Protokoll der Sitzung vom 10.05.2001

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Frau Sen Schöttler

Berlin eingesetzten Busse sind für behinderte Menschen geeignet. Die BVG bestellt nur noch behindertengerechte Busse, so dass sich die Anzahl der behindertengerechten Buslinien stetig erhöhen wird.

Aber trotz aller Verbesserungen und behindertengerechten Maßnahmen können viele Menschen wegen der Art und Schwere der Behinderung nicht am öffentlichen Personennahverkehr teilnehmen. Für sie wird mit dem Telebus ein besonderer Fahrdienst vorgehalten, um ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu erleichtern und einigen sogar erst zu ermöglichen. Das seit rund 20 Jahren bestehende System des Sonderfahrdienstes war bis zum Inkrafttreten des Landesgleichberechtigungsgesetzes eine freiwillige Leistung des Landes Berlin. Nunmehr besteht ein gesetzlicher Anspruch auf die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes und damit gleichzeitig die Verpflichtung des Landes Berlin, diesen Anspruch zu erfüllen. Diese Entwicklung hin zur gesetzlichen Verpflichtung ist einzigartig und ein Meilenstein in der Entwicklung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen. [Beifall bei der SPD]

Der Senat hat aktiv dazu beigetragen, die Rahmenbedingungen für den Sonderfahrdienst zu stabilisieren, transparenter zu gestalten und zu verbessern. Es ist gelungen, die Finanzierung des Sonderfahrdienstes für die Jahre 1999 bis 2001 mit einer Landesbeteiligung von knapp 27 Millionen DM zu sichern. Die im Landesgleichberechtigungsgesetz vorgesehene Rechtsverordnung zum Sonderfahrdienst wird in Kürze fertiggestellt. – Sie sehen, all diese Bestrebungen haben zum Ziel, den Sonderfahrdienst dauerhaft zu sichern.

Der Senat wird bei seinen Bemühungen zur Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes tatkräftig durch das Wirken des Landesbeauftragten für Behinderte unterstützt. Die Funktion wurde erstmalig entsprechend dem Landesgleichberechtigungsgesetz besetzt, auch dies ist eine Neuheit. Ich möchte auch an dieser Stelle dem Landesbeauftragten für Behinderte, Herrn Marquard, für sein unermüdliches Engagement danken. [Allgemeiner Beifall]

Er ist nicht nur in seinen Bürgersprechstunden für unsere Bürgerinnen und Bürger da, vielmehr ist er in vielen Gremien vertreten und nimmt Stellung zu Vorhaben, die die Belange von Menschen mit Behinderungen betreffen. Die vielen Gespräche, unter anderem mit Politikern, der Verwaltung, seine Teilnahme an Kongressen und Veranstaltungen, führen dazu, dass konsequent behindertenpolitische Zielsetzungen umgesetzt und Initiativen öffentlichkeitswirksam vertreten werden. Der Landesbehindertenbeauftragte nimmt an den Sitzungen des Landesbeirates für Behinderte teil. Der Beirat hat sich bislang z. B. mit der Einrichtung eines Studienganges für Gebärdensprachdolmetscher, der geplanten Sperranlage bei der U-Bahn, dem Liga-Vertrag und der Novellierung des Schwerbehindertengesetzes beschäftigt. Zu erwähnen sind zudem die Rechtsverordnung zum Telebus und natürlich der Entwurf zum neuen Schulgesetz.

Zwischen dem Landesbehindertenbeauftragten und dem Beirat hat sich eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Eine vorläufige Bilanz wird im Bericht von Verstößen gegen die Regelung zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landesbeauftragten für Behinderte gezogen, wobei die angeführten Verstöße meist auch im Landesbeirat erörtert worden sind. Es gibt gute Beispiele für die Beteiligung des Landesbeauftragten, z. B. bei der Evakuierungsverordnung und der Telebusrechtsverordnung, aber auch einige, bei denen erst auf Nachfrage und Drängen des Landesbeauftragten eine Beteiligung erfolgte.

