Herr Kaczmarek! Wenn Sie sich hier hinstellen und davon ausgehen, dass die CDU ein 50-Punkte-Programm vorgelegt hat, dann sage ich auch: Sie müssen sich schon einmal entscheiden! Stehen Sie als Fraktion zu diesem 50-Punkte-Programm, oder stehen Sie nicht dazu? – In der Vergangenheit und in den letzten Tagen während der Haushaltsberatungen haben Herr Kaczmarek und die CDU-Fraktion immer dann, wenn es ihnen gepasst hat, gesagt: Ha! Da haben wir aber ein tolles 50-Punkte-Programm hingelegt! – Aber wenn es ihnen nicht gepasst hat – z. B. beim Nicht-Bau der U 5, der auch zu den 50 Punkten gehört –, wurde gesagt: Das ist nicht unsere Idee! Von den 50 Punkten können wir vielleicht mit 25 leben, mit den anderen 25 Punkten wollen wir nichts zu tun haben. Die sind nicht von uns. – Also, entscheiden Sie sich einmal! Sind es nun die 50 Punkte der CDU-Fraktion, oder sind nur 25 von Ihnen? Irgendwie müssten Sie das mal klar und deutlich sagen. Das wäre sehr hilfreich.
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Trapp (CDU): Sie regieren doch! – Zuruf des Abg. Kaczmarek (CDU)]
Herr Kaczmarek! Wenn Sie sich hier hinstellen und über den schlechten Nachtragshaushalt reden, aber kein Wort darüber verlieren, woraus dieses Schuldenloch resultiert und woher es eigentlich kommt, dann ist dann schon eine Dreistigkeit und eine Unverfrorenheit, die ihresgleichen sucht.
[Beifall bei den Grünen und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Kaczmarek (CDU): Dann haben Sie nicht zugehört!]
Blicken wir doch einmal zurück! Es hat alles u. a. damit angefangen, dass die Berlinhilfen in einem unglaublich schnellen Tempo so zurückgefahren wurden, dass es natürlich an die Lebensstränge dieser Stadt ging. Von wem aber wurden diese Berlinhilfen in so schneller Zeit und so rabiat zurückgefahren?
Es war die CDU-Bundesregierung, die uns das damals eingebrockt hat. Das war der Anfang für das Schuldenloch, mit dem wir heute noch zu kämpfen haben. Auch das waren Sie von der CDU, wenn es auch die Bundesregierung war. Sie haben vergessen, das in Ihrer Rede zu sagen, Herr Kaczmarek!
Wir wollen überhaupt nicht in Zweifel ziehen, dass die einigungsbedingten Aufgaben in dieser Stadt selbstverständlich auch etwas mit den Finanzierungsproblemen zu tun haben, die heute noch durchschlagen. Das wollen wir überhaupt nicht in Abrede stellen. Aber wir lassen es nicht zu, dass Sie jede Art von Metropolenwahn, den Sie in den vergangenen zehn Jahren ausgelebt haben – von der Olympiabewerbung bis hin zu den Entwicklungsgebieten und vielen anderen Dingen auch –, unter der Abteilung „vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ abbuchen. Das ist unehrlich und unredlich, und Sie wissen das auch.
Wenn Sie sich hier hinstellen, über den Haushalt reden und kein Wort – bis auf ein paar Worte, die so leise waren, dass man sie hinten kaum noch gehört hat – zu dem Schaden sagen, den das Desaster mit der Bankgesellschaft Berlin für den Berliner Landeshaushalt bedeutet, dann finde ich das heuchlerisch. Herr Kaczmarek! Sie wissen genau, dass der Ausfall der Dividende, die eben nicht in den Landeshaushalt hineinfließt, dass der Abbau von Arbeitsplätzen, den die Bankgesellschaft durchführen wird, und dass die nötige Kapitalzufuhr das Land Berlin und den Landeshaushalt belasten. Dies haben Teile der CDU mit verursacht, und das sollten Sie endlich auch einmal zugestehen und dafür Verantwortung übernehmen. So lange Sie das nicht tun, kann ich nur sagen: Schämen Sie sich, dass Sie nicht einmal dazu den Mut haben!
Wenn ausgerechnet Sie sich hier hinstellen und von Ämterpatronage reden, dann ist das wirklich der Hammer. Also, das muss man wirklich mal sagen: Es ist der Hammer!
Sie haben wohl offensichtlich überhaupt nicht gemerkt, dass wir erst einmal diese stolze Riege der Staatssekretäre reduziert haben. Die habe ich ja erst an dem Tag, als der Diepgen-Senat abgewählt wurde und alle Staatssekretäre hier aufgelaufen sind, in ihrer ganzen Größe, Schönheit und Quantität gesehen.
