Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

[Pewestorff (PDS): Wie war das früher beim „Neuen Deutschland“?]

Ausbildung wird dann irgendwann nur noch in schulischen Einrichtungen stattfinden. Die damalige Kleine Anfrage der Kollegen Mutlu und Pop zeigte dieses Problem eindeutig auf. Im Jahr 2002 wurden für das BundLänder-Sonderprogramm 33 Millionen €, für Landesprogramme 11 Millionen € und für MDQM ca. 37 Millionen € ausgegeben.

Zwar waren von den insgesamt 22 000 in Berlin neu gegründeten Ausbildungsverhältnissen 75 % noch in betrieblicher Art. Allerdings befürchte ich, dass dieses Verhältnis sich mit der Einführung einer Zwangsabgabe weiter zugunsten der schulischen Ausbildung verlagert. Nach dem Berufsausbildungsbericht 2004 der Bundesregierung wurden in Deutschland 60 000 der 560 000 von den Kammern neu registrierten Lehrverträge vollends durch die öffentliche Hand finanziert. Das heißt im Klartext: noch mehr staatliche Beihilfen und noch mehr schlechte Ausbildungsverhältnisse. Der rot-rote Senat sollte sich wirklich überlegen, ob er eine solche Politik betreiben will.

Wer eine Zwangsabgabe lauthals fordert, muss sich darüber im Klaren sein, dass damit kein einziger Ausbildungsplatz geschaffen wird. Unternehmen können sich durch eine Abgabe freikaufen, und die Folge liegt eindeutig auf der Hand: Es wird weniger Ausbildungsplätze geben. Die Wahrheit ist, dass heute mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen als noch im Jahr 1995.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Motto der heutigen Aktuellen Stunde ist sehr gut gewählt. Das gilt insbesondere für den ersten Teil. In der Tat handelt es sich dabei um ein Lieblingskind des Regierenden Bürgermeisters, aber es ist nicht nur das Lieblingskind des Regierenden, sondern auch das Steckenpferd des Noch-Landesvorsitzenden der Sozialdemokraten Peter Strieder.

Das Duo infernale in der Berliner Politik geht im Laufschritt in Sachen Ausbildungsplatzabgabe voran, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sinken die Umfrageergebnisse der Sozialdemokraten in Berlin in das Nirwana.

[Gaebler (SPD): Sie sind aber über denen der FDP!]

Die Reformen auf Bundesebene seit 1998 und die zumeist sinnlosen Kürzungen des rot-roten Senats in dieser Legislaturperiode sind der Bevölkerung und den eigenen Leuten in der SPD nicht mehr zu vermitteln. Alle Reformen haben dabei eines gemeinsam: Dem Staat wird immer mehr Vorzug gegeben, die Eigeninitiative bleibt auf der Strecke.

Das heißt, der Staat soll sich weiterhin um die Grundlagen der Wirtschafts-, der Arbeitsmarkt- und der Gesundheitspolitik kümmern. Wie anders ist es zu erklären, dass beispielsweise Leistungen im Gesundheitswesen gekürzt und gleichzeitig die Beiträge nicht gesenkt werden? – Diese Politik der halbherzigen Reformen ist zum Scheitern verurteilt.

Deshalb ist das Gerede um die Ausbildungsplatzabgabe nichts weiter als eine Beruhigungspille für die eigenen Anhänger.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Linken in der Partei sollen ruhig gestellt werden. Dabei ist es dem Senat egal, welche Konsequenzen eine Zwangsabgabe für die Berliner Wirtschaft hat. Der Senat ignoriert alle Warnungen der Verbände und Institute. Anstatt einem schwerkranken Mann die richtige Medizin zu geben, versucht der Senat, ihn durch Schläge gesund zu prügeln.

[Beifall bei der FDP]

Eine Zwangsabgabe hat ernorme Konsequenzen für die Berliner Wirtschaft. Sie treibt die Betriebe – besonders die kleineren Betriebe – sehenden Auges in die Insolvenz. Der Senat schützt den öffentlichen Dienst. Andererseits möchte er die vielen Handwerker und findigen Köpfe in unserer Stadt als Melkkuh benutzen. Das ist zwar ein Mentalitätswechsel, wie es der Regierende angekündigt hatte, allerdings genau in die falsche Richtung. Es ist der erste Schritt in die Verstaatlichung der Ausbildung.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der PDS: Ha, ha!]

Sie gefährden das in aller Welt so gelobte duale System.

[Pewestorff (PDS): Das waren andere!]

[Frau Pop (Grüne): Weil wir keine Umlage haben!]

[Zuruf von links: Stimmt nicht!]

Wenn man bedenkt, dass die Erwerbsquote in Berlin stark zurückgegangen ist, bedeutet dies eine nicht zu unterschätzende Leistung der Berliner Unternehmen und Betriebe.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Chaos bei der Statistik aufmerksam machen. Niemand weiß wirklich, wie viele Jugendliche im Januar 2004 einen Ausbildungsplatz in Berlin suchen. Nachfragen bei der IHK waren nicht sehr fruchtbar. Dort konnte man mir keine genauen Zahlen nennen. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg teilte mit, dass in diesem Monat nur noch ein Jugendlicher ohne Arbeitsplatz in der Datenbank der Direktion verzeichnet ist.

