Nachdem die großen Koalition an der anhaltenden Realitätsverweigerung und Bewegungsunfähigkeit der Berliner CDU gescheitert ist, haben wir im Parlament eine Mehrheit gefunden, die den Weg für Neuwahlen freigemacht hat. Der neue Senat
und die Mehrheit dieses Hauses wollen schnelle Neuwahlen, und dies wollen auch mehr als zwei Drittel aller Berlinerinnen und Berliner. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]
Die SPD hat – ebenso wie Grüne und PDS – seit Wochen klar den nahe liegenden Wahltermin genannt. Hier gab es kein Wakkeln, kein Taktieren, keine Pirouetten, und es ist in diesem Parlament vor zwei Wochen auch so entschieden worden. Wir wollen Neuwahlen am 23. September 2001 – ohne Wenn und Aber, und das ist auch gut so!
Warum müssen wir heute wieder über das Thema Neuwahlen diskutieren? – Weil die CDU immer noch meint, ihr gehöre die Stadt. Weil die CDU immer noch meint, sie würde bestimmen, was in Berlin passiert, und weil die CDU immer noch interne Befindlichkeiten vor die Interessen der Allgemeinheit stellt.
Die Berliner CDU ist immer noch nicht in der Wirklichkeit angekommen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, blockieren schnelle Neuwahlen. Damit schaden Sie dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit von Politik und Demokratie.
Die CDU hat in den vergangenen Wochen ein Verwirrspiel aufgeführt, das in all seiner Vielfalt nur einem Zweck diente, nämlich Neuwahlen zu verhindern oder zu verzögern. Jeden Tag wurde eine neue Sau durch Dorf getrieben: erst die mögliche Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters, dann eine Vielzahl von Wahlterminen – der 16. September, der 13. August, der 11. November, [Heiterkeit bei den Grünen]
um nur einige zu nennen. Herr Steffel sprach sich für schnelle Neuwahlen aus. Der 11. November ist für Ihren Fraktionsvorsitzenden genau der richtige Termin, denn er hat vorhin hier seine Büttenrede schon abgeliefert.
Ihr Fraktionsvorsitzender hat sich also für schnelle Neuwahlen ausgesprochen. Sein Stellvertreter, Herr Kaczmarek, dagegen. Ihre Bundesvorsitzende, Frau Merkel, ist für schnelle Neuwahlen, und Herr Lehmann-Brauns ist eigentlich gegen jede vorgezogene Wahl. Dass Sie als CDU mit diesem öffentlichen Auftritt Angst vor dem Wählervotum haben, das kann ich gut verstehen.
Die Berliner SPD fürchtet das Wählervotum nicht. Wir wollen so schnell wie möglich eine Entscheidung darüber herbeiführen, wer die Zukunft der Stadt gestalten soll.
Wir haben die besseren Argumente. Wir haben mit Klaus Wowereit einen Regierenden Bürgermeister, der nicht die Vergangenheit beschwört, sondern die Stadt voranbringen will.
Die Menschen in der Stadt merken sehr wohl, wer ihre Interessen vertritt und wer nur auf den eigenen Vorteil schaut. Mit Kohl, Koch und Landowsky verkörpert die CDU die Partei der Spendenempfänger und der Klientelvertreter. Die SPD und die Koalition machen Zukunftspolitik für die ganze Stadt.
Es ist ziemlich unverfroren, wenn führende Vertreter der CDU nun auch noch Bedingungen an die Zustimmung zu Neuwahlen knüpfen – sei es die Abkopplung der BVV-Wahlen, die Vorlage eines Haushaltsentwurfs 2002 oder – wie jetzt wieder ins Gespräch gebracht – ein bestimmter, der CDU genehmer Wahltermin. [Zurufe von der CDU]
Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Berlin nicht 100 Prozent CDU ist. Genauso wenig, wie Sie als CDU 100 Prozent Berlin sind. Die Stadt will schnelle Neuwahlen. In Rekordzeit haben 70 000 Berlinerinnen und Berliner dafür unterschrieben.
