Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Vielen Dank, Herr Kollege Kleineidam! – Für die CDU erhält das Wort der Herr Kollege Brinsa. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zur FDP werde ich nicht zur Leichenschau reden. Ich werde nicht über den Leichenpass sprechen und auch nicht über den Leichentourismus. Mein Vorredner, der Kollege Kleineidam, hat deutlich gemacht, dass wir uns in den Ausschussberatungen weitgehend einig waren. Ich möchte aber ein ganz wichtiges Thema ansprechen. Dabei möchte ich auch nicht über das Gewicht eines Totgeborenen reden, weil wir hier in dem Ausschuss Einvernehmen erzielt haben, Herr Kollege Kleineidam hat bereits darauf hingewiesen.

Ich möchte hier aber die Änderung in § 15 Abs. 2 Satz 1 der Beschlussempfehlung Drucksache 15/2805 aufgreifen und dazu anmerken, dass mit dieser Beschlussempfehlung bestimmte Worte „medizinisch-pharmazeutisch oder“ gestrichen werden sollen. Das begrüßen wir grundsätzlich. Es bezieht sich im Übrigen auf die totgeborenen Kinder. Warum aber das Wort „wissenschaftlich“ gleichfalls, das immer noch vorhanden wird, nicht gestrichen wird, kann nach unserem Empfinden nicht nachvollzogen werden.

ten die zweite Leichenschau stattfindet. – Insofern liegen wir also hierbei nicht weit auseinander.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt dieses Bestattungsgesetzes ansprechen, weil mich die entsprechende Beratung im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz ausgesprochen beeindruckt hat. Herr Matz hat bereits darauf hingewiesen: Wir haben uns auch dem Thema „Differenzierung zwischen Tot- und Fehlgeburten“ genähert. Das ist sicherlich in unserer Gesellschaft ein etwas schwieriges Thema – wie der Tod überhaupt. Bisher ist es so gewesen, dass als Totgeburten – mit der Konsequenz, dass eine Beerdigung stattzufinden hat – nur Kinder galten, die mindestens 1 000 Gramm schwer waren. Die Geburtsmedizin ist in der Zwischenzeit so weit vorangeschritten, dass auch Frühgeborene unter 1 000 Gramm von den Ärzten am Leben erhalten werden können und durchkommen. Insofern ist eine merkwürdige Situation entstanden: Totgeborene Kinder unter 1 000 Gramm sind nicht zu bestatten, sondern – wie es im Gesetz heißt – „zu beseitigen“. Sie werden insofern nicht wie Leichen, wie Menschen anerkannt. Hier hat die Senatsverwaltung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, dass die Grenze von 1 000 Gramm auf 500 Gramm abgesenkt wird. Die CDU hatte schon vor etwa einem Jahr einen Antrag mit der gleichen Zielrichtung eingebracht. Der Unterschied zwischen beiden Anträgen lag darin, dass im Gesetzesentwurf den betroffenen Eltern freigestellt wird, die Kinder zwischen 500 Gramm und 1 000 Gramm tot gebären, ob sie eine Bestattung durchführen wollen oder nicht. Die CDU hat im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz erklärt, dass sie diese Regelung für noch besser hält. Insoweit waren Sie nicht auf die Idee gekommen und haben sofort Ihren Antrag für erledigt erklärt.

Ich schildere dies hier noch einmal so ausführlich, weil ich es sehr begrüßt habe, dass wir über alle Fraktionen und Parteigrenzen hinweg bei diesem Thema, das ich für ein sehr ernstes Thema halte, ganz schnell ein Einverständnis gefunden haben und ein gemeinsames Verfahren verabreden konnten. Ich hoffe, dass wir diesem Thema in diesem Haus auch so gerecht werden können, wenn wir – damit komme ich zu dem dritten Themenkomplex – uns mit der Frage der Friedhofspflicht in der Zukunft auseinander setzen. Wir haben es im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz kurz angesprochen. Diese Frage war noch nicht Gegenstand des Gesetzesentwurfs. Wir waren uns darüber einig, dass dies eine ganz neue Diskussion begründen würde, die wir auch in aller Ausführlichkeit und Ernsthaftigkeit in diesem Haus führen müssten.

