Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Hier muss Schluss sein mit der manuellen Buchungstrickserei! Das war nicht eine neue Erkenntnis des Rechnungshofs im Mai dieses Jahres, sondern Sie haben am 30. Juli 2002 ein Gutachten erhalten, Herr Sarrazin. Aus diesem Gutachten lese ich einen Absatz vor – da stellt sich dann die Frage: Was ist denn in dieser Hinsicht seit dem 30. Juli 2002 passiert? –:

Ein Schwachpunkt stellt ebenfalls die ungenügende Arbeitsmittelausstattung dar. Damit ist sicherlich nicht der Mangel an Stiften und Blöcken gemeint. Problematisch ist insbesondere die ungenügende Leistung der eingesetzten Systemsoftware. Im Einsatz befindet sich das ProFiskal-Verfahren, das neben weiteren Unzulänglichkeiten insbesondere keine automatische Schnittstelle zu Word und Excel besitzt, deren Einsatz für die tägliche Arbeit von besonderer Wichtigkeit wäre. Dies führt zu einer völlig unnötigen Vielzahl an manuellen Eingaben und anschließenden Korrektur- und Kontrolltätigkeiten. Diese Art, allgemein als händische Schnittstelle bezeichnet, stellt eine sehr aufwändige Form des Datentransfers dar, ist in sich sehr fehleranfällig und bindet immense personelle Kapazitäten.

Es geht also nicht nur um die Fehler, sondern auch um eine Verschwendung von Personalressourcen in beträchtlicher Größenordnung.

[Beifall bei den Grünen]

Ein drittes Beispiel: Wir haben – das mussten wir in diesen Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen durchleiden – unzählige Ausgabetitel, auf die plötzlich Einnahmen gebucht werden, wir haben unzählige Einnahmetitel, auf die plötzlich Ausgaben gebucht werden. Vom Bruttoprinzip des Haushalts kann keine Rede mehr sein. Hier wird schlichtweg versucht, fehlerhafte Haushaltsansätze dadurch zu verschleiern, dass das Nettoprinzip angewandt wird, in der Hoffnung, bis zum Jahresende werde sich das ausgleichen, dann merkt es im Parlament niemand. – So kann man es nicht machen!

Man kann es auch nicht so machen, dass einzelne Haushaltskapitel fast nur aus Merkposten von 100 oder 200 € bestehen. Auch das hat mit Haushaltsklarheit und -wahrheit nichts zu tun.

Das letzte Beispiel, Herr Sarrazin, aus Ihrer politischen Verantwortungszeit im letzten Jahr: die Finanzierung der Zuschüsse an die Flughafengesellschaft aus einem Darlehenstitel. Es waren schlichtweg Kapitalzuführungen auf einem Darlehenstitel. Da sagen Sie: Naja, das ist haushaltstechnisch vielleicht nicht ganz sauber. – Sie machen es aber, und Sie machen es, weil Sie politisch die Diskussion darüber gescheut haben, weil Sie sich gescheut haben, öffentlich zu sagen, wie viel wir dieser Flughafengesellschaft wieder zuschießen. Deswegen wird nicht eine außerplanmäßige Ausgabe beantragt, sondern versucht, die Ausgabe in einem Darlehenstitel zu verste

Er wollte die Zuwendungsempfänger, die freien Träger der Stadt, auffordern, den Tarifabschluss auch bei ihnen umzusetzen. Er hat dabei zwei Sachen völlig verkannt. Zum einen leisten die Zuwendungsempfänger, die freien Träger der Stadt, einen großen Teil der sozialen Arbeit. Sie zahlen schon seit Jahren keine Tarifgehälter mehr. Sie zahlen schon seit Jahren keine Erhöhung der Tarife aus und haben in der Regel schon gekürzte Arbeitszeiten, um einfach mit weniger Geld mehr Leute zu

beschäftigen. Deshalb ist die Situation überhaupt nicht vergleichbar.

