Es ist schon so, dass das ein teurer Tag für die Berlinerinnen und Berliner ist. Die Diskussion, die wir heute führen, kostet den Steuerzahler rund 640 000 €. Nun hoffen wir, dass die Redebeiträge insgesamt auch so viel wert sind. Darüber kann man sich sicher noch unterhalten. Wir halten viel, um das klarzustellen, von intensiven Diskussionen im Parlament, aber diese Kosten hätten wir den Bürgerinnen und Bürgern gerne erspart. Wir hätten heute diskutieren und über den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW entscheiden können. Die Koalition braucht längere Bedenkzeit, das haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, vielleicht, weil sie ihrem eigenem Senat misstraut –
Herr Liebich! Zu der Frage komme ich gleich. Ich danke Ihnen aber für das Stichwort. Sie müssen sich noch einen kleinen Moment gedulden, ich gehe darauf an anderer Stelle meiner Rede ein.
Ich möchte zunächst ein Lob loswerden. Das Lob ist an den Finanzsenator gerichtet, das müssen Sie mir an dieser Stelle gestatten. Der Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW ist grundsätzlich ein finanzpolitischer Erfolg. Der Verkauf der Gesellschaft zu diesem Preis – das gestehen wir auch als Opposition zu – ist ein persönlicher Erfolg des Finanzsenators Sarrazin. Lieber Herr Sarrazin! Diese Atempause haben Sie allerdings auch dringend gebraucht. Wer einen Doppelhaushalt aufstellt, der von ungedeckten Risiken nur so strotzt, die von B wie BVG-Schuldenberg über C wie verschleppte Charité-Sanierung, über H wie HartzIV-Desaster, über I wie ungeklärte InvestitionsbankAusgliederung bis zu V wie Vivantes-Pleite reichen, alle Haushaltslöcher sammelt wie andere Leute Briefmarken, der braucht dringend einen schnellen Notverkauf öffentlichen Vermögens, [Doering (PDS): Was heißt denn Notverkauf?]
um sich kurzfristig aus dem Abwärtsstrudel zu befreien. Aber, Herr Sarrazin, helfen tut das auf lange Sicht nicht.
Wenn nun der Jubel, Herr Gaebler, über das Ergebnis groß ist, gehört auch das zur Wahrheit. Das ist das, was Herr Liebich hören wollte.
Angesichts einer Rekordneuverschuldung von 5 Milliarden € pro Jahr, angesichts einer luftabdrückenden Zinslast von über 3 Milliarden €, angesichts eines Schuldenbergs von über 50 Milliarden €, auf den Sie diese Stadt geführt haben, können Sie doch nicht ernsthaft
glauben, Ihre Aufgabe sei erfüllt. Angesichts eines riesigen Gemischtwarenladens von Beteiligungen, von der Staatsmilchwirtschaft bis zum BVG-Reisebüro, können Sie doch nicht ernsthaft annehmen, mit dem GSWVerkauf sei das Ende der Aufgabenkritik erreicht. Angesichts solcher Zahlen ist der GSW-Verkaufserlös nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber nicht mehr. Wenn Sie nicht mehr wissen, wo Sie einsparen können, Herr Sarrazin, dann zeigen wir Ihnen das gern. Die lange Nacht des Döners, das Stadtforum, die Flut an überflüssigen Gutachten und Beratungsverträgen,
Haben Sie die Strukturprobleme der öffentlichen Wohnungswirtschaft damit gelöst, dass Sie die größte öffentliche Wohnungsbaugesellschaft verkaufen? – Leider nicht.
Der Verkauf kommt spät. Dass frühere Angebote deutlich schlechter gewesen sind und dass das lange Zuwarten sich gelohnt habe, ist doch eher Geschichtsklitterung.
Wer nämlich, wie der Senat, bei seinen ersten Anläufen Berge von Bedingungen an den Kauf der Wohnungsbaugesellschaft knüpft, der muss sich allerdings nicht über schlechte Angebote wundern. Das frühere Motto des Senats lautete: Ihr dürft zwar unsere Wohnungsbaugesellschaft kaufen, aber Eigentümerrechte bekommt ihr nicht. – Das war der sichere Weg, jeden Investor zu verschrecken. Den selbst gemachten Fehler, Herr Liebich, hat Herr Sarrazin nun korrigiert. Wenn wir allerdings ausrechnen, was diese selbst verursachte Verzögerung den Steuerzahler über die zwei Jahre gekostet hat, dann kann man von einem finanziellen Erfolg schwerlich reden.
Die rot-rote Koalition hat den Steuerzahler ihr Lehrgeld zahlen lassen. So jedenfalls, Herr Liebich, saniert man den Haushalt nicht.
