Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

dass die Nichtverausgabung von 162 Millionen € investiver Mittel

erforderlich sei, um die Steuerausfälle und andere Mehrausgaben, beispielsweise bei der Sozial- und Jugendhilfe, auszugleichen.

Deutlicher kann man den laxen Umgang mit der Berliner Verfassung nicht machen. Dieser Satz wird sicherlich in der mündlichen Verhandlung vom Landesverfassungsgericht in der nächsten Woche eine große Rolle spielen können.

[Beifall bei den Grünen]

Haushaltssanierung kann so nicht funktionieren, weil dieses Verfahren die Zukunftspotentiale der Stadt untergräbt, statt sie zu stärken. Der fortschreitende Verfall der baulichen Infrastruktur, insbesondere bei Schulen und Sportanlagen, ist dafür ein beredtes Beispiel. Die Kürzungen im Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm müssen zurückgenommen werden. Dies ist auch bildungspolitisch eine Notwendigkeit. Die notwendige Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berlin erfolgt mit diesem Haushalt nicht. Die Investitionen werden zurückgefahren statt aufgebaut, und jenseits der Erhöhung der Wirtschaftskraft wird es in Berlin auf absehbare Zeit immer einen Bedarf an aktiver Arbeitsmarktpolitik geben.

Die Verabschiedung der Hartz-Gesetze darf nicht zu einer Verabschiedung des Landes aus dem Politikfeld Arbeitsmarkt führen. Dies hat auch Wirtschaftssenator Wolf erkannt. In einer viel beachteten Pressekonferenz hat er gemeinsam mit seinem PDS-Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern in der Sommerpause die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung gegeißelt und Forderungen aus PDS-Sicht aufgestellt. Wenige Tage später hat er dann gemeinsam mit seiner Kollegein Knake-Werner die aktive Arbeitsmarktpolitik in Berlin für das Jahr 2005 drastisch reduziert, Einsparung 100 Millionen €. – Berlin ist endlich wieder Vorreiter, der deutsche Meister der Doppelzüngigkeit, der Doppelmoral sitzt in diesem Senat. Das ist doch auch schon was!

[Beifall bei den Grünen]

Zu den wichtigsten Investitionen gehört der Ausbau und die Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin. Hier liegt die eigentliche Zukunftschance der Stadt. Die Nutzbarmachung des enormen wissenschaftlichen Potentials der Stadt auch für die wirtschaftliche Entwicklung ist einer der Kernpunkte der zukünftigen Prognosen und Potentiale. Doch was macht der Senat? – Aufbau des Campus Adlershof der Humboldt-Universität: ersatzlos gestrichen,

[Zuruf des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

Verlagerung der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft nach Oberschöneweide: ersatzlos gestrichen. So richtet man die Stadt zu Grunde und nimmt ihr jede Perspektive. So verschreckt man auch Menschen, die gerne nach Berlin ziehen, hier arbeiten und leben würden.

[Beifall bei den Grünen]

[Frau Senftleben (FDP): Genau, das wussten wir!]

[Frau Senftleben (FDP): Richtig!]

Die Erhöhung des Stellenschlüssels in der Kita, die Erhöhung der Gruppengröße im Hort, die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, die Kürzung des Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms, die Aufhebung der Lernmittelfreiheit, die nachträgliche vertragswidrige Absenkung der Hochschulverträge,

[Gaebler (SPD): Das ist doch einvernehmlich vereinbart!]

die Zusammenlegung von Charité und Klinikum Benjamin Franklin und nun auch noch die Einführung von Studiengebühren.

[Dr. Flemming (SPD): Wie in Nordrhein-Westfalen!]

Nicht alles war falsch,

[Dr. Flemming (SPD): Es gibt auch keine Spareffekte?]

aber nirgends haben Sie seit Beginn Ihrer Amtszeit so erbarmungslos zugeschlagen wie im Bereich der Bildung, von der Kita bis zur Uni, Ihr Hauptsparpotential.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Abgn. Zimmer (CDU) und Goetze (CDU)]

Das ist eine fatale Weichenstellung.

