Herr Strieder, statt dieser Schwerpunktsetzung liebäugeln Sie nach wie vor mit konkurrierenden neuen Planungsfiktionen. Obwohl da kein Bedarf besteht, möchten Sie ein bisschen Kollhoff-Szenario am Alex. Ich kann es verstehen, dass Sie den Alex aufhübschen wollen. Ich könnte mir auch so manches vorstellen. Der Versuch ist doch aber untauglich, zumal es nicht einen Investor gibt, der den Verkehrswert für die Grundstücke für die Wolkenkratzer wirklich bezahlen will. Also lassen Sie die Finger von dieser neuen Überproduktion in die Konkurrenz zu dem vorhandenen Leerstand. Das würde bestenfalls als Strieders Unvollendete in die Geschichte eingehen, wenn ein oder zwei hohle Zähne dort stünden. Herr Strieder, machen Sie sich die Großsiedlungen zu Ihrem Arbeitsschwerpunkt!
Vielen Dank, Frau Hämmerling! Vor allen Dingen, vielen Dank für die gute Einhaltung der Redezeit, als Erste übrigens. Als letztes spricht für die Fraktion der SPD Herr Dr. Arndt!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage hat im Grunde genommen gezeigt, dass die Wohnungspolitik der großen Koalition eine Erfolgsstory ist. Ich danke nachträglich noch einmal ausdrücklich den Senatoren Wolfgang Nagel, jetzt Peter Strieder
und Herrn Klemann, der unsere Initiativen mit mehr Mietgerechtigkeit und Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe aufgenommen und umgesetzt hat.
Wir Kollegen schätzen uns auch so außerordentlich. Die konstruktiven Beiträge auch der Opposition – jedenfalls von Herrn Holtfreter und Frau Hämmerling – haben hier und heute das Bild noch einmal gerundet.
Wenn es keine Probleme in der Wohnungspolitik und in der Wohnungswirtschaft gibt, werden sie künstlich gemacht. So in Berlin. Sicherlich ist die Leerstandsproblematik in anderen Bundesländern ein Problem. Hier in Berlin hat dies eine andere Dimension. Wohin die Diskussionen führen, wenn es keine Probleme gibt, habe ich gestern der „Frankfurter Rundschau“ entnommen, in der es in einer Ecke heißt: „Gute Nacht! Aus Sorge um den Immobilienwert der Häuser ist in einer Stadt bei Washington das Nächtigen in anderen Räumen als den Schlafzimmern verboten worden. Der Senat des US- Staates Virginia erklärte diese Regelung mit 20 gegen 19 Stimmen für zulässig.“ Wenn über Grundrissveränderungen gesprochen wird, sollte man sich die Initiative des Staates Virginia vor Augen halten. So kann man auf administrativer Ebene Leerstand auch beseitigen.
Wohnungspolitik ist nur eine Erfolgsstory in unserer Stadt. Das liegt nicht nur daran, dass wir die Wohnungsnot abgebaut haben, sondern daran, dass wir einen Leerstand haben, der 5 % des Wohnungsbestandes entspricht. Herr Strieder hat dies quantifiziert. Es handelt sich um 100 000 Wohnungen. Das ist zwar mehr als die übliche in der Wohnungswirtschaft fixierte Quote von 5 %, ist aber trotzdem weniger, als dass dies zu strukturellen Defiziten führen könnte.
Im Gegenteil, Berlin hat einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt, ein hervorragendes Preis-Leistungs-Niveau auf dem Wohnungsmarkt. Die Vielfalt des Berliner Wohnungsmarkt von dem Einfamilienhaus in Zehlendorf bis Frohnau, den Gründerzeitwohnungen in den Mittenbezirken der Stadt bis zu den Zwischen
kriegssiedlungen und den Großsiedlungen in Marzahn, Hellersdorf und Gropiusstadt stellen das endogene Potential und den positiven Standortfaktor dar, den eine behutsam wachsende Stadt wie Berlin benötigt.