Ich habe mir überlegt, was diese Unmenge von Staatssekretären das Land Berlin kostet. Wer hat die eigentlich eingeführt, Herr Kaczmarek? – Das waren ja wohl nicht wir! Wir haben die Zahl der Staatssekretäre reduziert.
Und ich sage Ihnen: Wir haben für diesen Übergangssenat immer darauf geachtet, dass die Varianten so kostengünstig sind, wie es nur geht. Wir waren dabei sparsam und werden das auch bleiben – im Unterschied zu Ihnen. Das haben Sie ja in den vergangenen Jahren bewiesen.
Wenn Sie kritisieren, dass wir zwei Staatssekretäre für Kultur eingestellt haben, so kann ich Ihnen nur sagen: Da war eine Hinterlassenschaft von Ihnen mit einem Vertrag, der eben nicht mit dem Ende der Legislaturperiode beendet werden konnte, sondern dieser Mann musste im Amt bleiben. Den Vertrag haben aber nicht wir gemacht, sondern den haben unsere Vorgänger gemacht. Dafür sind Sie zuständig.
Wenn Sie jetzt die Einhaltung des Landesgleichstellungsgesetzes einfordern, so finde ich das auch köstlich – gerade die CDU als stets den Frauen zugewandte Partei. So haben wir das in den vergangenen Jahren erlebt.
Nicht eine einzige Senatorin kam von Seiten der CDU, und Sie stellen sich heute hin und sagen: Der Köppl ist keine Frau. Sie haben das Landesgleichstellungsgesetz umgangen. – Das ist ein Treppenwitz der Geschichte.
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Kaczmarek (CDU): Das ist nicht die Frage. Es ist die Frage, ob es gegen das Gesetz verstößt!]
Wir haben hier drei Senatoren von den Grünen sitzen – auch die SPD weiblich hat zugelegt –, Herr Wieland ist der Mann, das ist unstreitig erkennbar.
Wir haben zwei Frauen als Senatorinnen, auch die Finanzsenatorin ist eine Frau. Damit haben wir eine Leistung vorgelegt, danach können Sie sich die Finger lecken.
Wenn wir von drei Positionen zwei mit Frauen besetzen und von vier Staatssekretärspositionen zwei ebenfalls mit Frauen besetzen, dann ist das die 50-Prozent-Quote. Die müssen Sie in Ihrer Partei erst einmal hinbekommen, danach können Sie sich strekken. [Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)] Ich habe, als ich vorhin begann, über 1995 zu sprechen, und Herrn Liepelt zitierte, gesagt, dass Berlin sechs verlorene Jahre hinter sich hat, in denen die große Koalition weiter gewirtschaftet hat. [Kaczmarek (CDU): Mit der SPD!] Sechs verlorene Jahre und nicht zehn verlorene Jahre sage ich, weil spätestens im Jahr 1995 auch Teilen der großen Koalition klar war, dass immer mehr Schulden die Stadt kaputt machen würden. Wahrheit und Klarheit in der Haushaltspolitik sind versprochen worden, Landesvermögen wurde veräußert, Personal wurde abgebaut, und auch wirkliche Konsolidierungsanstrengungen – das will ich gar nicht leugnen – wurden unternommen. Das ist die eine Seite der Veranstaltung. Die andere Seite – und auch deswegen sage ich, waren es sechs verlorene Jahre – ging munter weiter, mit Klientelbedienung, Geldverschwendung und Misswirtschaft. In der Bankgesellschaft setzten die Amigos das Geld effizient – so sagte Herr Liepelt, man solle das Geld effizient einsetzen – ein, allerdings CDU-effizient, vor allen Dingen für sich und ihre Parteifreunde. Die Haushaltssituation, die wir heute haben, haben wir auch der Berliner CDU zu verdanken. Bereits 1995 hat die Stadt Berlin vor Aufgaben gestanden – auch deswegen sage ich, sind es sechs verlorene Jahre –, vor denen wir auch heute noch stehen: Gerechtere Bildungschancen, damit die Berliner Kinder und Jugendlichen nicht schlechter in das Leben starten als die Kinder und Jugendlichen aus anderen Bundesländern, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Bekämpfung der Armut in der Stadt, die Verbesserung der Lebenssituation von Familien, damit gerade junge Familien in der Stadt bleiben und sich hier wohl fühlen, die Sicherung Berlins als Standort von Kultur und Wissenschaft, die Gestaltung Berlins als Einwanderungsstadt, als demokratische Stadt, ohne Intoleranz und Rechtsextremismus und last but not least Berlin zu einer Metropole mit einer