Der Ruf der Wählerinnen und Wähler lautet nicht „Neuwahlen später“ oder „Neuwahlen kurz vor Heiligabend“, sondern „Neuwahlen jetzt“. Jetzt gilt es, das ernst zu nehmen.
Sehen wir uns die Argumente der CDU einmal näher an: Als wichtigstes Argument werden besonders rechtliche und finanzielle Bedenken geltend gemacht. So sei die Listenaufstellung in den Sommerferien nicht möglich, die Sondersitzung in den Parlamentsferien verursache horrende Kosten, die Wählerinnen und Wähler hätten nicht ausreichend Zeit zur Entscheidungsfindung. Meine Damen und Herren von der CDU, lassen Sie sich eines sagen: Die Wählerinnen und Wähler sind nicht so langsam und uninformiert, wie Sie das gerne hätten. Sie wissen sehr genau, wer für die Banken- und Finanzkrise die Hauptverantwortung trägt. Sie sehen, dass die CDU sich nicht erneuert – schon gar nicht mit Herrn Steffel als Landowsky-Wiedergeburt an der Fraktionsspitze. Die Berlinerinnen und Berliner sehen auch, dass selbst die Bundes-CDU die Berliner CDU als hoffnungslosen Verein betrachtet. Das wissen die Strategen der CDU sehr genau. Deshalb scheuen Sie auch schnelle Wahlen.
Den Zeitungen ist zu entnehmen, dass die CDU ihre Abgeordneten auffordert, einer Parlamentssitzung in den Sommerferien fernzubleiben, um keine Rückreisekosten zu verursachen. Es ist schon bemerkenswert, wenn der CDU der Urlaub ihrer Abgeordneten wichtiger ist als die Arbeit eines Verfassungsorgans.
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Kittelmann (CDU): Das ist doch eine dumme Bemerkung!]
In dieser Stadt mit mehr als 16 Prozent Arbeitslosen, mit Hunderttausenden von Sozialhilfeempfängern, mit dringendem Handlungsbedarf in Struktur- und Finanzierungsfragen machen Sie, Herr Steffel und Herr Kaczmarek, sich vorrangig Sorgen um die Erholungsreisen von Abgeordneten.
Die SPD ist der Auffassung, dass die gewählte Volksvertretung in Zeiten wie diesen kein Recht auf eine Auszeit von acht Wochen hat. Die SPD-Fraktion hat in ihrer Sitzung am Dienstag ihre Abgeordneten aufgefordert, ihre Urlaubspläne zu ändern und zur Sondersitzung des Parlaments in der Stadt zu sein. Das ist unser Beitrag zur Reduzierung von Kosten. Aber es ist vor allem ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit von Politik.
Offensichtlich handelt es sich eher um ein psychologisches Problem der CDU. Viele Frage würden sich nicht stellen, wenn die
CDU nicht zwei Wochen mit Ablenkungsmanövern vertan hätte. Wir als SPD sind vorbereitet, noch vor der Sommerpause unsere Nominierungen vorzunehmen.
Der Landeswahlleiter hat bereits festgestellt, dass dies möglich ist, wenn alle Parteien im Abgeordnetenhaus Neuwahlen im Herbst unterstützen. Also fangen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, doch einfach mit den Vorbereitungen für die Listenaufstellung an, und hören Sie auf, darüber zu reden!
Wie wir aber inzwischen aus Presseberichten wissen, sind die Listenaufstellung und die rechtlichen Bedenken nicht Ihr wirkliches Problem. Das Problem sind die Noch-Abgeordneten Lehmann-Brauns und Braun aus Zehlendorf und mit ihnen verbundene Teile der örtlichen CDU, die nicht wahrhaben wollen, dass sie bei innerparteilichen Wahlen die Mehrheit verloren haben. Sie und mit Ihnen die ganze CDU machen das Berliner Parlament und die Wählerinnen und Wähler zu Geiseln Ihrer innerparteilichen Machtkämpfe.