Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Vorschläge zur Herauslösung der Universitätsmedizin aus den Hochschulverträgen habe ich abgelehnt. Gerade in unsicheren Zeiten kann es nicht angehen, dass wir Rahmenbedingungen für die übrigen Hochschulen vertraglich absichern, aber der Universitätsmedizin diesen gesicherten Rahmen vorenthalten. Von Anfang an habe ich der gestellten Forderung, die es im politischen Raum gab, nach einer jährlichen Absenkung um 150 Millionen DM bei der Universitätsmedizin widersprochen und diese nicht für akzeptabel gehalten. Angesichts dieser Ausgangslage hat mein Haus in harten und intensiven Verhandlungen sowohl mit dem Koalitionspartner als auch mit den Präsidenten der Hochschulen und – ehrlich gesagt, nach einigen Turbulenzen – auch mit den Klinikvorständen ein Ergebnis erzielt. Und ich würde mich freuen, wenn auch die CDU, die ihr Herz für die Hochschulen entdeckt hat, den Hochschulverträgen zustimmen würde.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich darf ja gar nicht mehr alles sagen, deswegen muss ich jetzt blättern wie verrückt.

[Kittelmann (CDU): Sagen Sie doch mal was Wesentliches!]

Aber ein schönes Zitat würde ich Ihnen gern noch mit auf den Weg geben. Es ist natürlich schon so, dass wir uns nicht nur den Beifall der Hochschulen geholt haben. Ich habe übrigens lange genug auf der anderen Seite gestanden und weiß deshalb ziemlich genau, dass es auch ihr Geschäft ist, jetzt ziemlich zornig und auch bedenklich zu reagieren. Aber wir haben einen Kompromiss erzielt, und ein Kompromiss ist eben ein Kompromiss. Und da wusste schon Lessing:

In der Regel machen beide einen Fehler: der, der zu viel fordert, und der, der zu viel verspricht.

Und in Versprechen, das habe ich hier in den letzten drei Wochen gelernt, hat sich die junge Oppositionspartei dieser Herren hier in dieser Runde doch schon vortrefflich verstanden. Ich bleibe also dabei: Die Hochschulen werden in den nächsten Jahren ihren Auftrag erfüllen können, junge Menschen auf anspruchsvolle Berufe vorzubereiten und mit ihren Forschungsergebnissen innovationsbereiten Unternehmen die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Sie werden ihre Attraktivität für Studierende und Wissenschaftlerinnen aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland behaupten und ausbauen können. Und nebenbei bemerkt mit dem Effekt, dass jährlich mehrere 100 Millionen DM zusätzlicher Kaufkraft in die Stadt fließen, was auch meine Kollegin freut.

Wir haben das Allerbeste aus der Situation, die ich hier vorgefunden habe, gemacht. Unter der Verantwortung des neuen Senats und mit Hilfe des Parlaments kann die Weiterschreibung der Hochschulverträge nun zum Leben erweckt werden. Diese Verträge für die Berliner Hochschulen und auch für die Medizin bieten eine große Chance, denn sie bauen den wissenschaftlichen Einrichtungen eine schmale, aber durchaus tragfähige Brücke über das Berliner Haushaltsloch.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir wissen, dass wir überregional sehr genau beobachtet werden. Und nicht zuletzt hat uns der Wissenschaftsrat einige Aufgaben mit auf den Weg gegeben. Deshalb ermöglichen wir z. B. den vom Wissenschaftsrat nachdrücklich geforderten Ausbau der Fachhochschulen und sichern dies mit einer Umschichtung in Höhe von 75 Millionen DM innerhalb von 15 Jahren zu. Darüber hinaus sind Wettbewerbselemente in den Hochschulverträgen angelegt, was sich übrigens trefflich mit der Forderung der Industrie- und Handelskammer verträgt, die zu zitieren ich nicht so oft gewohnt bin. Ich zitiere aber trotzdem:

Berlin muss sparen, dabei aber die richtigen Prioritäten setzen. Das Land muss weiterhin in seine Infrastruktur, in Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie die effiziente Förderung der Wirtschaft investieren.

ein bisschen. Und weiter:

Die wissenschaftlichen Hochschulen sind das Pfund, mit dem Berlin wuchern muss. Sie sind der Humus, auf dem die wirtschaftliche Entwicklung gedeiht. Angesichts der Pensionierungswelle, vor der alle deutschen Hochschulen stehen, muss sich Berlin für den Kampf um die besten Köpfe rüsten.

