Nun zum Thema Armut. Trotz Wirtschaftskrise und Ebbe in den öffentlichen Kassen – Deutschland gehört nach wie vor zu den wohlhabenden Ländern der Welt. Wenn wir von Armut sprechen, müssen wir schon klarstellen, welche Gesichter der Armut wir meinen. Mit existentieller Armut, unter der Menschen in vielen anderen
Ländern der Welt leben und leiden, ist Armut in Deutschland nicht vergleichbar. Das soziale Netz in Deutschland mag durchaus Löcher haben, aber es existiert noch. Insgesamt ist das Armutsrisiko von Familien in den letzten Jahren gestiegen, und die relative Armut nimmt stetig zu. Der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt deutlich auf, dass ganz bestimmte Gruppen in Deutschland von Einkommensarmut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Die sozialen Unterschiede nehmen zu, und es gibt eine Strukturveränderung der Armut. Es ist ein Leben zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit, zwischen Sozialhilfe und Teilzeitarbeit, zwischen Schwarzarbeit und Apathie bzw. Rückzug aus der Gemeinschaft.
Besonders häufig leben Alleinerziehende, Einwanderer, Langzeitarbeitslose und Jugendliche unter der Armutsgrenze. Es gibt Familien, die zum Teil schon in der dritten Generation von staatlicher Hilfe leben. Neuerdings kommen sogar ehemalige Selbstständige und junge Akademiker hinzu. Die Ursachen sind vielfältig, wie auch die Betroffenen selbst. Alleinerziehenden fehlt es oft an Betreuungsplätzen, Einwanderer leiden an gesellschaftlicher Ablehnung und an Sprach- und Qualifikationsdefiziten. Langzeitarbeitslose sind häufig auch nur unzureichend qualifiziert. Jugendliche finden schwer Ausbildungsplätze und haben häufig erhebliche Bildungsdefizite.
Was ist gegen Armut zu tun? Welche Verantwortung trägt die Politik an dieser Entwicklung? Was hat die Politik gemacht, und was muss sie noch machen? – Im Mittelpunkt grüner Politik stand und steht der Schutz vor sozialer Ausgrenzung. Nun steigt die Zahl jener an, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind, wie der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung zeigt. RotGrün hat einiges gemacht, um diese Entwicklung zu stoppen, hat längst überfällige Reformen in Angriff genommen, um die sich die Kohl-Regierung 16 Jahre lang gedrückt hat. Die Kohl-Regierung hat außerdem einen sehr eingeschränkten Blick auf das Phänomen Armut gepflegt. Die Union hat die wachsenden Unterschiede in Kultur und Lebenswelten der Bürger, die Hand in Hand mit ökonomischen Differenzen gingen, in ihrer Regierungszeit erst gar nicht interessiert.
Deshalb ist folgende Aussage zu wachsender Armut richtig: Es ist zwar zu einer weiteren Zunahme der Armutsquote gekommen, nicht jedoch wegen der Politik von Rot-Grün, sondern trotz ihrer Bemühungen, trotz der Erhöhung des Kindergeldes, trotz der Steuerreform. Die Bemühungen von Rot-Grün erreichten auch deshalb nicht immer ihre Ziele, weil die Union, anstatt auf Grund eigener Versäumnisse rot-grüne Reformen zu unterstützen, diese blockiert und behindert bzw. bis zur Unkenntlichkeit kaputtverhandelt hat.
Aber kommen wir zur Landespolitik. Gerade in der Zeit knapper Kassen sind Kooperationen und neue Ideen im Lande gefragt, die eine Landesregierung bündeln und
aus denen sie einen einheitlichen Einsatz formen und führen muss. Die Situation in Berlin ist schlimmer als in anderen Bundesländern. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die ausschließlich von staatlicher Unterstützung leben, steigt kontinuierlich. Noch Ende 2004 war fast jeder fünfte Minderjährige unter 18 Jahren auf Sozialhilfe angewiesen. In einigen Bezirken ist die Lage noch schlechter. Die Landesregierung muss die Menschen in ihrer Not angemessen versorgen. Das ist eine ihrer Aufgaben. Sie muss aber auch präventive Maßnahmen entwickeln, gegen Ausgrenzung ihrer Bürger vorgehen. Was tut aber die Berliner Regierung in den großen Bereichen, wo es um Prävention und Armutsbekämpfung geht? Im Bereich Arbeit hat der Senat sich aus der eigenen öffentlich geforderten Arbeitsmarktpolitik und beruflicher Weiterbildung zurückgezogen. Die Linkspartei alias PDS tut alles, um die positiven Möglichkeiten von Hartz IV zu unterlaufen. Ähnlich wie die FDP stellt die PDS Parteiinteressen über Interessen der Menschen.
