Protocol of the Session on December 14, 2006

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Ich eröffne die 4. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter zu unserer letzten Sitzung in diesem Jahr sehr herzlich.

Die Sitzung ist schon durch den Posaunenchor einer Prenzlauer-Berg-Gemeinde, wofür wir uns ganz herzlich bedanken, eröffnet worden. Ich hoffe, es wird die Beratungen heute beflügeln.

[Allgemeiner Beifall]

Bevor ich zum Geschäftlichen komme, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung. Ich möchte mich bei dem gesamten Haus, bei jedem Einzelnen von Ihnen wegen meines Fehlers bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters in der letzten Sitzung am 23. November 2006 entschuldigen. Ich bedauere meinen Fehler, ich bedauere meinen Fehler auch deshalb, weil er ein ungünstiges Licht auf unser Haus geworfen hat. Es tut mir leid, dass ich Sie alle und das Haus damit belastet habe. Mir ist klar, dass dadurch das Vertrauen in meine Person bei Einzelnen oder ganzen Fraktionen verloren gegangen ist. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich bemühen werde, dieses Vertrauen durch die praktische Amtsführung zurückzugewinnen. Darum werde ich mich aufrichtig bemühen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich komme zum Geschäftlichen, zu den Mandatsniederlegungen: Frau Ingeborg Junge-Reyer von der SPDFraktion hat ihr Mandat als Abgeordnete niedergelegt, ebenso Frau Iris Spranger, die Staatssekretärin geworden ist und der ich dazu herzlich gratuliere. – Herzlichen Glückwunsch und gute Zusammenarbeit, Frau Staatssekretärin und Frau Alt-Abgeordnete!

[Allgemeiner Beifall]

Und dann hat Herr Kollege Christian Gräff von der Fraktion der CDU das Mandat niedergelegt. Für diese drei Kollegen sind nachgerückt: Frau Kollegin Dr. Susanne Kitschun von der Fraktion der SPD. – Herzlich willkommen! Auf gute Zusammenarbeit.

[Allgemeiner Beifall]

Dann Herr Kollege Günther Krug von der Fraktion der SPD, der kein ganz neuer ist, aber trotzdem gute Zusammenarbeit, Herr Kollege Krug!

[Allgemeiner Beifall]

Und Herr Carsten Wilke von der CDU, auch bekannt. – Herzlich willkommen! Auf gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Am Montag ist vonseiten der Fraktionen der CDU, Bündnis90/Die Grünen und der FDP ein Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen, und zwar zu

dem Thema „Verbraucherschutz vergammelt unter PDSSenatorinnen – Gammelfleischskandal jetzt auch in Berlin“. Ich rufe diese Aktuelle Stunde wie vorgesehen unter dem Tagesordnungspunkt 4 auf, zusammen mit dem dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/118.

Dann möchte ich wieder auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, so bitte ich um eine entsprechende Mitteilung.

Für die zeitweilige Abwesenheit von unserer heutigen Sitzung lagen dem Ältestenrat die folgenden Entschuldigungen vor: Frau Bürgermeisterin Junge-Reyer wird ab ca. 19.30 Uhr abwesend sein, um bei der Öffnungsveranstaltung „50 Jahre Taxi-Weihnacht“ zugegen zu sein. Der Regierende Bürgermeister wird ab ca. 19.45 Uhr, um an der Vorbesprechung für die Bundesratssitzung am 15. Dezember teilzunehmen. Herr Senator Wolf kommt etwas verspätet, wird aber in absehbarer Zeit hier eintreffen.

Dann noch ein weiterer Hinweis: Auf Ihren Tischen finden Sie mit der Bitte zur Kenntnisnahme eine Zusammenstellung der über die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses hinausgehenden Regularien, wie sie der Ältestenrat am Dienstag einvernehmlich beschlossen hat.

[Michael Schäfer (Grüne): Na schön, dass es heute gleich Ausnahmen gab!]

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

a) Erklärung des Regierenden Bürgermeisters

Richtlinien der Regierungspolitik

b) Vorlage – zur Beschlussfassung –

Billigung der Richtlinien der Regierungspolitik

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0100

Zu einer Erklärung gemäß Artikel 58 Absatz 2 Satz 1 der Verfassung von Berlin erteile ich dem Regierenden Bürgermeister das Wort. – Bitte schön, Herr Wowereit, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 17. September dieses Jahres haben die Berlinerinnen und Berliner das neue Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt. Auf der Grundlage des Wahlergebnisses ist uns der Regierungsauftrag erteilt worden, und auf dieser Grundlage haben wir die Fortsetzung der Koalition aus Sozialdemokraten und Linkspartei.PDS beschlossen. Niemand wird bestreiten: Die Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Abgeordnetenhaus in der letzten Sitzung lief holprig, und sie war kein guter Start. Aber täuschen Sie sich nicht, dieser Senat steht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Er steht für einen klaren Wählerauftrag.

[Frank Henkel (CDU): Steht kurz vor dem Abgrund!]