Und ich füge hinzu: für den Kampf um viele Junge, um viele Kreative.

Ein Teil der öffentlichen Zuschüsse in den Hochschulverträgen wird nach den Leistungen in Lehre und Forschung sowie nach den Erfolgen bei der Nachwuchsförderung und der Frauenförderung vergeben. Die Hochschulverträge sind eine entscheidende Handlungsgrundlage für eine Wissenschaftslandschaft in Berlin, die außerordentlich dicht und vielgestaltig ist. Wir haben Kulturwissenschaften, Hightecheinrichtungen oder das HeinrichHertz-Institut und hervorragende Potentiale im Wachstumsbereich der neuen Technologie, z. B. der molekularen Medizin. Und Sie wissen auch, dass wir im Nachtragshaushalt zwei Projekte für Adlershof finanziert haben. Diese Potentiale sind unsere zukünftige Basis, wenn wir es klug anstellen.

Ich will Ihnen mal ein Beispiel geben, dass man auch mit ganz wenig Mitteln ziemlich viel bewirken kann. Gestern haben uns z. B. Wissenschaftlerinnen auf einem Biotechnologieforum vorgerechnet, dass sich bereits durch bescheidene Zuwendungen Initiativen anstoßen lassen, die wirklich große Zukunftschancen haben. Mit 180 000 DM, die mein Haus dem interdisziplinären Forschungsverbund biologische Strukturforschung zugeführt hat, sind Initiativen entstanden, die durch Wettbewerbe, Anträge an die Deutsche Forschungsgemeinschaft und an die EU-Mittel sage und schreibe 52 Millionen DM in die Stadt geholt haben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

In vielen Bereichen sehe ich deshalb Berlin weitaus positiver als den Ruf, denn wir haben Pfunde, mit denen sich wuchern lässt. Meine Aufgabe sehe ich darin, diese Qualitäten zu vernetzen, zusammenzuführen. Und das gilt gerade eben für die beiden Verantwortungsbereiche Kultur und Wissenschaft. Denn es gibt eine ganze Reihe von Querbezügen zwischen Museen, Galerien, Archiven, Bibliotheken und Hochschulen. Und das fassbar und irgendwie deutlich werden zu lassen, das ist das erklärte Ziel des Senats, und das werden wir auch schaffen.

Frau Senatorin! Ich wollte Sie nur darauf hinweisen: Der Senat hat immer unbegrenzte Redezeit, aber bei Haushaltsberatungen hatten wir verabredet, ich muss den Parteien insgesamt noch einmal eine neue Redezeit geben.

Nein, das will ich natürlich auf gar keinen Fall provozieren. Ich hatte nur meinen Zettel auf Ende der Redezeit gelesen. Ich bitte, diese Anfängerschwierigkeiten zu entschuldigen. – Ich glaube, mit einem Dank an die Präsidenten und an die Klinikvorstände und an die Abgeordneten, die dazu beigetragen haben, möchte ich schließen und kann nur hoffen, dass Sie den Verträgen zustimmen. Denn die Angehörigen der Hochschulen und die Studierenden brauchen diese Verträge. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Vielen Dank auch, Frau Senatorin! – Wir kommen nun zur zweiten Rederunde der Fraktionen. Es beginnt die CDU-Fraktion. Die Abgeordnete Frau Grütters hat das Wort. Sie haben noch etwa sieben Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schöne Lippenbekenntnisse haben wir heute hier gehört, oder den Umweg von Haushalt und Einsparung, Lippenbekenntnisse zum Primat von Bildung. Aber was ist Ihre Haushaltsrealität, Frau Krajewski, Ihr „pragmatischer Ansatz?“ Den

Wettbewerb um die Zukunft werden nämlich tatsächlich die intelligenten Standorte gewinnen. Berlin hätte die besten Chancen, wenn Sie, die Koalition, sie der Stadt nicht nähmen.

