in unsere Anfrage bewusst die Großsiedlungen im Westteil einbezogen, weil sie ähnliche Probleme haben. Die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus im Westen und die Plattenbaugebiete im Osten sind Geschwister – wenn auch ungleiche. Fast zeitgleich entstanden in den 70er und 80er Jahren in beiden Stadthälften – vorwiegend an den Rändern – große Wohngebiete. Sie sind zwar in verschiedenen Welten gebaut, aber heute spitzen sich die sozialen Probleme stadtweit zu. Bei den Großsiedlungen in den westlichen Bezirken, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurden, gibt es beispielsweise das Problem der Förderung. Sie sind zurzeit die Wohnungen, bei denen durch die Fördersystematik fast automatisch jährlich eine Mieterhöhung nötig ist. Sie ist zwar zweimal ausgesetzt worden, was wir für vernünftig halten, aber man muss eine langfristige Strategie entwickeln, wie man damit umgeht. Es ist eine finanzielle Zeitbombe. Der Senat muss ein Konzept vorlegen, in dem Umschuldung, Zahlungsaufschub und Beendigung der permanenten Anschlussförderung kein Tabu sein dürfen.
Ich möchte noch ein Problem – Großsiedlung West – anführen, zu dem auch in der Großen Anfrage Fragen gestellt worden sind zum Umgang mit der Fehlbelegungsabgabe und den Belegungsbindungen. Es gibt die Alternative, entweder die Fehlbelegungsabgabe generell wegfallen zu lassen oder bei Beibehaltung die Grundmieten abzusenken. Für uns wäre die zweite Alternative, die Senkung der Grundmiete, wovon alle profitieren würden, die sinnvollere, aber wir glauben, dass sie wegen der Fördersystematik die nicht finanzierbare ist. Die erste Alternative, der generelle Wegfall der Fehlbelegungsabgabe, wäre pragmatisch sinnvoll, weil der Verwaltungsaufwand bei den zu erwartenden Einnahmen, die drastisch heruntergegangen sind in den letzten Jahren, schon heute fast nicht mehr gerechtfertigt ist. Wir fordern den Senat deshalb auch in der Großen Anfrage auf, über die Auswirkungen der Senatsbeschlüsse zur teilweisen Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe und zur Lockerung der Belegungsbindung Rechenschaft abzulegen.
Wir erwarten die Antworten des Senats auf unsere Große Anfrage mit Spannung und werden darauf aufbauen, unsere heute beginnende Reihe mit parlamentarischen Initiativen zur Zukunft der Großsiedlungen in Ost und West fortsetzen.
Zu den Anträgen: Wir wollen damit zweierlei. Bei dem Antrag über die Vermeidung von Abrissen wollen wir die bisher erfolgreiche Sanierungsstrategie für die Plattenbauten in die Zukunft fortschreiben.
Die Auffassung des Stadtentwicklungssenators in dieser Frage soll durch einen Abgeordnetenhausbeschluss gestärkt werden.
2. Die Forderung nach Kriterien für den Umgang mit Abrissüberlegungen soll klarstellen, dass Abrisse nur im Ausnahmefall und am Ende einer Prüfung aller Möglichkeiten für bauliche und funktionale Verbesserungen zulässig sein soll.
3. Die Forderung nach Einbeziehung der bezirklichen Parlamente soll betriebswirtschaftlich motivierte Alleingänge verhindern und lokale Akzeptanz für Entscheidungen schaffen. Auf keinen Fall dürfen falsche Signale zu Imageverlust und Niedergangsspirale in heute intakten Wohngebieten führen.
Mit dem Antrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn wenden wir uns einem Problem zu, dessen Brisanz von vielen immer noch unterschätzt wird. Bereits im Frühjahr vorherigen Jahres – Sie erinnern sich vielleicht noch – warnten wir vor einer wirtschaftlichen Auszehrung der städtischen Wohnungsunternehmen.
Ein Jahr später: Leerstand gestiegen, Mieten stagnieren, Verkaufserlöse gehen zurück, Fremdkapitalquote steigt und Sanierungstätigkeit geht ebenfalls zurück. Wir konnten damals noch nicht ahnen, dass bereits ein halbes Jahr später ein großes Unternehmen wie die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde mit der Konsequenz, dass laufende Sanierungsvorhaben gestoppt und das Sanierungsprogramm für die verbleibenden unsanierten Wohnungen beendet worden ist.
Die Gesellschaft musste ihre restlichen 8 000 unsanierten Wohnungen verkaufen, die sie jetzt noch hat, um Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und die teilsanierten Bestände fertigstellen zu können.
Wir haben in diesem Antrag einen Punkt aufgenommen zum Umgang mit der Altschuldenhilfe. Die Wohnungsbaugesellschaft hat bei der KfW-Bank beantragt, dass ihre Erlösabführungsverpflichtungen um zwei Drittel gesenkt werden. Der Senat soll dieses Anliegen ebenso unterstützen wie politische Initiativen zur generellen Aufhebung der Altschulden, –
Wir denken, dass Sie, Herr Strieder, auf dem Treffen der ostdeutschen Bauminister Anfang Februar, wohin Sie gehen, Bauminister Bodewig die Forderung nahebringen können, dass die Altschulden generell – zumindest für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen – gestrichen werden können.
Eigentlich ist es üblich, dass hier die verbleibende Redezeit sichtbar ist und ein Licht aufleuchtet.
Nein, ich habe gesagt, dass die Zeit hier aufleuchtet und man sich darauf einstellen kann. Aber das ist vielleicht nicht mehr üblich, deswegen möchte ich noch zwei Sätze sagen.