Umstritten ist der Zeitpunkt einer Beteiligung des Landesbeauftragten. Herr Marquard möchte möglichst früh einbezogen werden, das heißt nicht erst im Zuge des förmlichen Mitzeichnungsverfahrens oder bei Großbauprojekten erst nach Abschluss der Planungen. Ich unterstütze dies. – Problematisch gestaltet sich die Beantwortung der Frage, ob alle Verwaltungen von sich aus auf den Landesbeauftragten zukommen, wenn ein Beteiligungsverfahren angezeigt sein könnte. Es ist nicht auszu

schließen, dass der Landesbeauftragte von manchen Vorgängen nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Der Landesbeauftragte für Behinderte sieht seinen Anspruch auf Auskunftserteilung nicht im befriedigenden Maße erfüllt. Mehrere Bitten um Auskunftserteilung wurden nur zögernd, unvollständig, zu spät oder gar nicht beantwortet. Offensichtlich bestehen hier Unklarheiten bzw. unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Vorhaben in die Zuständigkeit des Landesbeauftragten fallen. Die Notwendigkeit einer Auskunftserteilung bzw. das Recht des Landesbeauftragten auf Auskunft wird leider bisher noch nicht immer gesehen und beachtet. Ich werde den Landesbeauftragten für Behinderte als die für die Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes im Land Berlin federführende Senatorin bei der Wahrnehmung seines Auskunftsrechts im Senat unterstützen. Es zeigt sich, dass wir alle noch Erfahrungen bei der Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes sammeln müssen. Ich appelliere ausdrücklich an alle, den Landesbeauftragten bei seiner Arbeit zu unterstützen, nochmals die zeitnahe Einbindung des Landesbeauftragten für Behinderte zu prüfen und sicherzustellen.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Die Zusammenarbeit des Landesbeauftragten mit den Bezirksbehörden zeichnet sich in der Regel durch enge Kooperation mit den Bezirksbehindertenbeauftragten aus. Voraussetzung für eine reibungslose Zusammenarbeit ist aber erst dann geschaffen, wenn alle Bezirke Behindertenbezirksbeauftragte haben und mit den notwendigen Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet sind.

Zum Landesamt für Gesundheit und Soziales bestehen gute Kontakte und eine Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung. Mit dem Landesschulamt werden zur Zeit Kontakte geknüpft, und es findet in Kürze ein erstes Fachgespräch mit dem Leiter statt. Das Landesschulamt hat im Zusammenhang mit dem integrativen Unterricht ständig weitreichend Entscheidungen zu fällen, bei denen eine Beteiligung des Landesbeauftragten sinnvoll und erforderlich ist.

Mit dem Sender Freies Berlin bahnt sich erstmals eine engere Zusammenarbeit an. So wird ein vom Landesbeauftragten initiiertes Projekt „Verkehrsmeldung für mobilitätsbehinderte Menschen“ zurzeit mit dem SFB verhandelt und möglicherweise bald in die Tat umgesetzt.

Allerdings gibt es natürlich auch Kritik. Dieses wird im sogenannten Verstößebericht des Senats dargestellt. Der Verstößebericht wird zusammen mit den Stellungnahmen der betroffenen Verwaltungen bzw. Anstalten in Kürze dem Senat zugeleitet, ähnlich wie beim Rechnungshofbericht.

Gerügt werden die erwähnten Mängel bezüglich der Beteiligung des Landesbeauftragten für Behinderte bei wichtigen Vorhaben. Es werden aus Sicht des Landesbeauftragten eine Reihe von Verstößen bei Berliner Großprojekten, z. B. bei der Sanierung und Modernisierung des Berliner Olympia-Stadions und bei der Planung des Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Der Landesbeauftragte für Behinderte geht davon aus, dass der Verstößebericht zur Korrektur im Sinne einer barrierefreien Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens führen muss.

Der Senat wurde gefragt, was er unternommen hat, um im Rahmen seiner Möglichkeiten die Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes in Bezug auf die Wahl von hauptamtlichen Bezirksbehindertenbeauftragten und die Bildung von Bezirksbehindertenbeiräten zu fördern und zu unterstützen. Ein hauptamtlicher Einsatz kann aus dem Landesgleichberechtigungsgesetz nicht zwingend hergeleitet werden. Ferner ist die Bildung von Bezirksbehindertenbeiräten dort nicht normiert. Im Gesetz wird die funktionelle Anbindung der Bezirksbehindertenbeauftragten und deren Rechtsstellung nicht geregelt. Nach Auffassung des Senats ist dies, wie auch die Finanzierung der Bezirksbehindertenbeauftragten, eine bezirkseigene Angelegenheit. Auch wenn er eine einheitliche Entscheidung der Bezirke begrüßen würde, respektiert der Senat, dass die Ausgestaltung dieser Funktionen der jeweiligen Organisations- und Personalverantwortung der einzelnen Bezirke unterliegt.