lebenswerten Umwelt zu machen, in der die Luft und der Verkehr nicht so dick sind, dass man krank davon wird. [Beifall bei den Grünen] Das sind die Aufgaben, die schon vor sechs Jahren, als die große Koalition in ihre zweite Runde ging, vor uns lagen. Diese Aufgaben sind bis heute unerledigt, die Probleme sind noch größer als damals. Wir haben Zeit verloren, wir haben alle festzustellen, dass Vertrauen in die Politik verloren wurde und wir müssen feststellen, dass die Gestaltungsräume, die Gestaltungsmöglichkeiten durch die desaströse Haushaltssituation des Landes Berlin heute so gering sind wie nie zuvor. Das ist eine Wahrheit, an der die CDU-Opposition hier nicht vorbeikommt. Auch Sie nicht, Herr Kaczmarek, auch Herr Steffel nicht, der immer so tut, er wäre erst seit sechs Wochen in der Politik. Wir kommen aber auch an der Verantwortung der SPD in dieser großen Koalition nicht vorbei. Die SPD hat nicht den CDU-Filz zu verantworten, sie hat nicht die faulen Kredite zu verantworten, für die wir heute blechen müssen, [Niedergesäß (CDU): Natürlich!] aber sie trägt die politische Verantwortung für das Konstrukt Bankgesellschaft Berlin, das wir als Bündnisgrüne damals, als es eingeführt wurde, kritisiert und darauf hingewiesen haben, dass die Gefahr bestünde, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste vergesellschaftet werden. [Niedergesäß (CDU): Das ist Ihr Lieblingssatz aus dem Sozialismus!] Das ist eingetreten. Dafür trägt die große Koalition insgesamt die Verantwortung, und auch dies darf man in einer Haushaltsdebatte im Jahr 2001 nicht vergessen. [Beifall bei den Grünen]
Der rot-grüne Senat hat sich mit dem Nachtragshaushalt zwei Aufgaben gestellt: Zum Ersten ein deutliches Signal zu setzen, dass in Berlin gespart werden muss – und zwar ohne Wenn und Aber – und dass dies eine Aufgabe des gesamten Senats ist. Dieses Ziel ist mit einem Einsparvolumen von 90 Millionen DM mehr als in dem ursprünglich von der CDU vorgelegten Nachtragshaushalt gelungen.
Zügig wurden Entscheidungen wie der Verzicht auf die KanzlerU-Bahn getroffen. Keine Einsparungen gibt es in der Bildungspolitik. Damit hat der rot-grüne Übergangssenat seine Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Zum Zweiten haben wir zu Gunsten der Bildungs- und der Sozialpolitik umgesteuert. 60 Stellen für die Integration behinderter Kinder in den Oberschulen, kleinere Klassen für die Problemgebiete in der Stadt, 1 Million DM für die Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit, die Möglichkeit für 1 500 Sozialhilfeempfangende, den Wiedereinstieg in Arbeit zu finden, all dies sind richtige und deutliche Signale und zeigt, dass man trotz Konsolidierung, trotz wirklicher Konsolidierung, auch soziale Gerechtigkeit walten lassen kann.
Der rot-grüne Senat hat im Nachtragshaushalt klargemacht, dass die Haushaltskonsolidierung, die Stärkung der Bildungspolitik und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit untrennbar zusammen gehören. Ich finde, dass ist ein richtiges und ein gutes Signal.
Ich möchte gern zu einer Einnahmeerhöhung etwas sagen, die hier von Seiten der CDU – was mich sehr verwundert hat – so offensiv angesprochen wurde. Es gibt auf der Einnahmenseite einen Titel, dessen Ansatz deshalb erhöht worden ist, weil mehr Verkehrskontrollen durchgeführt und mehr Menschen beim Rasen erwischt werden. Das findet die CDU nicht gut. Das wundert mich.
Ich habe immer gedacht, Sie seien die Partei, die die Einhaltung von Recht und Gesetz fordert. Weshalb wollen Sie die Einhaltung von Recht und Gesetz nicht, wenn Autofahrer durch die Stadt rasen,
wenn sie Fußgänger, wenn sie vor allem Kinder gefährden, weshalb wollen Sie denen das durchgehen lassen? Was ist eigentlich schlecht daran,
wenn man die Kontrollen verbessert und dies nebenbei noch Einnahmen für den Landeshaushalt zur Folge hat? – Ich verstehe das nicht.
Wir wollen mehr Verkehrssicherheit, und wenn uns das gelingt und wir damit zugleich noch Einnahmen realisieren, dann kann niemand etwas dagegen haben.