Protocol of the Session on June 25, 2009

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 50. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste sowie die Zuhörer und die Medienvertreter ganz herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich.]

Am 5. Juni 2009 ist der frühere Abgeordnete, Senator und Stadtälteste von Berlin, Dr. Hans-Jürgen Behrendt im Alter von 91 Jahren verstorben. Mit Hans-Jürgen Behrendt verliert Berlin einen engagierten Politiker der ersten Stunde, der über 30 Jahre in Berlin in der Landes- und Bezirkspolitik tätig war.

Hans-Jürgen Behrendt, 1917 in Danzig geboren, studierte nach dem Abitur in Berlin Medizin in Tübingen, Hamburg und Berlin. 1941 schloss er das Studium mit der Promotion zum Dr. med. ab. Im Anschluss musste er – wie die meisten seiner Generation – am Zweiten Weltkrieg teilnehmen und wurde an der Ostfront als Truppenarzt eingesetzt.

Die schrecklichen Erlebnisse an der Front waren prägend für den weiteren Lebensweg von Dr. Hans-Jürgen Behrendt.

Nach Ende des Krieges wurde er Regierungsrat im Landesgesundheitsamt Thüringen und arbeitete dann als Referatsleiter in der Zentralverwaltung für Gesundheitswesen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone und schließlich als Ärztlicher Referent im Landesgesundheitsamt Berlin.

1946 wurde Dr. Hans-Jürgen Behrendt zum Bezirksrat, später nannte man das dann Bezirksstadtrat für Gesundheitswesen, in Charlottenburg gewählt und übte in Personalunion auch das Amt des Amtsarztes aus. Von 1961 bis 1963 war er Senator für das Gesundheitswesen im Land Berlin.

Dr. Hans-Jürgen Behrendt gehörte von 1951 bis 1952 und von 1963 bis 1975 als Mitglied der CDU-Fraktion dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Acht Jahre war er Stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion.

Dr. Hans-Jürgen Behrendts besonderer Schwerpunkt war die Gesundheitspolitik. Zwölf Jahre gehörte er dem Ausschuss für Gesundheit an und leitete diesen acht Jahre lang als Vorsitzender. Darüber hinaus arbeitete er in seiner 14-jährigen Parlamentszugehörigkeit im Ältestenrat, im Hauptausschuss und im Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Der neugegründeten CDU war Dr. Hans-Jürgen Behrendt im September 1945 beigetreten. Er diente seiner Partei in den Jahren in verschiedenen Funktionen; so war er von 1959 bis 1965 Kreisvorsitzender der CDU Charlottenburg und von 1965 bis 1967 2. Landesvorsitzender der CDU Berlin.

Darüber hinaus engagierte sich Dr. Behrendt im vorpolitischen Raum in Berufsverbänden und ärztlichen Fachverbänden. Zehn Jahre wirkte er als Vorsitzender des Verbandes der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes und war Mitglied des Präsidiums des Deutschen Ärztetages.

Dr. Hans-Jürgen Behrendt hat sich in seinem langjährigen gesundheitspolitischen Engagement in besonderer Weise für den Aufbau effektiver Strukturen im öffentlichen Gesundheitswesen eingesetzt.

Der Christdemokrat Dr. Hans-Jürgen Behrendt hat sich mit seiner Arbeit und seiner hohen fachlichen Kompetenz über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg hohes Ansehen erworben. Das Abgeordnetenhaus und der Senat würdigten im September 1982 das langjährige Engagement von Dr. Hans-Jürgen Behrendt für unser Gemeinwesen mit der Verleihung der Würde des Stadtältesten von Berlin.

Wir nehmen Abschied von unserem ehemaligen Kollegen Dr. Hans-Jürgen Behrendt und gedenken seiner in Hochachtung.

[Gedenkminute]

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Dr. Hans-Jürgen Behrendt erhoben. Ich danke Ihnen!

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie auf folgenden Vorgang aufmerksam machen: In der Nacht zum 18. Juni 2009 wurden zwei Fahrzeuge vor dem Wohnhaus des Abgeordneten Dr. Robbin Juhnke in Neukölln in Brand gesteckt. Zu dieser feigen und verabscheuungswürdigen Straftat, die sich gezielt gegen einen Kollegen aus unserem Haus richtete, bekannten sich die anonymen Täter im Internet.

Mit diesem Brandanschlag sollte ein frei gewähltes Mitglied dieses Hauses bedroht und eingeschüchtert werden. Bewusst wurde dabei einkalkuliert, die Familie des Kollegen und unbeteiligte Nachbarn im unmittelbaren Wohnumfeld in Angst und Schrecken zu versetzen.

Hierzu möchte ich feststellen: Das Abgeordnetenhaus verurteilt auf das Schärfste die Gewaltanwendung und Bedrohung von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und ihrer Familien. Die freie Meinungsäußerung und Mandatsausübung der vom Volk gewählten Abgeordneten ist ein hohes Gut in unserer repräsentativen Demokratie, das es zu schützen gilt.

Wer glaubt, Gewalt gegen den einzelnen Bürger oder Vertreterinnen und Vertreter unseres Rechtsstaates als

Mittel der Politik einsetzen zu können, wird auf den entschiedenen Widerstand aller demokratischen Parteien und Institutionen stoßen. Für solche Taten gibt es keine Rechtfertigung.

