Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Wir wollen zwischen den Generationen einen gerechten Ausgleich schaffen, und wir dürfen unsere älteren Menschen nicht vernachlässigen. Ihnen gilt unsere besondere Solidarität; wir müssen dafür sorgen, dass jeder in Würde

alt werden und auch in Würde sterben kann. Wir werden in allen gesellschaftlichen Bereichen für einen gerechten Ausgleich sorgen. Gerade im Bereich der Bildung kommt es darauf an, Chancengerechtigkeit zu schaffen.

[Mario Czaja (CDU): Auch in Kreuzberg? – Zuruf von Dirk Behrendt (Grüne)]

Soziale Gerechtigkeit braucht eine materielle Grundlage. Deshalb wird der Senat weiterhin alles tun, um Arbeitsplätze in der Stadt zu erhalten und neue zu schaffen. Es gibt keinen Gegensatz zwischen industriellen und Dienstleistungsarbeitsplätzen.

[Mario Czaja (CDU): Das ist aber neu!]

Wir brauchen beides in der Stadt.

[Mario Czaja (CDU): Ach so!]

Industrielle Arbeitsplätze lassen sich in der Stadt nur halten und schaffen, wenn von den Unternehmen rechtzeitig in Innovation und in die Entwicklung neuer Produkte investiert wird. Dafür bietet Berlin hervorragende Bedingungen: Die Nähe zu den Universitäten und Fachhochschulen, den Forschungseinrichtungen bietet einen unschätzbaren Standortvorteil. Viele Unternehmen nutzen diese Vorteile bereits und haben sich erfolgreich auf den Märkten der Welt positioniert. Als Senat werden wir Einrichtungen wie „Berlin Partner“, der IBB und der Technologiestiftung jede erdenkliche Unterstützung gewähren, um die Bedingungen für Innovationen und neue Arbeitsplätze weiter zu verbessern. Klar ist: Wir werden mit den Niedriglohnländern – auch in unserer Nachbarschaft oder weiter weg in Asien zum Beispiel – keinen Wettbewerb um die niedrigsten Löhne gewinnen können. Wir stellen uns aber dem Qualitätswettbewerb und dem Wettbewerb um die besten Ideen und Innovationen, und den wollen wir gewinnen, den müssen wir gewinnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Joachim Esser (Grüne): Mit dem Senat bestimmt nicht!]

Dazu könnte mir jetzt viel einfallen, Herr Esser! –

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Das dauert zu lange, Frau Ströver! –

Wir Deutsche sind stolz auf die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft. Jahrzehntelang war dies ein Erfolgsmodell, und Gewerkschafter und Unternehmer waren beide gemeinsam Garant für den sozialen Frieden in unserer Republik. Dies darf nicht aufgegeben werden. Bei den Bemühungen zum Erhalt der Arbeitsplätze – bei Samsung, JVC, CNH und Bosch Siemens Hausgeräte – waren es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf Einkommen verzichtet und damit einen eigenen Beitrag zur Rettung ihres Unternehmens geleistet haben. Leider ist es nur in einem Fall gelungen, die Schließung des Betriebes zu verhindern. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Profitgrenzen und die Wahrnehmung von sozialer Verantwortung auch durch Aktionäre und Vorstände.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Um Missverständnissen vorzubeugen: Unternehmen müssen und sollen selbstverständlich Profit machen. Es kann aber nicht akzeptiert werden, dass Hunderten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekündigt wird, weil 15 % mehr Gewinn nicht mehr ausreicht, sondern weil man 20 % oder 25 % einfordert und deshalb die Mitarbeiter auf die Straße schickt. Das kann in einer sozial gerechten Gesellschaft von uns nicht akzeptiert werden, dagegen müssen wir uns verwahren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

An der Mitbestimmung oder dem mangelnden Willen zum Lohnverzicht ist noch keine Unternehmenssanierung gescheitert. Der Senat steht an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die um ihren Arbeitsplatz kämpfen, und er wird im Rahmen der Fördermöglichkeiten alles tun, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben können.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir werden weiterhin ein verlässlicher Partner für Unternehmen sein, die sich hier neu ansiedeln oder bestehende Betriebe erweitern wollen. Und wir werden die Förderkulisse ständig auf die neuen Herausforderungen ausrichten.