Er steht für soziale Gerechtigkeit. Er steht für eine moderne und innovative Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik. Er steht dafür, auch 17 Jahre nach dem Fall der Mauer die Unterschiede zwischen Ost und West weiter abzubauen. Es dauert eben doch länger als viele dachten, Berlin als eine Stadt zu gestalten. Dieser Senat steht für eine offene Gesellschaft und für eine Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Lebensweise nicht nur toleriert, sondern akzeptiert werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin ist eine Stadt im Wandel, es gibt keine andere europäische Metropole, die sich täglich so stark verändert wie Berlin. Dies ist eine große Chance und zugleich eine große Herausforderung. Die Stadt ist im Umbruch – überall ist die Energie zu spüren, die Berlin verändert. Die Hypotheken der Vergangenheit sind noch nicht abgetragen, und gleichzeitig wirken die Kräfte, die uns vorantreiben. Berlin gilt zu Recht als eine der aufregendsten Städte der Welt. Internationale Metropole zu sein und es täglich zu leben, das ist unser Anspruch. Toleranz und Akzeptanz, Weltoffenheit und Liberalität sind Voraussetzungen dafür. Geistige Enge, Rückwärtsgewandtheit und Provinzialität stehen diesem Anspruch entgegen. Der Berliner Senat steht für diese offene Gesellschaft und wird sie weiter ausbauen. Berlin ist offen für Menschen aller Nationen, aller Hautfarben und Konfessionen sowie unterschiedlicher Lebensweisen,

[Dirk Behrendt (Grüne): Kreuzberg auch!]

sie machen uns reicher, sie sind willkommen, um ihrer selbst willen, aber auch, weil Vielfalt Bereicherung ist. Deshalb bekämpfen wir Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, denn es geht um Menschenrechte und Menschenwürde, und es geht um unsere gemeinsame Zukunft in Frieden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir freuen uns, dass mehr jüdisches Leben in die Stadt zurückgekehrt ist; die jüdische Gemeinde ist integrierter Teil unserer Gesellschaft.

Unsere Gesellschaft muss wehrhaft sein, unsere Demokratie muss wehrhaft sein. Dies bedeutet, dass wir unsere demokratischen Freiheiten nicht von ewig Gestrigen und Demokratiefeinden in Frage stellen lassen dürfen. Neonazis und rechtsgerichtete Gruppierungen müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ich weiß, dass Verbote nicht alle Probleme lösen. Ist ein demokratischer Staat aber gut beraten, den Feinden der Demokratie Rechte aus dem Parteienprivileg einzuräumen? – Ich werde mich jedenfalls weiterhin dafür einset

zen, einen Antrag zum Verbot der NPD ernsthaft zu prüfen, damit dies aufhört.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der Senat wird ein Landesprogramm zur Förderung von Demokratie sowie Bekämpfung des Rechtsextremismus, des Rassismus und des Antisemitismus erarbeiten und hierfür eine Steuerungsstelle einrichten. Bei diesem Kampf brauchen wir Partner, es muss ein gesamtgesellschaftlicher Konsens sein, überall dort, wo Diskriminierung und Ausgrenzung stattfindet, einzuschreiten. Es sind oft junge Menschen in den Schulen oder in den Kirchen, die sich in Initiativen gegen rechts zusammenfinden. Ihnen gilt unser besonderer Dank, wir werden sie unterstützen. Die Devise lautet: Keine Toleranz der Intoleranz! Gesicht zeigen! Erinnern und nicht vergessen!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Berlin ist offen für Gegensätze. Wir halten sie nicht nur aus, sie sind unser Markenzeichen. Aus der Spannung, die sie erzeugen, entsteht die Energie, die Berlin in Bewegung bringt. Anpassung und Provokation, Establishment und Nische, Charme und Ruppigkeit – diese Widersprüchlichkeit ist eine der Triebkräfte dieser Stadt. Berlin ist nicht fertig, und Berlin ist auch nicht einfach. Trotzdem oder gerade deshalb kommen viele junge Menschen aus der ganzen Welt nach Berlin. Sie wollen hier zeitweise oder dauerhaft sich und ihre Ideen verwirklichen; hier finden sie Platz und Möglichkeiten dazu, und davon profitiert die ganze Stadt.

Berlin ist offen für Veränderungen. Die Geschwindigkeit des Wandels in einer globalisierten Welt verlangt die ständige Bereitschaft dazuzulernen. Manchmal hält unser Denken und Handeln mit den Veränderungen nicht Schritt.

[Mario Czaja (CDU): Ja!]

Das bedroht unsere Sicherheit manchmal mehr als die Veränderung selbst. Nur aus Angst am Gewohnten festzuhalten, kann gefährlicher sein als Reformen zu wagen. Dieser Senat hat den Mut zu Veränderungen, den Mut, sie auch gegen Widerstände durchzusetzen. Das hat uns in der vergangenen Legislaturperiode ausgezeichnet, und dieser Mut wird uns auch in der neuen Legislaturperiode prägen. Veränderungen bedeuten aber auch Beteiligungen. Nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger, sondern mit ihnen gemeinsam werden wir die Zukunft Berlins gestalten; wir brauchen diese aktive Partnerschaft. Das wird nur möglich sein, wenn der Grundgedanke der sozialen Gerechtigkeit nicht vernachlässigt wird. Dieser Senat ist der Garant für soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt. Mit uns wird es kein Darwinismus zu Lasten von Schwächeren geben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]