Ist der Verkauf der GSW auch ein Erfolg für die Stadt, ist er ein Erfolg für die Menschen in der Stadt? Was ist, wenn sich die Begeisterung der Koalitionäre über den unerhofften warmen Geldregen gelegt hat? Was bleibt, wenn die Winkelemente der PDS wieder eingepackt sind? Was bleibt, wenn die Party vorüber ist? – Das sind, wie so häufig bei Partys, Katzenjammer und Kopfschmerzen.
Natürlich, Herr Pewestorff, 400 Millionen € mehr in der Kasse sind nicht zu verachten. Aber haben wir mit dem Verkauf auch nur ein Strukturproblem unseres Haushalts gelöst? – Leider nein.
Es scheint eher so, dass der warme Geldregen nun den Haushaltspolitikern der Koalition als Vorwand dient, die ungeliebte Sparpolitik endlich über Bord zu werfen, nach dem Motto: Nun haben wir ein bisschen gespart, dann noch ein bisschen verkauft und nun können wir endlich wieder mehr Geld ausgeben.
Herr Sarrazin! Auch Ihr jüngstes Interview mit dem Tenor: Wer noch Sparen will, soll mir erst einmal zeigen, wo das noch geht, nährt genau diesen Verdacht.
dort können Sie sparen, ohne den Bürgern die Leistungen zu kürzen, ohne die Chancen der Stadt zu zerstören, ohne die Stärken dieser Stadt zu beschädigen. Haushaltskonsolidierung, Herr Liebich, braucht keine rot-roten Kurzstreckensprinter, denen schon nach der ersten Kurve die Luft ausgeht, sondern Langstreckenläufer.
Wie viel öffentliche Wohnungen brauchen wir noch? – An dieser strategischen Grundfrage hängt am Ende das gesamte weitere Vorgehen in der öffentlichen Wohnungswirtschaft. Wie viele Wohnungsbaugesellschaften sind unter diesen Umständen sinnvoll?
Wie muss deren Struktur aussehen? – Noch nicht einmal die Grundfrage, was öffentliche Wohnungsbaugesellschaften eigentlich leisten sollen, ist geklärt. Sollen sie Geldtankstellen für den klammen Landeshaushalt sein oder sozialpolitische Zielsetzungen verfolgen? –
Lieber Herr Doering! Sie wissen die Antwort offensichtlich. Dann lassen Sie sich einmal von Ihrer Fraktion als Redner aufstellen, die anderen wollen uns das nicht mitteilen. – Das Fehlen operativer Gewinne, die aufgestauten Instandhaltungsrückstände, Leerstände und problematische Mieterstrukturen,
alles das sind weiterhin Probleme der öffentlichen Bauwirtschaft, die der vorherige Bausenator immer nur schöngeredet hat.
Tut mir Leid, ich habe nicht mehr genug Redezeit. – Der Verkauf einer Wohnungsbaugesellschaft ist nicht nur ein finanztechnischer Vorgang. Er betrifft viele Menschen unmittelbar in ihrem privaten Bereich. Dass dadurch Sorgen ausgelöst werden, ist verständlich. Dass viele Mieter sich Gedanken darüber machen, ob sie Mieterhöhungen zu befürchten haben, die ihre Möglichkeiten übersteigen, ist auch verständlich.
Wir tun gut daran – auch Sie von der Koalition –, die Sorgen der betroffenen Mitarbeiter und Mieter ernst zu nehmen. Die Wohnung ist gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein wichtiges Gut. Wohnen ist mehr als nur das Nutzen von einigen Quadratmetern auf Zeit. Irgendwo zu Hause zu sein, ist ein elementares Grundbedürfnis.
Wir verstehen das Bedürfnis der Mieterinnen und Mieter nach Sicherheit. Wir erwarten von dem Erwerber, dass er zufriedene Mieterinnen und Mieter als sein wichtigstes Kapital ansieht und mit entsprechend viel Fingerspitzengefühl und Vernunft handelt.
Seine Nachfolgerin hat ebenfalls keine Antworten. Die Folge ist: Keine klaren Ziele, keine klare Struktur, verschleppte Modernisierung, Verwaltungswasserköpfe, die auf die Mieten drücken. Die Krise der öffentlichen Unternehmen ist vom Senat selbst verursacht. Wer städtische Wohnungsbaugesellschaften in erster Linie als Versorgungseinrichtungen für verdiente oder weniger verdiente SPD-Funktionäre ansieht, der wird keinen Haushalt sanieren!
[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der PDS: Volltreffer! – Zuruf der Frau Abg. Osterheld (Grüne) – Weitere Zurufe von der PDS]
In Wirklichkeit, meine Damen und Herren von der Koalition, sind Sie vor den Problemen der öffentlichen Wirtschaft dieser Stadt nur davon gelaufen. Sie flüchten sich in den von vorherigen Senaten vorbereiteten Verkauf der GSW,