Und wie wollen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BVG begreiflich machen, dass ihre Kollegen von der Bahn bis 2018 unter Schutz stehen, die BVG aber schon 2008 im Wettbewerb stehen soll?
Die Drohung, die Herr Sarrazin an der Stelle ausstößt, die BVG würde zerschlagen, wenn nicht entscheidende Einsparungsschritte folgten, klingt vor diesem Hintergrund einigermaßen hohl und unglaubwürdig.
Mit welcher Begründung wollen Sie der BVG den Bestandsschutz bis 2018 eigentlich verweigern, den Sie Mehdorns Bahn gewähren? – Das ist der Fluch der bösen Tat, und der wird Sie in den nächsten Verhandlungen mit der BVG mit Sicherheit verfolgen.
Auf lange Sicht wird sich die so genannte Einsparung von 48 Millionen € gegen das Land Berlin wenden. Mit Argusaugen verfolgen die anderen Bundesländer unsere Verfahrensweise bei der ÖPNV-Finanzierung. Das Geld, das jetzt von der S-Bahn zur BVG umverteilt wird, ist Bundesgeld. Das wird uns zur Verfügung gestellt, um Schienenpersonenverkehr zu bestellen und zu bezahlen, nicht aber zur Sanierung des Landeshaushalts und auch nicht zur Abfederung von Risiken bei der landeseigenen BVG. Das Ergebnis ist klar, bei den nächsten Revisionsverhandlungen mit den anderen Bundesländern wird man Berlin eben jene 48 Millionen € wieder abziehen mit der durchaus zutreffenden Begründung, sie würden hier nicht für den Verkehr gebraucht. Wie gewonnnen, so zerronnen. Vielleicht ist das allerdings Herrn Sarrazin auch egal, weil er bei den nächsten Revisionsverhandlungen schon längst nicht mehr im Amt sein wird.
Mehdorn auszutragen hatte, dem Chef der Deutschen Bahn und seinem ehemaligen Chef, die hat er nun gewonnen, das muss man feststellen. Er ist damals von Herrn Mehdorn vor die Tür gesetzt worden. Das hat er ihm jetzt gründlich heimgezahlt, erst einmal mit dreister Zechprellerei. Sarrazin hat einfach die Zahlungen an die S-Bahn, die ihr eigentlich zustanden, verweigert. Am Ende hat Herr Mehdorn diese politische Zechprellerei auch noch legalisiert, indem er die Kürzungssumme von 26 Millionen € im Vertrag akzeptiert hat. Da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! – Es bleibt nur die Frage, welchen Preis die Fahrgäste und Mitarbeiter der S-Bahn und letztlich wir alle für diesen Privatkrieg zu zahlen haben. Das bemerkenswerte System S-Bahn ist eigentlich eine Erfolgsstory. Aus den negativen Schlagzeilen ist sie aber in den letzten Monaten dank dieses Kampfes zwischen Mehdorn und Sarrazin nicht herausgekommen. Verunsicherte Fahrgäste und demotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Folge. Der Imageschaden ist enorm. Dabei hat das altbekannte Theaterstück, das wir schon an mehreren Stellen bewundern durften, der böse Finanzsenator droht mit Folterwerkzeugen und dann kommt der nette Regierende Bürgermeister und nimmt sie ihm aus der Hand, wenn der Delinquent nur recht artig ist, das hat die Qualität der Darbietung auch nicht sonderlich verbessert.
Weiterer Streit ist vorprogrammiert, weil die Frage der Trassenentgelte wiederum den Gerichten überantwortet wird. – Ob da Geld gespart worden ist, Herr Kollege, das wollen wir einmal sehen, wenn die anderen Bundesländer über die Revision dieser Mittel entscheiden und sagen: 48 Millionen € habt ihr für den öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadt nicht gebraucht, dann werdet ihr sie in Zukunft auch nicht mehr bekommen. – Das ist das Prinzip: Wir sparen, koste es, was es wolle.
Mit einer Laufzeit von 15 Jahren ist der Verkehrsvertrag mit der S-Bahn die längste Monopolgarantie, die die Deutsche Bahn in irgendeinem deutschen Land überhaupt bekommen hat.
Wettbewerb, Herr Gaebler, die einzig sinnvolle Methode, Marktpreise und Marktkonditionen zu ermitteln, wird damit für weitere 15 Jahre ausgeschlossen.