Sie ist auch deswegen nicht vergleichbar, weil es keinen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Jahr 2009 gibt. Freie Träger kündigen seit Jahren, um die vielfältigen Kürzungen, die sie hinnehmen müssen, aufzufangen.

Der dritte Punkt ist, dass sie keine Überhanglisten haben. Was man dort an Arbeitszeit einspart, fällt wirklich in der sozialen Versorgung für die Stadt weg und wird nicht durch Überhangkräfte ersetzt, wie es in der Verwaltung oftmals der Fall ist. Alles in allem ist es ein völlig untauglicher Versuch, auch hier noch einmal Druck auf den Zuwendungsbereich auszuüben. Es ging auch nicht darum, wirklich Tarifabschlüsse anzuwenden. Herr Sarrazin hat in klarer Offenheit in seinem Rundschreiben gesagt, dass dies alles dazu führen soll, im Haushalt 2005/2005 „noch Einsparungen bei den Zuwendungsempfängern zu realisieren“.

Trotz dieser harten Worte unterstützen die Regierungsfraktionen SPD und PDS das Ansinnen Sarrazins. SPD-Fraktionschef Michael Müller wies darauf hin, dass Gehaltskürzungen den freien Trägern erst einmal finanziellen Spielraum verschafften.

cken. Das alles hat wenig mit reiner Verfahrenstechnik, mit Buchhaltungsfehlern zu tun, sondern das alles sind politische Versuche, öffentliche Diskussionen über strittige Fragen zu vermeiden und es in Zahlen zu vertuschen. Deswegen ist es nicht nur, Herr Wambach oder Herr Hoff, auch wenn es zunächst so klingt, eine bürokratische Anfrage. Dahinter steckt auch immer politisches Wollen und politischer Wille. Buchungstricks oder Buchungsschlampereien verdecken oftmals den Wunsch, politische Diskussionen zu vermeiden. Damit muss endlich Schluss sein.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage beantwortet und besprochen.

Die lfd. Nrn. 13 bis 16 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 17:

a) Beschlussempfehlung

Kein Kahlschlag bei Zuwendungsempfängern – Sarrazins Taschenspielertricks verhindern

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/1987 Antrag der Grünen Drs 15/1969

b) Beschlussempfehlung

Keine pauschalen Kürzungen bei den freien Trägern

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/1986 Antrag der FDP Drs 15/1974

Eine Beratung von bis zu fünf Minuten pro Fraktion ist vorgesehen. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. – Herr Schruoffeneger, Sie hätten eigentlich gleich hier vorn bleiben können!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt kommt ein Themenwechsel! – Vor drei Wochen konnte man in der Zeitung lesen: „Sarrazin: Auch die Wohlfahrtsverbände sollen die Gehälter kürzen.“ Hintergrund waren Änderungen der Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung vom Februar dieses Jahres sowie ein Rundschreiben des Finanzsenators an alle Verwaltungen vom August dieses Jahres.

Es gab einen großen Aufschrei, bevor sowohl SPDFraktion als auch PDS-Fraktion reagiert haben. Ich zitiere aus dem „Tagesspiegel“ vom 19. August 2003:

Das ist völlig absurd.

Ein Teil dieser Einsparung werde das Land Berlin sicher abschöpfen. Aber wir wollen die freien Träger ganz sicher nicht zerschlagen.

Der PDS-Haushaltsexperte Carl Wechselberg schloss sich dieser Meinung an:

Für die freien Träger und deren Mitarbeiter ist eine Übernahme des Berliner Tarifabschlusses durchaus zumutbar.

So lautet die Position der beiden Regierungsparteien, die beide den sarrazinischen Vorschlag gestützt und die Umsetzung gefordert haben.

Dann gab es den öffentlichen Aufschrei. Dann begann man auch in den Reihen der Koalition zu verstehen, dass Zuwendungsempfänger, freie Träger, etwas anderes sind als die öffentliche Verwaltung mit ihrem Überbesatz an Personal.

