Die konkreten Probleme liegen bei der Integration schwerpunktmäßig bei der Bildung – das ist bereits angesprochen worden –, bei den Arbeitsplätzen – dazu wird Rainer-Michael Lehmann in der zweiten Rederunde etwas sagen – und der Kriminalität.
Wir haben in diesem Bereich Intensivtäter. Das sind 5 % der Menschen, die mehr als 40 % der Straftaten begehen. Hier passiert etwas in Berlin. Es gibt eine Intensiv
Die Signalwirkung der Debatte: Stellen wir uns vor, jemand aus dem Ausland versucht, sich ein Bild von Deutschland zu machen. Er nimmt das Oktoberfest; er nimmt 100 in den letzten zehn Jahren von Rechtsextremen ermordete Menschen; er nimmt einen Brandanschlag in einer Moschee und verknüpft das Ganze mit Wahlerfolgen der DVU und der NPD und sagt: Schaut euch einmal an, was das für Leute sind! – Was würden wir sagen? – Wir wären empört, wir würden das von uns weisen. Wir
würden sagen, das ist eine ganz kleine Minderheit. Das hat nichts mit Deutschland zu tun. Die Deutschen sind – bis das Gegenteil bewiesen ist – im Einzelfall gute Demokraten, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Wenn man das sagen würde, hätte man auch Recht. Aber in unserem Land wird eine andere, üble Suppe angerichtet. Da kommt hinein: der türkische Obstladen, die Änderungsschneiderei, das Kopftuchverbot, der Kalif von Köln, ein Mord in den Niederlanden und als Prise etwas Terrorismus. So, das vermische man. Dass dabei eine üble Brühe herauskommt, die wir anderen vorsetzen und sagen, das ist im Moment unser Bild zur Integration – dass das nicht funktionieren kann, ist hoffentlich Konsens in diesem Haus.
Über 90 % der Menschen mit Migrationshintergrund sind integriert oder sind integrationsbereit. Der Kollege Zimmer hat sich, glaube ich, mit den Zahlen etwas vertan. Die Zahl 30 000 Islamisten, Herr Kollege Zimmer, war aus dem Bundesverfassungsschutzbericht. Sie hatten davor von Berlin gesprochen. 1,8 % der Moslems – es gibt ca. 210 000 in Berlin – stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Davon sind über 80 % Mitglied in einer Organisation, die in der Türkei einen Gottesstaat errichten will, die aber in Deutschland in keiner Weise in der Form aktiv ist. Da müssen wir uns die Mühe machen, zu differenzieren.
Parallelgesellschaften – der zweite Kampfbegriff: Meine persönliche Sicht: Ich wohne in Nord-Neukölln, im Ghetto, wie die Kollegen von der CDU es nennen würden.
Wir haben auf der anderen Seite die organisierte Kriminalität, die teilweise, je nach Branche, dominiert ist von Russen, von Arabern oder von anderen – natürlich auch von Deutschen. Aber auch hier ist die Polizei auf gutem Weg. Es ist recht schwierig, in einen Familienclan hineinzukommen, der aus einem anderen Kulturkreis kommt. Doch auch hier gilt: Die Sicherheitsbehörden haben, von Ausnahmen abgesehen, die Situation im Griff.
Die Bildung – nur ein Wort dazu. Natürlich müssen sich Mütter, türkische, arabische, fragen: Habe ich in den letzten Jahren darauf geachtet, dass meine Kinder die deutsche Sprache richtig beherrschen? Habe ich darauf geachtet, dass meine Kinder ausreichend auch mit deutschen Kindern Kontakt haben? – Aber es ist doch mehr als scheinheilig, wenn wir diese Mütter auffordern, die deutsche Sprache zu lernen, und es bei den dafür zuständigen Bezirken, bei den Volkshochschulen, deutlich mehr Bewerber als Sprachkursangebote gibt. Deswegen müssen wir, um glaubhaft zu bleiben, dass wir die Integration einfordern, das kurzfristig ändern, denn sonst wird unser eigener Wille zur Integration vielleicht hinterfragt.
Der Kampfbegriff der Multikulti-Gesellschaft: Es ist heute schon einiges angedeutet worden. Auch ich glaube, dass wir kulturelle Vielfalt brauchen, nicht nur in der Gastronomie, sondern auch bei Bräuchen und Traditionen. Das ist überhaupt kein Problem. Kulturelle Vielfalt ist das Gegenteil von Fundamentalismus. Es ist Teil der Freiheit, die wir alle hier verteidigen wollen. Aber diese Vielfalt hat ihre Grenzen, ihren Rahmen, den das Grundgesetz und die daraus folgenden Rechtsnormen abgeben. Freiheit, Vielfalt, Toleranz gibt es immer in diesen Grenzen. Das schließt aus, dass Gewalt in der Familie akzeptiert wird, gleich mit welchem Hintergrund. Das bedeutet, dass Zwangsheiraten völlig inakzeptabel sind, dass Gleichberechtigung nicht nur ein Wunsch ist, den man in Deutschland, in unserer Gesellschaft formuliert, sondern dass das nicht verhandelbar ist. Das gehört zwingend mit dazu.