Abgesehen von der Frage, ob das überhaupt einer rechtlichen Überprüfung standhält, ist das ein ziemlich schlechtes Zeichen für den angeblichen Reformeifer der SPD. Nicht einmal die schrittweise Auflösung des Uraltbahnmonopols schafft die SPD. Wie will sie da im Ernst den Wirtschaftsstandort Deutschland reformieren? – Das glaubt Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, heute schon kein Mensch mehr.
Die Industrie- und Handelskammer hat vor kurzem dargelegt, dass das hervorragende Nahverkehrssystem unserer Stadt ein wichtiger Standortfaktor ist. Nun will uns der Senat weismachen, dass die Kürzung der Bundesmittel um ein Fünftel gar keine negativen Folgen auf das Angebot der Berliner S-Bahn haben wird. Wer das glaubt, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann! Die ersten Opfer sind schon benannt. Bisher gab es auf fast allen S-Bahnhöfen noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur Sicherheit der Fahrgäste da sind und für Auskünfte zur Verfügung stehen. Das ist nun vorbei. Der personalfreie Bahnhof mit allen Folgen für verstärkten Vandalismus und Unsicherheit ist die zwingende Konsequenz aus dieser missglückten Spararie. Das widerspricht nicht nur einem einstimmigen Beschluss dieses Hauses, sondern auch allen bisher gemachten Erfahrungen. Der Geisterbahnhof ist für Fahrgäste wie Verkehrsunternehmen die schlechteste Lösung. Wir lehnen sie weiterhin ab. Das ist weiterer Arbeitsplatzabbau und Verschlechterung des Angebots für die Fahrgäste, und das ohne Not, nur um Bundesmittel einzusparen nach dem Motto: Wir sparen, koste es, was es wolle.
Sie kriegen auch nicht mehr mit, was in Ihren Anträgen steht, und dann beklagen Sie sich darüber, dass wir ein Verfahren wählen, das eine sachgerechte Diskussion des Problems ermöglicht. Das hat wegen der Zeitökonomie zur Folge, dass wir über Ihre Anträge nach und nach ohne Diskussion über den Einzelantrag abstimmen. Das war die einzige Möglichkeit, Ihre Anträge überhaupt in eine Diskussion zu bringen, die sachgerecht das Thema behandelte, und nicht diesen Unsinn, den Sie verzapfen, Woche für Woche Ihre Anträge. Sie haben eine richtige Tonnenideologie nach dem Motto, dass Sie sich am Samstag fragen, wie viele Anträge Sie in der Woche wieder in die Welt posaunt haben, ohne sich darüber klar zu werden, was darin steht.
Worum geht es heute in dieser Debatte? Hier geht es tatsächlich um ein grundsätzliches Problem, das vereinfacht ausgedrückt heißt: Wollen wir einen neoliberalen Marktradikalismus im ÖPNV, oder wollen wir einen kontrollierten Wettbewerb im Interesse der Fahrgäste und im Interesse des sparsamen und effizienten Einsatzes von Steuergeldern? – Da sage ich ganz klipp und klar: Wir wollen das Zweite und die Opposition will das Erste.
Bei den dringend notwendigen Strukturentscheidungen dagegen vermissen wir jede ernsthafte Anstrengung des Senats. Da, wo Sie einen Wettbewerb der Konzepte und Ideen einführen, wo Sie Berlins Stellung als Verkehrskompetenzzentrum weiter ausbauen könnten, da entscheiden Sie sich für die Zweckentfremdung der Bundesmittel und die Zementierung des DB-Monopols. Da ist keinerlei Strukturreform erkennbar.
Da, wo Sie der BVG den Weg in den modernen Nahverkehrsmarkt ebnen könnten, sehen wir nur Drohgebärden. So, meine Damen und Herren, wird der Nahverkehrsmarkt in Berlin nicht entstehen und nicht wirkungsvoll werden. So werden wir auch nicht langfristig und strukturell Steuergelder einsparen. Deswegen werden wir den Weg des Wettbewerbs weiter gehen und Ihre Ansätze auf diesem Gebiet kritisch beobachten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Danke schön, Herr Kollege Kaczmarek! – Es folgt die PDS. Das Wort hat die Frau Kollegin Matuschek. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaczmarek, Sie mogeln sich konsequent um die Beantwortung der Frage herum, wie Sie den Wettbewerb, den Sie befürworten, durchsetzen wollen, wenn Sie im Fall eines Vertrags mit der S-Bahn genau die Kostenersparnisse, die jetzt über den Vertrag erzielt worden sind, in Abrede stellen und sagen, das hätte nicht sein dürfen. Das ist widerspricht sich selbst. Aber das wissen Sie sicherlich aufzuklären.
