Ein letzter Punkt: Steuerpolitik ist Standortpolitik. Die Bemessungsgrundlage muss groß genug sein, die ökonomische Hürde hoch genug, damit die Entscheidung des von der Steuer Belasteten gegen die Flucht vor der Steuer fällt. Beides ist im Falle Berlin-Brandenburg niedrig; denn Ihre rapide progressive Notlagensteuer dürfte auch den letzten Gutverdiener aus der Innenstadt verjagen, solange die Kosten des Umzugs nach Kleinmachnow so billig sind.
Hier nun, lieber Kollege Eßer, kann ich Sie nicht vom Haken lassen. So eine Bloßstellung! Auf die nahe liegende Frage eines Journalisten in einem „Tagesspiegel“Interview, wie denn nun die Gefahr der Abwanderung bei Einführung Ihrer Landessteuer einzuschätzen sei, antwortet Jochen Eßer:
Das ist ein Risiko. Da wünsche ich mir eine vertiefende Diskussion mit den Wirtschaftsinstituten mit Augenmaß.
Aber Sie können auch nicht antworten; denn die Antwort lautet: Natürlich! Das ist die gefährliche Konsequenz, weil diese Steuer Veränderungsdruck mindert, statt ihn zu erhöhen; weil Sie Klienten bedient, statt Gemeinschaft zu stärken; weil sie im Übrigen überhaupt nicht zuordenbar ist, sondern im Loch der Haushaltskonsolidierung verschwindet. – Ich habe gestern im Hauptausschuss sehr genau zugehört. „Was über 2007 hinausgeht, wird über Ausgaben nicht handle-bar“, sagten Sie. Sie haben Recht, aber über Einnahmen nur sehr schwer und über Steuereinnahmen überhaupt nicht.
Es wird Zeit für eine grundlegende Föderalismusdebatte nach verkorksten ersten zehn Jahren unter Kohl und unter Diepgen, mit der Illusion, die Einheit sei billig zu haben und die Standards um jeden Preis zu halten. Das und nichts anderes ist die wahre Herausforderung der kommenden Jahre, nicht die Einführung einer Landessteuer. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Zackenfels! – Es folgt die CDU. Der Kollege Kaczmarek hat das Wort für sieben Minuten. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzsenator! Vielleicht wäre es sinnvoller, sich weniger mit der Bewertung der Redebeiträge von Fraktionen abzugeben als vielmehr mit den wirklichen Problemen, die dieses Land hat. Dann wären wir vielleicht schon ein ganzes Stückchen weiter.
Und vielleicht, sehr geehrter Herr Finanzsenator, wäre es ganz gut, wenn Sie die Welt nicht immer nur voller Feinde sähen, die es gilt, in irgendeiner Art und Weise zu bekämpfen, und wenn Sie nicht im Stil eines finanzpolitischen Rambos mit großem Aplomb längst offene Türen einrennen würden. Nehmen Sie es uns bitte ab und nehmen Sie es einmal zur Kenntnis: In diesem Haus sind alle Fraktionen einig in dem Ziel, die finanzpolitische Handlungsfähigkeit dieses Landes wiederzugewinnen und wieder herzustellen. Das sollte auch das gemeinsame Ziel sein.
Nun kann man nach Ihrem Redebeitrag sagen: Wenn der Finanzsenator dieses Landes sich mit Giraffen beschäftigen kann, dann kann es dem Land noch nicht ganz so schlecht gehen. Ihre Bilder vom „bedingten Kahlschlag“ – was immer das sein mag – sind auch ausgesprochen unterhaltsam, aber in der Sache bringen sie nicht allzu viel. Wir wollen, auch als Oppositionsfraktion, unseren Beitrag dazu leisten, dass dieses Land in seinen Finanzen konsolidiert wird. Aber wir werden nicht schön reden, was Sie schlecht machen, Herr Sarrazin.
Da kommen wir zu Ihrem Papier. Gewichtig ist es zweifelsohne, dieses Papier, das uns darstellen soll, welche Ausgaben des Landes unabdingbar seien. Es wiegt 1,2 kg – ich habe es zu Hause auf die Küchenwaage gelegt. Nun mag das an sich noch kein Wert sein. Wenn man es aber vergleicht – Sie haben vorhin Konzepte angemahnt – mit Ihrem Konzept zur Privatisierung, stellt man fest, dass dieses 3 Seiten umfasst und etwa 10 g wiegt.
