[Beifall bei der FDP und der CDU – Brauer (PDS): Die Rede sollten Sie drucken und berlinweit verteilen!]
Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Dr. Klotz jetzt das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde gern wieder zum Thema zurückkommen und über die Umsetzung der HartzReform in Berlin reden.
Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und auch die geplante gemeinsame Beratung und Betreuung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Empfangenden ist ein richtiger und überfälliger Schritt, gerade aus Berliner Sicht. Das ist systematisch richtig, weil beides steuerfinanzierte Leistungen waren, aber auch sozialpolitisch richtig, weil sich die Arbeitsämter um die Sozialhilfe Empfangenden bisher keinen Deut geschert haben.
Hilfe aus einer Hand und unter einem Dach – das ist die richtige Idee, und ich finde es sehr schade, Herr Liebich, dass Sie diese Idee im Entschließungsantrag nicht unterstützen können,
anders als Ihr Arbeitssenator, der Herr Wolf, der im „Tagesspiegel“ – nicht im „Neuen Deutschland“, schreibt:
Ich finde, offene Kritik anmelden ist eine Seite, die ich aber nur akzeptiere, wenn wahrheitsgemäß über die Aus
wirkungen des Gesetzes informiert wird. Da ist in der Vergangenheit viel Schindluder getrieben worden, gefördert auch durch fehlende Informationen – das will ich gar nicht bestreiten – von der Bundesseite. Viele Menschen wurden völlig überflüssigerweise in Ängste versetzt, ihre Wohnung oder z. B. ihr Wochenendgrundstück zu verlieren. Diese Verunsicherungstaktik haben Teile der PDS ganz gezielt mitbedient, und das finde ich wirklich schäbig,
und ich finde es auch politisch sehr riskant. Ich will einmal festhalten, Herr Liebich, wie Sie das gerade gemacht haben. Sie haben gesagt, für die 170 000 Arbeitslosenhilfe Empfangenden in Berlin würde die Situation schlechter, sie würden weniger Geld bekommen. Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht! Von den 170 000 Arbeitslosenhilfe Empfangenden bekommen heute 110 000 Personen weniger Arbeitslosenhilfe als 600 €. Das heißt, sie werden sich nicht schlechter stehen.
Wer so illegal sein Transfereinkommen aufbessert, betreibt unlauteren Wettbewerb und drückt die Löhne. Das wird mit einem Angebot an öffentlicher Beschäftigung vermieden. Aber dieses Beschäftigungsangebot muss es dann auch geben. Und wer so eine Tätigkeit dann nicht annimmt, den muss man auch die Leistung kürzen können.
Ich finde es schade, dass Sie diesem Entschließungsantrag, dem offensichtlich Ihr Arbeitssenator seine Zustimmung geben könnte, nicht mit unterzeichnen, Herr Liebich.
Nein, die gestatte ich nicht. – Und so richtig der Gedanke einer Vermögensteuer und auch einer Erbschaftsteuer ist – das ist gar nicht zu bestreiten –, was ändert das an der Notwendigkeit, diese beiden Systeme zusammenzuführen? – Gar nichts ändert es daran. Es ist die andere Seite der Medaille. Und nur eine populistische Schutzbehauptung.
Zur grundsätzlichen Zustimmung gehört aber auch Kritik, Kritik an Details der neuen Regelung, die kontraproduktiv sind, weil sie diejenigen schlechter stellen, die zum Beispiel etwas für ihre Altersvorsorge getan haben, die ihre Unabhängigkeit lange Zeit durch eigenes Einkommen bewahrt haben oder die trotz staatlicher Hilfe Zusatzjobs angenommen haben oder annehmen wollen.
Ich persönlich bin ganz sicher, dass nach den Korrekturen beim Auszahlungstermin, aber auch bei den Kinderfreibeträgen es auch zu Veränderungen bei der Anrechnung der Altersvorsorge, des Partnereinkommens und beim Zuverdienst kommen wird. Weil es nämlich vernünftig ist und weil es der Reform nicht schadet, sondern ihr nützt. Das kann man offen diskutieren. Ich wünsche mir dann aber auch, Herr Zimmer, dass das nicht nur eine Angelegenheit von SPD und Grünen ist, sondern auch der CDU. Denn die CDU war es, die im Vermittlungsausschuss die Zumutbarkeitskriterien verschärft hat, und es war auch die CDU, die wegen des Lohnabstandsgebots nicht wollte, dass es höhere Zuverdienstregelungen gibt. Also, dann bitte ich darum, dass das, was Sie hier verkünden, politisch auch umgesetzt wird. Das ist auch Ihre Verantwortung.
Es gibt schlechter Gestellte. Aber so zu tun, als würde das für alle gelten, ist wider besseres Wissen, und das finde ich schäbig.
Nein, das mache ich nicht. Herr Liebich hat meine Zwischenfrage auch nicht zugelassen. Das ist jetzt quasi meine Rache.
Im Unterschied zu vielen von Ihnen kann ich mich allerdings nicht über die Teilnahme von Herrn Liebich an dieser Montagsdemonstration beklagen. Ich finde, jeder promotet sich, so gut er kann. Es waren viele Bilder und Artikel in den Zeitungen, und so ist ihm das ganz gut gelungen. Der Unterschied zwischen Ihnen, Herr Liebich, und Herrn Ströbele ist allerdings: Ehe Herr Ströbele im roten Dienst-Audi und im Nadelstreifenanzug zur Demo gehen würde,
Herr Liebich, ich finde es allerdings etwas wenig, wenn Ihr einziges Bild bei der Umsetzung von Hartz IV in Berlin die pünktliche Auszahlung des Geldes ist.