Zur FDP vorneweg: Sie beklagen sich über das Verfahren, das wir im Ausschuss für Ihre acht Anträge gewählt haben. Sie können froh sein, dass wir ein Verfahren gefunden haben, das eine einigermaßen sachgerechte Bearbeitung des Themas zugelassen hat. Dieses Verfahren sah folgendermaßen aus: Wir haben zwei Anhörungen gemacht, und zwar jeweils mit dem Chef der beiden größten Verkehrsunternehmen hier in Berlin, mit Herrn Ruppert von der S-Bahn und mit Herrn von Arnim von der BVG.
Dass wir eine Anhörung gemacht haben, finde ich richtig, denn da haben wir die Leute, die es betrifft, die für die wirtschaftliche Situation ihrer Unternehmen Rede und Antwort stehen mussten. Dann haben wir die beiden kompetenten Personen im Ausschuss angehört, haben mit ihnen das Problem diskutiert. Sie von der FDP kommen ja inzwischen mit Ihren 100 Anträgen in Konflikt mit sich selbst. Sie machen einen Antrag nach dem anderen, kriegen gar nicht mehr mit, welcher Antrag sich wo in welchem Geschäftsgang befindet,
Da unterscheiden sich die Vorschläge, die von den drei verschiedenen Opponenten in verschiedenen Konstellationen vorgetragen werden, nicht wesentlich. Die FDP in trauter Zweisamkeit mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat offensichtlich jetzt den Unternehmensvertrag mit der BVG aufs Korn genommen, will ihn möglichst schnell beenden und irgendwie chaotisch rauskommen. Ein Ausschreibungsverfahren sei das einzige Mittel nach Ihrem Verständnis, ein Wettbewerb sei nur über eine Ausschreibung zu kriegen. Da sind dann wieder alle drei beieinander. Das Ganze wird dann teilweise noch mit EURecht legitimiert, was dem tatsächlichen EU-Recht gar nicht entspricht. Aber da haben wir Hoffnung, wenn Herr Cramer im Europäischen Parlament sitzt, wird er alles richten.
Das EU-Recht sieht aber einen Ausschreibungszwang nicht vor. Das EU-Recht sieht eine Möglichkeit für eine Direktvergabe vor. Diese Möglichkeit wollen wir erhalten und werden sie erhalten. Wir werden sie auch ausfüllen im Interesse eines effizienten Einsatzes von Steuergeldern und einer Daseinsvorsorge. Daran halten wir fest.
Im Prinzip geht es auch um die Frage, warum Wettbewerbsverfahren in diesem Bereich notwendig sind. Ich könnte mir vorstellen, wenn alles so wäre, wie man es sich wünscht, dann müsste das Prinzip gelten, wer im öffentlichen Interesse handelt, der sei auch besonders verantwortungsvoll im Umgang mit öffentlichen Geldern. Aber leider stimmt das nicht. Da haben wir auch zu registrieren, dass es bestimmte Erstarrungstendenzen hinsichtlich des Angebots für die Fahrgäste gibt. Über die Kundenorientierung bei der BVG, die mangelhaft ist,
Deswegen steht uns noch eine Diskussion über die Frage bevor, welchen Nahverkehr wir uns leisten wollen und was uns dieser Nahverkehr kostet. Diese Frage ist etwas anderes als die Forderung: Ausschreibung ja – um jeden Preis, egal, was drinsteht! – Wir müssen definieren, ob wir ein Interesse an einem guten, hochwertigen ÖPNV – tags und nachts, an Wochenenden wie in der Woche – haben. Wir müssen sagen, ob wir ein Interesse daran haben, dass es einen übersichtlichen Takt gibt und dass die Fahrgastinformation für jedermann verständlich ist – und für jede Frau selbstverständlich auch. Und es geht auch darum, ob wir z. B. ein Interesse daran haben, dass es ein U-Bahnfernsehen gibt oder dass irgendwelcher Schnickschnack gemacht wird.