Nun wollen wir die Grammfrage nicht allzu weit treiben, aber sie zeigt die Gewichtung. Auf der einen Seite sind Sie sehr bemüht, die Ausgaben, die es heute gibt, zu begründen, aber an der Stelle, wo Sie staatliche Aufgaben abbauen und Ausgaben verringern könnten, ist offensichtlich weniger Gehirnschmalz verwendet worden, als es wert wäre.
Dieses Papier, über das wir uns unterhalten sollten, soll letztendlich auch dazu dienen, die anderen Bundesländer davon zu überzeugen, dass das Land Berlin seinen Verpflichtungen nachkommt und tatsächlich nur noch unab
dingbare Ausgaben tätigt. Die Position der Länder wurde heute schon referiert. Ich erinnere die sehr geehrte Frau Kollegin Spranger, weil sie sich an Hamburg „festgebissen“ hat, daran, dass sich bedauerlicherweise auch Länder wie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die – gleichfalls bedauerlicherweise – noch SPD-geführte Regierungen aufweisen, durchaus auch in dieser Phalanx eingefunden und ganz klar gesagt haben: Wir sind nicht bereit, Leistungen für das Land Berlin zu übernehmen. – Die Schrift des Juraprofessors, den Sie beauftragt haben, hat einen wichtigen Kernsatz: Das Ausgabenniveau des Landes Berlin ist überhöht, deswegen sollen sie erst mal ihre Hausaufgaben machen. – Und da, Herr Sarrazin, muss man sich fragen, ob Sie an der Stelle nicht ganz gewaltig Schützenhilfe geleistet haben. Ihr Lieblingssatz, auch heute wieder variiert, heißt: Berlin hat ein Ausgabeproblem. Ich habe heute gelernt: Wir sind auch noch einnahmereich. – Wahrscheinlich haben Sie den Länderfinanzausgleich gleich mit eingerechnet. – Letztendlich darf man sich nicht wundern, wenn die anderen Bundesländer genau das verwenden. Sie liefern die Munition, mit der die anderen Bundesländer uns jetzt beschießen. Darüber müssen wir uns allerdings nicht wundern.
Die Aufgabe des Senats wäre aus meiner Sicht vielmehr, Vertrauen zu bilden und bei den anderen Bundesländern Verständnis für unsere Lage zu wecken. Wenn man sich die zwei Jahre der Arbeit des Senats anguckt und das Ergebnis jetzt sieht – immerhin haben sich fast alle Bundesländer bisher zu diesem Thema geäußert; nur Brandenburg ist aus nachbarschaftlicher Nettigkeit bisher nicht gegen uns angetreten, Nordrhein-Westfalen hat noch keine Meinung dazu, und Bremen und das Saarland sitzen im Glashaus und wollen deswegen nicht mit Steinen werfen, aber alle anderen Bundesländer haben klar gesagt: Wir sehen keine Notwendigkeit. –Wenn man das sieht, muss man feststellen, dass der Senat diese Aufgaben in keiner Weise erfüllt hat.
Und das ist auch kein Wunder, wenn man sich anguckt, wie der Senat mit bestimmten Dingen in dieser Stadt umgeht. Da sind Verträge, die das Land Berlin beispielsweise mit dem Bund geschlossen hat. – Ich erinnere nur an das immer wieder gern gewählte Thema U 5. – Wenn die Leistungen des Bundes erbracht sind, sagt das Land Berlin: Aber unsere Leistungen erbringen wir nicht. – Vertragsbrüchigkeit, die so weit geht, dass man sagt: Und ihr müsst jetzt auch noch zusätzlich leisten, damit überhaupt etwas Sinnvolles aus der Sache wird!
Ähnlich kaltschnäuzig geht man bei anderen Dingen vor. Wo man beispielsweise wie jede Kommune die Pflicht hat, Bundesstraßen selbst zu finanzieren, sagt der zuständige Senator: Das müssen wir nicht; wir sind Berlin; das haben wir nicht nötig. Das mag man für ungemein tough halten und für eine ganz tolle Interessenwahrnehmung. Nur: Der Preis für solch eine Kaltschnäuzigkeit ist klar. Der Preis ist Unverständnis, Misstrauen und Missgunst auf der Seite des Bundes und der anderen Bundes
länder. Das ist ein zu hoher Preis, als dass wir ihn zahlen möchten. Berlin – das wäre die Aufgabe des Senats – sollte präsentiert werden als das Schaufenster Deutschlands, als Dienstleister für Bund und Länder, als Hauptstadt für Deutschland und nicht Hauptstadt von Deutschland. Wenn Sie das erreichten, wäre die Aufgabe, die Solidarität des Bundes und der anderen Länder einzufordern, um ein Vielfaches einfacher.