„Studiengebühren – mit der PDS niemals!“ – so lautete die PDS-Losung noch vor drei Monaten. Dann hat plötzlich PDS-Senator Flierl eine Idee. Er nennt die Studiengebühren einfach Studienkonten und ist seither Vor

Zur Stärkung der Investitionskraft der Stadt gehört auch der konstruktive Umgang mit dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Wir schlagen vor, diese zinsverbilligten Investitionsmittel zur energetischen Sanierung von landeseigenen Gebäuden einzusetzen, um damit mittelfristig erhebliche Einsparungen realisieren zu können. Gleichzeitig würde das einen Auftragsschub für die Berliner mittelständische Wirtschaft auslösen und eine vierstellige Zahl von Arbeitsplätzen für zwei Jahre sichern. Der Senat lässt diese Mittel aber im Haushalt versickern und setzt sie zweckwidrig als billige Finanzierung ohnehin geplanter und notwendiger Maßnahmen ein. Damit stellt er den Sinn des Bundesprogramms auf den Kopf.

Ebenso müssen wir erleben, wie die Sparbemühungen immer wieder durch die Defizite in den Beteiligungen ad absurdum geführt werden. Die BVG habe ich schon erwähnt. Über die Wohnungsbaugesellschaften mit ihren Schulden möchte ich jetzt nicht reden. Das sprengt die Redezeit.

reiter für diese Idee. Aber es bleiben trotzdem Studiengebühren, Sie mögen noch so zetern.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD) – Abg. Hoff (PDS) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Dieser Haushalt ist ein Dokument der Verschleierung von Risiken und Haushaltskatastrophen, aber bei diesem Thema ist Ihnen ausnahmsweise doch einmal die Wahrheit in die Zeilen gerutscht. In der Erläuterung zu dem entsprechenden Einnahmetitel heißt es:

Ab Haushaltsjahr 2005 werden hier auch die Einnahmen aus dem Studienkontenmodell nachgewiesen (Studiengebühren).

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hoff?

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

So steht das dort wirklich in den Erläuterungen. Ich weiß, werter Kollege, dass Sie das Wort „Studiengebühren“ auch nicht mögen.

[Eßer (Grüne): Wir warten auf deinen Streichungsantrag!]

Was für ein Katastrophe: Flierl ist verzweifelt. Nein, das hat er nicht gewollt. Und Benny Hoff wird sich aufreiben – jetzt geht er – in endlosen Verhandlungen mit der SPD. Studiengebühren dürfen nicht sein. Letztendlich wird die PDS nach langen Verhandlungen vielleicht und wie so oft einen grandiosen Sieg erringen. Die SPD wird nachgeben, und in klarer Konsequenz werden die Koalitionspartner für die Schlusslesung des Haushalts einen Änderungsantrag formulieren, der da lautet: Der Klammerzusatz „(Studiengebühren)“ in der Erläuterung zu Titel 111 52 wird gestrichen. – Na, bitte! Die Welt ist wieder in Ordnung. Das böse Wort ist getilgt. In Berlin wird es keine Studiengebühren geben – zumindest keine, die auch so heißen. Ein Frage bleibt: Was wird die PDS für diesen Erfolg wohl wieder opfern müssen?

[Beifall bei den Grünen – Gaebler (SPD): Das ist ein PDS-Vorschlag!]

Sie können das alles noch ändern, denn die gesetzliche Grundlage für die Einführung der Studiengebühren steht so wie viele andere gesetzliche Grundlagen für diesen Haushalt noch aus. Das ist auch ein altes Verfahren: Zuerst werden die Zahlen in den Haushalt geschrieben, und dann überlegt man, wie man das rechtlich hinbekommt. Das Chaos, das daraus folgt, erleben wir jetzt bei den Schulbüchern. Wenn Sie, Herr Kollege Wechselberg, sich dann hier hinstellen und sagen: „Bekennen Sie sich doch einmal! Sind Sie dafür, dass Besserverdienende bei den Lehr- und Lernmitteln etwas zuzahlen?“, dann sage ich Ihnen: Darüber kann man diskutieren, aber dass bei Ihnen die Besserverdienenden schon bei 50 € über dem Sozialhilfeniveau beginnen, finde ich absurd. Das verkehrt etwas die Verhältnisse.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Klemm (PDS): Sind jetzt 25 000 € Sozialhilfe?]

