Protokoll der Sitzung vom 03.06.2004

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Herr Zackenfels, möchten Sie erwidern? – Nein! – Gut, dann kommen wir zur Fraktion der CDU. Hier hat Herr Kaczmarek das Wort. – Bitte sehr!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Beifall des Abg. Gram (CDU)]

[Doering (PDS): Natürlich! Was denken Sie!]

[Dr. Lederer (PDS): Sie haben Ja gesagt, da kannten Sie den Vertrag noch gar nicht!]

Nun erzählen Sie uns doch nicht Märchen, dass Sie in den nächsten zwei Wochen noch Bürgerrechte und Mieterrechte und anderes verhandeln wollen!

Das Einzige, das kommen wird – das kann ich Ihnen jetzt auch schon sagen, ich schreibe es Ihnen auf, Herr Doering, das haben Sie wahrscheinlich schon im Kopierer –, ist eine Resolution, in der steht, dass Sie im Übrigen der Meinung sind, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland eingehalten werden sollten, oder ähnlich. In dem Stil ist etwas zu erwarten. Das können wir alles haben. Das ist jedoch keine Realität.

Der Vertrag liegt vor. Der Vertrag ist ausverhandelt. Wir halten ihn für durchaus vernünftig und zustimmungsfähig. Sie ließen uns aber nicht zustimmen, weil Sie noch ein wenig darüber brüten wollen. Erzählen Sie uns bitte nichts und verstreichen bitte auch keine weiße Salbe, dass Sie in großen Zügen noch etwas ändern könnten. Hier können Sie gar nichts mehr ändern!

Herr Sarrazin, Sie haben in Ihrem Beitrag gesagt – ich habe mir zwei Äußerungen gemerkt und aufmerksam zugehört –, dass man mit Verkäufen unangenehmen Entscheidungen nicht entgehen kann. Damit haben Sie vollkommen Recht. Das war auch der Ansatz in meiner Rede

ist, dieses zu realisieren. Mit dem Verkauf der GSW

Kaczmarek

Was mich etwas erschreckt hat, war die Begründung, die 180 Millionen € sind in erster Linie der BVG zuzuschreiben, deswegen sei das Problem der Beteiligung nicht so groß. Herr Sarrazin, die Frage muss sich doch anders stellen! Warum unterhält eine öffentliche Gebietskörperschaft, warum unterhält eine Stadt eigentlich öffentliche Betriebe? Das ist die Frage, der wir uns stellen müssen. Es ist nicht die Frage, ob sie vielleicht gerade plus/minus Null machen oder der Verlust vielleicht nicht so schlimm ist. Das ist nicht die Begründung schon nach der Landeshaushaltsordnung nicht für Betriebe. Die Begründung muss ein politischer Beweggrund sein. Welche politischen Ziele wollen Sie eigentlich mit diesen städtischen Unternehmen erreichen, Ziele, die Sie nicht mit anderen politischen Mitteln besser oder gleichwertig erreichen können? Hier habe ich von Ihnen keine Antwort erhalten, weder zu den Stadtgütern, der städtischen Milchwirtschaft, die sicherlich 1930 einmal eine Begründung

hatte, aber heute in Zeiten der EU auch nicht mehr, noch zu anderen öffentlichen Beteiligungen. Daher ist dort noch eine ganze Menge nachzuarbeiten, eine ganze Menge an konzeptioneller Arbeit zu leisten. Es sind vor allem eine ganze Menge ideologischer Barrieren bei der Koalition zu überwinden.

Frau Oesterheld, mein letzter Satz, ich muss Ihnen noch einmal sagen, dass das nun wirklich von vorgestern ist: Die Begründung, Private sind grundsätzlich schlecht und unsozial, wir können keine sozialen Ziele durchsetzen, das können wir nur bei städtischen Unternehmen erreichen, und öffentliche Unternehmen sind die Guten an sich, gehört nun allerdings in die Mottenkiste. Wir müssen soziale Ziele selbstverständlich durchsetzen. Das wollen wir auch.

Herr Abgeordneter! Jetzt ist Ihre Zeit aber bei weitem überzogen. Ich bitte Sie um den Schlusssatz!

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Nelken. – Bitte sehr!

und meine Befürchtung, dass genau das versucht werden soll, mit einem bescheidenen Verkauf, der sicherlich insgesamt erfreulich ist, aber im Verhältnis zu den gesamten finanziellen Problemen, die wir haben, eher bescheidene Summen einbringt, sich nunmehr der weiteren lästigen Haushaltskonsolidierung zu entheben. Sie haben das jetzt dementiert. Das freut mich. Ich werde beobachten, ob das der Realität entspricht. Sie müssen zugeben, dass Ihr Interview zumindest ein wenig missverständlich war, das in der „Berliner Zeitung“ zu lesen war. Deshalb kann ich Ihren zweiten Satz: „Wir müssen uns nur mehr anstrengen.“ nur unterstreichen. In der Tat muss sich der Senat mehr anstrengen, wenn er an dieser Stelle erfolgreich sein will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Das kann man ich mir an dieser Stelle wirklich nicht ersparen. Wenn Sie hier immer von Mieterrechten und sozialen Gesichtspunkten reden, erinnere ich Sie einmal an drei Fakten aus den letzten Haushaltsberatungen: Wer das Blindengeld streicht, wer die Mittel für den Telebus kürzt, wer die Eingliederungshilfen reduziert, wer also an den Schwächsten dieser Gesellschaft spart,