Trotz aller Schwierigkeiten gibt es gute Botschaften und positive Signale für Wachstum. Ein paar Beispiele: Erneut wird Berlin mit seiner Wissenschaftslandschaft als TopInnovationsstandort in Europa notiert. Aus Adlershof kommt eine frische und hoch erfreuliche Nachricht: Der Wissenschaftspark Adlershof wächst in diesem Jahr erneut zweistellig, sowohl beim Umsatz als auch bei den Arbeitsplätzen. Seit Gründung des Biotop-Netzwerks vor zehn Jahren wurden in der Hauptstadtregion 120 Unternehmen der Biotechnologiebranche neu gegründet. Kreative Branchen erobern die vielen Freiräume der Stadt mit ihren Ideen und schaffen neue Arbeitsplätze. Mit über 1 300 Unternehmen ist Berlin die Hauptstadt des Designs. Auch in der Musik, im Film und in der Mode nimmt Berlin einen Spitzenplatz ein.

Berlin ist das schnellste Land bei den veränderten Ladenöffnungszeiten. Der Einzelhandel spürt erstmals seit langem wieder Aufwand.

[Heiterkeit bei der CDU und den Grünen]

Aufwind! – Aufwand auch! – Es war gut, dass wir mit dem Gesetz Tempo gemacht haben und Berlin damit für Besucher noch attraktiver wurde. Wir können es gerade in diesen Tagen spüren: Es war eine richtige Entscheidung. Es hat sich gelohnt. Und es bringt zusätzliche Kaufkraft in diese Stadt, die wir dringend brauchen. Damit werden neue Arbeitsplätze geschaffen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin steuert erneut auf einen Tourismusrekord zu. Neben den Effekten der Fußballweltmeisterschaft ist dies ein stabiler, langfristiger Trend. Wir werden weiter in Marketing investieren und zum Beispiel für Berlin als Kulturstadt werben.

Diese guten Nachrichten fallen zusammen mit einer deutlich besseren Situation am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen ist auch im November gesunken. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Auf dem Lehrstellenmarkt gibt es positive Signale. Seit Beginn des Jahres registriert die Industrie- und Handelskammer über 12 000 neue Ausbildungsverhältnisse. Das sind rund 11 % mehr als im Vorjahr.

Diese Nachrichten sind eine Ermutigung zu Kontinuität und Verlässlichkeit. Die Richtung stimmt. Wir brauchen keinen Kurswechsel. Wir müssen alles daran setzen, dass die eingeleiteten Entwicklungen an Dynamik gewinnen.

Verlässlichkeit ist auch bei unserem wichtigsten Infrastrukturprojekt in der Region das Wichtigste. Wir haben den Flughafen Berlin Brandenburg International in Schönefeld unumkehrbar auf den Weg gebracht. Die Bauarbeiten haben sichtbar begonnen. Trotz einzelner vergaberechtlicher Schwierigkeiten sind wir im Zeitplan. Bei der Vergabe sind in erheblichem Umfang regionale Firmen berücksichtigt worden. Wir haben Transparency International mit engagiert, um auch die Auftragsvergabe kritisch mitzubegleiten, damit dort alles mit Recht und Gesetz zugeht. Wir werden alles tun, damit der Flughafen pünktlich zum Winterflugplan 2011 fertig sein wird.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der Schließungsbeschluss zum Flughafen Tegel ist rechtskräftig. Das Gerichtsverfahren zum Flughafen Tempelhof wird am 19. Dezember stattfinden. Alle drei Gesellschafter haben den Schließungsantrag gemeinsam getragen und tragen ihn noch heute. Auf der Grundlage des bekundeten Interesses eines Investors hat noch einmal eine rechtliche Prüfung stattgefunden, ob der Flugbetrieb in Tempelhof für eine beschränkte Nutzung offen gehalten werden kann. Diese Prüfung ist unter Hinzuziehung mehrerer Experten negativ ausgefallen. Das Risiko für den Planfeststellungsbeschluss erscheint als zu hoch. Demgemäß übernimmt kein Gesellschafter, auch nicht der Bund, die Verantwortung für ein weiteres Offenhalten des Flughafens Tempelhof. – Herr Pflüger! Es ist ein Unterschied, ob Sie im Wahlkampf eine Rede halten oder verantwortungsvolle Politik übernehmen. Die drei Gesellschafter, inklusive des Bundes, übernehmen diese Verantwortung. –

[Starker Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der CDU]

Wir freuen uns über das Interesse von Investoren am Flughafen Tempelhof. Auch ohne Flugbetrieb kann das gesamte Areal von großem Interesse für Investoren sein.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Sie freuen sich! – Frank Henkel (CDU): Deshalb behandeln Sie sie so gut!]