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Frau Sen Schöttler

Der Senat hat mit etlichen Initiativen und konkreten Maßnahmen zu sichtbaren Ergebnissen der Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes beigetragen. Für Kindertagesstätten galt schon vor Erlass des Gesetzes die Maxime, dass behinderte Kinder in erster Linie Kinder sind, denen alles zusteht, und für deren besondere Bedürfnisse zusätzliche Hilfen bereitgestellt werden müssen. Wesentlicher Ansatzpunkt ist daher die gemeinsame Erziehung in integrativen Gruppen, die bereits eine über 20-jährige Geschichte hat. Die rechtliche Sicherung dieses Ansatzes gelang 1995 mit dem Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege. 1998 trat für Kindertageseinrichtungen eine Personalverordnung in Kraft. Integrationsgruppen werden seitdem mit zusätzlichem pädagogischen Fachpersonal ausgestattet. Verstärkt wurden und werden Fortbildungsmöglichkeiten für die Qualifizierung zum Facherzieher, zur Facherzieherin für Integration angeboten. Dazu wurde ein spezielles Rahmencurriculum entwickelt, das seit dem März 2000 gültig ist.

Wie Sie wissen, wird die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in der Sekundarstufe I und II sowie in der beruflichen Bildung in der Berliner Schule schon seit Jahren praktiziert. Im bundesweiten Vergleich nimmt Berlin auf dem Gebiet der Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf einen der führenden Plätze ein. [Beifall bei der SPD]

Die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport und das Landesschulamt waren in den letzten Jahren stets bemüht, allen Anträgen von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf Teilnahme am gemeinsamen Unterricht zu entsprechen. Zum Schuljahr 2000/2001 wurden in der Berliner Schule insgesamt 5 760 Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs durchgeführt. In 4 643 Verfahren, d. h. in 80,6 %, wurde der Anspruch auf sonderpädagogische Förderung festgestellt. Die Empfehlung der Förderausschüsse auf Integration dieser 4 643 Schülerinnen und Schüler konnte lediglich in 55 Fällen nicht entsprochen werden.

Parallel zu diesen Zahlen, die das Feststellungsverfahren betreffen, ist darzulegen, dass im Schuljahr 2000/2001 in der Sekundarstufe I insgesamt 1 049 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf integriert werden, in der Sekundarstufe II 34 Schülerinnen und Schüler. Die Erfahrungen der letzten Jahre ergeben eine steigende Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Sekundarstufen I und II.

Der in § 10 a Abs. 8 des Schulgesetzes Berlin festgeschriebene Haushaltsvorbehalt ist für alle Integrationsmaßnahmen weiterhin bedeutsam. Die generelle Aufhebung des Haushaltsvorbehaltes kann letztlich nur durch das Parlament erfolgen. Allerdings sichern die Ergänzungen des § 10 a des Schulgesetzes durch das Landesgleichberechtigungsgesetz für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II und in der beruflichen Bildung nunmehr den rechtlichen Anspruch auf Teilnahme am gemeinsamen Unterricht.

Die Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf genießt nach wie vor bildungspolitische Priorität. Es werden alle erforderlichen Maßnahmen unternommen, um die Förderung der Integration bei Erhalt der derzeitigen Ausstattungsbedingungen zu gewährleisten. Die derzeitige Entwurfsfassung eines neuen Schulgesetzes für Berlin soll Grundlage für eine offene und breite fachliche Diskussion sein. Erst nach Berücksichtigung der Ergebnisse der Diskussion und Anhörung soll der Schulgesetzentwurf als Senatsvorlage eingebracht werden. Zu den einzelnen Passagen der gegenwärtig vorliegenden Fassung kann daher seitens des Senats noch nicht Stellung genommen werden.

