Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Und das bei Leerstand von Hunderttausenden von Wohnungen in dieser Stadt. Wer, Frau Oesterheld, soll in ein solches Projekt investieren?

Da gibt es das Projekt des „seligen“ Senators Strieder, das Wiesenmäher-Projekt entlang der Autobahn. In die Start- und Landebahn werden in unregelmäßigen Abständen Löcher gebohrt – als hätten wir nicht schon genug Löcher in dieser Stadt: Haushaltslöcher, Löcher in der Bilanz und eine löchrige Senatspolitik.

Im Übrigen steht im Konsensbeschluss auch: Der Flughafen wird privat finanziert. – Das zeigt, dass der Konsensbeschluss eine gute Grundlage der Luftverkehrspolitik darstellt, aber nicht zur Bibel taugt. Wie sollte man auch eine Politik nennen, die sich über fast 10 Jahre hin nicht weiterentwickelt und sich ausschließlich auf die Buchstaben eines Beschlusses von vor acht Jahren beruft?

Ihr Argument ist keines. Der Konsensbeschluss sieht keine vorzeitige Entbindung von der Betriebspflicht in Tempelhof vor.

Zweites Argument: „Der Markt hat sich gegen Tempelhof entschieden.“ – Nicht der Markt, sondern die Politik hat sich gegen Tempelhof entschieden. Die Schlagzeilen, von der Politik hervorgerufen, sind seit einem Jahrzehnt die gleichen: Nächstes Jahr wird Tempelhof stillgelegt! – Wann wird Tempelhof stillgelegt? – Der letzte Start noch in diesem Jahr! – Wer soll denn unter diesen Umständen investieren? Wer will an einen Standort gehen, der jedes Jahr zur Disposition gestellt wird? – Geben Sie Tempelhof eine Perspektive, und Sie werden sehen, wie der Markt für Belebung sorgt!

Dann gab es das Projekt „Tivoli“ auf der Start- und Landebahn. Die Anwohner würden sich herzlich bedanken über den Dauerlärm,

[Klemm (PDS): Jetzt haben sie ja keinen!]

Musikberieselung, Parkplatzprobleme und Müllentsorgungsprobleme. Und dann gab es auch einmal eine Idee von Frau Fugmann-Heesing, nämlich die Freie Universität im Hangar unterzubringen. Das spricht nur dafür, dass man sich Gebäude erst einmal ansehen sollte, bevor man sie anschließend verplant.

Was soll also mit dem zweitgrößten Gebäude der Welt – mit der „Mutter aller Flughäfen“, wie es der britische Stararchitekt Rogers formuliert – geschehen, wenn Sie den Flugverkehr dort einstellen? – Am besten nutzt man das Gebäude für das, wofür es gebaut worden ist, nämlich für den Luftverkehr.

[Beifall bei der CDU – Gram (CDU): Sehr guter Mann!]

Es gibt kein tragfähiges Nachnutzungskonzept. Wie sollte es das in Zeiten klammer Kassen, bei Gewerberaumüberangebot und Wohnungsleerstand auch geben? – Die Stadt braucht kein neues Wohngebiet. Beseitigen Sie doch erst einmal den Leerstand in dem vorhandenen Wohnungsbestand! Die Stadt braucht kein neues Gewerbegebiet. Sorgen Sie doch endlich einmal dafür, dass die vorhandenen Gewerbeflächen besiedelt werden! Da würde Berlin brummen. Die Stadt braucht keinen Strieder-Gedächtnispark. Wir wären schon glücklich, wenn es Ihnen gelänge, die bestehenden Parkanlagen in Ordnung zu halten und zu finanzieren.

[Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Diese Stadt, lieber Herr Doering, braucht einen CityAirport, der Geschäftsleuten den kurzen Weg in die City ermöglicht,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

einen City-Airport, der auch Verbindungen in die neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anbietet,

[Klemm (PDS): Den können wir am Potsdamer Platz bauen! – Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

einen City-Airport, Frau Matuschek, um den uns andere Metropolen der Welt – auch Moskau – beneiden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nun kommen die bekannten und beliebten Gegenargumente, die der Herr Regierende Bürgermeister wie mit der tibetanischen Gebetstrommel stets wiederholt: „Das steht so im Konsensbeschluss.“ – Wer Augen hat zu lesen, der lese! Im Konsensbeschluss von 1996 steht: Tempelhof wird bei Vorliegen der rechtskräftigen Planfeststellung des neuen Flughafens geschlossen. – Es gibt keinen – und schon gar keinen rechtskräftigen – Planfeststellungsbeschluss für BBI.

[Gram (CDU): Aha!]

[Zurufe von den Grünen]

[Frau Oesterheld (Grüne): Da haben Sie aber vor drei Jahren noch etwas anderes erzählt!]

