Die 33. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin ist eröffnet. Ich begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, habe ich die Freude, der Frau Senatorin von der Aue zum Geburtstag zu gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute, Gesundheit und Kraft!
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Eine veränderte Ausschussüberweisung: Auf Wunsch der CDU soll der Antrag der Fraktion der CDU „Eishockey in der Deutschlandhalle auch in 2009 bis 2011!“ Drucksache 16/0993 – am 22. November 2007 zur Beratung an den Sportausschuss und an den Hauptausschuss überwiesen – nunmehr zusätzlich und federführend auch an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen überwiesen werden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann ist dies so beschlossen.
1. Antrag Linksfraktion und der der Fraktion der SPD zum Thema: „Sanierung der Staatsoper unter Wahrung des Denkmalschutzes zügig und sensibel umsetzen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Reisen bildet doch: Buschkowsky bei Kriminalitätsbekämpfung endlich auf CDU-Kurs – Berliner SPD verweigert sich verantwortungsvoller Sicherheits- und Integrationspolitik!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Vom Supersenator zum Superversager – wieder kein geordneter Einstieg in das neue Schuljahr!“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – RotRot muss zuhören, wenn es um die Sicherheit und Zukunft unserer Stadt geht.“.
Ich rufe zur Begründung der Aktualität auf. Dazu hat für die SPD und Linksfraktion der Kollege Dr. Flierl das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Flierl!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kulturausschuss hat am 30. Juni beschlossen, dass vor einer Senatsentscheidung zur Sanierung der Staatsoper das Parlament damit befasst werden solle.
Da der Senat mehrfach erklärt hat, dass noch während der Sommerpause eine Beauftragung erfolgen müsse, ist die heutige Aktuelle Stunde für das Abgeordnetenhaus die einzige, aber auch beste Gelegenheit, diese Frage zu erörtern.
Das am 4. Juni in einer Ausstellung vorgestellte Wettbewerbsergebnis hat einen enormen öffentlichen Streit ausgelöst. Wir erinnern uns: Die Generalplaner sollten unter anderem danach ausgesucht werden, ob es ihnen gelingt, für das Zuschauerhaus einen Entwurf vorzulegen, der sowohl die Ansprüche des Nutzers nach optimaler Akustik und besseren Sichtverhältnissen als auch das Erhaltungsinteresse der Denkmalpflege für den außergewöhnlichen Zuschauerraum ernst nimmt. Bekanntlich kam die Jury zu dem fatalen Ergebnis, dass sich die Nutzeransprüche mit dem Erhalt des bestehenden Zuschauersaals nicht verbinden ließen, und bedachte Klaus Roth und seinen Entwurf mit dem ersten Preis, der einen vollständigen Neubau des Zuschauerhauses vorsieht und von dem jetzt vorhandenen Bau außer dem Apollo-Saal und den oberen Wandelgängen nichts übrig ließe.
Die an und für sich nur positive und insbesondere dem Verhandlungsgeschick des Regierenden Bürgermeisters zu verdankende Tatsache, dass der Bund wenn schon nicht die Staatsoper ganz, aber doch 200 Millionen € für deren Sanierung übernimmt, verkehrte sich mit dem unerwarteten Wettbewerbsergebnis in eine geradezu groteske Situation: statt abzuheben und loszulegen ein Abgrund – wie häufig in Berlin. Aber ich glaube, wir werden darüber hinwegfliegen.
Bei der Debatte sind meines Erachtens folgende Ebenen zu unterscheiden. Erstens: die denkmalpolitische Fragestellung. Gibt es hinreichende Gründe dafür, die als Gesamtkunstwerk denkmalgeschützte Staatsoper in ihrem wichtigsten Teil – dem Zuschauersaal – aufzugeben? Sind die Akustik- und Sichtargumente tatsächlich so überzeugend? Welcher erhoffte oder tatsächliche Gewinn stünde welchem Verlust gegenüber, und verbürgt nicht gerade eine grandiose Musiktheatergeschichte die Brauchbarkeit dieses Saals? Welche Rolle spielt übrigens die Tatsache, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Ost und West – und wie wir inzwischen wissen – selbst unabhängig davon, ob sie tatsächlich im letzten Jahr in der Staatsoper waren, den Erhalt des paulickschen Saals fordern?
Die Entscheidung zur Staatsoper hat aber auch eine strukturpolitische Dimension. Sie betrifft unmittelbar das Verhältnis von Staatsoper und Deutscher Oper und mittelbar das von Mitte und Charlottenburg. Allein durch ihre baulichen Verschiedenheiten verweisen beide großen Opern aufeinander. Programmabstimmung und Kooperation sind seit Langem gefordert, kommen aber nicht zustande. Wenn der Bund die Staatsoper privilegiert, so dürfen wir
die Zukunftsfähigkeit der Deutschen Oper nicht aus dem Blick verlieren. Alle Konzentration in Mitte kann die Stadt nicht wirklich zusammenführen, und über die Frage, ob ein neuer Zuschauersaal der Staatsoper mehr der Staatsoper schadet, weil sie ihre Aura verliert, oder mehr der Deutschen Oper, weil sie ihre Alleinstellung als großes, metropolitanes Opernhaus einbüßt, gehen die Meinungen weit auseinander.
