Wir brauchen einen Ort, an dem man sich auch erinnern und wo man auch Emotionen zeigen kann – ein Ort, der im kollektiven Bewusstsein verankert ist als ein Ort der Konfrontation und der deutschen Teilung, und das ist nun einmal der Checkpoint Charlie.
[Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Nein, das Brandenburger Tor! – Brauer (Linkspartei.PDS): Die Bernauer Straße!]
Nun frage ich Sie: Was ist ein Ort der Berlinerinnen und Berliner? – Etwa die Bernauer Straße? – Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Abgesehen davon ist doch die Deutsche Teilung etwas, was deutschlandweit und europaweit die Menschen interessiert. Genau deswegen kommen sie in die Mitte Berlins an die herausgehobenen Orte und suchen nach Spuren der deutschen Teilung. Jedes Jahr kommen Hunderttausende an den Checkpoint Charlie. Aber was finden sie dort vor? – Ein paar Schauspieler, die ihr Einkommen aufbessern, indem sie sich dort in historischen Uniformen hinstellen, fliegende Händler, die dort irgendwelche Uniformen und Memorabilien der untergegangenen UdSSR verramschen, und Ödland. Das kann doch nicht der Ort sein, an dem sich Berlin repräsentiert. Das müssen doch auch Sie einsehen.
So, wie es dort aussieht, ist es unwürdig und banal. Schauen wir einmal in das Konzept hinein, das uns Herr Flierl vorgelegt hat! Von 116 Seiten haben sich gerade einmal anderthalb Seiten – wenn wir die bunten Bilder abziehen – mit dem Checkpoint Charlie beschäftigt. Sie schlagen uns dazu vor – man höre und staune: Ein Privater soll sich darum kümmern, das museal aufzuarbeiten. – Dann frage ich Sie allerdings: Was haben Sie eigentlich für ein Problem mit Frau Hildebrandt? Die tut das nämlich bereits an diesem Ort.
[Brauer (Linkspartei.PDS): Waren Sie einmal in ihrem Museum? – Wechselberg (Linkspartei.PDS): Ein Rummelplatz!]
Als Zweites schlagen Sie uns vor, dass Sie uns an einer Bretterwand – Sie nennen es Bauzaunausstellung – deutsche Geschichte erklären wollen. Herr Flierl! Wenn das Ihr Zugang zur deutschen Teilung an diesem Ort ist, dann erklärt sich selbstverständlich einiges.
[Liebich (Linkspartei.PDS): Wer hat denn das Grundstück verkauft? – Abg. Hoff (Linkspartei.PDS) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Nein! Herr Hoff! Ich unterstelle Ihnen gar nichts. Es geht mir nur darum, dass Ihre Frage mich in meinem Vortrag nicht voranbringen wird.
Ihr Ziel ist es nämlich, die Relativierung von Zeitgeschichte vorzunehmen, weil Sie menschliche Schicksale ausblenden wollen. Deswegen waren Ihnen die Kreuze dort am Checkpoint Charlie ein Dorn im Auge. Es sind nämlich menschliche Schicksale, die dahinter stecken.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Liebich (Linkspartei.PDS): Das Grundstück gehört einem Privaten! Sie haben es ihm verkauft! – Weitere Zurufe]
Es wundert mich nicht, denn jemand, der bereit ist, aus Stasi-Schergen Zeitzeugen zu machen, der will an dieser Stelle auch ein relativierendes Museum des Kalten Krieges hinstellen, wo man schön die Verantwortung delegieren kann. Sie sind es ja nicht gewesen. Die Befehle kamen aus Moskau.
[Liebich (Linkspartei.PDS): Das war ein Vorschlag des Deutschen Historischen Museums, nicht der SED!]
Frau Lange! Wenn Sie dann auch noch dem Bezirksbürgermeister von Mitte die Verantwortung für diesen Zustand zuschieben wollen, dann würde ich Ihnen raten, sich mit der Berliner Bezirksverwaltung vertraut zu machen. Die Zuständigkeit für Bauten liegt bei einer Baustadträtin, und die gehört der Partei der Grünen an und nicht der CDU.
12 Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit bilden SPD und PDS eine Koalition, wissend um die zahlreichen Belastungen und Schicksale aus der Zeit der Teilung der Stadt, deren Gründe und Folgen jede Politik für Berlin zu berücksichtigen hat. Vielen Menschen in Ost und West ist die leidvolle Teilung bis heute in schrecklicher Erinnerung. Die 1961 von den Machthabern der DDR und der Sowjetunion errichtete Mauer vollendete und zementierte die Teilung und die Einordnung der Stadthälften in politisch gegensätzliche Systeme. Die Berliner Mauer wurde aber nicht nur weltweit zum Symbol der Blockkonfrontation des Kalten Krieges, sondern vor allem zu einem Symbol für Totalitarismus und Menschenverachtung. Die Schüsse an der Berliner Mauer haben schweres Leid und Tod über viele Menschen gebracht. Sie waren Ausdruck eines Regimes, das zur eigenen Machtsicherung sogar das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit missachtete. Die Mauer durch Berlin und das unmenschliche Grenzregime mitten in Deutschland haben Familien und Freunde auseinandergerissen. Wenn auch der Kalte Krieg von beiden Seiten geführt wurde, die Verantwortung für dieses Leid lag ausschließlich bei den Machthabern in Ostberlin und Moskau. Wenn SPD und PDS jetzt
Ich komme zum Abschluss. Sie können sich wieder abregen. Aber ich verstehe, dass es Sie aufregt, mich regt es nämlich auch auf. Mich regt es auf, dass nach wie vor ein Senator für das Mauergedenken in Berlin zuständig ist, der allein durch seine Vita eine permanente Provokation der Opfer und der Angehörigen der Opfer in Berlin ist.