Behutsamkeit und nicht Schrumpfung ist unsere Orientierung. Daran ändern nach meiner Ansicht auch die verschiedenen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung nichts, die seit kurzem in der Stadt kursieren. Diese haben alle ein Defizit. Keine dieser Prognosen berücksichtigt die exogenen Veränderungen der Erweiterung der EU ab 2003 bis 2006. Das ist ein relativ kurzer Zeitraum. Ich bin der Überzeugung, dass viele Menschen aus Osteuropa nicht in die Stadt geholt werden müssen, sondern ganz von allein kommen werden. Berlin ist für diesen Raum die Metropole, der erste Bezugspunkt für Wirtschaft, Arbeiten und Leben. Die Gegend zwischen Warschau und Berlin ist ländlicher Raum, auch wenn eine Großstadt wie Posen dazwischen liegt. Schon in dieser Perspektive unterscheidet sich die Berliner Situation des Leerstandes von den anderen Räumen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg. Die Ursachen des dortigen Leerstandes sind andere. Sie haben zum einen damit zu tun, dass die räumliche Struktur der ehemaligen DDR, die auf einer einseitigen und künstlichen Industriestruktur aufgebaut war, zerbrochen ist und zum anderen damit, dass es dort in der Vergangenheit eine falsche Wohnungspolitik gegeben hat. Die Wohnungspolitik wurde einseitig sektoral definiert und hat Wohnungspolitik nicht im städtebaulichen Sinn verstanden. Frau Hämmerling hat dies angesprochen. Die Außenentwicklung wurde gefördert, die Innenentwicklung wurde diskriminiert. Die Folgen sind der Leerstand und die Entleerung der Städte in der ehemaligen DDR und die Zunahme der Einfamilienhausghettos im Umland.
Wir haben uns in Berlin – vielleicht nicht zügig genug – umorientiert. Wir haben uns mittlerweile auf den Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung ausgerichtet, und wir haben Wohnungsunternehmen abgebremst, immer weiter neue Wohnungen zu produzieren. Unsere Orientierung liegt auf dem Bestand. Es ist also eine grundsätzlich andere Diskussion als in Sachsen-Anhalt und anderswo.
Ferner möchte ich in diesem Zusammenhang – kürzlich fand hierzu auch eine Veranstaltung statt – davor warnen, mit Meldungen wie „Leerstand von einer Million Wohnungen in den neuen Ländern!“ ständig hausieren zu gehen. Das Echo solcher Meldungen bei der Wirtschaft und in der Ansiedlungspolitik kann man nicht ermessen. Ich warne davor, solche Behauptungen aufrecht zu erhalten, weil diese Zahlen auch nicht stimmig und schlüssig sind. Sie haben nur den Zweck, finanzielle Ressourcenströme umzulenken – hin zu einer Abrisspolitik, die wir alle hier im Hause nicht wollen.
Das hat alles nichts mit Berlin zu tun. Wir von der SPD-Fraktion werden die Platte nicht plattmachen, sondern für uns hat eine qualitative Aufwertung dieser Stadtquartiere Priorität.
Die Aufwertung macht es möglich, die Bestände der Wohnungsbaugesellschaften so zu bewirtschaften, dass auch in Zukunft keine Verslumung von Teilbereichen eintritt. Für die SPD-Fraktion gilt also, dass das bisher Erreichte – die bauliche Grundsanierung, die bauliche Aufwertung, die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur und des Wohnumfeldes, die Arrondierung mit Neubauten – nicht gefährdet werden darf, sondern durch Weiterentwicklung stabilisiert werden muss.
Frau Hämmerling, Herr Holtfreter und auch der Senator haben einiges hierzu gesagt. Dies kann unter Umständen zu punktuellem Rückbau führen, aber das bedeutet noch lange kein Programm für den Abriss, kein Programm für eine Stadtumgestal
tung, sondern konsequente Weiterführung und Umsetzung des Programms der sozialen Stadt auch auf die Großsiedlungen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Zu den Anträgen der PDS-Fraktion empfiehlt der Ältestenrat: Drucksache 14/945 soll an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss und Drucksache 14/946 soll an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen vom 17. Januar 2001 zum Antrag der Fraktion der Grünen über der Ausbildungsmisere für Jugendliche ausländischer Herkunft im öffentlichen Dienst entgegentreten, Drucksache 14/361
Es ist eine Beratung mit einer Redezeit von maximal 5 Minuten pro Fraktion vorgesehen. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. – Frau Dr. Klotz hat das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Hause sicherlich alle einig: Kernpunkt einer gelungenen Integration von Migrantinnen und Migranten ist die Integration in Arbeit und Ausbildung. Das trifft sowohl für die zu, die noch einwandern werden, wie für die, die heute bei uns leben, und zwar unabhängig davon, ob sie es in der ersten, in der zweiten oder in der dritten Generation tun. Es trifft unabhängig vom Herkunftsland und unabhängig vom Aufenthaltsstatus für alle hier lebenden Migrantinnen und Migranten zu.