Da ist die PDS in Brandenburg ganz anders drauf. Sie stellt vor eine Regierungsbeteiligung in Brandenburg die Rücknahme von Hartz. Davon rät allerdings die PDSSenatorin in Berlin der Bundesregierung öffentlich dringend ab.
Warum legt die Sozialsenatorin nicht die Ausführungsvorschriften über angemessenen Wohnraum vor? – Da hätte Sie nämlich durchaus Spielraum, das Bundesgesetz zu interpretieren.
Warum macht Berlin es nicht wie Halle, um einmal von dem Beispiel München wegzukommen? – Hier ist eine Hotline geschaltet, bei der sich alle diejenigen melden können, die für eine Mehraufwandsentschädigung etwas für das Gemeinwesen tun wollen, und das sind gar nicht so wenig. Warum machen Sie das nicht hier in Berlin? – Damit würde auf Freiwilligkeit gesetzt. Das wäre doch auch vernünftig.
Das größte Defizit besteht aber darin, dass monatelang gewartet wurde, wie die Gesetze endgültig aussehen, anstatt sich, um wieder auf München zurückzukommen, schon seit Herbst letzten Jahres mit der Umsetzung zu befassen. – Frau Grosse, Sie verkünden, Berlin sei Spitze in der Umsetzung, weil ein Vertrag unterzeichnet wurde. Dies ist leider nicht wahr: Berlin ist bestenfalls Durchschnitt. Ich sage ausdrücklich „leider“. Es ist auch nicht wahr, was Sie, Herr Wowereit, letzte Woche verkündet haben, dass Ihre beiden dafür zuständigen Senatoren gut in der Umsetzung seien. Das sind Sie nicht. Sie agieren unkoordiniert nebeneinander. Sie sind beide zuständig, sie machen Dienst nach Vorschrift und würden am liebsten montags mitdemonstrieren.
Harald Wolf vertritt die Ansicht, dass die Solidargemeinschaft für ihre Leistungen auch etwas verlangen kann – eine, wie ich finde, richtige Position. Nur nicht die Position seiner Partei, der PDS. Das ist ein ziemliches Theater, das Sie hier abliefern.
Wir denken, dass es die Pflicht und Schuldigkeit aller Verantwortlichen in Berlin – und des Senats vorneweg – ist, nicht nur die Auszahlung des Geldes zum 1. Januar sicherzustellen, sondern auch für qualifiziertes Personal und vernünftige Beschäftigungsangebote zu sorgen. Diese Punkte haben wir auch in unseren Entschließungsantrag hineingeschrieben. Priorität hat der Grundsatz des Förderns. Das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen ist zu berücksichtigen, aber auch die Notwendigkeit, öffentliche Beschäftigung vorzuhalten und die Instrumente des Förderns nicht nur auf die Mehraufwandsentschädigung zu reduzieren.
In München haben sich alle Parteien gemeinsam auf einen Geist der Umsetzung von Hartz verständigt, der Respekt, Partnerschaftlichkeit und auch Fördern in den Vordergrund stellt. Ich hätte mir gewünscht, dass dies hier genauso gehandhabt würde.
Sie haben Recht, Herr Liebich, es sind hier 270 000 Personen betroffen, aber in München sind es immerhin auch 70 000. – Deshalb sollte man sich daran ruhig ein Beispiel nehmen. Warum ist dies in Berlin nicht möglich? – Das frage ich Sie. Sie regieren doch hier.
Warum reduziert ausgerechnet ein rot-roter Senat die 6 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, auf die wir uns alle einmal verständigt haben, auf 2 400, obwohl ab 1. Januar der Bund dafür zahlt? Warum tun Sie das? Warum nutzt die PDS ihre Regierungsbeteiligung nicht, um in Berlin eine Mehraufwandsentschädigung von 2 € durchzusetzen? – Das wäre doch ein besserer Anreiz. Warum tun Sie das nicht? [Liebich (PDS): Genau! Wir bezahlen das, was Sie im Bund nicht hinbekommen!]
Warum behaupten PDS-Senatoren monatelang, dass Hartz für den Berliner Landeshaushalt eine Mehrbelastung von 200 Millionen € mit sich bringt, obwohl es eine Entlastung von 300 Millionen € ist? – Der Berliner Haushalt profitiert von Hartz, was sich in der von Senator Sarrazin verkündeten Absenkung der Netto-Neuverschuldung widerspiegelt. Wir erwarten, dass der rote Senat zumindest einen Teil dieser Ersparnisse in eine aktive Arbeitsmarktpolitik steckt.
Die PDS fordert bei ihren Demonstrationen öffentliche Beschäftigung, und Sie hätten es hier in der Hand, diese tatsächlich zu organisieren. Tun Sie es einfach!
Sie allein haben es in der Hand, im Rahmen des Gesetzes in Berlin zu definieren, was angemessener Wohnraum ist. Das ist keine Bundes-, sondern eine Landesentscheidung. Sie könnten damit den Menschen ihre Ängste nehmen.