Die 1,2 kg Papier, die uns vorliegen, sollen die rechtliche Unabdingbarkeit der Ausgaben klarstellen. Herr Sarrazin, es geht dabei nicht um die Frage, ob wir, ob Sie oder Herr Gaebler oder wer auch immer diese Aufgaben für politisch unabdingbar halten, sondern es geht um eine rechtliche Bewertung, und zwar mit dem sehr hohen Maßstab der bundesrechtlichen Festlegung oder der Landesverfassung. Wenn man sich diese Papiere etwas näher anguckt, findet man eine ganze Reihe von Ausgaben, bei denen einigermaßen zweifelhaft ist, ob sie tatsächlich auf Verfassungsrecht zurückgeführt werden können. Der Fuhrpark wurde schon genannt. Aber man kann sich auch Dinge aus anderen Verwaltungen angucken, wie zum Beispiel das Stadtforum Berlin, ein Gremium, in dem Architekten und Stadtplaner miteinander diskutieren – eine wunderbare Sache. Da sind nicht weniger als sechs Artikel der Verfassung von Berlin zitiert, um die verfassungsrechtliche Unabdingbarkeit dieses Stadtforums festzulegen. Das Prinzip: Die Masse macht’s. – bringt an dieser Stelle nicht viel. Es ist auch nicht schlüssig, und ich glaube auch nicht, dass man am Ende jemanden damit überzeugen kann.
Ich komme zum Schluss. – Wenn man sich dieses Papier anguckt und bewertet, stellt man fest, dass letzthin alles, was darin aufgeführt ist, aus der Sicht des Senats unabdingbar ist. Dann könnte man ja letztendlich sagen: Wenn alles unabdingbar ist und gar nichts mehr geändert werden kann, wenn das alles bundesrechtlich und landesverfassungsrechtlich festgelegt ist, was ist dann eigentlich noch Aufgabe des Finanzsenators? Dann hat er ja seine Pflicht getan, kann sein Büro abschließen und nach Hause gehen. Das ist das Ende jeder Politik, und dabei werden wir nicht mitmachen. Wir erwarten nicht viel von Ihnen, aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie endlich Ihre Pflicht tun für dieses Land. Bei einer vernünftigen Konsolidierungspolitik werden Sie auch unsere Unterstützung als Opposition erhalten. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Kaczmarek! – Die PDS folgt, Herr Kollege Hoff hat für fünf Minuten das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute in der Aktuellen Stunde über steuerpolitische Konzepte der Fraktionen und zugleich über den nachbearbeiteten Haushaltsplanentwurf spre
chen, dann geschieht dies vor dem Hintergrund, dass sich in dieser Woche sowohl die Bundesregierung als auch elf Länder zur Haushaltsnotlageklage des Landes Berlin positioniert haben. Ich will diesen Gesamtkomplex und die von einigen Vorrednern getroffenen Aussagen kritisch bewerten.
Die steuerpolitische so genannte Konzeption der Freidemokraten lautet mit dem Motto der Aktuellen Stunde zusammengefasst: Schluss mit immer mehr Steuern und Abgaben! Aufschwung kommt nur durch Entlastung der Bürger." Ich bin froh, dass die Unterschiede zwischen den Parteien endlich mal wieder so deutlich zu Tage treten. Ich möchte diesem wirtschaftsliberalen Grundmuster die normative Auffassung gegenüberstellen: Wir können uns weiteren Steuerverzicht nicht mehr leisten, weder in der Bundesrepublik, noch viel weniger in Berlin.
Die Entscheidung für den sozialen Rechtsstaat – zu dem einerseits der verfassungsrechtliche Schutz der wirtschaftlichen Individualrechte, andererseits aber auch die Sozialbindung des Eigentums und für bestimmte Bereiche sogar die Befugnisse zur Vergesellschaftung gehört – stellte den historischen Kompromiss zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland dar.
Die seinerzeit von allen großen Gruppen getragene Entscheidung für den sozialen Staat wird jedoch offensichtlich – und insbesondere von den Freidemokraten – zunehmend in Frage gestellt. Statt dessen dominiert die Vorstellung, Eigentum sei die eigentliche Quelle individueller Freiheit, Eigentumsschutz sei die eigentliche Form von Freiheitsschutz, und zu viel Sozialpflichtigkeit des Eigentum könnten wir uns nicht mehr leisten. Die Eigentumslosen gehen bei dieser Perspektive komplett verloren – Eigentumsbildung für viele bleibt dem Markt überlassen, und dies gilt nicht mehr als Ziel staatlicher Aktivität. Dies hält meine Partei für untragbar. Deshalb verfügt meine Fraktion auch nicht über den Beißreflex, den eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen hier im Hause gegenüber einem positiven Steuerzugang haben. Ich halte im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CDU mehr davon, die 719 464 Steuerhinterzieher, die strafrechtlich zwischen 1993 und 2002 verurteilt wurden, gesellschaftlich zu isolieren als diejenigen, die sich politisch über mehr Staatseinnahmen Gedanken machen.
