Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

Da gibt es vielleicht andere Gründe. Wir können hier die USA-Diskussion und andere nicht führen. Das hat vielleicht nicht an den Steuerreformen gelegen. Es liegt vielleicht an zig anderen Gründen, die man hier volkswirtschaftlich erläutern könnte, aber Sie können nach sieben Jahren Rot-Grün und dieser Steuersenkungspolitik nicht mehr wie vor zehn Jahren durchs Land laufen und sagen: Es muss eine Regierung her, die Steuersenkungen macht. – Das ist doch verrückt.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Wenn Sie plötzlich alle sagen, Gegenfinanzierung, Verbreiterung der Bemessungsgrundlage müsse sein, dann erwidere ich: Sie haben 6 Milliarden € an Subventionsabbau im Bundesrat blockiert gegenüber dem, was Rot-Grün vorgeschlagen hat. Noch nicht einmal alles, was Koch und Steinbrück lagerübergreifend vorgeschlagen haben, wurde von Ihnen akzeptiert. Sie haben es zu Schanden geredet. Die großen Brocken dabei sind die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale mit zusammen rd. 5,4 Milliarden €. Ich bin froh, wenn Herr Lindner das einmal sagt, aber von der CDU werden Sie das nicht hören. Da geht es um die Häuslebauer. Und dann wollen Sie auch noch Geld für die, die von draußen in die Stadt zur Arbeit fahren. Diesen Lebensstil fördern Sie. Diese Auseinandersetzung werden wir bei den anstehenden Wahlen noch heftig führen.

Die für Berlin wichtigste Blockade betrifft die Herbeiführung einer zeitnahen Immobilienbewertung. Die Enquetekommission schreibt dazu zu Recht:

Zu den wichtigsten fiskalisch erforderlichen Veränderungen zählt vor allem die zeitnahe, steuerliche Bewertung von Immobilien mit entsprechenden Auswirkungen auf die Bemessung und Erhebung von Grund-, Erbschafts- und Vermögensteuer.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dem Berliner Haushalt fehlen 2 Milliarden € an Einnahmen gegenüber den Erwartungen zur Jahrtausendwende. In der „Berliner Zeitung“ hat Christine Richter zu Recht darauf hingewiesen, dass letztlich weder ein ausgeglichener Primärhaushalt noch ein Primärüberschuss etwas nützen, wenn die Zinsen selbst nach Entschuldungshilfen explodieren, weil wir den Zinsdienst immer wieder neu über Schulden aufnehmen müssen. Diesen Effekt werden wir aber nur vermeiden können, wenn wir die Einnahmesituation deutlich verbessern, indem wir den Subventionsabbau auf breiter Front vorantreiben. Ich möchte hier im Haus denjenigen sehen, der diese fehlenden 1,5 bis 2 Milliarden € aus dem Primärhaushalt noch rausstreicht und das aus Steuergeldern finanziert. Das glaubt Ihnen keiner. Deswegen braucht man eine bundesweite Anstrengung. Das kann in die Richtung gehen, die Herr Sarrazin skizziert hat, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Ich bin mit dem größten Teil seiner Vorschläge einverstanden.

Man wird sehen, ob dieses Land in die Hand von Leuten gerät, die diesen Zustand noch verschlimmern, oder ob Leute gewählt werden, die diesen Zustand bekämpfen und klar erkannt haben, was zu tun ist. Das wird entscheidend sein. – Danke!

Der langwierige und komplizierte Prozess der Um

strukturierung und das letztendlich vergebliche Bemühen, die BVG für den Regiebetrieb zu gewinnen, hat auch der

SPD-Fraktion oft Anlass zu kritischen Fragen gegeben. Die polemische Rückschau hilft niemandem. Entscheidend ist doch das Ergebnis. Es liegt Ihnen mit der Vorlage an den Hauptausschuss – rote Nummer 2927 – vor. In zwei Wochen startet das neue System im Rahmen des TELLUS-Projektes, die Berechtigten sind seit Ende Mai informiert, die telefonische Beratung funktioniert, Vorbestellungen beim neuen Regiebetreiber City-Funk sind bereits jetzt möglich, die technischen Voraussetzungen sind geschaffen und der Übergang ist gewährleistet.