[Dr. Lindner (FDP): Den Ärmsten der Gesellschaft!]

sollte sich hier nicht hinstellen und etwas von sozialem Gewissen und sozialer Verantwortung erzählen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das kann Ihnen keiner mehr abnehmen!

Nun kommen wir einmal zu der Gesamtfrage, die die FDP aufgeworfen hat. Wie geht es weiter mit den Beteiligungen? Dazu habe ich relativ wenig gehört, auch in den Beiträgen der Koalition. Die einen sind der Meinung, nun wäre einmal alles in Ordnung. Die anderen sind der Meinung, man müsse etwas am Beteiligungscontrolling herumdrehen, und dann sei alles schon prima. Der Finanzsenator hat sich da ein wenig kryptisch geäußert, man müsse sie erst einmal durchsanieren, dann könne man vielleicht noch etwas verkaufen. Aber ob er das auch will, habe ich nicht entnehmen können.

Den können Sie haben, Frau Präsidentin! – Aber das können wir heute auf ganz andere Art viel besser erreichen als mit öffentlich Unternehmen. Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Eßer (Grüne): Wie denn?]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den vorhin diskutierten Punkt zurück. Zunächst möchte ich aber noch ein Wort zu Frau Oesterheld sagen, dass man natürlich auch, wenn man den Verkauf in einer größeren Perspektive betrachtet, sagen muss: Der GSW-Verkauf ist nur die zweitbeste Lösung. Es hätte theoretisch auch andere Lösungen gegeben. Aber nach den konkreten Bedingungen, in denen sich das Land und die städtische Wohnungsbaugesellschaft befinden, musste man wahrscheinlich diesen Weg gehen. Man kommt zu dem Problem, das Frau Oesterheld auch zu Recht angesprochen hat. Ich habe auch schon einmal darauf hingewiesen, was die territorialen Verteilungen der übrig gebliebenen städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren Beständen betrifft. Das ist ein Problem. Das möchte ich jetzt hier nicht ausführen.

Ein noch größeres Problem ist, dass wir gesagt haben, dass aus den städtischen Wohnungsbaubeständen Wohnungen verkauft werden müssen, um die Verschuldungs- und Liquiditätssituation der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu verbessern. Das tun wir mit dem GSW-Verkauf natürlich nicht. Die Gesellschaften hatten ein Sanierungskonzept. Zusammengerechnet wollten sie 21 000 Wohnungen bis zum Jahr 2007 oder 2009 für 1 Milliarde € verkaufen, um ihre Verschuldungs- und Liquiditätsprobleme zu lösen. In dem Gutachten von Ernst & Young haben wir erfahren, dass es für einige Gesellschaften eine existenzielle Frage

Insofern müssen wir weiter über die Frage der öffentlichen Beteiligungen diskutieren. Ich glaube, der Satz von Herrn Sarrazin, man sollte allen einmal androhen, sie zu verkaufen, dann würde alles viel besser, ist nicht hinreichend. Gerade für die Wohnungswirtschaft brauchen wir mehr als nur ein Beteiligungscontrolling, denn die von mir angedeuteten Probleme sind über ein besseres Beteiligungscontrolling nicht zu lösen. Also ist nach dem GSW-Verkauf immer noch vor der Sanierung der kommunalen Wohnungswirtschaft.

ren. Mit dem Verkauf der GSW haben wir dieses Problem nicht gelöst, sondern noch verschärft. Wir haben uns auf dem Berliner Wohnungsmarkt beim Verkauf, nicht bei der Vermietung, einen ernsthaften Konkurrenten geschaffen, der auch Wohnungen verkaufen wird. Das ist ein Aspekt an dem Verkauf, den man unbedingt betrachten muss. Es geht um die Gesamtfrage.

Herr Sarrazin, es gibt sicher keine magische Zahl. Herr Lindner, die Frage ist, ob vor dem Verkauf nach dem Verkauf ist oder umgekehrt, ob nach dem Verkauf vor dem Verkauf ist. Die Frage ist also, wofür man städtische Wohnungsbaugesellschaften braucht. Wir haben immer wieder gesagt, dass über die GSW hinaus städtische Wohnungsbaugesellschaften nicht verkauft werden sollten, und zwar nicht aus ideologischen Gründen, weil man nicht privatisiert – wir waren für den Verkauf von Wohnungsbeständen –, sondern weil man eine bestimmte – da gibt es qualitative und quantitative Anforderungen und nicht eine feste Zahl, Herr Sarrazin – Anzahl von Wohnungen im Bestand haben sollte, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen: einerseits, um eine bestimmtes Klientel mit Wohnungen zu versorgen, und andererseits, um wirtschaftlichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen. Dafür braucht man einen Bestand in einer bestimmten Verteilung in einer bestimmten Qualität.