Bei der Integrationspolitik kommt der Senat nicht in Gang. Nach zweieinhalb Jahren Regierung bestellt er sich Anträge zur Erarbeitung einer Gesamtkonzeption. Zu mehr als einer Analyse der Lage, die im Grunde allseits bekannt ist, wird es in dieser Wahlperiode offensichtlich nicht kommen. Und bei der Bildung, wo wir uns wahrscheinlich alle einig sind, dass das die beste Chance ist, die wir unseren Kindern auf den Weg geben können, Patzer noch und noch.
Im Bereich Soziales beschloss der Senat ein Sozialticket, das das Attribut „sozial“ nicht verdient und Arme erheblich in ihrer Mobilität und bei ihrer Partizipation am gesellschaftlichen Leben einschränkt. Alles, was für die Armutsbekämpfung richtig und wichtig ist, verfolgt der Senat lustlos und kraftlos, beschränkt sich vorwiegend auf die Analyse der Zustände und auf eine Zuschauerrolle. Das wird der Situation Berlins nicht gerecht. Schon längst hätten Handlungskonzepte und erste Erfahrungsberichte ein Thema in diesem Parlament sein müssen.
In Berlin engagieren sich viele Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen für eine Politik gegen Armut. Statt ihnen einen größeren Raum für ihre Tätigkeiten zuzuweisen, gute Ideen vielleicht zu übernehmen, lässt man zu, dass ihre Spielräume immer enger werden. Wir können dem Senat in Bezug auf Armuts- und Armutsrisikobekämpfung keine gute Note geben.
Politik wird Armut nicht vollständig abschaffen können. Parteien wie Lafontaines PDS, die etwas anderes, sagen, versprechen vorsätzlich etwas Unmögliches. Die Politik muss vor allem die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen die Armut überwinden können, dass sie den Mut zu kämpfen nicht verlieren. Die Menschen sind bereit, zurückzustecken und materielle Einschränkungen zu ertragen, wenn sie eine Perspektive am Horizont sehen und das Gefühl haben, dass ihr Verzicht in ein gerechtes System eingebettet ist.
Die PDS nimmt das Scheitern der Reformen billigend in Kauf, also gibt Parteiinteressen ebenfalls Vorrang. Das sind Zustände, die bei der Bevölkerung ein Gefühl von Unrecht verstärken und die Vermutung bestätigen, dass die Politik kein wirkliches Interesse am Schicksal ihrer Bürger hat. – Danke!
Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage beantwortet und besprochen.
Benennung eines Platzes oder einer Straße nach dem verstorbenen früheren US-Präsidenten Ronald Reagan
Zum Antrag der FDP Drucksache 15/2918 – Stichwort: ein Ronald-Reagan-Platz – empfiehlt der Kulturausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die FDP und die CDU. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.
Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2931 – Stichwort: Benennung eines Platzes oder einer Straße nach Ronald Reagan – empfiehlt der Ausschuss ebenfalls mehrheitlich gegen CDU und FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! FDP und CDU. Die Gegenprobe! – Alle anderen Fraktionen! Enthaltungen? – Gibt es nicht. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3059 – Stichwort: Inge-Meysel-Platz – empfiehlt der Kulturausschuss mehrheitlich gegen die CDU die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das ist die Fraktion der CDU.
Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Enthaltungen? – Bei zwei Enthaltungen aus der CDUFraktion ist dieser Antrag abgelehnt.
Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3127 – Straßenumbenennung nach Bedeutung – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die FDP, CDU und die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Gibt es nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.