Wir bewerten den grünen Steuervorschlag skeptisch, das hat mein Kollege Krüger bereits ausgeführt, weil wir vor allem an der Konzeption der Vermögensteuer für das gesamte Bundesgebiet festhalten. Dass das eine Neidsteu
er sei, lieber Kollege Lindner, kann nur derjenige sagen, dessen politische Vorstellung genau so reduziert ist, wie ich sie am Anfang ablehnend dargestellt habe.
Aus diesem Grunde bleiben wir dabei: Es handelt sich um eine Vermögensteuer. Es gibt Vermögen in der Bundesrepublik, das abgeschöpft gehört, und die politische Mehrheit in diesem Haus spricht sich dafür aus. Sie sind hoffentlich, nicht nur in diesem Haus, sondern auch gesellschaftlich in einer absoluten Minderheitenposition mit dieser Haltung und andererseits in einer Minderheit mit denjenigen, die durch diese Vermögensteuer geschöpft und hinreichend sowie ehrlich und gerecht abgeschöpft werden.
Wenn Sie „schröpfen“ sagen und wir „schöpfen“ meinen, dann kommt es vielleicht auf das Gleiche hinaus. Politisch geht es um Staatseinnahmen, die Sie nicht, wir aber schon wollen. – Ich sagte es bereits, wir bewerten den Vorschlag der Grünen skeptisch, weil für uns die Vermögensteuer das politische Ziel ist, eine Vermögensteuer, die überregional gedacht ist. Der zweite Punkt, den wir skeptisch bewerten, ist die Zweckbindung der Steuereinnahmen, die wir für verfassungsrechtlich schwer durchsetzbar halten.
Der dritte Punkt: Jede Einnahmeerhöhung muss zur Absenkung des Primärdefizits führen. Dies ist in dem Gutachten zu unserer Haushaltsnotlageklage ausgeführt, und daran halten wir normativ auch fest. Dennoch, dies für den Kollegen Eßer, werden wir diese Debatte in der Enquetekommission führen, weil wir die Hoffnung haben, dass die Enquetekommission dazu beitragen kann, eine interfraktionelle Verständigung über Auswege aus der Haushaltsnotlage herbeizuführen, die über das Sanierungskonzept dieser Koalition hinausgehen.
Wenn ich die heutige Debatte jedoch zu Grunde lege, bin ich sehr skeptisch, dass dies gelingen wird. Mir scheint, als ob der Vorrat an Gemeinsamkeiten in der Opposition vollkommen aufgebraucht ist. Es dominieren Populismus und zu 100 % kontradiktorische finanz-, sozial- und wirtschaftspolitische Auffassungen. Wie es dabei gelingen soll, neue Ideen – und seien sie derzeit noch Skizzen – vorurteilsfrei zu diskutieren und auf Umsetzbarkeit zu prüfen, ist mir schwer vorstellbar. Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit der EnqueteKommission müsste aber sein, darauf zu verzichten, den Bürgerinnen und Bürgern wissentlich die Unwahrheit zu sagen. Dies machen die Grünen jedoch dann, wenn sie laut behaupten, die Einnahmen aus ihrem Steuervorschlag könnten zweckgebunden für die Rücknahme von Einnahmeerhöhungen eingesetzt werden. Es reicht dann auch nicht, im stillen Kämmerchen zuzugeben, dass sie sich über Ihr Konzept selber noch nicht richtig sicher sind. Der nächste Schritt, den insbesondere der Kollege Eßer gerne
macht, ist ja der, dass Sie bei der nächsten Lesung des Haushalts im Hauptausschuss wieder eine Presseerklärung abgeben, bei der Sie genau vorrechnen, wie viel Millionen € aus welchem politischen Vorschlag von Ihnen für die Entlastung und für ein politisches Umsteuern eingesetzt werden können. Sie sagen dabei aber nicht, dass ein relevanter Teil dessen, was Sie auf diesen Presseerklärungen an Zahlen nennen, auf Sand oder Hoffnungen gebaut ist. Mit diesem Verhalten streuen Sie den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen, daraus wird kein politisches Konzept.