Ganz besonders trifft es aber für die jungen Migrantinnen und Migranten zu, weil ihre Teilhabe an Arbeit und an Ausbildung auch über den Grad ihrer Integration entscheidet. Hier hat der öffentliche Dienst eine besondere Verantwortung. Er kann das Problem nicht allein lösen, doch hat er eine besondere Verantwortung. Es ist nämlich zum einen wichtig, dass er seine interkulturelle Kompetenz erhöht, um den hier lebenden Berlinerinnen und Berlinern nichtdeutscher Herkunft zu zeigen, dass dieser öffentliche Dienst auch für sie da ist – bei der Polizei, in den Kitas und in den Bürgerämtern. Zum Zweiten sollte der öffentliche Dienst Vorbildwirkung für den Einzelhandel, für das Handwerk und die Mitgliedsbetriebe der Industrie- und Handelskammer haben. Denn die Aufforderung der Politik an diese Institutionen, mehr für Ausbildung und Integration zu tun, wird unglaubwürdig, wenn sich der öffentliche Dienst auf der anderen Seite genau aus diesen Bereichen zurückzieht, und das tut der Berliner öffentliche Dienst.
Herr Werthebach! Der Berliner öffentliche Dienst diskriminiert – also benachteiligt – Jugendliche ausländischer Herkunft beim Zugang zur Ausbildung. In dieser Stadt sind 14,5 % aller Jugendlichen in der Altersgruppe zwischen 16 und 20 Jahren ausländischer Herkunft, aber bei den Ausbildungsverhältnis
sen im öffentlichen Dienst sind diese Jugendlichen nur mit 2 % vertreten. Dieses Verhältnis ist nicht in Ordnung – weder für den öffentlichen Dienst noch für die Integration. Deshalb hat unsere Fraktion einen Antrag gestellt, etwas gegen die Ausbildungsmisere von Jugendlichen ausländischer Herkunft in dieser Stadt zu tun, nämlich gezielt an die verschiedenen Dienststellen heranzutreten, ein Konzept zur Verbesserung der Ausbildungssituation vorzulegen und umzusetzen und eine öfffentlichkeitswirksame Kampagne zu starten, die diesen Jugendlichen zeigt: Wir wollen euch hier im öffentlichen Dienst Berlin, ihr seid hier erwünscht! – So weit, so gut!
Bei der Beratung dieses Antrags im Ausschuss für Inneres und im Ausschuss für Wirtschaft konnten sich die Koalitionsfraktionen – wie immer – unserem Antrag nicht anschließen. Das fanden wir aber nicht schlimm, denn sie haben eine Beschlussempfehlung vorgelegt, die wir richtig fanden, die alle tragen konnten und die von diesen Ausschüssen auch einstimmig verabschiedet wurde.
Dann folgte die Beratung im Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration und im Arbeitsausschuss, in dem ich selbst Mitglied bin. In diesem Arbeitsausschuss wurde diese Beschlussempfehlung abgelehnt, aber es gab kein einziges plausibles Argument gegen unseren Vorschlag. Die Koalitionsfraktionen waren hilflos, und sie waren sogar diskriminierend.
Das möchte ich Ihnen gern einmal näher darstellen: Frau Dr. Reiter, die in diesem Ausschuss sitzt und die vielleicht heute auch im Plenum sprechen wird, analysierte, dass der Anteil der ausländischen Jugendlichen im öffentlichen Dienst wegen fehlender EU-Staatsbürgerschaft und mangelnden Deutschkenntnissen so gering sei.
Ja, nun warten Sie erst einmal! – Dass der Kollege aus der Innenverwaltung erzählte, bei den Sprachtests würden jährlich nur 2 bis 3 der Jugendlichen ausländischer Herkunft wegen mangelnden Sprachkenntnissen abgelehnt, interessierte Frau Dr. Reiter in ihrer Analyse nicht.
Frau Galland war noch viel besser – sie wird ja vielleicht auch noch sprechen –, denn sie sagte: Gerade der öffentliche Dienst eigne sich nicht für Jugendliche ausländischer Herkunft, weil der Anteil von weniger qualifizierten Ausbildungsplätzen dort so gering sei. – Ich sage: Das ist diskriminierend, Frau Galland!