Das können Sie nicht wegdiskutieren. Dass man aber Herrn Flierl an der Stelle gewähren lässt, dafür trifft selbstverständlich auch den Rest des Senats die Verantwortung.
Dass Herr Wowereit an dieser Stelle eine so zentrale Frage der deutschen Vergangenheit und der Berliner Gegenwart Herrn Flierl überlässt, das finde ich peinlich.
Ich finde es peinlich, dass Sie sich dort Ihrer Verantwortung entziehen. Was dabei herauskommt, haben wir in den letzten Wochen besichtigen dürfen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich einen Hinweis geben. Damit sich die Debatte im weiteren Verlauf im parlamentarischen Umgang nicht ganz so hoch schaukelt, noch einmal der Hinweis auch an Frau Lange: Der Ausspruch: „Sie wollten doch nur pöbeln“ entspricht nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten dieses Hauses.
[Brauer (Linkspartei.PDS): Aber Sie hat Recht! – Dr. Lindner (FDP): Das war doch harmlos. Dann darf man ja gar nichts mehr sagen!]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 13. August dieses Jahres jährt sich zum 45. Mal der Bau der Berliner Mauer, und dies ist die letzte Beratung unseres Hauses vor diesem Ereignis.
Uns ist es wichtig, dass wir dieses Ereignisses auch angemessen gedenken und erinnern. Deswegen haben wir unserem Koalitionspartner, der SPD, vorgeschlagen, hierzu eine Aktuelle Stunde zu machen.
Und wir haben uns auch zügig darauf geeinigt, denn wir haben kein Interesse daran, Herr Zimmer, hier über irgendetwas den Mantel des Schweigens zu hüllen. Wir haben das Interesse, dass darüber geredet wird. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie die Aktuelle Stunde dazu abgelehnt haben.
Wenn wir das tun, knüpfen wir am Ende der Legislaturperiode genau an das an, worauf wir uns zu Beginn – nämlich zum Jahreswechsel 2001/2002 – geeinigt haben. Ich zitiere die Präambel unserer Koalitionsvereinbarung:
eine Koalition eingehen, so sind sie sich der Verantwortung bewusst, die mit diesem Schritt verbunden ist.
Es gab damals heftige Diskussionen in der Stadt, in der Stadt insgesamt, in der Öffentlichkeit, aber auch in den beiden Parteien, die die Koalition geschlossen haben. Es gab massive Austritte, zahlreiche Austritte sowohl in der SPD als auch in der PDS. Es wurde entweder vermutet – wenn ich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zitieren darf –, dass sich die SPD dem Geschichtsbild der SED-Nachfolger untergeordnete habe, oder aber, wie es in unseren Reihen vorgekommen ist, dass die PDS die so genannte historische Wahrheit in Frage gestellt habe.
Herr Hoffmann! Herr Henkel! Herr Zimmer! Sie verdrängen Ihre Versäumnisse in den vorausgegangenen Legislaturperioden. Es waren die CDU-Senatoren Hassemer und Klemann, die sich immer wieder dagegen gesperrt haben, Wachtürme und Mauerteile unter Denkmalschutz zu stellen. Es war Herr Hassemer, der das Landesdenkmalamt angewiesen hat, wider besseres Wissen vor Gericht gegen die Unterschutzstellung der Mauerteile am Potsdamer Platz zu argumentieren. Er hat damals gesagt, der fachlich-öffentliche Konsens sei hierfür nicht vorhanden. Und Herr Zimmer, das ärgert mich besonders mit Blick auf Ihre Rede: Es war die große Koalition aus SPD und CDU unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, die das Gelände am Checkpoint Charlie an Private verkauft hat. Ich weiß nicht, weshalb Sie uns diese Vorwürfe zu dem machen, was auf dem Gelände passiert. Wenn Sie diesen fatalen Fehler nicht gemacht hätten, müssten wir darüber heute nicht reden.
Auch wenn es einigen in dieser Stadt überhaupt nicht in den Kram passt, weil es nicht ihrem Bild von unserer Partei oder dieser Koalition entspricht: Keine der Berliner Landesregierungen, die seit dem Mauerfall 1989 hier regiert haben, hat sich so konsequent wie wir diesem Thema gewidmet.