Es gibt auch die Ebene des Vergabeverfahrens. Wie es kommen kann, dass jemand gewinnt, der eine der beiden Wettbewerbsvorgaben ignoriert, wird wohl das Geheimnis der Jury und ihres Vorsitzenden bleiben. Es darf aber nicht dazu kommen – egal, welche Meinung wir hier vertreten –, dass die Entscheidung über die Zukunft der Staatsoper der politischen Willensbildung des Parlaments oder gar der Entscheidung des Senats entzogen wird und nur noch als Ausfluss einer europaweiten Ausschreibungen mit angeschlossener Fachjury quasi einem „Amt für Schönheit“ entspringt.
Ich habe die große Hoffnung, dass das jetzige Verfahren mit der Auswahl eines Generalplaners erfolgreich abgeschlossen werden kann, dass aber Land und Bund immer noch sagen können, was sie bauen möchten und was nicht. Für zukünftige Verfahren ist aus dieser Fehlkonstruktion zu lernen.
Die Argumente liegen alle auf dem Tisch. Sie können sie auch in der Hand halten. Mit der Formulierung des Themas der Aktuellen Stunde haben sich die Koalitionsfraktionen nach internen Kontroversen mehrheitlich für eine zügige, sensible, denkmalgerechte Sanierung der Staatsoper ausgesprochen. Lassen Sie uns zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde die Debatte führen, und dann, sehr verehrter Regierender Bürgermeister, lieber Klaus Wowereit, übernehmen Sie, wägen Sie ab und entscheiden Sie richtig! – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Flierl! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Henkel das Wort zur Begründung. – Bitte schön, Herr Henkel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon äußerst bemerkenswert, was sich im Moment in der Berliner SPD abspielt. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Bezirksbürgermeister von der eigenen Partei wie ein Aussätziger behandelt wird, dass er von der eigenen Abgeordnetenhausfraktion einen Maulkorb verpasst bekommt, weil er über Reiseeindrücke aus europäischen Metropolen sprechen will. Es ist auch nicht alltäglich, dass ein führender Bezirkspolitiker seinen Genossen Realitätsverweigerung vorwirft. Nun ja, möchte man sagen, ob Buschkowsky gegen linke Windmühlen in der eigenen Partei ankämpft, ob sich die Genossen gegenseitig zerfleischen,
ist eigentlich Ihr Problem. Rot-Rot hat es aber auch am letzten Montag im Innenausschuss mit Ihrer Mehrheit abgelehnt, über Problemkieze und integrationspolitische Ansätze aus anderen europäischen Metropolen zu debattieren. Das – so finde ich, findet meine Fraktion – ist ein Armutszeugnis.
Wir haben deutlich gemacht, dass wir Ihnen diese Ignoranz nicht durchgehen lassen werden, deshalb geben wir Ihnen heute erneut Gelegenheit, Ihre Verweigerungshaltung aufzugeben und endlich über die Probleme zu reden, die die Menschen in unserer Stadt wirklich betreffen.
Nun ist Herr Buschkowsky ohne Zweifel ein schwieriger Zeitgenosse. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich ihn für einen politischen Schaumschläger halte, der die Zustände, die er jetzt im Spätherbst seines Politikerdaseins so bitter beklagt, maßgeblich mit zu verantworten hat.
Ich erinnere daran, dass Herr Buschkowsky seit 1989 im Bezirksamt Neukölln Verantwortung trägt und jetzt wie die unbefleckte Empfängnis vom Himmel kommt, als hätte er in den letzten Jahren mit der Berliner Politik nichts zu tun gehabt. Die Wahrheit ist, dass seine Leistungsbilanz in seinem Bezirk vernichtend ist. Dies wird nun noch von einem Gutachten von Wissenschaftlern der Humboldt-Universität bestätigt.
Dieses Gutachten, das den Bezirksbürgermeisterzeitraum von Herrn Buschkowsky von 2001 bis 2006 untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass sich die sozialen Verhältnisse in weiten Teilen von Neukölln deutlich verschlechtert haben. Dieses Gutachten ist eine einzige Ohrfeige für Rot-Rot in Berlin und für Herrn Buschkowsky in Neukölln.
Wenn man von Herrn Buschkowskys Forderungen die populistische Patina abkratzt, bleibt nicht mehr viel an Substanz übrig. Dass er zumindest in der Analyse zu einer späten Einsicht gekommen ist und in vielen Punkten auf CDU-Linie eingeschwenkt ist, begrüßen wir selbstverständlich.