Herr Matz hat darauf hingewiesen, in vielen Bundesländern läuft diese Diskussion schon. Es gab schon Gesetzesveränderungen. Es stünde unserer Gesellschaft insgesamt gut an, das Verhältnis zum Tod und zum Sterben sowie zu Beerdigungen neu zu überdenken und Korrekturen anzubringen. Ich hoffe, dass wir in diesem Haus auch diese Diskussion führen werden und hoffe, dass wir

sie genauso ernsthaft und fair miteinander führen, wie wir es bisher in diesem Fall getan haben. Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Nicht nur nach meiner Auffassung ist ein totgeborenes Kind ein Kind der Liebe. Es ist ein Kind der Liebe, besonders verbunden mit der Mutter. Es empfindet die Liebe der Mutter beispielsweise durch die Ernährung und auch durch die Geborgenheit im Mutterleib. Ein solches Kind der Liebe wird nicht nur von der Mutter, von den Eltern, sondern auch von Gott geliebt. Kommt es zu einer bedauernswerten Totgeburt, möchte jede Mutter und möchten die Eltern gern diese Liebe zu ihrem Kind erhalten wissen. Sie möchten es würdig in Erinnerung behalten dürfen. Das ist unser Anliegen gewesen, das wir auch im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz mit unserer Initiative erreicht haben.

Insoweit ist es ganz wichtig, auf die Gefühle und Empfindungen der Betroffenen Rücksicht zu nehmen. Sie haben Anspruch darauf, in einem angemessenen Stil, in einer angemessenen Form auf die vielfältigen Möglichkeiten mit der Situation würdig umzugehen, informiert zu werden. Das ist unser Anliegen. Das ist das Anliegen der CDU. Dieses Anliegen entspricht unseren christlichen Wertvorstellungen. Es bedeutet für die Betroffenen, für die Mutter, für die Eltern Hoffnung, Trost und Zuversicht. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege Brinsa! – Die PDS folgt. Frau Kollegin Simon hat das Wort! – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln mit dem Änderungsgesetz zum Bestattungswesen einen Teilaspekt eines Themas, das sehr viele Menschen betrifft. Das ist beim Tod eines Angehörigen oder bei vielen Schwerstkranken, die sich darüber Gedanken machen, was eigentlich mit ihrer Leiche nach ihrem Tod geschieht, wie mit ihnen umgegangen wird, auch ganz verständlich. Es ist wichtig, dass wir bestimmte Vorgaben im Umgang mit Bestattungen regeln. Hauptsächlich müssen wir aber sicherstellen, dass Angehörige auf ihre eigene Art um die Toten trauern können und dass ein würdevoller Umgang mit den Toten und den Leichen sichergestellt ist.

Dieses Gesetz war unter anderem notwendig, um die Bestattungspflicht für totgeborene Kinder neu zu regeln. Darauf ist schon eingegangen worden. Die Entwicklung in der Geburtsmedizin hat dazu geführt, dass Frühgeborene mit weniger als 1 000 Gramm inzwischen viel öfter überleben. Dann ist es auch folgerichtig, dass totgeborene Kinder über 500 Gramm als Leichen gelten und der Bestattungspflicht unterliegen sollen. Wir begrüßen es aber, dass in dem Gesetz – anders als in dem Vorschlag der CDU, der zurückgezogen wurde – den Eltern, deren Kinder unter 500 Gramm – so genannte Fehlgeborene – wogen, selbst überlassen wird, wie sie mit dem Verlust umgehen und ob sie einen Gedenkort haben wollen oder nicht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wesentliche zu diesem Änderungsgesetz zum Bestattungsgesetz ist gesagt worden. Ich verweise auf das, was Herr Kleineidam bereits ausführte. Ich möchte nur noch eine Anmerkung machen und dabei noch einmal kurz auf Herrn Brinsa Bezug nehmen. – Herr Matz hatte gemeint, dass Gesetz sei ohne Änderung durchgegangen. Ganz so war es nicht, Herr Matz! Es gab von der SPD-PDS-Koalition einen Änderungsantrag, dem zugestimmt wurde. Dieser hatte unter anderem – Herr Brinsa sprach es soeben an – die im ursprünglichen Änderungsentwurf zum Bestattungsgesetz enthaltene Ausdehnung der Verwendungsmöglichkeit von Totgeborenen und Fehlgeborenen, die nicht bestattet werden, für medizinische und pharmazeutische Zwecke zum Inhalt.