Aber der gestrige Vorgang im Hauptausschuss zur Messe Berlin ist durchaus einige Anmerkungen wert. Die Messe hat ein Liquiditätsproblem. Sie benötigt in den nächsten sechs Jahren insgesamt 162 Millionen € vom Land. Darin sind die Defizitausgleiche für das ICC noch nicht enthalten. Kein Cent davon steht bisher im Haushalt. 9,6 Millionen € von dieser Summe wurden gestern schon bewilligt, obwohl das Gesamtsanierungskonzept noch nicht vorliegt. Die Liquiditätslage machte wohl schnelles Handeln erforderlich. Weitere 35 Millionen € sollen kurzfristig folgen, und schon haben wir wieder ein riesiges Haushaltsloch. Allein diese Summe der Zuschüsse ist höher als die Einsparungen durch die Aufhebung der Lernmittelfreiheit, die Erhöhung der Kitabeiträge und die Einführung von Studiengebühren zusammen. Das macht deutlich, wie absurd die Lage und wie falsch die Entscheidung des Senats ist, die Messe und viele andere Beteiligungen auf absehbare Zeit nicht zu privatisieren.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn es nicht endlich gelingt, die Beteiligungen des Landes Berlin deutlich zu reduzieren und für die verbleibenden Beteiligungen ein funktionierendes Controlling einzuführen, kann die Haushaltssanierung nicht gelingen. Verluste aus den Beteiligungen werden regelmäßig alle Sparerfolge zunichte machen und ein Vielfaches der ersparten Summen wegfressen. Die faktische Verabschiedung von der Vermögensveräußerungspolitik, die mit diesem Haushalt stattfindet, ist daher alles andere als beruhigend.

Zum versöhnlichen Abschluss: Ich habe am Anfang gesagt, drei entscheidende Weichenstellungen seien erfolgt. Nun gilt es, die Züge auch auf das richtige Gleis zu setzen. Ob die Klage vor dem Verfassungsgericht Erfolg haben wird, wird davon abhängen, in welcher Form Berlin seine eigenen Anstrengungen zur mittelfristigen Haushaltskonsolidierung darlegen kann. Das meint nicht nur das Herunterfahren der Ausgaben, sondern auch die Stär

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung – federführend – sowie mitberatend an folgende Ausschüsse: Bauen, Wohnen und Verkehr, Stadtentwicklung und Umweltschutz, Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz, Jugend, Familie, Schule und Sport, Wirtschaft, Betriebe und Technologie und Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung.

Die mitberatenden Ausschüsse werden aufgefordert, ihre Stellungnahmen bis spätestens 30. November dieses Jahres dem Innenausschuss aufzuliefern. Später eingehende Stellungnahmen können nicht berücksichtigt werden.

kung der Einnahmeseite. Diesem Anspruch wird der Haushalt noch nicht gerecht.

Die Entscheidung zum Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung muss dringend nachgebessert werden. Ohne ein Gesetz wird hierbei wohl nicht viel gehen.

Der Tarifabschluss birgt enorme Chancen. Er kann genutzt werden, um eine grundsätzliche Modernisierung des öffentlichen Dienstes einzuleiten. Er kann aber auch in das absolute Chaos führen. Wenn er nicht durch umfassende Verwaltungsreformschritte begleitet wird, wenn nicht Abläufe in den Verwaltungen verändert werden und wenn nicht überflüssige Regelungen und Mitzeichnungen wegfallen, wird der plötzliche Wegfall von 10 % des Arbeitsvolumens nur einen Qualitätsverlust bedeuten. Es liegt am Senat, was er daraus macht. Die ersten Reaktionen sind nicht beruhigend.

Zu guter Letzt: Dieser Haushalt enthält immer noch einige Polster. Allein gestern bei der ersten Beratung im Hauptausschuss konnten die aufmerksamen Zuhörer über 100 Millionen € entdecken, die bei der Finanzverwaltung gebunkert werden, obwohl jeder wissen kann, dass sie dort für den angegebenen Zweck nicht gebraucht werden. Diese Luft werden wir rauslassen, um damit zusätzliche Investitionen zu ermöglichen und einige soziale Härten zu mindern. Die Zeit des Fetts – ein von Ihnen geprägtes Wort, Herr Sarrazin – ist vorbei. Das muss auch für Ihren Etat gelten.

Ich bitte Sie, unserem Antrag, der die Schwerpunkte Investitionsförderung, Wissenschaftsförderung, Kulturabsicherung und Sicherung der sozialen Infrastruktur enthält, zuzustimmen. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Seidel-Kalmutzki (SPD) und des Abg. Goetze (CDU)]

Weiter Wortmeldungen liegen nicht vor.