Er hat damit offensichtlich einen wunden Punkt seiner Partei getroffen. Ich verstehe, warum Sie eine solche Debatte scheuen: weil Herr Buschkowsky Ihnen gnadenlos die eigenen Versäumnisse vorhält. Sie verweigern seit jeher eine ernsthafte Debatte über Sicherheits- und Integrationspolitik und überlassen die Kieze sich selbst – vor allem in Neukölln, Wedding und Kreuzberg –, bis diese irgendwann völlig umgekippt sind. Mit vorausschauender Politik hat das nichts zu tun, und das Beispiel Rotterdam zeigt, mit welchem gewaltigen Aufwand man gegensteuern muss, um die Situation wieder ins Lot zu bringen.
Lassen Sie uns heute endlich darüber reden, wie wir in den Problemkiezen Ordnung und Sicherheit durchsetzen können, denn es muss uns alle mit Sorge erfüllen, wenn der GdP-Vorsitzende in einem Interview davor warnt, dass sich die Polizei in einige Stadtteile nicht mehr hineintraut. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir die grassierende Jugendgewalt in den Griff bekommen, an der Migranten einen nach wie vor überproportionalen Anteil haben. Meine Fraktion setzt bei der Bekämpfung von Jugendgewalt auf Prävention und Härte und hat Ihnen einen entsprechenden Maßnahmenkatalog vorgelegt. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir auf Kriminalität und Verwahrlosung reagieren können und wie man z. B. einen Drogensumpf wie die Hasenheide wieder trockenlegen kann. Wir als Union brauchen keine Ratschläge eines selbstverliebten Dummschwätzers, um zu wissen, dass man der hohen Arbeitslosigkeit gerade in den Problemkiezen begegnen muss. Wir haben immer gesagt, Qualifikation ist ein Schlüssel. Aber es muss auch Druck auf diejenigen ausgeübt werden, die sich in unseren Sozialsystemen eingenistet haben. Wir müssen an den Schulen ein Klima schaffen, in dem wieder gerne und vor allem auch angstfrei gelernt werden kann, und es muss entschlossen gegen Schulschwänzer vorgegangen werden – wer würde das bestreiten wollen?
Wenn wir eine dramatische Fehlentwicklung abwenden wollen, dann erfordert das ein konsequentes Durchgreifen. Damit diejenigen, die sich integrieren wollen, eine Chance haben, muss denjenigen, die den gesellschaftlichen Frieden stören, mit Härte und null Toleranz begegnet werden. Wir müssen nicht alles aus anderen europäischen Großstädten übernehmen, aber wir werden auch nicht besser, wenn wir gute Ansätze ignorieren und es versäumen, über den Tellerrand zu schauen. Deshalb sage ich Ihnen von der rot-roten Koalition: Mit Heile-WeltGefasel und Gutmenschentum werden Sie die massiven Probleme in unserer Stadt nicht lösen. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie ein Pulverfass erst explodieren lassen oder ob es nicht doch klüger wäre, vorher nach der Lunte zu treten. Eine Aktuelle Stunde zu all diesen Themen wäre ein guter Anfang. – Herzlichen Dank!
Herr Kollege Henkel! Der Begriff des „selbstverliebten Dummschwätzers“ ist kein parlamentarischer Ausdruck. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechnungshofschelte, desaströser Schulinspektionsbericht, MSAMathepanne, extrem schlechte Noten beim nationalen Bildungsbericht, Lehrermangel etc. – das ist das Resultat
rot-roter Bildungspolitik der letzten sieben Jahre und Grund genug, heute noch einmal darüber zu reden.
Vor drei Wochen haben Tausende Kinder und Eltern aus Friedrichshain-Kreuzberg vor dem Abgeordnetenhaus gegen diese sozial ungerechte Bildungspolitik von Rot-Rot zu Recht protestiert. Heute um 16 Uhr werden erneut Tausende vor der Senatsbildungsverwaltung gegen die selbe desaströse Bildungspolitik protestieren. In der Zwischenzeit melden sich nicht nur Populisten wie Buschkowsky zu Wort, sondern auch seriöse sozialdemokratische Politiker wie z. B. der Bürgermeister von Mitte, Dr. Christian Hanke, der völlig zu Recht die Organisationsrichtlinien und die Lehrerzumessung zum neuen Schuljahr kritisiert und den eigenen Senat auffordert, von diesem ungerechten und falschen Schritt abzurücken. Genau aus diesem Grund wollen wir im Rahmen der Aktuellen Stunde über dieses Problem, das Tausende Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher betrifft, sprechen und nach gemeinsamen Lösungen suchen.
Seitdem es den ersten Entwurf der Organisationsrichtlinien gibt – seit April –, haben wir immer wieder betont, dass dies sozial ungerecht ist und gerade denen schadet, die unsere Unterstützung am nötigsten haben. Das sind insbesondere Kinder in sogenannten sozial benachteiligten Gebieten und Kinder mit Migrationshintergrund. Auf uns hört dieser Senat nicht, auf uns hört die Koalition nicht, ich kann nur sagen: Hören Sie auf Ihre eigenen Parteikolleginnen und -kollegen, die vor Ort tagtäglich mit diesen Problemen zu kämpfen haben!