Aber diese Grenze verläuft nicht zwischen Religionen und Kulturen, sondern zwischen Menschen, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, die Demokraten sind, und den Menschen, die das Grundgesetz ablehnen, es bekämpfen.
Ich würde sagen, es ist keine heile Welt, aber es ist ein sehr bunter Teil Berlins. Ich kann auch sagen, dass ich dort sehr freundlich behandelt werde, dass die Menschen nett sind, dass sie lächeln, dass sie in der Regel – wie anderswo auch –, wenn man Geschäfte macht, kompetent sind. Ich bin dort sehr zufrieden und lade jeden ein, der vielleicht aus einem anderen Bezirk, aus der Ferne, nach Neukölln sieht, mit mir gemeinsam einmal durch die Straßen zu gehen, in die Änderungsschneidereien hineinzugehen, den türkischen Rechtsanwalt zu besuchen. Da muss man keine Angst haben, die Leute sprechen Deutsch. Sie sprechen auch andere Sprachen, aber man wird gut und freundlich bedient. Ich habe davor in Wilmersdorf gewohnt, da war der kulturelle Hintergrund natürlich anders, da waren die Menschen auch sehr freundlich.
Die Regel ist, dass dort Integration stattfindet. Aber wir haben auch Ausnahmen. Wir haben gravierende Ausnahmen, um die wir uns kümmern müssen. Es gibt Clubs und Vereine, in die nur Männer hineindürfen, Ritzmann
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor 14 Tagen haben wir hier im Haus über Zuwanderung und Integration diskutiert. Ich bin froh, dass sich hier zumindest eine Mehrheit darin einig war, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Wir waren uns auch darin einig, dass diese Erkenntnis viel zu spät kommt.
Die jahrelange Realitätsverweigerung, insbesondere bei den Konservativen, hat zugegebenermaßen auf allen Seiten zu Versäumnissen in der Integrationspolitik geführt – vielleicht mit Ausnahme der FDP, wie Herr Ritzmann gerade versuchte zu unterstreichen. Und weil dass so ist, findet fast jeder heute Beispiele dafür, dass die Integration gescheitert ist, die Mehrheitsgesellschaft versagt hat, die Zuwanderer sich in Parallelgesellschaften einigeln und dort von Fundamentalisten beherrscht werden, die unseren Rechtsstaat durch die Scharia ersetzen wollen. – Ich halte von diesen unsachlichen Zuspitzungen gar nichts.
Das gilt auch für das, was den Neuköllner Bezirksbürgermeister zurzeit umtreibt. Er und andere haben jedenfalls diese aktuelle Debatte nicht gebraucht, um immer wieder festzustellen, dass es in Neukölln und anderen Bezirken angeblich so genannte Parallelgesellschaften von Zugewanderten gibt. Diese Feststellung wird auch durch vielfaches Wiederholen nicht richtiger, und sie trägt schon gar nicht zur Lösung der Probleme bei.
Herr Gram! Ich bitte Sie! – Es gibt Clubs und Vereine, in die nur Türken hineingelassen werden. Das ist nicht akzeptabel, das entspricht nicht unserem gemeinsamen Ziel, das ist gegen die Integration gerichtet. Aber, wie gesagt, das ist die Ausnahme und nicht die Regel.
Für Kalifen, für Hassprediger und für radikale Moslems, die unsere freie Gesellschaft überwinden wollen, kann es nur eine Antwort geben: Wenn sie Gäste in unserem Land sind, müssen sie unser Land verlassen.
Wenn sie deutsche Staatsbürger sind, dann müssen sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz um diese Menschen kümmern, wie um jeden anderen auch, denn Freiheit und Toleranz, die Vielfalt, sind in den Grenzen des Grundgesetzes auszuleben. Wer dagegen verstößt, der muss die wehrhafte Demokratie zu spüren bekommen.
Die fatale Kopftuchdebatte möchte ich noch einmal im Sinn eines Lernprozesses anführen. Wir haben die Situation, dass moslemische Mädchen und junge Frauen, die exzellente Schulabschlüsse haben, dort, wo es Kundenkontakt gibt, keine Jobs, keine Ausbildungsplätze mehr bekommen. In dieser Debatte, die nicht zwischen persönlicher Motivation des Kopftuchs unterschieden hat, sondern den Generalverdacht als gegeben angesehen hat, wurde viel Porzellan zerschlagen. Wir haben die Abschottung geerntet, die vorher durch pauschale Verdächtigungen gesät wurde. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.