Und damit zu den Anträgen: Der der FDP ist nun ge

nau ein Jahr alt und fordert, den Telebus in ein Taxisystem zu integrieren, mit dem Ziel, „einen wirtschaftlicheren, flexibleren und damit bedarfsgerechteren … Behindertentransport, d. h. im Regelfall ohne lange Anmeldezeiten“ einschließlich der vollautomatische Datenfunksysteme zu prüfen. Dies ist nun geschehen, aber der Telebus wurde nicht auf ein bloßes Taxi reduziert, sondern auch all die notwendigen Komponenten wie das Abholen an der Wohnungstür, die Treppenhilfe, die Beratung usw. bleiben erhalten. Der ganze Antrag ist also überflüssig, und wir fordern Sie auf, ihn zurückzuziehen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Die lfd. Nr. 10 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Die lfd. Nr. 11 haben wir unter TOP 4 c als Priorität der PDS-Fraktion aufgerufen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 12:

a) Beschlussempfehlung

Der Telebus könnte auch ein Taxi sein

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/4005 Antrag der FDP Drs 15/2923

b) Beschlussempfehlungen

Sonderfahrdienst für Behinderte zum 1. Juli 2005 sichern – Regieaufgabe für „Telebus“ ausschreiben

Beschlussempfehlungen GesSozMiVer und Haupt Drs 15/4047 Antrag der Grünen Drs 15/3783

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Die Redebeiträge können zu Protokoll gegeben werden.

Zu den zwei hier zur Abstimmung vorliegenden und

durch Zeitablauf überholten Anträgen hat die CDU Redebedarf angemeldet – zu Anträgen, die nicht der eigenen Feder entstammen. Da fragen wir uns schon: Warum wohl? Geht es Ihnen wirklich um die barrierefreie Mobilität der Menschen mit einem Handicap, also um die Sicherung des Telebusses? Oder geht es Ihnen darum, den seit Jahren kritisierten „Quälebus“ zu optimieren – nicht zuletzt im Hinblick auf die Effektivität des Einsatzes öffentlicher Mittel? Oder geht es Ihnen um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BZA? Letzteres doch wohl eher nicht, denn sonst hätten Sie ja im Hauptausschuss gestern dem lange erwarteten Sozialplan zugestimmt.

Anstatt konkretes Handeln des Senats für die Nutze

rinnen und Nutzer konstruktiv zu begleiten, soll ganz offensichtlich noch einmal die Möglichkeit genutzt werden, öffentlich so zu tun, als läge allein Ihnen dieses Problem am Herzen, und einen Rundumschlag gegen die Koalition zu veranstalten.

Durch die für einen Übergangszeitraum erfolgte Ver

knüpfung mit dem TELLUS-Projekt Car Modal und die Übertragung der Regieleistungen an einen bereits in dieses Projekt einbezogenen Taxibetrieb, die dadurch mögliche Weiternutzung der hier erprobten Dispositions- und Abrechnungssoftware kann und wird die Zeiträume zwischen der Bestellung und der Fahrt radikal verkürzen und so den Menschen mit Handicap neue und bessere Mobilitätsoptionen eröffnen.

Und damit komme ich zum zweiten Antrag: Gerade

die Tatsache, dass City-Funk bereits Vertragspartner der EU-Kommission ist und die vereinbarten Leistungen vom bestehenden Vertrag zu TELLUS mit umfasst werden, hat es ja möglich gemacht, so schnell auf die veränderten Bedingungen nach der Absage durch die BVG zu reagieren. Die Einzelheiten der Einbindung sind ausführlich in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Hämmerling – Drucksache 15/12455 – dargelegt. Und da wundern wir uns nun auch hier, dass Sie trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen, noch 14 Tage vor Beginn des konzeptionell völlig neuen Systems ernsthaft eine Ausschreibung wollen?