Nächstes Argument: „Ihr gefährdet das Planfeststellungsverfahren für BBI.“ – Das ist ein uraltes Argument und zieht genauso wenig wie alle anderen. Alle Experten, auch die Senatsverwaltung und die Planfeststellungsbehörde in Brandenburg haben mehrfach klargemacht, dass es keine Rolle für den Planfeststellungsbeschluss spielt, ob Tempelhof offen bleibt oder nicht. Das haben Ihnen namhafte Rechtsexperten in das Stammbuch geschrieben. Im Gegenteil: Wer vorher – bevor er einen neuen Flughafen, eine neue Kapazität schafft – eine alte Kapazität vom Netz nimmt, der gefährdet das Verfahren und muss sich fragen lassen, warum er neue Flughafenkapazitäten schaffen will, wenn er alte nicht mehr braucht.

„Tempelhof macht Defizit.“ – Nicht Tempelhof, sondern das zweitgrößte Gebäude der Welt macht Defizit. Schlechtreden verursacht schlechte Zahlen. Der Flugverkehr macht schon heute plus-minus Null. Heute müssen die Fluggäste das Gebäudedefizit bezahlen, nach der Schließung die Steuerzahler. Die Mieter gehen weg, die Kosten bleiben. Was soll dadurch besser werden? – Dieses Argument stimmt einfach nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Deshalb lautet die Forderung: Nehmen Sie doch endlich die Angebote von DBA und Germania ernst und wahr! – Ihr Argument, diese Argumente seien nicht seriös, ist in Wirklichkeit unseriös. Herr Wowereit, Sie als großer Mega-Kaufmann wollen den Unternehmen vorschreiben, was sie kaufmännisch und wirtschaftlich zu beurteilen haben. Sie sollten lieber einmal versuchen, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, dann können Sie hinterher auch Unternehmen erzählen, was wirtschaftlich ist und was nicht.

Das Kapitel Baufeld Ost – Herr Kaczmarek, übrigens eine der größten Fehlleistungen der damaligen Koalition und des damaligen Flughafenmissmanagements, verbunden mit der Vernichtung von Millionen an Steuermitteln – ist inzwischen beendet worden. Die Entschuldung ist durch große Anstrengungen der Gesellschafter und der Flughafengesellschaft selbst erfolgt. Diese Leistung wurde von der Koalition von Anfang an ins Auge gefasst. Sie war übrigens auch – und das sage ich bewusst in Richtung bestimmter Teile meiner eigenen Partei – Bestandteil des Wahlprogramms der PDS.

Inzwischen ist der Flughafen Schönefeld derjenige mit dem dynamischsten Wachstum in der Bundesrepublik. Berlin ist an die dritte Stelle der Flughäfen gerückt – nach Frankfurt und München, vor Düsseldorf. Der ehemalige Verlustbringer Flughafengesellschaft entwickelt sich positiv und nimmt teil an der Mehrung des öffentlichen Eigentums – nicht an dessen Vernichtung –, und das ist gut so.

Um diese Entwicklung voranzutreiben, mit dem Ziel den Flugverkehr auf einen Standort zu konzentrieren und durch Synergie und Standortoptimierung das BerlinBrandenburger Flugwesen wirtschaftlicher und nutzbringender für die Entwicklung der Region zu gestalten, werden die Schließungsverfahren für Tegel und Tempelhof betrieben. Während das Schließungsverfahren für Tegel unspektakulär verläuft und dort das nötige Anhörungsverfahren der Luftfahrtgesellschaften inzwischen abgeschlossen ist, werden wir von interessierten Kreisen immer wieder dazu gedrängt, Tempelhof offen zu halten und damit den Weg der wirtschaftlichen Konsolidierung zu verlassen. Das werden wir aber nicht tun.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie den Hinweis auf die Redezeit?

Der letzte Satz, Frau Präsidentin! – Nicht seriös ist Ihr Umgang mit Unternehmen, die Arbeitsplätze in dieser Stadt schaffen wollen. Das ist kaltschnäuzig, wie Sie mit diesen Unternehmen und ihren Angeboten umgehen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Jedes Angebot, das Ihnen nicht passt, wird öffentlich kleingeredet. Die Ernsthaftigkeit dieser Vorschläge ist unbestritten. Deshalb: Nehmen Sie endlich diese Angebote an! Schlagen Sie den Unternehmen nicht die Tür vor der Nase zu, und entschwinden Sie nicht auf die nächste Party, Herr Wowereit! Fordern Sie doch die Unternehmen in einem Interessenbekundungsverfahren zur Angebotsabgabe auf! – Dann werden wir sehen, wer Recht hat. Bringen Sie nicht Ihr Standardargument, das da heißt: „Basta!“ – Das kann nicht das letzte Wort der Luftverkehrspolitik in dieser Stadt sein. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Matuschek. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr von Lüdeke! Sie wollen originell sein, indem Sie den Begriff „Schließung Tempelhof“ in Gänsefüßchen setzen. Da haben Sie offenbar dem Springer-Verlag nacheifern wollen. Der war damals auch nicht so originell mit seinem Gänsefüßchenverfahren bezüglich der DDR.