[Beifall bei der CDU]

Die Wissenschaft ist nämlich nicht nur wichtig für Akademiker, sie ist wichtig für jeden von uns, vom Professor bis zum Pförtner. Wissen Sie eigentlich, dass mehr als 55 000 Personen in der Wissenschaft beschäftigt sind, dass allein die Hochschulmedizin durch Drittmittel, also nicht durch Landesmittel, mehr als 6 000 Stellen im Jahr finanziert? Wissen Sie das eigentlich auch, Herr Wowereit? – Man kann sich ja nur wundern, das Erste, was Herr Wowereit zum Beweis auch seiner Behauptung, er wolle die Bildung schützen – aber vielleicht meinen Sie ja nur das Ressort von Herrn Böger –, also zum Beweis seiner Behauptung über das Primat von Bildung gesagt hat, ist die Zerstörung der Universitätsmedizin. Hatten Sie das gemeint? – Unter maßgeblicher Mitwirkung der CDU-Fraktion ist 1997 das Kernstück der Berliner Wissenschaftspolitik gelungen. Radunski hat damals die Hochschulverträge auf den Weg gebracht, die Frau Goehler hier erst schaffen wollte. Nein, Frau Senatorin, ich werfe Ihnen heute nicht vor, dass Sie nicht schon hundert Jahre hier sind, aber Sie müssen schon zugeben, wenn Sie mir zuhören wollen, dass es einen Wissenschaftsbegeisterten schockieren kann, diese Ihre Ankündigung bei Ihrer Vorstellung zu hören, als wüssten Sie nicht, wohin Sie sich beworben haben.

[Beifall bei der CDU]

Leider haben Sie aber mit Ihren ersten Tagen die Befürchtung gestärkt, dass Sie nicht nur Dinge einführen wollen, die es in Berlin längst gibt, sondern dass Sie diese Errungenschaften eher kaputt machen werden, zum Beispiel den Reformstudiengang Medizin an der Charite´.

[Unruhe]

Das hat Herr Mlynek in Aussicht gestellt, wenn Sie bei den Einsparungen in der Medizin bleiben, das wissen Sie auch, Herr Hoff. Ich nehme Ihnen nicht übel, dass Sie sich nicht in wenigen Tagen einarbeiten konnten,

[Gaebler (SPD): Wollen Sie die Hochschulverträge oder nicht? – Frau Dr. Klotz (Grüne): Nicht so überheblich!]

aber dass Sie in einer solchen Situation einen der fähigsten Wissenschaftsexperten der Republik, Staatssekretär Dr. Lange, verabschiedet haben, das ist eine Schande.

[Beifall bei der CDU]

Das degradiert die Wissenschaft. Das nehme ich Ihnen übel, dass Sie lieber Parteifreunde versorgen und sich einen grünen Koordinator Köppl holen.

[Cramer (Grüne): Jetzt hören Sie aber auf! – Frau Merkel (SPD): Sie haben es nötig!]

Und was macht der, Herr Cramer? Er widerlegt in seiner ersten Amtshandlung alles, was er selbst vorher im Parlament vertreten hat.

[Beifall bei der CDU]

Jetzt vollzieht er willig die irren hingeworfenen Wahlkampfzahlen eines Herrn Wowereit und spart, wie er selbst zugesteht, ein ganzes Uniklinikum ein.

Wenn das, Herr Wolf, die „strukturellen Entscheidungen“ in der Hochschulmedizin sind, die Sie gerade angemahnt haben, dann sagen Sie das offen.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Dann sagen Sie offen, dass Sie das UKBF einsparen wollen, so wie wir es von der SPD auch schon gehört haben, Herr Gaebler.

[Beifall bei der CDU]

Und eine andere Struktur, Herr Wolf, wird es mit uns auch nicht geben, eine Medizinische Hochschule. Kombinatslösungen wie diese gehören Ihrer Vergangenheit an, aber nicht unserer Zukunft.

[Beifall bei der CDU]

Aber Machtübernahme macht offenbar blind. Das Abstimmungsverhalten der Vertreter von Grünen und PDS im Wissenschaftsausschuss war schon ein Offenbarungseid, ein Tiefpunkt in der Berliner Wissenschaft. Sie, Herr Weinschütz und Herr Hoff, haben offenbar mit dem Tag des Regierungswechsels auch Ihre Überzeugung gewechselt

[Beifall bei der CDU]

und verstehen sich jetzt als billiges Vollzugsorgan der Buchhälter- und Krämerseele des Herrn Wowereit.

[Unruhe]

Mit einer solchen Haltung ist auch der Zukunftsfonds geschlachtet worden. 250 Millionen DM weniger für Wissenschaft und Zukunft – da würde ich auch laut an Ihrer Stelle –, stattdessen Vertragsbrüche gegenüber der TSB, der Länder Berlin-Brandenburg, und ein Verhindern erstklassiger Projekte aus der Genomforschung.