Man wollte nun gesichtswahrend sein. Statt endlich zu sagen:„lassen wir den Unsinn“, „ziehen wir dieses Rundschreiben zurück“,hat man den Senat aufgefordert, eine Prüfung einzuleiten, bei der individuell die Gehaltsdifferenz einzelner Mitarbeiter überprüft werden soll, und dem Ausschuss dann darüber zu berichten. Daraus könnten sich eventuell Änderungen von Haushaltsansätzen ergeben.

Um dieses Verfahren etwas zu präzisieren – das sollten Sie der Fairness halber auch sagen, statt es so in Bausch und Bogen zu verdammen –, haben sich die Koalitionsfraktionen entsprechend noch einmal mit dem Verfahren auseinandergesetzt und sind im Hauptausschuss zu einem – wie ich finde – sehr weisen Entschluss gekommen, der nämlich stipuliert, dass wir nicht pauschal – das war einer Ihrer wesentlichen Vorwürfe – vergleichen, sondern einzelfallbezogen jeweils die tatsächlichen Gehälter berücksichtigen und – das ist ein Punkt, den Sie eleganterweise, weil er Ihnen nicht schmecken kann, auch nicht erwähnt haben – in der Vergleichsrechnung mitberücksichtigen, dass nicht nur der geldwerte Vorteil eine Rolle spielt, sondern auch Arbeitszeit, Urlaub und vor allen Dingen auch Kündigungsschutz.

Die Koalition und wir in der SPD sind sehr ruhig, was diesen Bericht anbelangt. Wir warten ab, was zur 2. Lesung vorgelegt werden wird. Wir werden meines Erachtens feststellen, dass selbst dort, wo in der freien Trägerlandschaft der eine oder andere ein höheres Gehalt bekommen sollte, letztendlich bei einer Gewichtung, inwiefern nicht tatsächlich auch die Arbeitsplatzsicherheit oder -unsicherheit mit einem bestimmten Betrag versehen werden müsste das Ergebnis automatisch sein muss – so ist zumindest meine feste Überzeugung –, dass der freie Träger strukturell immer billiger sein wird als jemand, der hier in der öffentlichen Verwaltung tätig ist.

Was heißt das konkret? Sollen Herr Sarrazin oder die Finanzverwaltung hingehen und bei 95 000 Mitarbeitern der freien Träger die Gehaltsstruktur individuell überprüfen? – Das ist ein riesiges Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm für die öffentliche Verwaltung. Das kann nicht ernst gemeint sein. Jeder weiß – auch die Koalition hat es eingeräumt –, dass freie Träger in dieser Stadt zu 95 % schlechter ihre Mitarbeiter finanzieren und bezahlen, als es die öffentliche Verwaltung tut. Trotzdem erteilt man diesen unsinnigen Prüfauftrag.

Wen trifft es? Es trifft das Pestalozzi-Fröbel-Haus, das natürlich weiterhin nach Tarif bezahlt. Es trifft die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt, die natürlich weiterhin nach Tarif bezahlen. Es betrifft den LetteVerein. All das ist aber politisch gar nicht gewollt. Als der Jugendausschuss den Haushalt beraten hat und diese Fragen gestellt wurden, sah man schon die Nervosität in der Jugendverwaltung. Man sieht die Nervosität in der Wissenschafts- und Wirtschaftsverwaltung, denn diese Zuwendungsempfänger meint man nicht. Man meint nur die kleinen Projekte, die für die vielfältige Kultur-, Jugend- und Soziallandschaft unverzichtbar sind. Man hat nicht den Mut zu sagen, dass hier ein Fehler gemacht wurde. Deshalb kann ich nur sagen: Lernen Sie vom Bundeskanzler. Sagen Sie: „Das war ein Fehler. Wir nehmen das zurück.“ Stimmen Sie unserem Antrag zu. Er ist klar und eindeutig und vermeidet diese unsinnige Verwaltungsarbeit, die Sie mit Ihrem Berichtsauftrag fordern. [Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Zackenfels! – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schruoffeneger! Zunächst ist es wichtig, dass auch wir noch einmal feststellen – das tue ich für die SPD-Fraktion noch einmal gut und gern –, dass in der Tat die freien Träger in dieser Stadt ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen, kulturellen und einer Vielzahl weiterer Aufgaben sind, die es nicht gilt, in Frage zu stellen.