[Dr. Steffel (CDU): Er hat doch Recht gehabt! – Weitere Zurufe von der CDU]

Sie sind auch nicht besonders originell mit diesem Verfahren, aber den Versuch war es vielleicht wert, ein bisschen Amüsement herein zu bringen.

Das Flugwesen ist in diesem Hause immer eine Rederunde wert, und es wird niemanden verwundern: Das Flugwesen – es entwickelt sich! Das vollständige Zitat heißt: „Genossen Bauern – es entwickelt sich!“

[Gram (CDU): Das kennen Sie! – Weitere Zurufe von der CDU]

Die Koalition hat sich zu Beginn ihrer Tätigkeit darauf konzentriert, die Altlasten zu beheben. Auch in diesem Projekt sind Altlasten enthalten. Die einvernehmliche und rechtssichere Beendigung des für die öffentliche Hand höchst riskanten Privatisierungsverfahrens gehört genauso dazu wie die Umstrukturierung der ehemaligen Flughafenholding BBF, die Ertüchtigung der Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld FBS und die Zurückführung der verschiedenen Tochtergesellschaften in die FBS.

Für Tempelhof tritt das beantragte Schließungsverfahren jetzt in seine Endphase. Der Antrag auf Aufhebung des gültigen Planfeststellungsbeschlusses wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen verbunden mit dem Antrag auf Befreiung von der Betriebspflicht zum Oktober dieses Jahres. Dieser Schritt ist logisch und nachvollziehbar. Eine Befreiung von der Betriebspflicht ist nach dem Luftverkehrsrecht möglich. Sie wurde z. B. auch in Düsseldorf praktiziert. Sie wird in Tempelhof aus wirtschaftlichen Gründen beantragt. Das wollen Sie, werte Kollegen von der FDP und von der CDU, nicht akzeptieren und werfen deshalb mit Nebelkerzen.

Einige Argumente werde ich Ihnen deshalb noch einmal nennen:

[Kaczmarek (CDU): Aber bitte wirkliche Argumente!]

Es wird behauptet, Tempelhof könnte wirtschaftlich betrieben werden, wenn man denn wollte. Das ist ein bewusst gestreutes Märchen. Tempelhof bringt jährliche Verluste von 15 bis 17 Millionen €. Diese Verluste resultieren entgegen der Behauptung von Tempelhofer Lobbyisten zu 60 % aus dem Luftverkehr.

[Kaczmarek (CDU): Das stimmt gar nicht!]

Es wird behauptet, ein Weiterbetrieb von Tempelhof würde Schönefeld nicht belasten oder verhindern. Doch, Herr Kaczmarek, genau das würde es tun! Es ist die feste Absicht der Koalition, die Investitionskosten für Schönefeld zu einem großen Teil aus den Betriebsergebnissen der Flughafengesellschaft selbst zu erwirtschaften. Das ist nötig, um den Haushalt Berlins nicht über Gebühr zu belasten. Genau diese Betriebsergebnisse würden durch eine Fortführung des Flugbetriebes in Tempelhof enorm belastet werden. Die Kreditwürdigkeit der Flughafengesellschaft würde belastet. Der Businessplan für die Errichtung von Schönefeld würde belastet. Wer Tempelhof offen halten will, will Schönefeld verhindern. Das ist die nackte Wahrheit. Da hilft auch überhaupt kein Aufheulen.

Die Koalition hat sich dazu geeinigt, das Flugwesen zu entwickeln. Der Planfeststellungsbeschluss wird in diesem Jahr ergehen. Die Planfeststellungsanträge wurden in vielen wichtigen Belangen, insbesondere denen der Anwohner, der Umweltverträglichkeit, des Lärmschutzes und der Standortbegründung mehrfach überarbeitet. Aus dem Planfeststellungsbeschluss werden alle Sachverhalte der Standortentwicklung in Schönefeld ersichtlich sein, auch, ob der Standort überhaupt geeignet ist. Möglicherweise wird es auch Auflagen geben, die dann zu berücksichtigen sind, auch dann in dem Business-Plan und dem Finanzierungskonzept zu berücksichtigen sind. Das ist ganz klar.

Wollte man Tempelhof aus der Verlustzone bringen, müsste der Luftverkehr an diesem Standort mindestens vervierfacht werden.

[Zurufe von der CDU]