Eine weitere vordringliche Angelegenheit bei der Umsetzung der im Gesetz vorgesehen Maßnahmen zur Förderung der gehörlosen und gehörgeschädigten Menschen in Berlin ist die Bereitstellung von zusätzlichen Gebärdensprachdolmetschern. Der Senat kommt den terminlichen Vorgaben des Lan

desgleichberechtigungsgesetzes nach: Unter der Federführung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur wurde eine Senatsvorlage über die Einrichtung eines Studienganges Gebärdensprachdolmetscher an der Humboldt-Universität Berlin und die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrern in der Gebärdensprache erarbeitet. Die Aufnahme des Studienbetriebes ist für das Wintersemester 2002/2003 vorgesehen. Mit der Humboldt-Universität wurde vereinbart, einen sechssemestrigen Studiengang einzurichten, auf dem ein Master-Studiengang aufbauen soll. Da zusätzliche Mittel nicht zur Verfügung stehen, soll der notwendige Aufwand durch Umschichtung zwischen den drei Universitäten aufgebracht werden. Entsprechend dem Gesetz soll der Unterricht ab 2005 an der Sonderschule für Hörbehinderte durch ausgebildete gebärdensprachkompetente Sonderpädagoginnen und -pädagogen erfolgen.

Zur Einführung der Gebärdensprache und zur Durchführung des Unterrichts im lautsprachbegleitenden Gebärdensprachen wird an der Ernst-Adolf-Eschke-Schule für Gehörlose mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 ein Schulversuch zur bilingualen Erziehung gehörloser Schülerinnen und Schüler durchgeführt.

Bereits seit dem 1. Dezember 1999 müssen Lehramtsanwärter in Sonderschulen für Hörbehinderte den Nachweis erbringen, dass sie in der Gebärdensprache unterrichten können. Darüber hinaus werden bereits tätige Lehrer so fortgebildet, dass auch sie in Gebärdensprache unterrichten können.

Gehörlose Studierende erhalten finanzielle Hilfe für die im Studium erforderlichen Gebärdensprachdolmetscher. Der Senat prüft in diesem Zusammenhang Möglichkeiten zur Verbesserung der Vergütung der Gebärdensprachdolmetscher. Die Technische Universität bietet Gebärdensprachkurse an, die großen Anklang finden, und arbeitet in einigen Bereichen auch an der Fortentwicklung von Fachgebärden, vor allem in den Naturwissenschaften.

Den Entwurf des Gesetzes über die staatliche Prüfung für Übersetzer, Dolmetscher und Gebärdensprachdolmetscher und zur Änderung damit verbundener Vorschriften befindet sich seit Anfang März 2001 in der Abstimmung. Eine Prüfungsordnung für Gebärdensprachdolmetscher kann erst nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes verabschiedet werden. Darüber hinaus beginnt zurzeit ein ESF-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Gehörlosenverband Berlin e. V. zur Qualifizierung von bereits tätigen Dolmetschern und deren Vorbereitung auf die staatliche Anerkennung. Damit einhergehend werden ca. 80 gehörlose Auszubildende für die Bewältigung der Anforderungen auf dem so genannten 1. Arbeitsmarkt qualifiziert.

Vom Frühjahr 2002 an wird die Akademie für Gesundheitsund Sozialberufe Kurse in Gebärdensprache für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten, die in der Verwaltung Kontakt mit gehörlosen Menschen haben. Wir haben hier schon ganz deutliche Erfolge bei der Umsetzung des Gesetzes erzielen können.

Weitere Änderungen wurden bei den Eingliederungshilfen für Studierende vorgenommen. Mit dem Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2000 wurden die Mittel zur Eingliederungshilfe für behinderte Studierende an die Hochschulen übertragen. Die Vergabe von Integrationshilfen wird nach einer Verwaltungsvereinbarung in ihrem Auftrag vom Studentenwerk wahrgenommen. Der von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur im Frühjahr 2001 vorgelegten Ausführungsrichtlinien haben das Ziel, eine einheitliche Beurteilung der erforderlichen hochschulspezifischen Hilfen und der Leistungsverpflichtung der Hochschulen zu gewährleisten.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass der Senat den Bemühungen nach einer umfassenden Qualifizierung und Förderung sowie einer dauerhaften Eingliederung behinderter Menschen in Arbeit und Beruf sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch, wo erforderlich, unter beschützenden Bedingungen hohe Priorität beimisst. Der Behindertenbericht 2000 legt ausführlich die vom Senat ergriffenen Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation und Integration behinderter Menschen dar. Ich erwähne beispielhaft einige wichtige Maßnahmen.