Es wird in Zukunft auch eine Kostenmodulation geben – entsprechend diesen Qualitätsmaßstäben –, und dann werden wir hier entscheiden, ob wir einen teuren – möglicherweise zu teuren – Nahverkehr haben wollen oder einen Nahverkehr, der die Mobilitätsbedürfnisse in den Mittelpunkt rückt. In dieser Hinsicht haben wir in der Koalition noch Arbeit zu leisten, aber ich lade auch die Opposition ein, dort konstruktiv mitzuarbeiten, statt im Vorfeld alles Know-how im ÖPNV zu zerschlagen. – Vielen Dank!
haben wir das letzte Mal ausführlich gesprochen. Natürlich sind auch Sachen wie Preisfestlegungen z. B. bei Trassenpreisen zu hinterfragen. Da sollten wir die Chance ergreifen, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ermöglicht hat, nämlich eine marktorientierte Direktvergabe, wie es so schön heißt, als Instrument zu erschließen. Wir haben im Moment noch eine etwas unterschiedliche Rechtslage im Schienenpersonennahverkehr und im ÖPNV. Langfristig wird sich das dahin gehend angleichen, dass wir sowohl im Schienennahverkehr wie auch im ÖPNV vom Charakter her vergleichbare Verfahren finden werden. Wettbewerb ist eben nicht nur Ausschreibung, Wettbewerb ist auch ein Verhandlungsverfahren, ein Benchmarking, ein Verfahren nach bestimmten Vorgaben. Bei der EU ist es auch möglich, ein durchschnittlich gut geführtes Unternehmen als vergleichbares heranzunehmen. – Das alles sind Wettbewerbsverfahren, die wir erschließen müssen. Da haben wir noch etwas zu tun. Keiner sagt, dass wir das nicht hätten.
Ausschreibungen, wenn man sie will, müssen vorbereitet werden. Ausschreibungen, wenn man sie will, müssen auch durchsetzbar und kontrollierbar sein. Man muss auch sich die Frage stellen, was Ausschreibungen kosten. Sie kosten natürlich etwas. Und ich habe die FDP so verstanden, dass Ausschreibungen darauf zielen sollten, dass 20, 40 oder 60 Verkehrsunternehmen hier in Berlin tätig werden sollen. Das muss man irgendwie koordinieren, und der Koordinierungsaufwand muss selbstverständlich auch bei Ausschreibungsverfahren im Vorfeld bedacht werden. Mir kann inzwischen niemand mehr erklären, was besser daran ist, wenn 20, 40 oder 60 Unternehmen hier tätig sind, statt in einem kontrollierten Verfahren 2, 3 oder 6 Unternehmen zu beauftragen und damit ein entsprechendes Kontrollverfahren zu verbinden. Für uns ist dabei auch ganz wichtig, diese Unternehmen in ein Kundenmonitoring einzubinden, denn die Fahrgäste sind letztlich diejenigen, die über die Akzeptanz eines Verkehrsangebots entscheiden.
Zur Zukunft der BVG: Selbstverständlich ist im Moment durch den S-Bahnvertrag – das kommt so leicht daher – der Eindruck entstanden, die S-Bahn sei aus dem Wettbewerbsverfahren herausgenommen. Diese These setzen Sie in die Welt, aber ich sage: Dieser S-Bahnvertrag ist ein Wettbewerbsvertrag, denn er ist durch eine Wettbewerbssimulation entstanden. Er ist wettbewerbskonform und ein guter Vertrag. Er beschreibt eine Verkehrsleistung, er hat ein Kundenmonitoring und eine Malusregelung anhand eines Kundenmonitorings, und er hat ein getrenntes Verfahren für die Trassenpreise, was ein großer Erfolg ist.
Zur BVG haben wir einen Unternehmensvertrag, und dieser gilt bis 2007. Das ist altbekannt. Zu gegebener Zeit wird man sich natürlich überlegen müssen, was dann passiert. Da kann es nur eine Antwort geben: Nach 2007 kann die BVG ebenfalls nur bestehen, wenn sie sich mit einem durchschnittlich gut geführten Unternehmen vergleicht und wenn sie eine Verkehrsleistung erbringt –
entsprechend bestimmter Qualitätsstandards, Bedienungsstandards und ökologischer Standards –, die dem Interesse Berlins entspricht. Dieses Interesse müssen wir definieren.
Herr Brauer und auch Herr Doering! Sie machten vorhin den Einwurf: Laberei! – Ich glaube, Sie haben Ihrer Fraktionskollegin Matuschek nicht zugehört, sonst hätten Sie erlebt, was Laberei bedeutet.