Wir als frei gewähltes Parlament werden es nicht hinnehmen, dass Mitglieder dieses Hauses bedroht, beschimpft oder gewaltsam attackiert werden, nur weil sie von ihrem verbrieften Recht Gebrauch machen, ihre Meinung zu sagen und als Abgeordnete zu vertreten.

Alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses, deren Familien und unbeteiligte Dritte, die von solchen Angriffen betroffen sind, können sich der Solidarität der Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause gewiss sein.

Und ich wiederhole noch einmal, was ich an dieser Stelle schon vor einiger Zeit gesagt habe: Im demokratischen Rechtsstaat sind nicht nur Gewalttaten strafbar, sondern auch die Nötigung von Verfassungsorganen. Deshalb sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei aufgefordert, alles zu unternehmen, um die Straftäter zu ermitteln, vor ein Gericht zu bringen und der gerechten Bestrafung zuzuführen.

[Allgemeiner Beifall]

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über „Verbot von Diskriminierung aufgrund sexueller Identität ins Grundgesetz!“, Drucksache 16/0509, überwiesen in der 12. Sitzung am 24. Mai 2007 federführend an den Rechtsausschuss sowie mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wird nunmehr zurückgezogen. Ich verweise dazu auf die Drucksache 16/2518 Neu, die zum Tagesordnungspunkt 4 b aufgerufen werden wird.

Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD zum Thema: „Mehr Studienplätze, hochwertiges Studium, exzellente Forschung: Bund-LänderHochschulpakt zukunftsweisend umsetzen“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Herr Körting, stoppen Sie den roten Terror – Berlin darf nicht Hauptstadt des Linksextremismus werden!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Wissenschaftsstandort Berlin in Gefahr – maximale Unklarheit bei Hochschulverträgen und Charité.“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Katastrophales Agieren des Senats beim Thema Tempelhof: erst werden die Bürger hinsichtlich der Öffnung des Geländes ausgetrickst, dann lässt Rot-Rot die Polizei bei der Abwehr der linken Gewalt allein“.

Zur Begründung der Aktualität rufe ich Herrn Abgeordneten Oberg von der Fraktion der SPD auf. – Sie haben das Wort, Herr Oberg!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wollte bestreiten, dass die Wissenschaftspolitik und die Zukunft der Hochschulen in Berlin größte Aktualität besitzen? – Da sind zum einen die Verhandlungen über die Finanzierung der Hochschulen, die immer noch nicht abgeschlossen sind, da ist zum anderen die Umsetzung des zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarten Hochschulpakts, mit dem zusätzliche Studienplätze auch in Berlin finanziert werden sollen. Vor diesem Hintergrund möchten wir heute über die zentralen Weichenstellungen für die Wissenschaftspolitik in Berlin sprechen; es ist an der Zeit, darüber zu sprechen, wie es mit den Hochschulen in Berlin weitergehen soll. Dabei stehen für uns folgende Punkte im Vordergrund.

Erstens: Wir wollen die Grundfinanzierung der Hochschulen in Berlin auf eine verlässliche Basis stellen, die die Leistungsfähigkeit der Hochschulen dauerhaft sichert.

[Ramona Pop (Grüne): Das glaubt Ihnen doch keiner mehr!]

Zweitens: Wir unterstützen den Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner bei den noch laufenden Verhandlungen, eine Finanzierungslücke für die Hochschulen gerade in den Jahren 2010 und 2011 zu verhindern.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Jürgen Zöllner hat dabei die volle Rückendeckung dieser Koalition.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Ah ja! – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Ach, Herr Meyer! Blasen Sie sich nicht so auf! Schlips, Kragen und einen Platz in der ersten Reihe machen aus einem Bürschchen noch keinen Oppositionsführer!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von der FDP]

Drittens: Wir wollen den Hochschulpakt dafür nutzen, zusätzliche Studienplätze in Berlin zu schaffen. Diese zusätzlichen Studienplätze sind wichtig, um auch den Abiturienten des doppelten Jahrgangs 2012 die Chance auf ein Studium in Berlin zu geben. Außerdem machen wir uns als Koalition gerade daran, die größte Schulstrukturreform in der Geschichte Berlins umzusetzen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ein zentrales Ziel dieser Reform ist es, mehr Abiturienten den Weg an die Hochschulen zu ermöglichen, und das können wir nur dann, wenn wir zugleich die Zahl der Studienplätze erhöhen.

[Volker Ratzmann (Grüne): Und finanzieren! Vergessen Sie das nicht! – Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Die Aktuelle Stunde ist auch der richtige Ort, um darüber zu sprechen, dass wir die Sorgen der Hochschulen, wie in den nächsten Jahren die zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgeglichen werden können, sehr ernst nehmen.

Präsident Walter Momper

Dazu gehört, dass wir als Koalition gegenwärtig einen Weg suchen, dieses Problem zu lösen. Wir haben hier noch Hausaufgaben zu erledigen, das mag keiner bestreiten, aber wir werden sie machen.

Außerdem wollen wir mit Ihnen darüber sprechen, wie diese Koalition den Schwerpunkt Bildung auch im Wissenschaftsbereich umsetzen wird. Dass wir das tun, steht außer Zweifel, wenn man sich die beachtliche Liste der Erfolge in der Wissenschaftspolitik der letzen Jahre anschaut. Auch in den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir den Beweis antreten, dass die Wissenschaft – wie der gesamte Bildungsbereich – Priorität besitzt. Daran können Ihre Pressemitteilungen ebenso wenig wie Ihre Zwischenrufe etwas ändern, und am Ende kann man uns an unseren Taten messen und Sie an Ihren Worten.