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Frau Sen Schöttler

Im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurden in den Jahren 1990 bis 1998 mit dem Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg zwei Sonderprogramme mit einem Volumen von 25,5 Millionen DM aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz mit dem Ziel durchgeführt, die berufliche Eingliederung schwerbehinderter Menschen in Berlin nachhaltig zu verbessern. Nach Expertenschätzungen wurden mit Hilfe dieser Programme rund 2 600 unbefristete Arbeitsverhältnisse für Schwerbehinderte zusätzlich geschaffen.

Ab 1. Oktober 2000 trat das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter in Kraft. Zur Umsetzung hat sich meine Verwaltung mit dem Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg auf die Durchführung eines gemeinsamen Berliner Aktionsprogramms mit dem Ziel verständigt, bis zum Oktober 2002 die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten um 2 000 zu verringern.

Für schwerbehinderte Menschen, die nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, wurde eine bedarfsgerechte Netz- und Aufbauplanung von Werkstätten für Behinderte mit integrierten Förderbereichen entwickelt. In den kommenden Jahren wird ein Angebot von rund 4 600 Plätzen im Werkstattbereich und rund 1 200 Plätzen in angegliederten Fördergruppen bereitgestellt werden, das den modernen Rehabilitationsansprüchen Rechnung trägt. Die mit dem Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, dem Land Brandenburg und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Behinderte e. V. abgestimmte Planung umfasst 24 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 200 Millionen DM. Sie wird je nach Bedarf korrigiert und einvernehmlich fortgeschrieben.

Die Umsetzung der Verpflichtung des Landes Berlin zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderung und die Überwindung bestehender geschlechtsspezifischer Benachteiligungen ist für den Senat von großem frauenpolitischen Interesse. Im Bereich der Rehabilitation ist eine individuelle Förderung behinderter Frauen durch die Bereitstellung von Teilzeitmaßnahmen für behinderte Mütter und die Ausweitung der Angebote in der beruflichen Rehabilitation notwendig. In Bezug auf die Verbesserung der beruflichen Situation behinderter Frauen und den Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen im Arbeitsleben hat der Senat Konzepte entwickelt und intervenierend und maßnahmenorientiert gearbeitet. Ein zentrales Anliegen ist dabei die Verbesserung der Datenlage. Zum Diskriminierungsverbot gehört die Offenlegung und die Verhinderung von Gewalt gegen behinderte Frauen. Um geschlechtsspezifische Benachteilungen im Bereich der beruflichen Bildung und Beschäftigung Behinderter abzubauen, muss die Förderung behinderter Frauen künftig zu einem integralen Bestandteil der Behindertenpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Frauenpolitik werden.

[Beifall bei der SPD]

Eine wichtige Aufgabe ist es, die Chancengleichheit behinderter Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt und in der beruflichen Rehabilitation künftig im Sinne des gender mainstreaming umzusetzen.

In meinen Ausführungen wird deutlich, dass das Landesgleichberechtigungsgesetz in allen Politikfeldern ein Neu-Überdenken herkömmlicher Anschauungen und Verfahrensweisen bewirkt. Wurden behinderte Menschen bisher eher als Empfänger von Hilfen gesehen, stehen nun die Teilhabe, das selbstbestimmte Leben und die Gleichstellung im Vordergrund. Die Umsetzung des Gesetzes und die dazu vom Senat eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe rückt ressortübergreifend mehr und mehr ins Bewusstsein, dass Behindertenpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. Ohne die Formulierung konkreter, einklagbarer Rechtsansprüche ist dieses Ziel schwer, ohne die Bereitstellung finanzieller Mittel erst recht nicht zu gewährleisten. Aber mit dem Landesgleichstellungsgesetz ist ein Prozess angestoßen worden, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Insgesamt wird es nach der Einschätzung des Senats auch noch auf absehbare Zeit der kritischen und korrigierenden Begleitung durch eine zentral für Behindertenpolitik zuständige Instanz bedürfen.