Deshalb komme ich auch zu dem Schluss, dass ein großer Teil der Ängste, die ich persönlich im Ansatz nachvollziehen kann, nicht berechtigt sind. Wir müssen verhindern, dass Menschen, die einen bestimmten religiösen oder Staatsangehörigkeitshintergrund haben, unter Generalverdacht gestellt werden. Moslems in Berlin sind kein Sicherheitsrisiko. Wer diesen Eindruck erweckt, ist ein geistiger Brandstifter.
Unser Bild muss geprägt sein von den über 90 %, die integriert sind oder integrationsbereit sind. Unser Signal muss weiterhin die ausgestreckte Hand und nicht die Faust sein. Wir dürfen auf der anderen Seite vor dem kleinen Rest, von dem ich gesprochen habe, nicht die Augen verschließen. Wir müssen uns um diese Menschen stärker als bisher kümmern. Integration bietet deutlich mehr Chancen als Risiken, das zeigen weltweit die Einwanderungsländer. Wir haben alle mehr oder weniger geschlafen, das habe ich ausgeführt. Wir brauchen für die Zukunft Respekt und Konsequenz, ernstgemeinte Angebote, Integrationswille. Dann wird die Integration in Berlin auch zum Erfolg.
Der Begriff Parallelgesellschaften, insbesondere reduziert auf Migrantinnen und Migranten, verschleiert mehr, als er aufdeckt. In einem Kommentar in der „taz“ wird – aus meiner Sicht zu Recht – festgestellt, dass Parallelgesellschaften das Produkt einer sozialen und kulturellen Abgrenzung sind, die ihren Ausgangspunkt in sozialen und ökonomischen Krisensituationen der ganzen Gesellschaft haben. Wo der Arbeitsmarkt kaum mehr Zugänge ermöglicht und Bildungs- und Ausbildungschancen gering sind, ist der Rückzug auf das eigene Milieu ausgeprägter – bei Zuwanderern ebenso wie bei sozialen Gruppen der Aufnahmegesellschaft. Was wir brauchen, ist eine differenzierte und versachlichte Debatte, keinen ideologischen Schlagabtausch. Nur so kann es gelingen, über Chancen und Risiken der Integration in Berlin offen zu reden, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen und gemeinsam Lösungsansätze durchzusetzen.
Ein Blick in den von mir vorgelegten Sozialstrukturatlas zeigt, dass gerade nicht das Merkmal der Staatsangehörigkeit, sondern in erster Linie Armut, Arbeitslosigkeit und verpasste Bildungschancen zu Desintegrationstendenzen, beispielsweise in einigen Teilen von Neukölln,
Ebenso falsch ist der oft pauschal erhobene Vorwurf, arabische und türkische Berliner seien nicht um Integration bemüht. – Ich möchte Herrn Schönbohm nicht noch einmal zitieren. Das ist er nicht wert. – Mir scheint es hingegen angebracht, heute selbstkritisch festzustellen, dass manche Integrationsangebote der vergangenen Jahre
gerade nicht zielgerichtet auf die neuen Berliner zugeschnitten waren. Bevormundende Beratungsangebote bestimmten die Integrationspolitik, anstatt die Zugewanderten zu Partizipation und Mitgestaltung der Aufnahmegesellschaft herauszufordern.
Hier haben der Senat und die Bezirke längst gegengesteuert. Der jüngst gegründete Migrationsrat BerlinBrandenburg, in dem sich 50 Migrantenorganisationen zusammengeschlossen haben, zeigt, dass diese Herausforderung inzwischen selbstbewusst angenommen wird. Das ist gut so.
Heute sind die Angebote viel genauer auf die Bedürfnisse von Zuwanderern zugeschnitten, und sie selbst tragen durch Aufklärung in den eignen communities dazu bei, dass sich die Akzeptanz erhöht. Es kommt darauf an, die Angebote zur Integration zu optimieren und die Berliner Integrationspolitik neu zu orientieren. Daran arbeiten wir.
Ich nenne dazu einige Beispiele. Erstens: Bereits vorhandenen Tendenzen zu einer Ghettobildung wirken wir mit der Strategie des Quartiersmanagements entgegen, das zunehmend da Erfolg hat, wo die Kiezbewohner zur Selbstorganisation motiviert werden und die Attraktivität des eigenen Kiezes für alle dort Lebenden wieder erfahrbar wird. So lässt sich Entmischung aufhalten.
Kreuzberg, Moabit und dem Wedding, führen. Deshalb sollten wir uns auch davon hüten, diese ärmeren Quartiere kaputtzureden.
Die Integration ist in Berlin viel erfolgreicher als ihr Ruf. Die türkischen und kurdischen Berliner, die Polen in Berlin, die Aussiedlerinnen und Aussiedler und die russischen Juden – um nur einige Zuwanderungsgruppen zu nennen – haben gute Integrationserfolge. Die große Mehrheit der Zugewanderten ist in Berlin längst angekommen.