Unser Änderungsantrag hat die Ausweitung auf die medizinischen und pharmazeutischen Verwendungszwecke zurückgenommen in der Sorge, dass hier die Nutzung aus kommerziellen Überlegungen dann den Ausschlag geben könnte. Nicht zurückgenommen haben wir, Herr Brinsa, den Ansatz für wissenschaftliche Zwecke. Dieser hat auch vorher bereits im Gesetz gestanden und hat nach meinem Kenntnisstand auch in der Ausschusssitzung auf Seiten der CDU nicht zu irgendwelchen Äußerungen geführt. Wir haben keine Veranlassung anzunehmen, dass hier Missbrauch betrieben wird. Solange das nicht der Fall ist, sollten wir auch den ehemaligen Inhalt beibehalten, weil in der Tat ganz wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, die ohne diese Möglichkeit enorm erschwert würden, jedenfalls für ganz bestimmte Bereiche.

Die Ausführungen von Herrn Matz zur Qualität der Leichenschau klangen mir ein wenig zu dramatisch. Wenn sie wirklich so dramatisch wäre, dass man praktisch die bisherige Leichenschaupraxis ganz in Frage stellen müsste, frage ich die hier von Ihnen zitierten Verantwortlichen aus der Gerichtsmedizin und aus der kassenärztlichen Versorgung, warum sie sich nicht rechtzeitig im Vorfeld gemeldet haben. Wenn Ihre Charakterisierung zutrifft, hätte man in der Tat eine intensivere Debatte über Ihren Vorschlag einer einmaligen intensiven Leichenschau führen können. Aber wir haben keine Veranlassung dazu gesehen. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir die jetzige Regelung der Leichenschau befriedigend finden, was nicht heißt, dass es nicht auch da zu Missbrauch und Fehlentwicklungen kommen kann. Diese können Sie aber mit keinem Gesetz der Welt völlig ausschließen. Sollte es aber die Form angenommen haben, die Sie heute hier beschworen haben – und darauf hat Herr Kleineidam hingewiesen –, wird es sicherlich die Gelegenheit geben, im Rahmen einer Rechtsverordnung oder einer weiteren Korrektur – Gesetze sind veränderbar, sie sind von uns gemacht – die Dinge noch einmal zu behandeln. In der Form, wie Sie sie heute präsentiert haben, haben sie auch im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz keine Rolle gespielt. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Simon! – Als letzte Redemeldung hat jetzt Frau Jantzen von der Fraktion der Grünen das Wort. – Bitte!

Das Gesetz reagiert auf verschiedene Probleme, die in der Durchführung der Leichenschau bestehen. Herr Matz hat sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass hauptsächlich schon in der ersten Leichenschau Probleme bestehen und dort die Kritik der Kriminalisten sehr groß ist. Es werden dabei sehr viele nichtnatürliche Todesursachen nicht festgestellt. Deswegen ist es in erster Linie wichtig, diese erste Leichenschau zu qualifizieren.