Wir alle, egal ob wir in der Politik, der Verwaltung oder in sonstigen Bereichen aktiv sind, müssen dazu beitragen, dass immer und überall Behindertenpolitik als Querschnittsaufgabe Berücksichtigung findet, denn letztlich können wir nur so zur Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes beitragen. Die Umsetzung bezeichne ich bislang als erfolgversprechend. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es das einzige Gesetz seiner Art deutschlandweit ist und wir somit ganz neue Wege beschreiten. Die Umsetzung des Gesetzes leidet daran, dass die Kosten, die durch neue Aufgaben entstehen, in der Regel durch die jeweils fachlich betroffene Senatsverwaltung aufgefangen werden müssen. Hierfür besteht angesichts der gegenwärtigen Haushaltssituation kaum Spielraum.

Dass das Gesetz keinen Finanzierungsvorbehalt enthält, verkehrt sich teilweise in einen Nachteil. Ich nenne ein konkretes Beispiel: Mit der Änderung des Berliner Hochschulgesetzes wurde der Kreis der Studierenden, denen Integrationshilfe zusteht, erweitert. Allerdings wurde der Umfang der Mittel nicht vergrößert. Da das Gesetz zudem nicht für die Evangelische und die Katholische Fachhochschule gilt, haben behinderte Studierende dort keinen Leistungsanspruch und müssen nach wie vor an die Sozialämter verwiesen werden.

Kritisiert wird ferner, das Gesetz enthalte nur wenige einklagbare Rechtsansprüche, so dass nur wenige grundsätzliche Veränderungen zu verzeichnen seien. Sinnvoll wäre es, so wird angeregt, unbestimmte Rechtsbegriffe und Sollvorschriften im Berliner Hochschulgesetz klarer zu formulieren und auch die Abgrenzung zu den Bestimmungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz deutlicher vorzunehmen. Darüber hinaus seien viele Vorschriften relativ allgemein gehalten. Entsprechende Ermächtigungen zur Konkretisierung fehlten allerdings. Der Landesbeauftragte für Behinderte, Herr Marquard, regt an, zunächst die genannten Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung des Gesetzes, insbesondere bei der Beteiligung des Landesbeauftragten für Behinderte, zu beseitigen und die Regelung zur Gleichstellung behinderter Menschen voll zur Anwendung zu bringen, bevor über eine Novellierung des Gesetzes nachgedacht werden sollte.

Vordringlichster Handlungsbedarf besteht noch immer im Bereich der Verbesserung der Lebenssituation gehörloser Menschen in Bezug auf konkrete Festlegungen zu den betreffenden gesetzlichen Vorschriften. Hier bedarf es, wie in anderen Bereichen auch, dringend der Flankierung der Berliner Vorschriften durch ein Gleichstellungs- bzw. Antidiskriminierungsgesetz auf Bundesebene. Diesem Bundesgesetz misst der Senat einen hohen Stellenwert bei. Das Berliner Gesetz setzt erfolgreich das Benachteiligungsverbot und das Gebot auf Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes um. Aber wir benötigen Änderungen von Bundesgesetzen, um unsere Ziele zu erreichen und das Erreichte zu sichern. Dies gilt für das Zivilrecht, das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Recht der Personenbeförderung, das Gaststättenrecht und für viele andere Gesetze, in denen dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Mit Nachdruck spricht sich der Senat dafür aus, dass die Verwendung der Gebärdensprache durch erfolgreiche Änderung von Bundesgesetzen rechtlich abgesichert wird. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Berliner Standards gesichert und bundeseinheitlich ausgedehnt werden. Dies ist deshalb notwendig, weil zum Beispiel für diejenigen öffentlichen Verkehrsträger in Berlin, die überregionale Verkehrsaufgaben erfüllen – wie zum Beispiel die Deutsche Bahn AG –, im Regional- und Fernverkehr im Unterschied zu den regionalen Anbietern – wie BVG und S-Bahn Berlin GmbH – keine direkte Verpflichtung zu behindertengerechten Angeboten besteht. So ist die in Berlin festgeschriebene Verpflichtung zur Barrierefreiheit schon jenseits der Stadtgrenzen im Lande Brandenburg regional nicht gesichert. Dies ist aber für die Region Berlin-Brandenburg unerlässlich. Diese Beispiele machen deutlich, dass wir ein Gleichberechtigungs- bzw. Antidiskriminierungsgesetz des Bundes dringend benötigen.

Ich appelliere gleichzeitig an alle Länder, entsprechende Landesgesetze zu erlassen. Dass die Zeit für diese Gesetze gekommen ist, führe ich auch auf die Vorbildwirkung des Ber