Da werden wir die Investoren auch unterstützen. Dieses habe ich dem einen Investor schon mitgeteilt, und das werden wir auch die anderen wissen lassen. – Das ist der Unterschied zwischen unserer Politik, lieber Herr Dr. Lindner: Sie fordern weiter die Offenheit des Flugha

fens Tempelhof, wir sagen, er wird geschlossen. Das ist ganz eindeutig.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Sie sind ein Schließer, wir sind Öffner! Das ist der Unterschied!]

Berlin macht nach vielen Jahren wirtschaftlicher Stagnation einen sichtbaren Schritt nach vorne.

[Zuruf von der CDU: Gammelfleisch!]

Getragen wird der Aufschwung von Menschen mit Ideen und Überzeugung. Technologie, Talente, Toleranz – viele sehen in diesem Dreiklang die Zukunft moderner Metropolen. Die so genannten Creative Industries von Musik, Film und Medien über Mode und Design bis hin zur Literatur und Fotografie haben sich zu einem wichtigen Element der Berliner Wirtschaft entwickelt. Berlin inspiriert mit seiner ganzen Widersprüchlichkeit, mit seiner Geschichte, mit seinen ständigen Veränderungen, mit der vielerorts spürbaren Aufbruchstimmung. Immer mehr kreative Köpfe und junge Talente kommen nach Berlin, um die vielen Freiräume zu nutzen, um sich hier einzubringen. Die Kulturwirtschaft, in der über 80 % der Unternehmen weniger als drei Beschäftigte haben, ist eine der dynamischsten, aber auch schnelllebigsten Branchen. Vorausschauende Politik muss diese Entwicklung aufmerksam verfolgen, um die Chancen effektiv zu nutzen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Staatsoper!]

Für die Förderung und Vernetzung in der Film- und Medienwirtschaft haben wir mit dem Medienboard eine hervorragende Struktur geschaffen. Weil sich der Senat der Schlüsselstellung der Creative Industries bewusst ist, werden wir auch für die übrigen Bereiche der Kreativwirtschaft die Vernetzung und den Aufbau von Wertschöpfungsketten ausbauen.

Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Weichenstellungen vorgenommen. Die Positionierung und Profilierung des Wirtschaftsstandorts Berlin war und ist aber ein Gemeinschaftswerk. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Industrie- und Handelskammer, bei der Handwerkskammer, bei Berlin Partner – namentlich bei Herrn Eckrodt –, aber auch bei den Gewerkschaften und bei vielen anderen mehr für die gute Zusammenarbeit. Wir sind gemeinsam ein großes Stück weitergekommen. Dies muss auch für die Zukunft prägend sein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es gibt einen breiten Konsens über die Chancen der Stadt. Gemeinsam mit unseren Partnern in der Wirtschaft und in der Wissenschaft sind wir von der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft überzeugt. Und weil wir selbst davon überzeugt sind, werden wir auch andere davon überzeugen.

Bildung ist der Reichtum unserer Stadt. Um diesen positiven Trend nachhaltig abzusichern, muss weiterhin in Bildung, Ausbildung und Wissenschaft investiert werden.

[Benedikt Lux (Grüne): Außer in Kreuzberg!]

Zu Kreuzberg komme ich auch noch! – Bildung und Wissen sind die Schlüsselressourcen für die Zukunft Berlins. Um Bildungs- und Wissenschaftspolitik von der Kita bis zur Hochschule aus einem Guss zu betreiben und Berlins Position als innovative Metropole und als erste Adresse für junge Talente auszubauen, haben wir diese beiden Ressorts zusammengeführt und mit Prof. Zöllner einen bundesweit anerkannten Bildungsfachmann als Senator gewonnen. Darauf sind wir besonders stolz. Herzlich Willkommen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch herzlichen Glückwunsch zum Vorsitz in der Kultusministerkonferenz!

Kitas sind Bildungseinrichtungen. In ihnen werden die Grundlagen gelegt. Berlin bietet schon heute von allen Bundesländern die besten Rahmenbedingungen für vorschulische Erziehung und Bildung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Tosender Beifall!]