Die Steuerquote von 41 Prozent ist auch, aber nicht nur ein Ausweis unserer geringen Steuerkraft. Sie ist vor allem ein Beleg dafür, dass unsere Ausgaben zu hoch sind. Es gibt kein relevantes Ausgabenfeld, in dem Berlin bei den Kosten nicht an der Spitze aller Bundesländer liegt. Zum Teil übertrifft es den Durchschnitt um ein Mehrfaches. In einer solchen Situation geht es nicht um die Verteidigung des Status quo. Es kann und darf nicht alles so bleiben, wie es ist. Politik für das neue Berlin heißt, den Veränderungsprozess zu akzeptieren und zu steuern, nicht, ihn zu blockieren. Der Senat stellt sich diesem Reformprozess und wird in dieser Legislaturperiode die Ausgaben um 4,5 Prozent absenken, und das bei steigenden Zinsbelastungen. Unsere Politik wird daran gemessen werden, wie weit es gelingt, auf die Rasenmähermethode zu verzichten. Die Alternative hierzu heißt: Setzen klarer Prioritäten.
Es ist selbstverständlich, dass die Prioritätensetzung der Regierungserklärung sich in Haushalt und Finanzplanung widerspiegelt. Nur einige Beispiele: Im vorliegenden Haushalt sind 100 Millionen DM zur Sanierung von Schulbauten veranschlagt. Zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen gehört, dass wir Schulgebäude nicht verfallen lassen. [Beifall bei der CDU und der SPD]
Der Senat stellt Mittel bereit, mit denen wir einen Beitrag für die Realisierung des Großflughafens Schönefeld leisten. Das bedeutendste Infrastrukturvorhaben der gesamten Region für
einen langen Zeitraum wird planmäßig in Betrieb gehen. Allerdings werden alle Gesellschafter der Flughafenholding in diesem Jahr einen Beitrag dazu zu leisten haben. Berlin ist grundsätzlich bereit dazu.
Und ein dritter Punkt: Der weitere Ausbau des Wissenschaftsstandortes Berlin bleibt auch finanzpolitisch von überragender Bedeutung. In Buch und Adlershof entstehen Technologiezentren, von denen zusätzliche Impulse für den High-Tech-Standort Berlin ausgehen.
Bei dem notwendigen Bekenntnis zu Prioritäten muss aber zweierlei klar sein: Priorität heißt nicht Blankoscheck. Auch in vorrangigen Bereichen kann und muss wirtschaftlicher gearbeitet werden. Natürlich haben unsere Bemühungen, arbeitslosen Menschen wieder zu einer regulären Beschäftigung zu verhelfen, weiter einen hohen Stellenwert. Wir wollen aber nicht Arbeitsbeschaffung für Arbeitsbeschaffer. Unser Ziel sind nicht möglichst viele Projekte, sondern wir wollen mit effektiverem Mitteleinsatz die Beschäftigungschancen möglichst vieler Arbeitsloser erhöhen.
Die Entscheidung für Prioritäten wird glaubwürdig erst dann, wenn wir mit derselben Konsequenz feststellen, was weniger wichtig ist. Man kann nicht einen ganzen Haushalt für prioritär erklären. Vieles, was wünschenswert, aber nicht vorrangig ist, wird nicht zu finanzieren sein.
Der Tanker Berlin hat in den letzten Jahren das notwendige Wendemanöver begonnen. Es ist noch lange nicht beendet. Jetzt die mangelnde Steuerbarkeit unseres Haushalts zu erklären, manchmal zu beschwören, hilft nicht weiter. Wir werden Leistungsgesetze zu ändern, Verträge neu zu verhandeln haben.
Der letzten Steuerschätzung folgend, veranschlagen wir für das Jahr 2000 Steuereinnahmen von etwa 16,8 Milliarden DM. Dieser Betrag ist für die Folgejahre nicht gesichert. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Reform der Unternehmen- und Einkommensteuer vorgelegt. Auf einige sehr komplizierte Einzelheiten – Optionsmodell, Anrechnungsverfahren etc. – gehe ich nicht ein; für das Land Berlin sind zwei Bestandteile der Reform nicht akzeptabel:
1. Da die Regierung auf ein umfassendes Gegenfinanzierungskonzept verzichtet, entstehen Einnahmeausfälle für die öffentliche Hand, die allein für Berlin im nächsten Jahr auf 1,2 Milliarden DM zu veranschlagen sind. Das ist ein Strukturfehler dieser Reform. Die Absenkung der Steuersätze wird nicht durch eine entsprechende Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenfinanziert.