Das diese für die Regieaufgaben ab 1. Januar 2006

zeitnah erfolgt, ist selbstverständlich. Aber bis zum 1. Juli? Wie viel Vorlaufzeit wollen Sie denn einem möglichen anderen Bewerber lassen? Ihr Antrag stammt vom März dieses Jahres. Selbst wenn er sofort beschlossen worden wäre, wäre es einem bisher nicht eingebundenen Anbieter unmöglich gewesen, nach Beendigung der Ausschreibung den Übergang zum 1. Juli zu realisieren und allen Aufgaben gerecht zu werden: Dazu gehören ja nicht nur das Auswahlverfahren durch die Senatsverwaltung, sondern z. B. auch die dann nötige Entwicklung einer neuen Software – die, wie gesagt, City-Funk erprobt

)

Vizepräsidentin Michels

Neue Strukturen bedeuten auch Einschnitte, und wir

haben mehrmals die Diskussion über die Abwicklung des BZA geführt. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bedanken. Sie haben viel dazu beigetragen, dass es in Berlin eine Mobilität für Menschen mit Behinderung gibt. Ich freue mich, dass es nun zu einer Einigung zwischen Senat und BZA kam, die auch einen Sozialplan beinhaltet. Damit werden die Interessen der Beschäftigten bei der Abwicklung berücksichtigt.

Ich möchte aber an dieser Stelle meine Überraschung

über die CDU nicht verschweigen. Seit Monaten spielt sie sich als Interessenvertretung des BZA auf und gestern, im Hauptausschuss, verweigert sie einer einvernehmlichen Lösung im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Zustimmung. Das nenne ich Doppelzüngigkeit.

„Start des neuen Berliner Sonderfahrdienstes ,mobil

cab’ am 1. Juli“ – so lautet die Überschrift der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz von heute. Im Interesse der Menschen mit Behinderungen, die auf den Sonderfahrdienst angewiesen sind, um zum Arzt, ins Kino ins Theater oder ins Olympia-Stadion fahren zu können, würde ich hier und heute gerne sagen können: „Ende gut, alles gut!“ Nach mehr als zwei Jahren der Ankündigung und Planung der Umstrukturierung des Fahrdienstes, den langen Verhandlungen mit der BVG, von denen die meisten von uns wussten, dass sie nicht zum erwünschten Erfolg führen würden, ist es höchste Zeit, dass die Unsicherheit und ständig neue Verunsicherung der Telebusnutzerinnen und -nutzer über die Zukunft des Sonderfahrdienstes aufhört.

hat –, die Planung der Zusammenarbeit mit den Fuhrunternehmen und der Einsatz des GPS-Systems, die Zusammenarbeit mit der BVG, die ja weiterhin Vertragspartner ist – z. B. für die Notfallhilfe oder das barrierefreie Fahrtinfo –, die Sicherstellung einer Fahrtwunschannahme fast rund um die Uhr – durch Telefon, Fax oder E-Mail – und die Herstellung der Chipkarten, über die künftig die Abrechnung beim LAGeSo erfolgen wird. Dies kann nicht wirklich Ihr Ernst sein!

Wir appellieren deshalb auch an Sie: ziehen Sie ihren

Antrag zurück und machen Sie den Weg frei für einen Sonderfahrdienst, der die Mobilität der Nutzungsberechtigten verbessert und zugleich bei besserem Service wesentlich kostengünstiger sein wird, d. h. auch die beschlossenen Absenkungen der Finanzmittel im Doppelhaushalt 2006/2007 erbringen kann. Lassen Sie uns im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer nach vorne schauen, damit ab 2006 die gewonnenen Erfahrungen aller Vertragspartner und vor allem auch die der Menschen mit Handicap in ein System des Sonderfahrdienstes einfließen können, das dann von Dauer ist.

Ziehen Sie die Anträge zurück. Geschieht das nicht,

dann bleibt nur die Ablage Papierkorb.

Das Telebussystem in Berlin besteht nun seit über