Wir begrüßen es, dass die Ärzte im Bereitschaftsdienst hier ausgenommen werden, weil sie einen vorläufigen Todesschein ausstellen können, wenn sie denn für andere Aufgaben gebraucht werden. Wir begrüßen auch, dass die Kassenärztliche Vereinigung bereits aktiv geworden ist und während der Bereitschaftsdienste in Zukunft zwei qualifizierte Ärzte zur Verfügung stehen soll, die für die Leichenschau ausgebildet sind und diese erste Leichenschau qualifizierter durchführen können.

[Beifall bei den Grünen]

Die von der FDP kritisierte zweite Leichenschau sehen wir etwas differenzierter. Wenn eine Feuerbestattung gewünscht ist, ist es klar, dass die Leiche später nicht mehr obduziert oder untersucht werden kann. Sollte doch etwas in der ersten Leichenschau übersehen worden sein, ist es nachträglich nicht mehr möglich, dies zu kontrollie

Frau Jantzen

Zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 15/2706 empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der CDU, FDP und der Grünen die Annahme unter Berücksichtigung der Änderung gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 15/2833. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das bei Mehrheit der Regierungsfraktionen und Enthaltung der Opposition so beschlossen.

ren, und deswegen halten wir eine zweite Leichenschau für sinnvoll. Es reicht nicht, einfach nur restriktivere Bedingungen dafür zu schaffen und zu sagen, sie muss nun immer in Berlin stattfinden. Es muss dann auch sichergestellt sein, dass diese zweite Leichenschau nicht nach dem Motto „Deckel auf, Deckel zu – ich habe mal reingeschaut“ funktioniert. So sollte man damit nicht umgehen.

Wir sollten auch in Berlin die Debatte – das war im Rahmen dieser Gesetzesvorlage nicht möglich – über die Liberalisierung der Bestattungspflicht führen, gerade hinsichtlich der Urnenbestattungen. Andere Länder sind da bereits vorangegangen. Inzwischen gibt es eine Reihe von Artikeln in der Presse, die dafür plädieren, dass man individuellere Lösungen für den Umgang mit dem Sterben, der Trauer und dem Tod finden sollte. Ich finde es gut, dass wir dies in einer ruhigen Atmosphäre und nicht ideologisch belastet im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz diskutieren können und vielleicht auch in gemeinsamen vorherigen Veranstaltungen und Diskussionen tun können. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Kollegin Jantzen! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/784 hat der Ausschuss einstimmig für erledigt erklärt. Dies ist dann so zur Kenntnis genommen.

Zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 15/2539 – Viertes Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes – empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der FDP und bei Enthaltung einer Stimme der Grünen die Annahme unter Berücksichtigung der Änderung gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 15/2805. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe! – Das ist die FDP. Enthaltungen? – Dann ist das gegen die Stimmen der FDP mehrheitlich so beschlossen.

Die lfd. Nr. 5 ist gemäß Konsensliste auf die nächste Sitzung vertagt.

lfd. Nr. 5A:

Dringliche II. Lesung

Vorschaltgesetz zur Neustrukturierung des Geschäftsbereichs Jugend und Familie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport

Beschlussempfehlung VerwRefKIT Drs 15/2833 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2706

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und

die Einleitung sowie die Artikel I und IV der Drucksache 15/2706. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

lfd. Nr. 5B:

Dringliche II. Lesung

Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 15/2844 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2742

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der fünf Paragraphen zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragraphen 1 bis 5 Drucksache 15/2742. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Beide Ausschüsse empfehlen einstimmig die Annahme der Vorlage Drucksache 15/2742. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind sämtliche Fraktionen. – Gegenstimmen? – Keine! Enthaltungen? – Auch keine! Dann ist das einstimmig so beschlossen.

lfd. Nr. 5C:

Dringliche II. Lesung

Gesetz zur rechtlichen Verselbstständigung der Investitionsbank Berlin

Beschlussempfehlungen WiBetrTech und Haupt Drs 15/2845 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2603