Noch entscheidender ist der 2. Kritikpunkt: Der Vorschlag der Regierung entlastet die Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Körperschaftsteuer. Ca. 92 Prozent der Berliner Unternehmen sind aber keine Kapitalgesellschaften. Sie erfahren also keine hinreichende Entlastung. Durch die Veränderung der Abschreibungsbedingungen werden sie aber genauso wie Kapitalgesellschaften belastet. Wenn der Mittelstand, der Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft, nicht wirksam entlastet wird, dann geht auch die Hoffnung auf Wirtschaftsbelebung, auf neue Investitionen, auf neue Arbeitsplätze fehl. Natürlich brauchen wir eine Steuerreform, die Entlastung und – wenn möglich – Vereinfachung bringt. Wir hätten sie früher haben können.
Und es wird eine Blockadepolitik von Berlin im Bundesrat nicht geben. Der vorliegende Gesetzentwurf – da ist sich Berlin mit der Mehrheit der Bundesländer einig – ist so nicht zustimmungsfähig.
Im Gegenteil: Wir haben die Absicht, den Gewerbesteuerhebesatz in dieser Legislaturperiode zu senken.
Das wird der Koalition wegen der finanziellen Auswirkungen nicht leicht fallen. Aber es ist unverzichtbar. Werfen Sie einen Blick auf die 15 größten Industriebetriebe in der Stadt: Von ganz wenigen Berliner Traditionsunternehmen abgesehen, sind die Entscheidungszentralen nicht in Berlin. In all diesen Fällen steht die Berliner Niederlassung in einem konzerninternen Kostenwettbewerb, und wir wissen alle, der wird internationaler und intensiver. Berlins Wachstumspotential liegt nicht im industriellen Bereich, sondern im Dienstleistungssektor. Ohne industrielle Basis gelingt eine gesunde Wirtschaftsentwicklung nicht, und deshalb brauchen wir im Interesse der Industriebeschäftigten eine Kostenentlastung und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerade im industriellen Bereich.
Wir brauchen eine Stärkung unserer Steuerkraft – aber durch Gewinnung neuer Steuerzahler und nicht durch höhere Belastung der vorhandenen Steuerzahler.
Der Senat wird auch in dieser Legislaturperiode weitere Unternehmensbeteiligungen veräußern. In den nächsten Jahren streben wir Gesamteinnahmen von 7,5 Milliarden DM an. Dieses geschieht – ich räume das ein – zur Gesamtdeckung des Haushalts. Es ist bedauerlich, dass Berlin keine dementsprechenden zusätzlichen Investitionen und auch Rückzahlungen von Schulden vornehmen kann. Aber auch unabhängig davon ist sinnvoll, dass wir für geeignete landeseigene Unternehmen und damit Berlin neues Engagement und neues Kapital gewinnen. Der Staat muss nicht besitzen. Der Staat muss gestalten.
Es ging und geht uns bei Privatisierungen nicht nur um einen optimalen Kaufpreis. Es geht uns auch um die Stärkung des Standorts. Selbstverständlich gehört es in jedem Fall zu unserer Verantwortung als Eigentümer, dass wir die Belange der Beschäftigten angemessen berücksichtigen. An sozialer Verantwortung hat und wird es ein von Eberhard Diepgen geführter Senat nicht fehlen lassen.
Wir wissen um die besondere Bedeutung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die über viele Jahrzehnte Stadtentwicklung und Baugeschehen geprägt haben.
Berlin ist heute noch Mieterstadt, und bezahlbarer Wohnraum gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen, über die sich der Senat nicht hinwegsetzt.
Und wir werden auch in Zukunft Unternehmen benötigen, die Instrumente unserer Mietwohnungsbau- und Stadtentwicklungspolitik sind, aber nicht in der Anzahl wie bisher. Daher wird der Senat angesichts des völlig geänderten Marktes sowohl Privatisierungen wie auch sonstige Zusammenführungen von Wohnungsbaugesellschaften vornehmen.
Der Senat steht zu seinem Wort: Privatisierung nicht zu Lasten der Beschäftigten und schon gar nicht zu Lasten der Mieter – im Gegenteil, [Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]
wir streben an, dass diese als erste von einem privaten Mehrheitseigentümer profitieren. Ich halte es nicht für einen Zufall, dass es die GEHAG nach der Privatisierung als erste Wohnungsbaugesellschaft war, die für ihre Mieter eine 25prozentige Strompreisreduzierung erreichen konnte und an die Mieter weitergegeben hat.