Nichtsdestotrotz ist Ihre Behauptung, dass es sich bei dem Rundschreiben um einen Fehler handeln könnte, nicht ganz richtig. Das hatten wir bei der Debatte im Hauptausschuss auch so zur Kenntnis nehmen können. Genauso wie wir wissen auch Sie, dass es ein Besserstellungsverbot gibt. Dieses Besserstellungsverbot ist etwas, was nicht nur Landesrecht betrifft, sondern ist Bundesrecht.

Wir haben also, um es vereinfacht ausdrücken, eine Situation, in der wir ein Recht haben, welches vorsieht, dass wir überprüfen müssen, inwiefern es nicht doch Zuwendungsempfänger geben könnte, obwohl wir natürlich guten Glaubens sind und die feste Überzeugung haben, dass es für die meisten auch nicht zutreffen wird, die

höhere Leistungen für etwas zahlen, als es im öffentlichen Dienst üblich ist.

Mit anderen Worten möchte ich es vorsichtig ausdrücken: Das Sommerloch hat natürlich mit diesem Schreiben auch etwas gefunden, was man gut ausschlachten konnte. Das ändert aber nichts an der Tatsache, das das Schreiben per se sinnvoll ist und notwendig war. Es ändert aber auch nichts an der Tatsache, dass ein Verfahren jetzt mit entsprechenden Rahmenbedingungen seitens der Koalitionäre im Hauptausschuss formuliert worden ist, wie man zu einer Vergleichsrechnung zwischen den freien Trägern und dem öffentlichen Dienst kommen kann, wie es nach Bundes- und Landesgesetz vorgeschrieben ist.

Es ändert eines vor allen Dingen nicht, die feste Überzeugung, dass die freien Träger notwendig für die Stadt sind und dass freie Träger in der Vergangenheit – das wissen wir alle – aus den Bezirken auch ihren Teil der Leistungen und ihren Teil der Opfer erbracht haben. Demzufolge werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können, sondern warten gelassen das Ergebnis der Prüfung ab und werden in der zweiten Runde der Haushaltsberatung über dieses Thema sicherlich noch einmal sprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort Herr Abgeordneter Hoffmann.

Die Debatte im Hauptausschuss ist aus meiner Sicht ein Versuch Ihrerseits gewesen, ein Stück weit der berechtigten Kritik auszuweichen. Der Antrag der Grünen ist deshalb richtig, weil er deutlich macht, dass hier Schluss ist und das Rundschreiben zurückgenommen

werden muss. Sie waren nicht einmal bereit, sich im Hauptausschuss darauf zu verständigen, die sofortige Rücknahme des Rundschreibens zu fordern. – Allerdings haben Sie sich der Sache zumindest angenommen, so weit haben Sie Recht. – Es ist deshalb die Frage, was jetzt eigentlich passiert. Sie wollen erst einmal abwarten und die Verunsicherung weiter bestehen lassen. Das alles kann nicht sein. Wir müssen zu einem anderen Verfahren kommen.

Abschließend bleibt zu dem Vorgang Folgendes zu sagen: Es handelt sich um ein unsachgemäßes Vorgehen, ohne Beteiligung des Parlaments, um ein einseitiges Handeln der Finanzverwaltung, unabgestimmt mit den Bezirken, die über ein derartiges Vorgehen völlig irritiert waren, es handelt sich um ein unsoziales Vorgehen.

Nein, ich bin fertig. – Vielen Dank!