Man täuscht sich dabei. Die FDP – es gibt auch Ausnahmen von der Regel, Herr Matz, das gebe ich gern zu – macht dabei eine Milchmädchenrechnung auf. Alles, was man privatisiert und steigende soziale Kosten verursacht, zahlt man dann doch aus eigener Tasche. Man muss eine gesamtwirtschaftliche Rechnung aufmachen, wenn man sich überlegt, ob es besser ist, eine städtische Beteiligung, mit der Gemeinwesenaufgaben erfüllt werden, zu halten oder nicht. Wenn man nur das Betriebsergebnis nähme, käme man nicht zu einer vernünftigen – aus Sicht des Gemeinwesens – Rechnung.

Es geht also nicht darum – da gebe ich Ihnen auch völlig Recht – zu sagen, öffentliche Betriebe sind an sich gut oder schlecht und privates Eigentum ist an sich gut oder schlecht, sondern es kommt immer auf die konkrete Aufgabe an. Bei Vivantes widerspreche ich Ihnen. Dies können wir aber in der Kürze der Zeit hier nicht austragen. Es kommt also darauf an, ob man eine Gemeinwesenaufgabe hat und wie man sie besser erfüllen kann.

In diesem Fall geht es genau darum, und hier gibt es gute Gründe, dass man weitere Bestände der kommunalen Wohnungswirtschaft nicht privatisieren, sondern sanieren sollte. Damit erfüllt man wiederum Mieterschutzaufgaben. Nur wenn eine vernünftig wirtschaftende kommunale Wohnungswirtschaft vorhanden ist, kann man auf dem Markt eingreifen.

[Beifall bei der PDS]

Einen Satz muss ich auch der Linken in diesem Haus klar sagen: Wer öffentliche Unternehmen nicht wirtschaftlich führt, begeht keine soziale Wohltat, sondern er verzehrt öffentliche Werte. Dies wird manchmal übersehen und

behauptet, öffentliche Unternehmen seien an sich eine soziale Wohltat.

[Ritzmann (FDP): Aber nur von der PDS!]

Wenn sie nicht vernünftig und wirtschaftlich geführt werden, fressen wir uns selber auf.

[Beifall bei der PDS]

Mit Herrn Matz bin ich gern bereit, über den Sinn und Zweck und die Frage, wie man öffentliche Unternehmen führt, zu diskutieren. Mit anderen aus der FDP-Fraktion habe ich, glaube ich, echte Verständigungsschwierigkeiten, weil da mitunter das Einmaleins der Betriebswirtschaft und der Volkswirtschaft nicht beherrscht wird und man sich an ideologischen Scheuklappen festhält.

[Ritzmann (FDP): Sie kennen doch nur sozialistische Volkswirtschaft!]

[Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Herr Eßer das Wort – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir morgen in der Enquetekommission eine etwas weniger chaotische Debatte zu den Landesbeteiligungen haben werden. Das Thema hat eine vermögens- und eine wohnungspolitische Seite. Ich möchte beides auseinanderhalten und zunächst etwas zu der unternehmens- und vermögenspolitischen Seite sagen.

Die Berliner Landesunternehmen – darüber scheint Einigkeit zu bestehen – sind ausnahmslos Sanierungsfälle, und die Politik des Landes und sein Beteiligungsmanagement hat das seit Jahrzehnten herbeigeführt und zugelassen und sich insoweit als unfähig erwiesen. Das zeigt sich auch an der GSW nach 80 Jahren Geschichte – das Unternehmen ist 1924 gegründet worden.

Das Unternehmen hatte zum Verkaufszeitpunkt noch 23 Millionen € Eigenkapital, bei 1,7 Milliarden € Verbindlichkeiten, davon 1,5 Milliarden € Bankschulden. Das Unternehmen hatte weiterhin operative Verluste und hat die konkursreife Überschuldung nur durch Wohnungsverkäufe vermeiden können. Den Bankrott knapp abgewendet und obendrein eine Einnahme von 400 Millionen € für den Landeshaushalt erzielt, dafür können sich offensichtlich heute einige nicht genug loben, Herr Schimmler zum Beispiel und einige andere Damen und Herren von der SPD.

dann stellen wir erst einmal an Hand des wohnungsbaupolitischen Controllings fest: 220 Millionen € sind dadurch zu Stande gekommen, dass Instandhaltungen unterlassen werden, und 70 Millionen € stammen aus Verkäufen, wo

bei unter Verkäufen zum Teil auch Cross-border-lease und anderes zu bezeichnen ist. Das ist keine Leistung.