Wir wollen die Rückführung direkter und indirekter wirtschaftlicher Beteiligungen der öffentlichen Hand. Dies stärkt den Wirtschaftsstandort. Dass sich namhafte internationale Unternehmen für ein Milliardeninvestment in Berlin entscheiden wie
bei der Bewag, bewirkt weltweit für das Ansehen der Stadt mehr als bloße Marketingaktivitäten. Wir müssen Rahmenbedingungen für andere setzen, anstatt dem Irrglauben zu verfallen, alles selber zu tun.
[Wieland (GRÜNE): Ach! Diepgen hat uns jahrelang vom Unternehmen Berlin gepredigt. Was gilt denn nun?]
Konsolidierungsprozesse haben aber Parallelen. Langfristige Bindungen müssen reduziert, Investitionen in zukunftsbezogene Geschäftsfelder gerichtet werden. Wir müssen uns auf Kernbereiche konzentrieren. Was sich in der Wirtschaft vielfach bewährt hat, ist auch für uns nicht falsch. Die Privatisierungspolitik wird daher neben der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen einen weiteren Schwerpunkt setzen. Die strukturellen Probleme unseres Haushalts lösen wir über Einmaleffekte nicht. Wir müssen vielmehr unsere Aufgabenwahrnehmung endlich konsequent überprüfen, für welche Bereiche private Lösungen kostengünstiger sind und in anderen Kommunen längst üblich. Ich weiß schon, hier passt der Hinweis von Roman Herzog besonders gut: Wir haben weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsdefizit. – Aber Stellenabbau ohne Aufgabenkritik wird sehr bald an die Grenzen des Machbaren stoßen. Der Senat wird Ihnen noch vor der Zweiten Lesung eine überarbeitete Konzeption zum Liegenschaftsfonds vorlegen. Wir sehen dieses Konzept als Einstieg in ein umfassendes Gebäude- und Ressourcenmanagement, das Berlin dringend braucht.
Die Personalkosten werden in diesem Jahr bei 13,71 Milliarden DM gedeckelt. Wir beabsichtigen, diesen Wert für die gesamte Legislaturperiode fortzuschreiben. Das ist nicht ohne Risiko; es bedeutet Anstrengungen für alle Bereiche. Ein weiterer Stellenabbau ist erforderlich, und er ist unverzichtbar. Und er wird wie bisher sozial verträglich erfolgen. Auf einen Punkt möchte ich aber in aller Deutlichkeit hinweisen: Die Belastung des Haushalts ist von den Beschäftigten in Hauptverwaltung und Bezirken weder zu verantworten noch ihnen vorzuwerfen. Zuweilen wird auch in den öffentlichen Diskussion vergessen, was die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gerade im letzten Jahrzehnt geleistet haben.
Zur Fürsorgepflicht des Landes gehört auch, dass wir nicht den Eindruck entstehen lassen, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien vor allem ein Kostenfaktor. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund der vom Senat beschlossenen Arbeitszeitverlängerung für Lehrer. Wer der Bildung den angemessenen Stellenwert verleihen will, der sollte dieses auch durch eine Wertschätzung der Arbeit von Lehrern ausdrücken. Diese Wertschätzung wird aber durch eine höhere Stundenzahl auch nicht in Frage gestellt, sondern hier geht es um eine auch im Bundesvergleich angemessene und vertretbare Belastung, die Neueinstellungen ermöglicht. Dieser zweite Punkt ist mir besonders wichtig.
Stellenabbau durch völligen Verzicht auf Neueinstellungen hieße, die Lasten allein auf die jüngere Generation zu verlagern. Das wäre unverantwortlich, weil wir das spezielle Know-how und Engagement von älteren und jüngeren Mitarbeitern brauchen. Deshalb muss und wird es einen Einstellungskorridor geben.
Leicht wird der Konsolidierungskurs nicht. Er scheitert, wenn 95 % der Berliner Verwaltung in den kommenden Jahren ihren Sachverstand und ihre Energie darauf verwenden sollten, zu erklären, warum was alles nicht geht. Wir brauchen das genaue Gegenteil. Wir brauchen die Fachkunde und das Engagement aller, um unsere Verwaltung so zu gestalten, dass sie bezahlbar wird. Nur mit diesem gemeinsamen Einsatz treffen wir die Entscheidungen, die sozialer Verantwortung und Zukunftsfähigkeit