[Frau Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Ist doch klasse! Gute Arbeit!]

Warten Sie mal, ich bin noch nicht fertig. – Gleichzeitig sagt die offizielle Statistik der Regionaldirektion aus, dass im Januar 9 800 noch ohne Lehrstelle seien. Hier sollte der Senat seine Kräfte bündeln und für Klarheit in der Statistik sorgen.

[Beifall bei der FDP]

Wer die Lehrstellenmisere in Berlin beseitigen möchte, muss dieses Problem in einem Zusammenhang sehen. Unternehmen und Betriebe müssen wirtschaftlich entlas

Wer soll eigentlich kontrollieren, wer zahlen muss und wer nicht? – Sie schaffen damit nur eine neue Beschäftigungsmaßnahme für die öffentliche Verwaltung. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Wer mehr Lehrstellen will, muss Nein zur Zwangsabgabe sagen. Wer weniger Bürokratie will, muss Nein zur Zwangsabgabe sagen. Unsere Fraktion hat dazu vor einiger Zeit einen Antrag ins Plenum eingebracht.

Die FDP-Fraktion spricht sich ohne Wenn und Aber gegen eine derartige Umverteilungsmaßnahme aus. Wir brauchen Freiräume für mehr Innovation und Bildung und keine Schlaftabletten für den linken Flügel irgendwelcher Parteien und Grüppchen, Herr Gaebler.

Hören Sie auf den Bürgermeister von Bremen, Herrn Scherf, auf die Ministerpräsidentin von SchleswigHolstein, Frau Simonis,

auf den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Herrn Steinbrück, auf den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Herrn Beck, und natürlich auf den Bundeswirtschaftsminister, Herrn Clement. Vermeiden Sie es, aus opportunistischen Gründen die Zukunft unseres Landes aufs Spiel zu setzen. – Vielen Dank!

tet werden. Dazu bedarf es einer durchdringenden Steuerreform. Einfache und niedrige Steuersätze sind die beste Politik zur Schaffung neuer Arbeitsplätze,

[Beifall bei der FDP]

im Übrigen auch von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Zweitens sollte das Ausbildungsrecht flexibler gestaltet werden. Den Betrieben sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, Auszubildende länger in den Betrieben zu halten. Dazu erforderlich ist z. B. mehr Blockunterricht in den Berufsschulen. Ansonsten ist zu prüfen, ob es nicht ausreicht, dass der Unterricht in den Berufsschulen nur einmal in der Woche stattfindet.

Drittens: In wirtschaftlich schlechten Zeiten darf man meiner Meinung nach die Frage stellen, ob die meist tarifrechtlich abgesicherten Bezüge von Auszubildenden nicht gelockert werden können. Flächentarifverträge für Azubis sind ebenso abzulehnen wie für andere Bereiche des Arbeitslebens.

[Beifall bei der FDP]

Viertens: Wir brauchen endlich einen Ausbildungspass zur Modularisierung des Berufsbildungssystems.

[Frau Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Ist doch in Arbeit! Wissen Sie doch!]

Dieser Pass muss mit dem ehrenamtlichen Engagement der Jugendlichen gekoppelt werden. Somit können Arbeitgeber ihre Azubis besser aussuchen. Weiterhin gilt es, junge Menschen fit für die Internationalisierung bzw. Europäisierung bezüglich neuer Berufsbilder zu machen. Und auch wenn Sie sagen, er sei in Arbeit, dann möchte ich wissen, wann er endlich kommt.

Fünftens: Es ist durchaus überlegenswert, ob sich gerade in strukturschwachen Regionen 3 Azubis 2 reguläre Stellen teilen können. Für manche Firmen in den neuen Bundesländern wäre eine solche Maßnahme ein Anreiz, neue Ausbildungsplätze zu schaffen.

[Frau Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Machen wir doch 4, ist noch besser!]

Ein Zeitungsartikel der „Welt“ vom 1. März hat aufgezeigt, dass der Senat ebenfalls eine Zwangsabgabe zahlen müsste, wenn die Bundesregierung sie einführen würde. Bei 140 000 Mitarbeitern befinden sich 2 500 Jugendliche in einer Ausbildung. Das ergibt eine Quote von 1,8 %. Für die Senatsinnenverwaltung bezeichnete ihr Sprecher Fleischmann eine Zwangsabgabe als weltfremd. Fleischmann weiter: „Uns steht das Wasser bis zum Hals.“ Dies ist nichts weiter als eine Doppelmoral. Fragen Sie mal die Betriebe und Unternehmen in Berlin, ob ihnen vielleicht derzeit nicht das Wasser bis zum Hals steht!

[Beifall bei der FDP]

Nach Angaben der IHK kämen bei einer Zwangsabgabe auf den Senat Kosten von ca. 35 Mio € zu. Wenn Ihnen

das Wasser wirklich bis zum Hals steht, dann hören Sie mit diesem Gerede endlich auf!

[Beifall bei der FDP]

[Gaebler (SPD): Wer einen Arbeitsplatz will, muss gleich zur FDP gehen!]

[Beifall bei der FDP]

[Zuruf von links: Auf unseren Bürgermeister!]

[Beifall bei der FDP]